TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/19 W159 2220329-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W159 2220329-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchteil I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, Zl. XXXX , beschossen:

A) Das Verfahren wird wegen der Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGV eingestellt.

II.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

II. Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan auf Dauer unzulässig ist und XXXX eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß §§ 54, 55 und 58 AsylG 2005 idgf erteilt wird.

Zu I. und II:

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang (Zu I. und II.):

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, gelangte am 08.12.2014 irregulär nach Österreich und stellte an diesem Tag auch einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 11.05.2016, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und unter Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.05.2017 erteilt.

Dieser Bescheid ist mangels Erhebung einer Beschwerde am 11.06.2016 vollumfänglich in Rechtskraft erwachsen.

Aufgrund des am 17.03.2017 eingebrachten Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, mit Bescheid vom 26.04.2017 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.05.2019.

Mit Antrag vom 19.02.2019 wurde neuerlich die Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG begehrt. Dazu wurde der Beschwerdeführer am 15.05.2019 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark niederschriftlich einvernommen:

Der Beschwerdeführer legte eine Arbeitsbestätigung des Firma XXXX sowie die Prüfungsprotokolle über eine positiv bestandene theoretische Fahrprüfung (Gruppe B) vor. Der Beschwerdeführer gab an, dass er Gesund sei und seit zwei Jahren und neun Monaten bei einem Tischler arbeite. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Seine Angehörigen würden alle in Pakistan in der Provinz Paktia leben. Seine Eltern seien bereits verstorben, seine drei Schwestern seien verheiratet, außerdem habe er drei Brüder. Der letzte Kontakt datiere aber vom 20.11.2018. Weitere Kontakte nach Afghanistan habe er auch nicht. In Österreich habe er Deutschkurse besucht und in der Küche eines Hotels gearbeitet. Jetzt arbeite er in der Produktion einer Tischlerei. Er lebe allein in einer Wohnung in einem Gasthaus in XXXX . Bei Vereinen oder Organisationen sei er nicht tätig. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre sein Leben durch die Taliban und andere Gruppierungen in Gefahr. Allgemein sei die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der mit Bescheid vom 11.05.2016 zuerkannte Status des subsidiären Schutzberechtigten von Amtswegen aberkannt, unter Spruchpunkt II. die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang, einschließlich der letzterwähnten niederschriftlichen Einvernahme dargestellt, die Beweismittel aufgelistet und Feststellungen zu Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass aus heutiger Sicht eine Rückkehr nach Afghanistan möglich wäre und dem Beschwerdeführer auch eine inländische Fluchtalternative offenstehe, insbesondere in Kabul, Herat und Mazer-e-Sharif. Die Umstände wurden in der rechtlichen Begründung zu Spruchteil I. noch näher ausgeführt und weiters darauf hingewiesen, dass der Antragssteller Familienangehörige in Afghanistan besitze und die Sprache Paschtu spreche und bei einer Rückkehr seine Versorgung grundsätzlich gesichert wäre. Aufgrund der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei auch die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu entziehen gewesen (Spruchpunkt II.) Die Voraussetzungen des § 57 AsylG würden nicht vorliegen (Spruchpunkt III.) Zu Spruchpunkt IV. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragssteller illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und keine besonderen Bindungen zu Österreich habe und hier erst kurzfristig aufhältig sei und dass er nach etwa einem Jahr nach Zuerkennung des subsidiären Schutzes straffällig geworden sei, und weitere integrative Schritte nicht erkennbar seien. Zu Spruchpunkt V. schließlich wurde ausgeführt, dass dargelegt worden sei, dass im vorliegenden Fall keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe sowie auch keine Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise vorlägen (Spruchpunkt VI.)

Gegen diesen Bescheid, und zwar gegen alle Spruchpunkte, erhob der Antragssteller, vertreten durch den XXXX , in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde. In dieser wurde insbesondere auf die allgemeine schlechte Sicherheitssituation in Afghanistan, insbesondere in Kabul hingewiesen. Weiters wurde dargelegt, dass der Antragssteller in Österreich gut integriert sei, gut Deutsch spreche und ein großes soziales Netzwerk aufgebaut und diesbezüglich auch schon Beweismittel vorgelegt habe. Schließlich wurde auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt. Der Beschwerdeführer legte weiters Lohnzettel und Arbeitsbestätigungen der Firma XXXX , vier Empfehlungsschreiben österreichischer Staatsbürger sowie des Vereins " XXXX " vor.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 08.05.2020 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichterscheinens entschuldigen ließ und der Beschwerdeführer in Begleitung eines Mitarbeiters des XXXX erschien. Der Beschwerdeführer legte eine Einstellungszusage als Tischler der Firma XXXX vor.

Nach ausgiebiger Erörterung der Sach- und Rechtslage, insbesondere der Frage, ob die Beschwerde auch gegen die Aberkennung des subsidiären Schutzes aufrecht erhalten werde, zog der Beschwerdeführervertreter nach eingehender Besprechung mit dem Beschwerdeführer (unter Mithilfe des Dolmetschers) die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.

Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und wollte lediglich sein Geburtsdatum auf XXXX korrigieren. Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan nur drei Jahre lang die Schule besucht und dann als Bagger- und Baumaschinenfahrer und die letzte Zeit als Supervisor (Vorarbeiter) gearbeitet. Er sei Moslem und übe seine Religion nach wie vor auch in Österreich aus. Er sei ununterbrochen seit 08.12.2014 in Österreich und habe sich die ganze Zeit in der Steiermark aufgehalten. In Afghanistan habe er drei Brüder und drei Schwestern sowie weiters einen Bruder in Deutschland. Er habe aber derzeit aktuell mit keinem Verwandten Kontakt. Das letzte Mal habe er mit Familienangehörigen vor acht Monaten telefoniert. Er sei derzeit psychisch nicht in der Lage mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Sonst habe auch mit niemandem in Afghanistan Kontakt.

Gesundheitlich gehe es ihm wohl gut, aber er denke sehr viel über seine ungewisse Zukunft nach. Er arbeite seit August 2016 bei der Firma XXXX . Er sei auch dort ebenso wie alle Mitarbeiter der Firma im Moment auf Kurzarbeit. Es handle sich dabei um einen großen Tischlereibetrieb, glaublich mit ca. 200 Mitarbeitern, mehr im Bautischlerbereich, es würden aber auch Möbel hergestellt. Der Beschwerdeführer arbeite an der Kantenleimmaschine. Er habe die ersten Monate in der Firma in verschiedenen Bereichen gearbeitet und dann zunächst mit einem anderen Mitarbeiter an der Kantenleimmaschine gearbeitet, diese bediene er jetzt alleine, da er auf diese Tätigkeit spezialisiert ist. Manchmal fahre er aber auch auf Montage und arbeite in einem anderen Bereich. Er habe wohl Deutschkurse besucht, aber bisher kein Deutschdiplom erworben. Derzeit besuche er einen B1 Kurs und versuche die B1 Prüfung zu machen. Sonst habe er Deutsch in der Arbeit gelernt.

Er lebe weder in einer Ehe, noch einer Lebensgemeinschaft. In dem kleinen Ort, wo er aufhältig sei, lebten hauptsächlich alte Menschen, es sei für ihn schwierig junge Frauen kennen zu lernen. Der Beschwerdeführer legte den Lohnzettel für Februar 2020 vor und gab an, dass er glaublich bis nächsten Monat noch auf Kurzarbeit sei, aber auch in der Kurzarbeit verdiene er ca. 1200 ? Netto. Er sei Mitglied der Vereins " XXXX " und habe viele österreichische Freunde. Am Wochenende trinke er auch gerne ein Bier. Er versuche aber das Essen von Schweinefleisch zu vermeiden. Er sei schon seit dem Jahre 2016 selbsterhaltungsfähig und beziehe keine staatlichen oder karitativen Zuwendungen. Er lebe in einer kleinen Wohnung (ca. 25 m2) alleine in einem Gasthaus. Er habe einen PKW besessen, diesen aber vor ca. zwei Monaten verkauft, werde aber sich sicher wieder einen kaufen. Auch in seiner Freizeit versuche er sich weiter zu bilden. Gefragt nach seinen Plänen für die Zukunft gab er an, dass er eine größere Wohnung und eine gute Arbeit haben möchte. Er möchte sich in Österreich eine Zukunft aufbauen und eine Familie gründen.

Über Vorhalt des aktuellen Strafregisterauszuges, wo eine teilbedingte Geldstrafe wegen Urkundendelikten aufscheint, wurde der Beschwerdeführer vom vorsitzenden Richter gefragt, wie es dazu gekommen, dass er einen gefälschten Afghanischen Führerschein vorgelegt habe. Dazu führte er aus, dass es in Afghanistan nur handgeschriebene Führerscheine gebe und dieser als gefälscht definiert worden sei. Er habe aber - wie in Afghanistan üblich - einen zweiwöchigen Kurs besucht, eine Prüfung abgelegt und erst dann den Führerschein erhalten. Er fahre schon seit seiner frühen Kindheit mit Autos.

Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer die Fragen schon teilweise auf Deutsch beantwortet hat und auch die meisten Fragen auf Deutsch verstanden hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen (Zu I. und II.):

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan und Angehöriger der paschtunischen Volksgruppe. Das Geburtsdatum kann nicht mit erforderlicher Sicherheit festgestellt werden, der Beschwerdeführer ist in der Provinz Paktia geboren und aufgewachsen. Es ist nicht erforderlich zu den Fluchtgründen Feststellungen zu treffen. Der Beschwerdeführer gelangte (spätestens) am 08.12.2014 irregulär nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hat Österreich zwischenzeitig nicht verlassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 11.05.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.12.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.05.2017 erteilt. Dieser Bescheid ist mangels Erhebung einer Beschwerde am 11.06.2016 in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer arbeitet seit August 2016 bei der Firma XXXX , einer großen Bau- und Möbeltischlerei in XXXX und ist seit diesem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig und wohnt in einer kleinen Mietwohnung.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 26.04.2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.05.2019 verlängert, auch dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Dem Beschwerdeführer wurde auch ein Fremdenpass aufgestellt. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 28.05.2019 wurde unter Spruchpunkt I. der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen aberkannt, unter Spruchpunkt II. die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt. Gegen diesen Bescheid hat der Antragssteller fristgerecht, vertreten durch den XXXX , Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 08.05.2020 wurde die Beschwerde hinsichtlich der Punkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen, die Beschwerde jedoch hinsichtlich der restlichen Spruchpunkte aufrecht erhalten.

Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich. Er ist derzeit (so wie alle Mitarbeiter seiner Firma) auf Kurzarbeit, verdient aber nach wie vor zumindest 1200? Netto. Voraussichtlich wird auch die Kurzarbeit im Juni 2020 enden. Unter normalen Arbeitsbedingungen verdient der Beschwerdeführer ca. 2100? Netto. Der Beschwerdeführer hat wohl mehrere Deutschkurse besucht, aber bisher kein Deutschdiplom erworben. Derzeit besucht er einen B1 Kurs und möchte die B1 Prüfung absolvieren und dies entspricht auch den in der Beschwerdeverhandlung gezeigten Sprachkenntnissen. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX vom 04.10.2017 wegen § 15 ivm §§ 228 Abs. 1, 223 Abs. 1 und 2 StGB (wegen Vorlage eines gefälschten afghanischen Führerscheines) zu einer Geldstrafte von 1200?, davon 600? bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren) rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer hat die Geldstrafe in der Zwischenzeit bezahlt. Er hat auch in Österreich die Lenkerberechtigung der Klasse B erworben. Er hat zahlreiche österreichische Freunde, die auch teilweise bereit waren, ihm durch Unterstützungsschreiben Hilfe angedeihen zu lassen und ist Mitglied des Vereins " XXXX ". Der Beschwerdeführer ist gesund.

In Anbetracht der rechtskräftig negativen Asylentscheidung und der Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Aberkennung des subsidiären Schutzes und der Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, ist es auch nicht erforderlich, länderkundliche Feststellungen zu treffen.

Beweis wurde erhoben (In dem vorliegenden Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzes) durch Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwese und Asyl, Regionaldirektion Steiermark am 15.05.2019, durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes am 08.05.2020, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zur Zl. XXXX , durch Vorlage einer Arbeitsbestätigung der XXXX , eines Empfehlungsschreibens der XXXX , eines Unterstützungsschreibens des Vereins " XXXX ", von Unterstützungsschreiben der XXXX , der XXXX und des XXXX , einer Lohn- und Gehaltsabrechnung von Februar 2020, eine Einstellungszusage der XXXX durch den Beschwerdeführer bzw. seine Vertretung sowie Einsichtnahme in den aktuellen, den Beschwerdeführer betreffenden Strafregisterauszug.

2. Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:

Für den Beschwerdeführer wurde bei er asylrechtlichen Erstbefragung das Geburtsdatum "XXXX" protokolliert. In der Folge ist die belangte Behörde durchgehend von dem Geburtsdatum XXXX ausgegangen, der Beschwerdeführer hat jedoch in der Beschwerdeverhandlung auf dem Geburtsdatum XXXX bestanden, sodass das richtige Geburtsdatum nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann.

Unbestritten ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger ist, der Volksgruppe der Paschtunen angehört, sunnitischer Moslem ist, wobei er diese Religion nach seinen eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung wohl ausübt (aber sich nicht mehr an alle Gebote hält) und sich seit dem 08.12.2014 im österreichischen Bundesgebiet befindet, wobei es keine Hinweise gibt, dass er dieses Zwischenzeitig (auch nur kurzzeitig) verlassen hat.

Der Umstand, dass der Beschwerde zur Gänze selbsterhaltungsfähig ist und seit dem Jahre 2016 bei der Firma XXXX beschäftig ist, ergibt sich aus den zahlreichen von dieser Firma vorgelegten Bestätigungen. Zuletzt hat das genannte Unternehmen bestätigt, dass der Beschwerdeführer nach der (Corona bedingten) Kurzarbeit als Tischler, somit als Facharbeiter beginnen wird. Das erhellt, dass der Beschwerdeführer, obwohl er (offenbar altersbedingt) nicht mehr eine Lehre absolviert hat, sich durch jahrelange Arbeit im Betrieb die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten für einen Tischlereifacharbeiter angeeignet hat.

Der Beschwerdeführe er hat wohl keine Deutschdiplome vorgelegt, konnte jedoch der Verhandlung weitgehend auf Deutsch folgen, hat die Fragen verstanden und auch teilweise auf Deutsch geantwortet. Er hat weiters angegeben, dass er derzeit einen B1 Kurs besucht und die B1 Prüfung absolvieren wird.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich ein Familienleben führt, er hat jedoch vielfältige Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern, die teilweise auch bereit waren, ihn mit Empfehlungsschreiben zu unterstützen und ist auch Mitglied im Verein " XXXX ".

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt auch aus seinen eigenen Aussagen in der Beschwerdeverhandlung und der Nicht Vorlage gegenteiliger medizinischer Befunde.

Der Beschwerdeführer wurde wohl zu einer (teilbedingten) Geldstrafe (die er in der Zwischenzeit bezahlt hat) im Jahre 2017 wegen Vorlage eines gefälschten afghanischen Führerscheins verurteilt, hat jedoch dazu in der Beschwerdeverhandlung ausgeführt, dass ihm das nicht bewusst war, dass der Führerschein (angeblich) gefälscht ist. Jedenfalls habe er - wie in Afghanistan vorgesehen - einen Kurs absolviert und eine Prüfung abgelegt. Auch in Österreich hat der Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung der Klasse B absolviert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu I. A.:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I. und II. ist das Verfahren hinsichtlich dieser beiden Spruchpunkte rechtskräftig geworden und hat das Verwaltungsgericht das diesbezügliche Verfahren lediglich mit Beschluss einzustellen (siehe VwGH vom 29.04.2015 Fr 2014/20/0047-11).

Zu II. 1. und 2. A)

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBL I Nr 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd. Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).

Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben in Österreich führt. Er verfügt in Österreich weder über Verwandte, noch lebt er in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft.

Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH vom 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH vom 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH vom 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Gerade dieser Umstand trifft auf den Beschwerdeführer nicht zu, zumal er (rechtskräftig) mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2016 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und die dazugehörige befristete Aufenthaltsberechtigung erhalten hat und daher spätestens ab dem 11.06.2016 über ein staatliches Aufenthaltsrecht verfügt hat und sich nicht bloß aufgrund der Asylantragsstellung im Inland aufhalten durfte.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach integrationsbegründete Schritte in einem Zeitraum, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein habe müssen, zu relativieren sind (VwGH vom 28.02.2019 Ro 2019/01/003, jüngst VwGH vom 10.04.2020 Ra 2019/19/0430) trifft im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu, wobei der Verwaltungsgerichtshof auch erst jüngst ausgeführt hat, dass auch eine im Zuge eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangte Integration nicht ohne Gewicht ist (VwGH vom 06.04.2020 Ra 2020/20/0055-9)

Es ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland).

In die Interessenabwägung ist auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Zwar hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479), der Beschwerdeführer ist jedoch seit 08.12.2014 (ununterbrochen) in Österreich aufhältig und hat somit die "magische Grenze" der Aufenthaltsdauer von fünf Jahren längst überschritten.

Der Beschwerdeführer ist in hohen Maße in Österreich integriert, seine Bindungen an seinen Herkunftsstaat sind nur mehr als gering zu bezeichnen, zumal er aktuell mit niemandem mehr von seinen Familienangehörigen und Verwandten Kontakt hat und das letzte Telefongespräch schon acht Monate zurückliegt.

Der Beschwerdeführer ist bereits seit August 2016, somit seit fast vier Jahren selbsterhaltungsfähig. Wenn er auch (offenbar seinem nicht mehr ganz jugendlichen Alter geschuldet) keine Lehrausbildung absolvieren konnte, so ist es ihm offenbar aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit in ein und denselben Tischlereibetrieb gelungen, die für einen Facharbeiter notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, sodass er nunmehr (nach Ende der Corona bedingen Kurzarbeit) als Tischler (gleich einer Person mit formellem Lehrabschluss) beschäftigt wird.

Wenn auch der Beschwerdeführer bisher keine Deutschdiplome vorweisen konnte, so konnte sich der vorsitzende Richter in der Beschwerdeverhandlung von den guten Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers überzeugen und hat dieser glaubhaft angegeben, dass er derzeit einen B1 Kurs besucht und demnächst auch die B1 Prüfung absolvieren wird.

Er ist auch in seiner (ländlichen) Umgebung gut integriert, hat zahlreiche (freundschaftliche) Kontakte zu Österreichern und ist auch Mitglied im Verein " XXXX ".

Er ist wohl rechtskräftig vor knapp drei Jahren einer teilbedingten Geldstrafe wegen eines Urkundendeliktes, nämlich wegen des Vorweises eines (nach Dokumentenüberprüfung) gefälschten afghanischen Führerscheines verurteilt worden, konnte jedoch in der Beschwerdeverhandlung glaubhaft darlegen, dass ihm dieser Umstand nicht bewusst war und hat er vor allem auch in Österreich zwischenzeitig eine österreichische Lenkerberechtigung erworben und wurde ihm aus diesem Grund ein österreichischer Führerschein ausgestellt und hat er nicht am Straßenverkehr aufgrund eines gefälschten Führerscheins teilgenommen. Auch wurde der (unbedingte Teil) der Geldstrafe längst bezahlt und ist daher festzustellen, dass die erfolgte Verurteilung als geringfügig anzusehen ist

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aufgrund der dargestellten Gründe in einer Gesamtabwägung aller Umstände die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründeten Rechtfertigungen erkennen lassen (vgl. VwGH 22. 2. 2005, 2003/21/0096; vgl. ferner VwGH 26. 3. 2007, 2006/01/0595, sowie VfSlg 17.457/2005). Die vom Bundesamt verfügte Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher nicht im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen (siehe auch BVwG vom 04.12.2017, W107 2163499-1/13E).

Da die maßgeblichen Umstände in ihrem Wesen nicht bloß vorübergehend sind, war die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (in diesem Sinne auch schon AsylGH vom 11.08.2009, Zl. B5 241.319-2/2009/3E, AsylGH vom 29.10.2009, Zl. D8 263154-0/2008/20E, AsylGH vom 09.11.2009, Zl. D7 242438-9/2008/20E, AsylGH vom 27.10.2009, Zl. E3 249.769-2/2009/5E, AsylGH vom 29.01.2010 D3 400226-1/2008/15E, u.a.).

Auch wenn der Beschwerdeführer derzeit auf Kurzarbeit ist (wegen der Corona Krise), so übersteigt sein Einkommen in Anbetracht des "Regeleinkommen" (von ca. 2100? Netto) jedenfalls die monatliche Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

Das Bundesverwaltungsgericht erteilt dem Beschwerdeführer aus diesem Grund mit konstitutiver Wirkung den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten (§ 54 Abs. 2 Asylgesetz 2005). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer diesen Aufenthaltstitel in Kartenform auszustellen.

Zu Spruchteil I. + II. B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Behebung der Entscheidung Deutschkenntnisse Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Verfahrenseinstellung Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W159.2220329.1.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten