TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/14 W227 2186827-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
StudFG §16 Abs1 Z2
StudFG §16 Abs2
StudFG §18 Abs1
StudFG §19 Abs1
StudFG §19 Abs3
StudFG §6 Z3

Spruch

W227 2186827-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Senats der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien vom 22. Dezember 2017, Zl. 394886201, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin begann im Sommersemester 2013 das Masterstudium Bildungswissenschaft an der Universität Wien.

Für dieses Studium wurde der Beschwerdeführerin bis einschließlich Sommersemester 2017 Studienbeihilfe gewährt, nachdem ihr von der zuständigen Stipendienstelle die viersemestrige Anspruchsdauer auf Grund von Schwangerschaften sowie der Pflege und Erziehung ihrer Kinder und eines Toleranzsemesters um fünf Semester verlängert worden war.

Am 20. September 2017 beantragte die Beschwerdeführerin, dass ihr weiterhin Studienbeihilfe gewährt werde.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien diesen Antrag gemäß den §§ 6 Z 3, 16 Abs. 1 Z 2, 16 Abs. 2, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 3 Z 1 und 2 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) ab.

Begründend führte der Senat zusammengefasst aus, dass das Höchstausmaß für den durchgehenden Bezug von Studienbeihilfe für das Masterstudium Bildungswissenschaft an der Universität Wien lediglich acht Semester (doppelte vorgesehene Studiendauer) betragen könne. Da es irrelevant sei, aus welchen Gründen ein Studierender am Studium überwiegend behindert sei, sei eine Differenzierung nach dem Grund der Beeinträchtigung nicht vorzunehmen. Der Antrag auf Verlängerung der Anspruchsdauer für das Wintersemester 2017/2018 sei daher abzuweisen, da es sich um das zehnte Studiensemester der Beschwerdeführerin handle, welches einer Studienförderung nicht mehr unterliegen könne.

3. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

Leider erhalte man bis zur Fertigstellung einer Masterarbeit keinerlei ECTS-Punkte; diese würden ausschließlich am Ende der Arbeit gutgeschrieben. Sie könne mit "bestem Gewissen" behaupten, dass sie im ihr maximal möglichen Ausmaß mit der Masterarbeit beschäftigt gewesen sei. Sie sei zu keinem Zeitpunkt zu mehr als 50% an ihrem Studium behindert gewesen. Selbst vor der Masterarbeit habe sie trotz ihrer Schwangerschaften und der Erziehung und Pflege ihrer Kinder "immer" alle notwendigen Prüfungen mit "guten" Noten absolviert.

Auch sei im Gesetz keine maximale Anspruchsdauer für den Bezug eines Stipendiums festgehalten, sondern nur wichtige Gründe für die Verlängerung der Anspruchsdauer, von denen für sie - mit zwei Kindern - mindestens zwei zutreffen würden.

Betrachte man das Bachelorstudium und das Masterstudium zusammen, dann habe sie mit 17 Semestern die doppelte Dauer (das wären 20 Semester) nicht erreicht; selbst unter der "korrekten gesonderten" Betrachtungsweise müsste das Toleranzsemester auch berücksichtigt werden, da es sich ja um "Toleranz" handeln sollte, also zehn Semester statt acht.

Sie habe "stets" zielstrebig gearbeitet und rechne "in Kürze" mit dem Ende ihres Studiums. Sie sei sich dessen so sicher, dass sie ab März 2018 "sogar freiwillig" auf ihr Stipendium verzichten würde, wenn ihr selbiges bis inklusive Februar 2018 weiterhin gewährt würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die Beschwerdeführerin begann im Sommersemester 2013 das Masterstudium Bildungswissenschaft an der Universität Wien.

Für dieses Studium bezog sie bis einschließlich Sommersemester 2017 (die Mindeststudiendauer von vier Semestern wurde um zwei Semester Schwangerschaft, zwei Semester Pflege und Erziehung und ein Toleranzsemester verlängert) Studienbeihilfe.

Im Wintersemester 2017/2018 befand sich die Beschwerdeführerin im zehnten Semester ihres Studiums.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchpunkt A)]

3.1.1. Gemäß § 6 Z 3 StudFG ist Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe, dass der Studierende einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§ 16 bis 25).

Ein günstiger Studienerfolg als Voraussetzung für den Anspruch auf Studienbeihilfe liegt nach § 16 Abs. 1 StudFG vor, wenn der Studierende

1. sein Studium zielstrebig betreibt (§ 17),

2. die vorgesehene Studienzeit nicht wesentlich überschreitet (§§ 18 und 19) und

3. Nachweise über die erfolgreiche Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorlegt (§§ 20 bis 25).

Gemäß § 16 Abs. 2 StudFG muss der Nachweis des günstigen Studienerfolges spätestens bis zum Ende der Antragsfrist erworben werden, um einen Anspruch auf Studienbeihilfe für das jeweilige Semester zu begründen.

Gemäß § 18 Abs. 1 StudFG umfasst die Anspruchsdauer grundsätzlich die zur Absolvierung von Diplomprüfungen, Bachelorprüfungen, Masterprüfungen, Lehramtsprüfungen oder anderen das Studium oder den Studienabschnitt abschließenden Prüfungen vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters. Sofern das Studien- oder Ausbildungsjahr nicht in Semester gegliedert ist, umfasst die Anspruchsdauer die vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines halben Studien- oder Ausbildungsjahres. Sie richtet sich nach den Auszahlungsterminen des Semesters oder des Studien- oder Ausbildungsjahres (§ 47 Abs. 1). Wenn wichtige Gründe für die Überschreitung dieser Zeitspanne vorliegen, kann die Anspruchsdauer entsprechend verlängert werden (§ 19).

Gemäß § 19 Abs. 1 StudFG ist die Anspruchsdauer zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, dass die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde. Ein wichtiger Grund im Sinne des Abs. 1 ist nach Abs. 2 Z 2 leg. cit. Schwangerschaft der Studierenden.

Gemäß § 19 Abs. 3 StudFG ist die Anspruchsdauer ohne weiteren Nachweis über die Verursachung der Studienverzögerung in folgendem Ausmaß zu verlängern:

1. bei Schwangerschaft um ein Semester,

2. bei der Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des sechsten Lebensjahres, zu der Studierende während ihres Studiums gesetzlich verpflichtet sind, um insgesamt höchstens zwei Semester je Kind,

[...].

Nach § 2 des Curriculums für das Masterstudium Bildungswissenschaft an der Universität Wien (Mitteilungsblatt vom 20. Juni 2007, 29. Stück, Nummer 147) beträgt der Arbeitsaufwand für das Masterstudium Bildungswissenschaft 120 ECTS-Punkte. Das entspricht einer vorgesehenen Studiendauer von vier Semestern.

3.1.2. Für den Fall der Beschwerdeführerin bedeutet das:

Die Anspruchsdauer für den Bezug einer Studienbeihilfe ist in § 18 StudFG geregelt und knüpft grundsätzlich an der "gesetzlichen Studiendauer nach den Studienvorschriften" an (RV 405 BlgNR, XXIII. GP, EB zu § 18 StudFG), wobei auch die Überschreitung dieser Zeitspanne um ein Semester toleriert wird (daher der Ausdruck "Toleranzsemester"), ohne dass dies den Anspruch auf Studienbeihilfe vernichten würde.

Verfahrensgegenständlich beträgt die "gesetzliche Studiendauer" für das von der Beschwerdeführerin betriebene Masterstudium vier Semester (vgl. § 2 des Curriculums für das Masterstudium Bildungswissenschaft), die Anspruchsdauer i.S.d. § 18 Abs. 1 StudFG demnach fünf Semester.

Zahlreiche Ausnahmen von dieser "grundsätzlichen Anspruchsdauer" gemäß § 18 StudFG sind in § 19 StudFG in der Weise vorgesehen, dass diese bei Vorliegen wichtiger Gründe zu verlängern ist. Dabei ist im Falle einiger wichtiger Gründe genau festgelegt, wie lange die Anspruchsdauer zu verlängern ist (bei Schwangerschaft um ein Semester, jeweils sechs Monaten Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes, Auslandsstudium, aufwendiger wissenschaftlicher Arbeit und außergewöhnlicher Studienbelastung um ein Semester, bei Pflege und Erziehung eines Kindes um höchstens zwei Semester, und bei einer mindestens 50%-igen Behinderung um zwei Semester), während bei Vorliegen anderer wichtiger Gründe (Krankheit, unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden) keine gesetzliche Vorgabe über das Ausmaß der jeweiligen Verlängerung existiert. Zu prüfen ist daher, ob - insbesondere bei Kumulation mehrerer wichtiger Gründe - eine zeitliche Begrenzung für die Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen besteht. Diesbezüglich ist festzustellen, dass das Studienförderungsgesetz zwar keine explizite derartige Obergrenze vorsieht, jedoch ist aus einzelnen studienförderungsrechtlichen Bestimmungen sehr wohl der gesetzgeberische Wille erkennbar, die Anspruchsdauer - auch bei Vorliegen mehrerer wichtiger Gründe - nicht unbegrenzt verlängern zu können. So ist gemäß § 19 Abs. 4 StudFG für Studierende mit bestimmten Behinderungen per Verordnung eine Verlängerung der Anspruchsdauer um "bis zu 50% der vorgesehenen Studienzeit" möglich und darf die gemäß § 19 Abs. 3 Z 3 StudFG verlängerte Anspruchsdauer für behinderte Studierende insgesamt die "doppelte vorgesehene Studiendauer" (je Studienabschnitt) nicht übersteigen (vgl. dazu auch § 1 der Verordnung über die Gewährung von Studienbeihilfe an behinderte Studierende, BGBl. II Nr. 310/2004). Auch für Studierendenvertreter kann die höchstzulässige Studienzeit um nicht mehr als "insgesamt vier Semester" verlängert werden (vgl. § 4 Abs. 2 der Verordnung über der Verlängerung der Anspruchsdauer für Studierendenvertreter, BGBl. II Nr. 245/2015).

Folglich lässt sich aus der Systematik der studienförderungsrechtlichen Bestimmungen ableiten, dass die Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen einer zeitlichen Beschränkung unterliegt. Bei der Frage, wo diese Begrenzung anzusetzen ist, kann als Anhaltspunkt die in § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Verlängerung der Anspruchsdauer für behinderte Studierende normierte "doppelte vorgesehen Studiendauer" herangezogen werden. Weiters ist in § 49 Abs. 1 StudFG geregelt, dass der Anspruch auf Studienbeihilfe während der vollen Monate ruht, in denen Studierende am Studium "überwiegend behindert" sind, und zwar unabhängig davon, woraus sich die Behinderung ergibt (z.B. Berufstätigkeit neben dem Studium, Präsenz- oder Zivildienst, längere Erkrankung, familiäre Verpflichtungen, u.ä.). Eine "überwiegende Studienbehinderung" liegt in diesem Zusammenhang immer dann vor, wenn weniger als die Hälfte der insgesamt zur Verfügung stehenden Zeit für das Studium aufgewendet werden kann. So stellt das Studienförderungsgesetz selbst in § 49 Abs. 1 klar, dass der Anspruch auf Studienbeihilfe u.a. dann ruht, wenn in einem Monat mehr als zwei Wochen Präsenz- oder Zivildienst geleistet wird. Auch die Gesetzesmaterialien zum Studienförderungsgesetz gehen von einem Ruhen für den Fall aus, dass weniger als die Hälfte der verfügbaren Zeit für das Studium aufgewendet werden kann, wenn es darin - zu dem damals geltenden § 49 Abs. 3 StudFG - heißt: "Als Faustregel kann gelten, dass ein Ruhen des Anspruches jedenfalls dann eintritt, wenn im Monat weniger als 80 Stunden für das Studium verwendet werden können." (RV 473 BlgNR, XVIII. GP, EB zu § 49 StudFG). Ausgehend davon, dass bei monatlich vier Arbeitswochen zu je 40 Stunden eine Monatsarbeitszeit von insgesamt 160 Stunden anzusetzen ist, entsprechen die zitierten 80 Stunden exakt 50% der zur Verfügung stehenden Zeit (siehe dazu auch BVwG 30.03.2017, W203 2149113-1).

Zusammenfassend ergibt sich, dass der Anspruch auf Studienbeihilfe immer für Zeiträume ruht, in denen ein Studierender - aus welchen wichtigen oder sonstigen Gründen immer - im Ausmaß von mehr als 50% am Studienbetrieb behindert ist. Mit anderen Worten: Ein durchgehender Bezug von Studienbeihilfe ist im Einzelfall immer nur bis zum Höchstausmaß "doppelte vorgesehene Studiendauer eines Studiums" möglich, da ansonsten zwingend zumindest vorübergehend Zeiten während des Studiums vorliegen, in denen der Studierende am Studium "überwiegend behindert" i.S.d. § 49 Abs. 1 StudFG war (vgl. Marinovic/Egger, Studienförderungsgesetz7, E 22 zu § 19 Abs. 1 und 2).

Verfahrensgegenständlich beträgt die "vorgesehene" bzw. "gesetzliche Studiendauer" vier Semester (vgl. § 2 des Curriculums für das Masterstudium Bildungswissenschaft). Die "doppelt vorgesehene Studiendauer" beträgt demnach acht Semester.

Wie oben ausgeführt, ist es irrelevant, aus welchen Gründen ein Studierender am Studium "überwiegend behindert" ist, sodass eine Differenzierung nach dem Grund der Beeinträchtigung nicht vorzunehmen ist.

Die Beschwerdeführerin hat für ihr Masterstudium bereits neun Semester lang Studienbeihilfe beantragt und bezogen.

Folglich ist der Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der Anspruchsdauer für das Wintersemester 2017/2018 abzuweisen ist, da es sich (bereits) um das zehnte Studiensemester handelt, welches einer Studienförderung nicht mehr unterliegen kann.

Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Eine Verhandlung (sie wurde nicht beantragt) konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).

3.2. Zur Zulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere:

* Lässt sich aus den studienförderungsrechtlichen Bestimmungen eine zeitliche Höchstgrenze für eine Verlängerung der Anspruchsdauer auf Gewährung von Studienbeihilfe aus wichtigen Gründen ableiten?

* Falls Frage 1 mit "ja" zu beantworten ist: Ist - aus systematischen Erwägungen - diese Höchstgrenze mit der "doppelten vorgesehenen Studienzeit" für ein Studium bzw. einen Studienabschnitt festzusetzen?

Eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor; es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine eindeutige Gesetzeslage vorliegt bzw. dass die aus Anlass der hier zu beurteilenden Fälle vorgenommenen Ableitungen zwingend sind.

Schlagworte

günstiger Studienerfolg Revision zulässig Studienbeihilfe Studienbeihilfe - Ruhen Studienbeihilfenbehörde wichtiger Grund zeitliche Beschränkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W227.2186827.1.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten