TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/25 W177 2143626-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.05.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W177 2143626-1/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Christian SCHMAUS gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, vom 27.11.2016, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.07.2019 und am 15.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, § 8 Abs. 1 AsylG und § 57 AsylG abgewiesen.

II. Es wird gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 Absatz 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

III. XXXX wird gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 18.12.2014 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Nangarhar stamme. Seine Muttersprache sei Pashai, jedoch spreche er auch Paschtu. Er sei Analphabet habe aber zwei Monate lang die Polizeischule in XXXX besucht. Er habe Berufserfahrung als Landwirt und Polizist gesammelt. Im Herkunftsstaat würden noch seine Eltern, seine beiden Brüder und seine Schwester aufhältig sein. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen habe. Er sei als Polizist in XXXX tätig gewesen. Sein Vater sein in XXXX von den Taliban bedroht worden. Man habe ihm gesagt, dass sie den BF wegen seiner Tätigkeit umbringen werden würden, wenn sie ihn erwischen sollten. Er selbst sei nicht von den Taliban persönlich bedroht worden.

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 14.04.2016 gab der BF an, gesund zu sein und sich in Paschtu ausreichend verständigen zu können. Er legte ein Konvolut an afghanischen Dokumenten und Integrationsunterlagen vor. Die afghanischen Unterlagen habe er vor zwei bis drei Wochen per Post zugeschickt bekommen. Seine Tazkira hätte er beim Diensteintritt abgeben müssen. Die Bankkarte und sein Polizeiausweis seien die einzigen Personalausweise, die er habe. Er habe in der Provinz XXXX (gemeint wohl: Nangarhar), im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX gelebt. Er sei afghanischer Staatsbürger und gehöre der Volksgruppe der Pashai an. Sein Religionsbekenntnis sei der Islam, sunnitischer Glaubensrichtung. In Afghanistan würden noch seine Eltern, seine beiden Brüder und seine Schwester aufhältig sein. Kontakt habe er jedoch zu diesen nicht, sondern nur zu einem Freund, der in XXXX lebe. In Europa habe er keine Verwandten. In Afghanistan habe er keine Schule besucht und in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Danach sei er zur Polizei gegangen. Diese Tätigkeit habe er rund 10,5 Monate ausgeübt. Er habe Afghanistan Ende des Jahres 2014 verlassen und sei am 18.12.2014 illegal in Österreich eingereist.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass er Soldat gewesen sei. Er sei nicht persönlich bedroht worden, jedoch hätte man bei seiner Familie einen Drohbrief abgegeben, dass er mit seiner Arbeit bei der Polizei aufhören solle. Der Mullah habe diesen Brief übersetzt und seinem Vater gesagt, dass der BF bei der Polizei aufhören müsse, sonst werde er umgebracht. Sein Vater habe ihm dies telefonisch mitgeteilt und Anzeige beim Distriktoberhaupt erstattet. Ebenfalls habe er die Weiterleitung der Papiere zum BF veranlasst. Er habe diese Unterlagen dann seinem Kommandanten gezeigt, der ihm aber gesagt habe, dass er ihm nicht helfen könne, weil seine Familie nicht Zentrum des Distrikts oder in einer Stadt lebe. Sein Vater habe ihm danach gesagt, dass diese Leute sehr viel über den BF wissen würden, weshalb er Angst bekommen habe in absehbarer Zeit getötet zu werden. Sein Vater habe ihm mitgeteilt, dass er nicht mehr nach Hause gehe müsse und sein Bruder bereits einen Schlepper für ihn organisiert habe.

Der Drohbrief sei seiner Familie zugestellt worden, wie er Soldat gewesen sei. Das genaue Datum wisse er nicht mehr, weil er Analphabet sei. Es sei im Jahr 2013 gewesen. Nachdem der Mullah seinem Vater den Brief vorgelesen habe, habe er den BF kontaktiert und Anzeige erstattet. Er selbst habe danach noch einen Monat lang gearbeitet. Danach habe er Angst bekommen, nach 10 1/2 oder 11 Monaten den Dienst bei der Polizei beendet und das Land verlassen. Er habe in dieser Zeit an der Dienststelle gewohnt. Sein Heimatdorf sei eineinhalb bis drei Stunden Fahrt von der Dienststelle entfernt gewesen. Über seine Schleppung könne er keine Angaben machen, weil diese sein Bruder organsiert habe.

Zur Polizei habe er gehen wollen, weil er etwas Gutes für die Leute im Dorf tun habe wollen, die Probleme mit den Taliban gehabt hätten. Drei Monate habe die Ausbildung gedauert. Technische Sachen, Teamarbeit und der Umgang mit Waffen seien dabei gelehrt worden. Er habe eine hellere blaue Uniform ohne Abzeichen gehabt. Er sei Soldat gewesen und der Umgang mit den Waffen sei nicht sehr genau geschult worden. Die drei Funktionen des Abzugs seien ihnen beigebracht worden. Die genauen Dienstgrade kenne er nicht. Er wisse nur, dass es Rekruten und Soldaten gebe. Ob andere Leute auf der Dienststelle Probleme gehabt hätten, wisse er nicht. Wie die Taliban gewusst hätten, dass er Soldat sei, vermeinte der BF, dass sie alles wüssten, was in der Welt laufen würde und Spione hätten. Der Drohbrief sei über einen Boten zu ihm geschickt worden. Mit diesem Brief sei er dann zu seinem Kommandanten gegangen. Er habe Angst um sein Leben, weil er bei der Polizei gearbeitet habe und ihn die Taliban umbringen wollen würden. In einer anderen Stadt des Landes könne er ebenfalls nicht leben, weil die Taliban überall wären. Er würde Schwierigkeiten bekommen, weil die Taliban ihn bedroht hätten, dass er die Tätigkeit bei der Polizei beenden müsse.

Während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich habe er Deutschkurse besucht und keine Freundschaften geschlossen, weil er hier nicht arbeiten dürfe. Er sei einverstanden, dass seitens des BFA eventuell Erhebungen zu seinem Sachverhalt in Afghanistan durchgeführt werden.

4. Eine am 26.04.2016 stattgefundene Überprüfung des vom BF vorgelegten Dienstausweises durch das Landeskriminalamt der Landespolizeidirektion Kärnten ergab, dass dieser auf zwei Einzelblättern mittels Tintenstrahldrucker hergestellt worden sei. Der Bedruckstoff, die Drucktechnik und die Sicherheitsmerkmale seien nachgeahmt und somit falsch. Weiters seien die Einzelblätter in einer Folie eingeschweißt worden. Ebenso wurde angemerkt, dass das am Ausweis angeführte Geburtsdatum umgerechnet der 20.06.1975 wäre.

5. Mit Bescheid vom 27.11.2016 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde festgehalten, dass das Vorbringen des BF nicht glaubhaft gewesen sei. Der BF sei kein Polizist gewesen, weil einerseits sich der vorgelegte Polizeiausweis im Rahmen der Dokumentenprüfung als Totalfälschung herausgestellt habe, andererseits der BF dazu unglaubwürdige Angaben gemacht habe. Die Aussagen zur Tätigkeit als Polizist, seiner Ausbildung und der Verwendung der Waffe seien vage und unbestimmt gewesen. Auch seien die Schilderungen zu Bedrohung durch die Taliban nicht schlüssig gewesen. So sei im Drohbrief gestanden, dass er den Dienst bei der Polizei zu quittieren habe, er aber auch angegeben habe, dass er vor seiner Ausreise den Dienst quittiert habe. Dass der Vater einmal persönlich bedroht, dann der Drohbrief nur eingeworfen worden sei, sei ein Widerspruch, der sich nicht mit Übersetzungsproblemen begründen lasse. Ebenso seien die Angaben zum Telefon und der Telefonverbindung widersprüchlich gewesen. Auch sei aufgrund der Totalfälschung des Polizeiausweises anzunehmen, dass die anderen Unterlagen auch gefälscht seien.

Aufgrund des Vorliegens eines sozialen Netzes in seiner Heimatregion und des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar. Betreffend die Rückkehrentscheidung würden die öffentlichen Interessen überwiegen.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 29.11.2016 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 29.11.2016 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

7. Gegen den Bescheid des BFA richtete sich die am 14.12.2016 beim BFA eingelangte und fristgerecht durch die damalige rechtsfreundliche Vertretung, der Diakone - Flüchtlingsdienst gem. GmbH, erhobene Beschwerde. In dieser wurde festgehalten, dass es gegen die Drohungen der Taliban keinen effektiven staatlichen Schutz in Afghanistan geben würde. Des Weiteren sei das Parteiengehör verletzt worden, weil man dem BF keine Stellungnahme zum Bericht der Landespolizeidirektion Kärnten gewährt habe. Die belangte Behörde hätte weitergehend fallbezogen ermitteln müssen. Insbesondere in Bezug auf die vom BF vorgelegten Beweismittel. Ebenso würden die Taliban auch in der Heimatregion des BF aktiv sein. Angesichts der in Afghanistan vorherrschenden Sicherheitslage hätte die belangte Behörde dem BF zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Eine Interessabwägung in Betracht auf die Rückkehrentscheidung hätte ebenfalls zu Gunsten des BF ausfallen müssen.

8. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 29.12.2016 vom BFA vorgelegt.

8. Mit Schreiben vom 09.03.2017 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass der BF nun RA Dr. Christian Schmaus bevollmächtigt habe, ihn im weiteren Verfahren rechtsfreundlich zu vertreten.

9. Mit Schreiben vom 04.05.2018 legte die belangte Behörde einen Aktenvermerk vor, dass ein Adoptionsantrag seitens einer Schweizer Bürgerin betreffend den BF vorliege.

10. Mit Schreiben vom 08.07.2019 erging seitens der rechtsfreundlichen Vertretung eine ergänzende Stellungnahme zum Asylverfahren samt einer Urkundenvorlage. In dieser wurde festgehalten, dass der BF mit beigelegtem Gerichtsbeschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt am 17.05.2019 adoptiert worden sei. Aus den vorgelegten Urkunden sei abzuleiten, dass der BF sehr gut integriert sei und er - aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Westeuropa und seiner Adoption - mittlerweile die hier gelebte Grund- und Wertehaltung verinnerlicht habe. Diesbezüglich drohe ihm auch Verfolgung aufgrund seiner gelebten westlichen Orientierung.

11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 10.07.2019 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF, ebenso wie seine bevollmächtige Vertretung, persönlich teilnahmen. Eine Vertreterin der belangten Behörde nahm ebenfalls an der mündlichen Verhandlung teil.

Der rechtsfreundliche Vertreter BF berief sich darauf, dass dem BF in Afghanistan nun auch eine asylrechtlich relevante Verfolgung aufgrund seiner gelebten westlichen Orientierung drohe. Er verwies auch, dass bei der Begutachtung der Urkunden Übersetzungsfehler und Fehler beim Umrechnen des Datums passiert wären. Unter Vorlage der weiteren Beweismittel (wie etwa einer Tazkira und afghanischer Bankauszüge) sei nicht von einer Unglaubwürdigkeit des BF auszugehen.

Die Vertreterin der belangten Behörde führte an, dass alle Überprüfungen in einer Datenbank gespeichert wären und beim vorgelegten Ausweis sei anhand der fehlenden Sicherheitsmerkmale erkannt worden, dass es sich um eine Totalfälschung gehandelt hätte. Danach wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt.

12. Mit Schreiben vom 13.08.2019 erging seitens der rechtsfreundlichen Vertretung eine ergänzende Stellungnahme zum Asylverfahren. In dieser wurde auf einen Bericht verwiesen, dass 2009 4/5 aller Mitglieder der afghanischen Streitkräfte Analphabeten gewesen wären und dem BF keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen würde. Daher drohe ihm in Afghanistan aufgrund seiner früheren beruflichen Tätigkeit eine asylrechtlich relevante Verfolgung aufgrund unterstellter politischer Gesinnung. Ebenso drohe ihm aufgrund seiner westlichen Orientierung in Afghanistan eine asylrechtlich relevante Verfolgung. Mit beigelegtem Gerichtsbeschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt sei der BF am 17.05.2019 adoptiert worden. Aus den vorgelegten Urkunden sei abzuleiten, dass der BF sehr gut integriert sei und er - aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Westeuropa und seiner Adoption - mittlerweile die hier gelebte Grund- und Wertehaltung verinnerlicht habe. Diesbezüglich drohe ihm auch Verfolgung aufgrund seiner gelebten westlichen Orientierung, die in der Adoption und somit in die Eingliederung in eine westeuropäische Familie insbesondere zum Ausdruck komme. Aufgrund der in Afghanistan vorherrschenden Sicherheitslage sei eine Rückkehr des BF unzumutbar. Eine Rückkehrentscheidung sei ebenfalls nicht auszusprechen, weil der BF aufgrund des seitens der Wahlmutter gewährten Unterhaltes als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" zu qualifizieren sei. Eine Aufenthaltsberechtigungskarte sei bei der zuständigen Behörde bereits beantragt worden.

13. Mit Schreiben vom 27.08.2019 legte die belangte Behörde eine ergänzende Stellungnahme der Landespolizeidirektion Kärnten zur Überprüfung des vorgelegten Polizeiausweises vor. Ebenso wurde die durchgeführte Dokumentenprüfung aus dem Jahr 2016 vollständig vorgelegt. In der Stellungnahme wurde anhand diverser Merkmale, die durch vergrößerte Darstellungen von Teilen des Ausweises sichtbar gemacht wurden, dargelegt, dass es sich hierbei um eine Totalfälschung handeln würde.

Im Übrigen wurde bestätigt, dass - auf Nachfrage bei der zuständigen Behörde - verifiziert habe werden können, dass betreffend den BF ein Antrag nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz aktuell zur Prüfung vorliege.

14. Mit Schreiben vom 08.10.2019 erging seitens der rechtsfreundlichen Vertretung eine ergänzende Stellungnahme zum Asylverfahren. In dieser wurde auf eine vom BF in Auftrag gegebene und durch eine private länderkundliche Sachverständige durchgeführte Vorortrecherche Bezug genommen. In einem Bericht vom 25.09.2019 wurde dargelegt, dass durch Ortsansässige verifiziert haben werde können, dass der BF nicht einmal ein Jahr für die Polizei gearbeitet habe und sich die vom BF geschilderten Drohungen - insbesondere unter Anführung des Drohbriefes - zugetragen hätten. Auch habe durch leitende Beamte der Dienststelle verifiziert werden können, dass der BF im Jahr 2013 dort tatsächlich beschäftigt gewesen sei. Ebenso habe man die Drohungen bestätigt, zumal in diesem Zusammenhang eine Anzeige bei der Polizei erstattet worden sei. Die Polizei sei aber nicht in der Lage in allen Fällen zu ermitteln bzw. den Personen und deren Familien Schutz zu gewähren. Die Gefahr für den BF sei überdies aktuell, weil das Haus der Familie vor einigen Monaten unter Beschuss genommen worden sei.

Im Übrigen gehöre der BF als ehemaliger Polizeibeamter zu einer Risikogruppe nach den UNHCR-Richtlinien, die in besonderem Maße schutzbedürftig wären. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, weil die Taliban den BF landesweit verfolgen würden. Dass sich die geschilderten Vorfälle des BF so zugetragen hätten, habe das gegenständliche Rechercheergebnis dargelegt.

15. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 15.10.2019 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF, ebenso wie seine bevollmächtige Vertretung, persönlich teilnahmen. Eine Vertreterin der belangten Behörde und zwei Zeuginnen nahmen ebenfalls an der mündlichen Verhandlung teil.

Nach der Aufforderung des Gerichts, dass die rechtsfreundliche Vertretung Angaben über den in der Recherche bezeichneten leitenden Beamten nachreichen solle und die belangte Behörde die im Befund aus dem Jahr 2016 erwähnte "Beschreibungen bzw. Dokumentationen in- oder ausländischer Dienststellen" vorzulegen habe, wurde die heute 66-jährige Adoptivmutter des BF als Zeugin einvernommen. Sie habe den BF in einem Sprach-Café kennengelernt und sei über seine von ihm geschilderte Lebensgeschichte beeindruckt gewesen. Sie habe ihn bei seiner Alphabetisierung und beim Zählen lernen unterstützt. Dies sei anstrengend und zeitintensiv gewesen, aber es hätten sich dadurch auch die Bindungen intensiviert. Er habe dann sporadisch bei ihr übernachten dürfen und sie sich um ihn auch privat gekümmert. So habe die Zeugin dann über ein Adoptionsverfahren recherchiert. Mittlerweile engagiere sich der BF sehr brav bei den Hausarbeiten. Ihre Kinder seien alle mit 18 Jahren ausgezogen und nach Wien gegangen. Zu Frauen habe er ein in Europa übliches Verhältnis und er feiere auch Weihnachten und Ostern mit der Adoptiv-Familie. Gemeinsam in die Kirche seien sie nicht gegangen. Der BF habe auch begonnen Schweißerkurse zu absolvieren, weil er auf diesem Gebiet sehr geschickt sei. Sie selbst habe durch den Sprachunterricht nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2013 wieder neue Hoffnung erhalten.

Danach wurde die Tochter der Adoptivmutter als Zeugin einvernommen. Sie gab an den BF seit Sommer 2016 zu kennen. Der BF habe ihrer Mutter gutgetan, zumal sie vereinsamt gewesen sei. Mittlerweile könne sie sich mit ihm gut verständigen und sie sei auch beeindruckt, dass er gut mit ihrem 14 Monate alten Kind umgehen könne.

Daraufhin vermeinte der rechtsfreundliche Vertreter, dass die Zeugen eindeutig vermittelt hätten, dass ein schützenswertes Familienleben vorliegen würde.

Der BF selbst gab, zu seinem Fluchtgrund gefragt, an, dass er keine Ergänzungen diesbezüglich habe. In Österreich könne er mit seiner Adoptiv-Familie ein ruhiges und sicheres Leben führen. Hier müsse er sich nicht an die strengen Regeln des Islam halten. Nach konkreten Beispielen gefragt, führte der BF an, dass er Probleme hätte, wenn er nicht in eine Moschee gehen würde, er dies aber tun würde, um diesen Problemen aus dem Weg zu gehen und er der Meinung sei, dass Frauen nicht unterdrückt werden sollten. In Österreich feiere er Weihnachten und respektiere Frauen. Ihm würde im Falle einer Rückkehr auch vorgeworden werden, dass er in einer ungläubigen Familie lebe und er somit selbst ungläubig geworden sei. Die Volksgruppe der Pashai seien sehr strenggläubige Moslems. Diese würde vorwiegend in der Provinz Nangarhar leben. In Afghanistan sei er bei seiner Tätigkeit als Polizist als Wache eingesetzt worden - dies bei Wahlen und Einsätzen bei der Feuerwehr, wo es immer wieder auch Schusswechsel mit den Taliban gegeben hätte. Seine Aufgabe sei gewesen, die Einsatzkräfte vor Ort zu schützen. Durch den Erhalt des Drohbriefes sei sein Leben in Gefahr gewesen und er habe sich zur Flucht entschieden. Ob andere Kollegen bedroht worden wären, wisse er nicht. Er sei nur zu seinem Kommandanten gegangen, der ihm gesagt habe, dass er nichts für ihn tun könne, insbesondere ihm keine Soldaten für seine Sicherheit zur Seite stellen könne. Dies habe er sogar in schriftlicher Form getätigt. Den anderen Kollegen habe er nicht davon erzählt, weil er diese nicht verunsichern habe wollen. In seiner Heimatregion würde die Taliban an der Macht sein, und seine Familie habe deswegen auch für einige Zeit das Heimatdorf verlassen müssen. In Mazar-e Sharif oder Herat würde er wegen seiner Muttersprache Pashai erkannt werden. Er spreche Paschtu nur mit Schwierigkeiten und Dari nur ganz wenig. Er habe auch niemanden außerhalb seiner Heimatprovinz und Angehörige der Volksgruppe der Pashai würden an anderen Orten Afghanistans diskriminiert werden.

Danach erfolgte der Schluss der mündlichen Verhandlung, wobei die mündliche Verkündung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG entfiel.

16. Mit Schreiben vom 11.11.2019 erging ein Fristerstreckungsantrag zur Bereitstellung der ergänzenden Angaben bis zum 19.11.2019. Diese wurden mit Schreiben vom 19.11.2019 seitens der der rechtsfreundlichen Vertretung in eine ergänzende Stellungnahme zum Asylverfahren übermittelt. In dieser wurde auf die aktuellen Länderfeststellungen Bezug genommen, die darauf verwiesen, dass in Nangarhar die Taliban noch immer aktiv seien und manche Gebiete kontrollieren würden. Somit sei seine asylrechtlich relevante Verfolgung dort nach wie vor aufrecht. Der BF würde einer Minderheitengruppe angehören und Minderheitengruppen würden in Afghanistan generell einer Diskriminierung unterliegen. Eine Ansiedlung in Mazar-e Sharif oder Herat sei ihm deswegen nicht zumutbar. Erschwerend komme beim BF noch hinzu, dass er als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland angesehen würde. Aufgrund dieser Verwestlichung sei dem BF Asyl zu gewähren. Es wurde die Qualifikationen und die Methodik der afghanischen Kontaktperson, die die Vorortrecherche durchgeführt habe, dargelegt. Der einvernommene leitende Beamte habe seinen Namen nicht nennen wollen, sodass nur seine Qualifikationen beschrieben werden haben können.

17. In einer Beschwerdenachreichung vom 12.12.2019 legte die belangte Behörde eine Mitteilung des Magistrats der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 11.12.2019 vor, die beinhaltete, dass dem BF kein Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 3 NAG gewährt werde. Die Adoption und die einhergehende Unterhaltsgewährung würden diesbezüglich nicht ausreichend sein, weil die Unterhaltsgewährung noch nicht im Herkunftsstaat bestanden habe. Dies sei bei Verwandten in absteigender Linie über 21 Jahre ein relevantes Kriterium (vgl. EuGH 16.01.2014, C-423/12, Rs Reyes, Rz 20 bis 22). Ebenso wurden der diesbezügliche Antrag und die diesbezügliche Niederschrift vom 16.09.2019 beigefügt. Auch der Adoptionsbeschluss des BG Klagenfurt vom 17.05.2019 und der Beschluss über die Abmeldung von der Grundversorgung vom 04.10.2018.

Mit Schriftsatz vom 20.04.2020 erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter eine weitere Stellungnahme. Darin entgegnet er zur Mitteilung des Magistrates der Stadt Klagenfurt vom 11.12.2020 und verweist darauf, dass das Aufenthaltsrecht im Falle des BF im Zeitpunkt der Adoption entstanden sei und auf die höchstgerichtliche Judikatur des EuGHs zum Gebrauch der Niederlassungsfreiheit. Zudem äußerst er sich zur aktueller Sicherheits- und Versorgungslage unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie.

18. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Afghanischer Polizeiausweis

* Afghanische Bankkarte

* Afghanische Anzeigebestätigung

* Drohbrief der Taliban

* Kopie und Übersetzung einer Tazkira

* Mitgliedsausweis des Roten Kreuzes

* Zahlreiche Empfehlungsschreiben

* Zahlreiche Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen (Niveau A2/B1)

* Diverse Teilnamebestätigungen an Integrationskursen

* Gerichtsbeschluss - Bewilligung der Annahme an Kindesstatt

* Bilder die den BF bei zahlreichen Aktivitäten in Österreich zeigen

* Beglaubigte Übersetzungen der vorgelegten Beweismittel

* afghanische Bankauszüge

* Zahlreiche Teilnahmebestätigungen an diversen Schweißkursen samt zweier TÜV-Zertifikate

* Eidesstattliche Erklärung zur Versorgung des BF aus privaten Mitteln

* Auflistung des beruflichen Werdegangs des BF in Österreich

* Vorortrecherche in Afghanistan im September 2019 samt Ergänzung

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Pashai und gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an. Die Muttersprache des BF ist Pashai, wobei er aber in der Lage ist, sich ausreichend auf Paschtu zu verständigen. Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund.

Der BF wurde nach seinen Angaben im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Nangarhar geboren. Er hat in Afghanistan keine Schule besucht und war nebenbei in der familieneigenen Landwirtschaft tätig. Er war auch einige Monate bei der Polizei beschäftigt, wo er allerdings ausschließlich Bewachungstätigkeiten durchgeführt hat. In seinem Heimatland würden sich jedenfalls noch seine Eltern, seine beiden Brüder sowie seine Schwester in seiner Heimatregion aufhalten. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF ist daher in seinem Herkunftsstaat auch nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv.

Der BF ist nach seiner Ausreise aus Afghanistan über ihm unbekannte Länder auf das Gebiet der EU eingereist, wo er schlepperunterstützt und illegal eingereist in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der BF ist weder in ärztlicher Behandlung noch benötigt er aktuell sonstige medizinische Betreuung. Er ist sohin gehend gesund und arbeitsfähig.

Der BF ist in Österreich bislang strafrechtlich unbescholten.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt wurde eine Annahme an Kindesstatt bewilligt und der BF Wahlkind zu seiner Schweizer Adoptivmutter, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebt und die auch für den Unterhalt des BF im Bundesgebiet aufkommt. Der BF ist daher auch nicht auf Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung angewiesen.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am 18.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass er Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen habe. Er sei als Polizist in XXXX tätig gewesen. Sein Vater sei in XXXX von den Taliban bedroht worden. Man habe ihm gesagt, dass sie den BF wegen seiner Tätigkeit umbringen werden würden, wenn sie ihn erwischen sollten. Er selbst sei persönlich nicht von den Taliban bedroht worden.

Der BF wurde weder von den Taliban noch einer sonstigen regierungsfeindlichen Gruppierung bedroht. Der BF wurde seitens der Taliban nicht aufgefordert mit diesen Taliban zusammen zu arbeiten oder diese zu unterstützen. Der BF wurde von den Taliban auch nicht persönlich angesprochen. Er hatte in Afghanistan keinen Kontakt zu den Taliban und er wird von diesen auch nicht gesucht.

Der BF ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der BF hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim BF vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

Festgestellt wird, dass der BF in Afghanistan keiner landesweiten Verfolgung ausgesetzt ist.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem BF individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem BF auch keine Bedrohung durch die Taliban oder durch andere Personen.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Pashai konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Der BF ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

Es kann daher festgestellt werden, dass der BF keiner konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Dem BF könnte bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz Nangarhar aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Da seine Herkunftsprovinz Nangarhar zu den volatilen Provinzen Afghanistans zählt, ist eine Rückkehr in diese nicht möglich.

Der BF ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder der Stadt Mazar-e Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat oder Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde; er ist gesund. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.

Die Eltern, zwei Brüder und die Schwester des BF wohnen derzeit in der Provinz Nangarhar. Der BF hat zwar keinen regelmäßigen Kontakt zu diesen, er ist aber jedenfalls über deren Schicksal über den Kontakt zu Freunden in Afghanistan informiert. Der Familie des BF gehört in der Heimatregion ein Haus in sowie ein landwirtschaftliches Grundstück. Dass ihn die Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorübergehend finanziell unterstützen könne, ist nicht eindeutig hervorgekommen.

Der BF hat jedenfalls die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut, weil er in seinem Heimatland in einem afghanisch geprägten Umfeld aufgewachsen ist.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 18.12.2014 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 18.12.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der BF hat keine weiteren Familienangehörigen aus Afghanistan in Österreich. Jedoch wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt eine Annahme an Kindesstatt bewilligt und der BF ist Wahlkind zu seiner Schweizer Adoptivmutter, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebt. Diese ist verwitwet und hat drei erwachsene Kinder, die nicht mehr mit ihr in gemeinsamen Haushalt leben. Die Adoptivmutter kommt für den Unterhalt des BF im Bundesgebiet auf.

Der BF pflegte in Österreich wenige freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Darüber hinaus konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt werden. Der BF war kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF kein Mitglied von Vereinen. Schließlich wird das soziale Verhalten des BF in der Gesellschaft durch Referenzschreiben belegt, in denen der BF als hilfsbereit, freundlich und fleißig wahrgenommen wird. Jedoch gilt es auch hier anzumerken, dass diese Schreiben ausschließlich aus dem sozialen Umfeld des BF stammen, das ein besonderes Interesse am Verbleib des BF im Bundesgebiet hat.

Der BF besuchte zahlreiche Deutschkurse und konnte dies auch durch Teilnahmebestätigungen bestätigen. Er ist daher in der Lage, bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. auf Deutsch zu reden. Darüber hinaus kann er über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.

Der BF lebt zwar nicht von der Grundversorgung, ist aber auf Zuwendungen seiner Adoptivmutter angewiesen und daher nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage. Der BF hat vereinzelt gemeinnützige bzw. ehrenamtliche Aufgaben übernommen und sich der Weiterbildung in zahlreichen Schweißerkursen gewidmet, wo er auch zwei Zertifikate erlangte.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1 KI vom 04.06.2019

Politische Ereignisse:

Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal

Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019) US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal

so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend.

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Natione

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten