Entscheidungsdatum
13.05.2020Norm
AVG §71Spruch
W203 2230551-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Vizerektors für Lehre und Studierende an der Johannes Kepler Universität Linz vom 15.11.2019, Zl.: 09660378, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 26.03.2020, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 26.03.2020 mit der Maßgabe bestätigt, dass Spruchpunkt 1. des Bescheides vom 15.11.2019 zu lauten hat:
"Der Antrag vom 31. Oktober 2019 (1.) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist für den Antrag auf Beurlaubung gemäß § 67 UG für das Wintersemester 2018/19 wird gemäß § 67 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120/2002, idgF, iVm § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, idgF, als unzulässig zurückgewiesen."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) betrieb im Wintersemester 2018/19 an der Johannes Kepler Universität Linz (im Folgenden: JKU Linz) das Diplomstudium Rechtswissenschaften.
2. Am 31.10.2019 beantragte die BF die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist auf Stellung eines Antrags auf Beurlaubung für das Wintersemester 2018/19 und begründete diesen damit, dass sie im Zusammenhang mit einem anderen an der JKU Linz anhängigen Verfahren betreffend des Sommersemester 2019 erfahren habe, dass in ihrem Fall auch eine Beurlaubung für das Wintersemester 2018/19 denkbar gewesen wäre. Bereits ab September 2018 und während des gesamten Wintersemesters 2018/19 sei sie so intensiv mit dem Beseitigen von Schimmelbefall in ihrem Haus beschäftigt gewesen, dass ihr eine Fortführung des Studiums vorübergehend unmöglich gewesen sei und dazu geführt habe, dass sie die Möglichkeit einer Beurlaubung und damit auch die Frist für den Antrag auf Beurlaubung "leider nicht gesehen" habe.
Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag stellte die BF auch einen "Antrag auf Beurlaubung" gemäß § 67 UG unter Geltendmachung des "Eintritts sonstiger außergewöhnlicher Lebensumstände, die eine Fortsetzung des Studiums vorübergehend unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen", sowie einen Antrag auf Rückzahlung des geleisteten Studienbeitrags für das Wintersemester 2018/19 wegen Beurlaubung.
Die BF legte Ihren Anträgen mehrere Fotos zur Bestätigung des Schimmelbefalls in ihrem Haus bei.
3. Mit Bescheid des Vizerektors für Lehre und Studierende der JKU Linz (im Folgenden: belangte Behörde) vom 15.11.2019, Zl. 09660378 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde 1. der Antrag der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und wurden 2. die Anträge auf Beurlaubung und Rückzahlung des Studienbeitrages als verspätet zurückgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die BF zwei einander widersprechende Gründe für die Wiedereinsetzung vorgebracht habe, nämlich zum einen, dass sie erst im Zuge eines anderen Verfahrens - konkret am 20.10.2019 - erfahren habe, dass in ihrem Fall auch eine Beurlaubung möglich wäre, und zum anderen, dass sie aufgrund der intensiven Beschäftigung mit den Arbeiten im Zusammenhang mit dem Schimmelbefall die Frist für einen Antrag auf Beurlaubung "nicht gesehen habe", was allerdings impliziere, dass der BF sehr wohl die Möglichkeit einer Beurlaubung durchaus "latent bewusst" gewesen wäre. Keiner der beiden von der BF vorgebrachten Gründe würde eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen. Soweit sich nämlich die BF auf das "Übersehen" der Antragstellung berufe, sei festzuhalten, dass ein Vergessen bzw. Versehen nur dann einen "Wiederaufnahmegrund" (gemeint wohl: Wiedereinsetzungsgrund) darstellen könne, wenn dieses auf einen "minderen Grad des Versehens" zurückzuführen sei. Davon sei aber verfahrensgegenständlich nicht auszugehen, weil einerseits die Fristversäumung mit erhöhtem Stress begründet werde und andererseits der Antrag erst mit über einem Jahr Verspätung gestellt worden sei. Soweit sich die BF auf Unkenntnis der Möglichkeit einer Beurlaubung berufe, mache sie einen Rechtsirrtum geltend. Ein Rechtsirrtum sei aber nur in besonderen Ausnahmefällen ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund, ein derartiger besonderer Ausnahmefall liege aber gegenständlich nicht vor.
Da eine Beurlaubung bis längstens zum Beginn des jeweiligen Semesters - bei unvorhergesehenem und unabwendbarem Eintritt eines gesetzlichen Beurlaubungsgrundes bis längstens zum Ende der Nachfrist - beantragt werden könne, sei der Antrag der BF vom 31.10.2019 daher als verspätet eingebracht anzusehen.
Der angefochtene Bescheid wurde am 19.11.2019 durch Hinterlegung zugestellt.
4. Am 30.11.2019 brachte die BF Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15.11.2019 ein. Darin schilderte sie ihre Wohn- und Lebenssituation aufgrund des Schimmelbefalls in ihrem Haus nochmals ausführlich und machte geltend, dass in ihrem Fall sehr wohl ein die Wiedereinsetzung rechtfertigendes unvorhergesehenes Ereignis vorliege, an dessen Eintritt sie kein Verschulden bzw. nur ein minderer Grad des Versehens treffe.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 26.03.2020 wurde die Beschwerde der BF abgewiesen, wobei im Wesentlichen die Begründung des Bescheides vom 15.11.2019 wiederholt und ergänzend ausgeführt wurde, dass die BF bereits durch bloßes Nachfragen bei der Behörde ihre Rechtsunkenntnis hätte beseitigen können und diese daneben auch umfassende Beratungsmöglichkeiten durch die Österreichische HochschülerInnenschaft in Anspruch nehmen hätte können.
6. Am 13.04.2020 beantragte die BF, dass ihre Beschwerde vom 30.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werde.
7. Mit Schreiben vom 17.04.2020, eingelangt am 27.04.2020, wurde die Beschwerde von der belangten Behörde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF war im Wintersemester 2018/19 zum Diplomstudium Rechtswissenschaften an der JKU Linz zugelassen und entrichtete dafür einen Studienbeitrag.
Erstmals am 31.10.2019 stellte die BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Frist auf Beantragung einer Beurlaubung gemäß § 67 UG und gleichzeitig Anträge auf Beurlaubung vom Studium für das Wintersemester 2018/19 sowie auf die Erstattung des für das Wintersemester 2018/19 entrichteten Studienbeitrages.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz VwGVG steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Gemäß § 67 Abs. 1 UG sind Studierende auf Antrag für ein oder mehrere Semester wegen
1. Leistung eines Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes oder
2. Erkrankung, die nachweislich am Studienfortschritt hindert oder
3. Schwangerschaft oder
4. Kinderbetreuungspflichten oder anderen gleichartigen Betreuungspflichten ode5. der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres
bescheidmäßig zu beurlauben. Weitere Gründe können in der Satzung festgelegt werden.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Beurlaubung bis längstens zum Beginn des jeweiligen Semesters zu beantragen. Bei unvorhergesehenem und unabwendbarem Eintritt eines gesetzlichen Beurlaubungsgrundes kann die Beurlaubung bis längstens zum Ende der Nachfrist des jeweiligen Semesters beantragt werden.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. wirkt die Beurlaubung für alle Studien der Bildungseinrichtung, an welcher diese beantragt wurde und bei gemeinsam eingerichteten Studien für alle Studien der beteiligten Bildungseinrichtungen. Während der Beurlaubung bleibt die Zulassung zum Studium aufrecht. Die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Ablegung von Prüfungen sowie die Einreichung und Beurteilung wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten ist unzulässig.
Gemäß § 92 Abs. 5 UG haben Studierende, die beurlaubt sind, keinen Studienbeitrag zu entrichten.
Gemäß § 2b Abs. 3 Studienbeitragsverordnung 2004 (StubeiV 2004), BGBl. II Nr. 53/2004, in der bis 30.06.2019 geltenden Fassung, ist der Antrag auf Erlass des Studienbeitrages bis längstens 31. Oktober bzw. 31. März des betreffenden Semesters zu stellen, soferne von der jeweiligen Universität keine abweichende Regelung getroffen wird. Können die Nachweise für den Erlass des Studienbeitrages nicht fristgerecht nachgewiesen werden, so ist der Studienbeitrag zu entrichten. Ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Wintersemester ist bis zum nächstfolgenden 31. März, ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Sommersemester ist bis zum nächstfolgenden 30. September zulässig; die Dauer eines allfälligen Verbesserungsauftrages darf eine zur Behebung des Mangels erforderliche angemessene Frist nicht überschreiten. [Anmerkung: da es sich gegenständlich um die Entrichtung bzw. Rückerstattung des Studienbeitrages für das Wintersemester 2018/19 handelt, sind die Bestimmungen der StubeiV 2004 anzuwenden - vgl. § 7 der am 01.07.2019 in Kraft getretenen StubeiV, BGBl. II Nr. 218/2019]
Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 72 Abs. 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
3.3. Zu Spruchpunkt A) (Abweisung der Beschwerde)
3.3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
3.3.1.1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG ist nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zulässig. Es muss sich also um eine Frist handeln, durch die die Möglichkeit, in einem anhängigen Verwaltungsverfahren eine Handlung mit prozessualen Rechtswirkungen (Verfahrenshandlung) zu setzen, zeitlich beschränkt wird, dh nach deren Ablauf die Verfahrenshandlung, wie zB die Einbringung einer Berufung oder die Verbesserung eines Antrags, nicht mehr zulässig ist. Gegen die Versäumung einer materiellrechtlichen Frist, also einer Frist, vor deren Ablauf ein materiellrechtlicher Anspruch - bei sonstigem Verlust des diesem zugrunde liegenden Rechts selbst (nicht nur der behördlichen Durchsetzungsmöglichkeit) - geltend gemacht werden muss bzw. nach deren Ablauf ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch erlischt, ist eine Wiedereinsetzung gem. § 71 AVG nicht zulässig. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Anordnung in § 72 Abs. 1 AVG, wonach durch die Bewilligung der Widereinsetzung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung der Frist befunden hat. (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Teilband, Rz 12f zu § 71 AVG mit zahlreichen Judikatur- und Literaturhinweisen [S. 1293]).
Eine Frist hat dann verfahrensrechtlichen Charakter, wenn sie die Möglichkeit, eine Handlung zu setzen, die prozessuale Rechtswirkungen auslösen soll (Verfahrenshandlung), zeitlich beschränkt. Ist hingegen eine Rechtshandlung auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so ist die dafür vorgesehene Zeitspanne als materiellrechtliche Frist zu qualifizieren (vgl. beispielsweise VwGH 28.8.2008, 2008/22/0348; VwGH 9.12.2013, 2011/10/0179; VwGH 21.12.2004, 2003/04/0138). Die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche muss vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden; im Zweifel ist von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen (vgl. dazu VwGH 26.4.2011, 2011/03/0017). (VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0085).
3.3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes: Der Antrag auf Beurlaubung gemäß § 67 UG richtet sich darauf, die Zulassung zum Studium für ein bestimmtes Semester - ohne die Abgabe einer Fortsetzungsmeldung und ohne die Entrichtung eines Studienbeitrages - aufrechtzuerhalten. Der Erhalt der Zulassung zum Studium stellt im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine materielle Rechtswirkung dar. Dadurch, dass der Gesetzgeber dezidiert nur für den Fall des "unvorhergesehenen und unabwendbaren Eintritts eines gesetzlichen Beurlaubungsgrundes" eine Fristverlängerung bis zum Ende der Nachfrist vorgesehen hat, bringt er auch unzweifelhaft zum Ausdruck, dass er eine spätere Antragstellung - auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG - für nicht zulässig erachtet. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts handelt es sich somit bei der in § 67 Abs. 2 UG geregelten Frist ebenso um eine materiellrechtliche Frist wie z.B. bei der Frist zur Beantragung der Rückerstattung des Studienbeitrages (VwGH 09.12.2013, 2011/10/0179) oder bei der Antragsfrist auf Gewährung von Studienbeihilfe (VwGH 16.12.1998, 98/12/0240). Eine dem § 39 Abs. 8 StudFG vergleichbare Regelung, der zu Folge gegen die Versäumung der Antragsfrist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG zulässig ist, ist dem Universitätsgesetz im Hinblick auf die Beurlaubung nicht zu entnehmen.
3.3.1.3. Da es sich im Ergebnis bei der Frist gemäß § 67 Abs. 2 UG um eine materiellrechtliche Frist handelt, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung derselben nicht zulässig.
3.3.1.4. Zur Abänderung von Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides:
Nur dann, wenn die Verwaltungsbehörde erster Instanz aus Formalgründen einen Antrag zurückgewiesen hat, darf die Berufungsbehörde keine Sachentscheidung treffen, weil damit in der Sachfrage der Partei eine Instanz genommen wäre. Umgekehrt hat aber die Behörde erster Instanz, wenn sie eine Sachentscheidung getroffen hat, bereits alle Prozeßvoraussetzungen [hier: die Frage, ob entschiedene Sache vorliege] geprüft. Daher kann die zweite Instanz in dieser Frage ihre Auffassung an die Stelle jener der ersten Instanz setzen. Die gegenteilige Auffassung brächte es im Ergebnis mit sich, daß der Berufungsbehörde jegliche Entscheidungsbefugnis über Prozeßvoraussetzungen genommen wäre, wenn die erste Instanz auch nur irgendeine Sachentscheidung getroffen hat. (VwGH 28.06.1994, 92/05/0063). Diese von der Judikatur betreffend die Kognitionsbefugnis der Berufungsbehörden herausgearbeiteten Erwägungen sind auch auf die seit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit anstelle der Berufungsbehörden für die Erledigung von Beschwerden gegen erstinstanzliche Bescheide zuständigen Verwaltungsgerichte anzuwenden. Fällt demnach die belangte Behörde anlässlich eines Antrages eine Sachentscheidung, obwohl dieser wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen gewesen wäre, hat das Verwaltungsgericht die gegen den abweisenden Bescheid erhobene Beschwerde mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheids auf "Zurückweisung als unzulässig" zu lauten habe (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 19.01.2010, 2009/05/0097 mit Verweis auf VwGH 28.06.1994, 92/05/0063).
3.3.2. Zur Zurückweisung der Anträge auf Beurlaubung und auf Rückzahlung des Studienbeitrages:
3.3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 2 UG wäre die Beurlaubung für das Wintersemester 2018/19 bis längstens zum Beginn des Semesters, somit bis längstens 30.09.2018, bzw. - bei unvorhergesehenem und unabwendbarem Eintritt eines gesetzlichen Beurlaubungsgrundes - bis längstens zum Ende der Nachfrist, somit bis längstens 30.11.2018, zu beantragen gewesen.
Gemäß § 2b Abs. 3 StubeiV 2004 wäre ein Antrag auf Rückerstattung des für das Wintersemester 2018/19 entrichteten Studienbeitrags bis zum nächstfolgenden 31. März, somit bis längstens 31.03.2019, zulässig gewesen.
3.3.2.2. Da die BF sowohl den Antrag auf Beurlaubung für das Wintersemester 2018/19 als auch den Antrag auf Rückerstattung des für das Wintersemester 2018/19 entrichteten Studienbeitrages erst am 31.10.2019 gestellt hat, erfolgten beide Anträge außerhalb der jeweils dafür vorgesehenen Fristen.
3.3.2.3. Beide Anträge wurden daher zu Recht von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen.
3.3.3. Zum Verhältnis des angefochtenen Bescheides zur Beschwerdevorentscheidung:
Das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt im Fall eines zulässigen Vorlageantrages die Beschwerde. Der Vorlageantrag richtet sich nach dem VwGVG nämlich nur darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, und zwar auch dann, wenn er eine zusätzliche Begründung enthält. Dem entspricht insbesondere auch § 28 VwGVG, der ausschließlich die Beschwerde zum Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsgerichtes macht. Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die - außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde - an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).
Ist - wie im gegenständlichen Fall - die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid nicht berechtigt, so ist sie vom Verwaltungsgericht abzuweisen; eine Beschwerdevorentscheidung, die ebenfalls - allenfalls mit einer ergänzenden Begründung - in einer Abweisung bestanden hat, ist zu bestätigen (VwGH vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).
3.3.4. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob die belangte Behörde zu Recht über die jeweiligen Anträge der BF abschlägig entschieden hat, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig festgestellt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).
3.3.5. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.
3.4. Zu Spruchpunkt B)
3.4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung insbesondere folgender Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
"Handelt es sich bei der in § 67 Abs. 2 UG geregelten Frist zur Stellung eines Antrags auf Beurlaubung vom Studium um eine verfahrensrechtliche oder um eine materiellrechtliche Frist, gegen deren Versäumung ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist oder nicht?"
Da es zu dieser Frage an einer einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangelt, da sich die hier anzuwendenden Regelungen des Universitätsgesetzes - insbesondere dessen § 67 Abs. 2 - auch nicht als so klar und eindeutig erweisen (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90), dass sich daraus die vorgenommenen Ableitungen zwingend ergeben würden, und da die Abgrenzung zwischen prozessualer und materiellrechtlicher Frist oft schwierig ist (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, Rz 623 [S. 356]), ist die Revision zuzulassen.
3.4.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.
Schlagworte
Beschwerdevorentscheidung Beurlaubung Frist Fristversäumung Maßgabe materielle Frist Revision zulässig Rückerstattung Studienbeitrag Studium verfahrensrechtliche Frist Vorlageantrag Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W203.2230551.1.00Im RIS seit
23.10.2020Zuletzt aktualisiert am
23.10.2020