TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/12 G301 2220773-1

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Veröffentlicht am 12.05.2020
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Entscheidungsdatum

12.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G301 2220773-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde der XXXXauch: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 28.05.2019, Zl. XXXX, betreffend Einreiseverbot, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend Einreiseverbot wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich - Außenstelle St. Pölten, der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) zugestellt am 29.05.2019, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach "Bosnien" (richtig: "Bosnien und Herzegowina") zulässig ist (Spruchpunkt II.); gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen die BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.); sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Mit dem am 27.06.2019 beim BFA, Regionaldirektion Niederösterreich - Außenstelle St. Pölten, eingebrachten und mit 24.06.2019 datierten Schriftsatz, erhob die BF durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend Einreiseverbot. Die übrigen Spruchpunkte des Bescheides blieben unangefochten.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 03.07.2019 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina.

Die BF wurde am XXXX05.2019 festgenommen und befand sich bis XXXX05.2019 in Verwaltungshaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) XXXX. Mit Mandatsbescheid des BFA vom XXXX05.2019 wurde über die BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die BF befand sich von XXXX05.2019 bis zu ihrer Abschiebung in Schubhaft im PAZ XXXX.

Die BF wurde am XXXX05.2019 auf dem Luftweg von Österreich nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die Feststellung zur Abschiebung der BF beruht auf dem diesbezüglichen Abschiebebericht der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX vom XXXX05.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Prozessgegenstand und Prüfungsumfang:

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde ausdrücklich nur der Spruchpunkt III. des im Spruch angeführten Bescheides betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes angefochten. Die übrigen unangefochten gebliebenen Spruchpunkte sind somit in Rechtskraft erwachsen.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) beschränkt sich die Prüfung der vorliegenden Beschwerde somit auf den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides.

3.2. Zum Einreiseverbot:

Die belangte Behörde hat das gegenständliche und auf die Dauer von drei Jahren befristete Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass die BF am XXXX05.2019 angehalten und fremdenpolizeilich kontrolliert wurde, mit dem Ergebnis, dass ihr Aufenhalt in Österreich nicht rechtmäßig sei. Die BF sei mittellos und könne sich daher den Aufenthalt in Österreich nicht finanzieren. Aufgrund der Mittellosigkeit gehe zudem die Befürchtung aus, dass die BF bei einem weiteren Aufenthalt in Österreich eine Arbeit ohne Bewilligung aufnehmen könnte und es bestehe die Gefahr, dass die Begehung von strafbaren Handlungen als potenzielle Einkommensquelle genutzt werden könnte. Das Einreiseverbot sei für das Wohl Österreichs und auch zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten. Der weitere Aufenthalt der BF stelle eine Gefährung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar oder laufe anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider, weswegen die Verhängung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer zwingend nötig sei.

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist nach der Ziffer 6 insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Begründung des angeordneten Einreiseverbots großteils auf rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur und auf modulhaft gehaltene Formulierungen beschränkt hat, aber fallbezogene Erwägungen zur Frage, inwieweit die öffentliche Ordnung und Sicherheit tatsächlich konkret gefährdet wäre, nicht getroffen hat. Die belangte Behörde führte lediglich an, dass der Aufenthalt der BF durch ihre Mittellosigkeit und der damit einhergehenden - von der belangten Behörde allerdings nicht näher begründeten - Gefahr, dass es zur Einkommensbeschaffung durch die Begehung von strafbaren Handlungen komme, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle.

Für die Erlassung eines Einreiseverbots nur wegen Mittellosigkeit ist jedoch erforderlich, dass diese festgestellte Mittellosigkeit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung in Österreich darstellt, wobei jedenfalls eine auf das konkrete Verhalten des Fremden abstellende Gefährdungsprognose anzustellen ist.

Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) "Schwere des Fehlverhaltens" der BF anzunehmen gewesen wäre. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des "Gesamtverhaltens" der BF zugrunde gelegen wären, wurden nicht hinreichend dargelegt. Insoweit die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung ausführte, dass die BF eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstellen würde, ist einzuwenden, dass Umstände, die für die konkrete Annahme der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die BF sprechen würden, überhaupt nicht ersichtlich sind. So hat die belangte Behörde völlig außer Acht gelassen, dass die BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist und angab, ausschließlich aus dem Grund nach Österreich gekommen sei, um persönliche Gegenstände abzuholen und anschließend umgehend wieder in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren. Es habe dabei aber nicht die Absicht, weiter in Österreich zu bleiben. Dieses Vorbringen erscheint gerade auch vor dem Hintergrund, dass es zwischenzeitlich zur Trennung von ihrem in Österreich lebenden Verlobten gekommen sei, durchaus schlüssig und nachvollziehbar. Weiters wurde auch der Umstand, dass die BF im Besitz von zumindest 300 Euro war und ihr auch eine finanzielle Unterstützung durch ihre Familie zukommen hätte können, womit sie ihren kurzfristigen Aufenhalt in Österreich bis zu ihrer Ausreise finanzieren hätte können und daher ihr Unterhalt für die beabsichtige Dauer ihres Aufenthals als gesichert erscheint, bei der Verhängung des Einreiseverbotes nicht hinreichend berücksichtigt.

Konkrete Umstände, die für die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die BF auch nach einer Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet - und jedenfalls während der festgelegten Dauer des Einreiseverbots - sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Auch konkrete Umstände dahingehend, weshalb dennoch davon auszugehen wäre, dass eine neuerliche Rückkehr nach Österreich bzw. in den Schengen-Raum - etwa während der Dauer eines unionsrechtlich erlaubten visumfreien Aufenthalts - eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstellen würde, zeigte die belangte Behörde nicht auf.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellt der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-Richtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebieten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist (VwGH 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237; 16.11.2012, Zl. 2012/21/0080).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde nicht hinreichend begründet, weshalb in Gesamtbetrachtung aller Umstände jedenfalls nicht von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden könne, zumal die BF die zulässige Aufenthaltsdauer nur geringfügig überschritten hatte und auch nicht die Absicht verfolgte weiterhin im Bundesgebiet zu bleiben. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt auch jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden, und die letztlich für die Festlegung der Dauer ausschlaggebend waren.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie hinsichtlich der Erlassung eines Einreiseverbotes entscheidungswesentliche Ausführungen seitens der BF außer Acht ließ und die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Da sich das Einreiseverbot als rechtswidrig erweist, war in Stattgebung der Beschwerde Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 iVm. § 27 VwGVG aufzuheben (Spruchpunkt A.).

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.4. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2220773.1.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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