Entscheidungsdatum
27.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W241 2135847-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2020, Zl. 1096579909/200075445, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
II. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 18.11.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.03.2022 erteilt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 25.11.2015 illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) wies mit Bescheid vom 09.09.2016 den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei.
3. Der BF erhob fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge BVwG) vom 09.03.2017, W127 2135847-1, wurde das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheids vom 09.09.2016 (nach Zurückziehung der Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt) eingestellt, dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.03.2018 erteilt.
Die Gewährung subsidiären Schutzes wurde zusammengefasst damit begründet, dass es sich beim BF zwar um einen gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Er verfüge jedoch außerhalb seiner Heimatprovinz Ghazni über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte Ein gesicherter Zugang zu Unterkunft, wesentlichen Grundleistungen und Erwerbsmöglichkeiten sei nicht ersichtlich. Die vom UNHCR dargelegten „besonderen Umstände“, nach welchen es alleinstehenden leistungsfähigen Männern ohne spezifische Vulnerabilitäten möglich sein könne, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner Umgebung zu leben, seien im Fall des BF nicht gegeben.
5. Die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF wurde mit Bescheid vom 01.03.2018 bis zum 08.03.2020 verlängert.
6. Am 11.12.2019 beantragte der BF die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsgenehmigung.
7. In einer Einvernahme am 21.01.2020 gab der BF an, dass er seit März letzten Jahres eine Lehre zum Textilgestalter absolviere. Seine Eltern, drei Brüder, mehrere Tanten und Onkel lebten noch in Afghanistan. Er spreche Deutsch auf dem Niveau B1. Weiters sei er im Juni 2017 zum Christentum konvertiert. Der BF wurde anschließend zum christlichen Glauben und zu seiner Glaubensausübung befragt.
8. In der Folge wurde dem BF mit gegenständlichem Bescheid vom 24.01.2020 der mit Erkenntnis vom 09.03.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die mit Bescheid vom 01.03.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.) und der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 11.12.2019 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt III.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.). Ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VII.).
Beweiswürdigend wurde im angefochtenen Bescheid Folgendes ausgeführt:
„Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Sie gaben im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 21.01.2020 in Bezug auf Ihr Heimatland Afghanistan keine glaubhafte, aktuelle bzw. individuelle Gefährdungslage zu Protokoll, zumal Sie in diesem Zusammenhang lediglich Ihre alte, nicht glaubhaft gemachte, Fluchtgeschichte vorbrachten und meinten, dass Ihr gesamtes Heimatland nicht sicher sei. Sie lassen schließlich nichts erkennen, das anzeigen würde, dass Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland einer individuellen Bedrohungslage ausgesetzt sein würden, umso mehr Sie bloß vage in den Raum stellten, dass Sie dort nicht mehr leben können würden. Hinweise einer aktuellen Verfolgung gegen Ihre Person konnten Ihrem Vorbringen keinesfalls entnommen werden. Es ist im Übrigen hier ein weiteres Indiz, dass Sie nicht aus innerster Überzeugung konvertiert sind, denn sonst hätten Sie dies auch bei Ihren Rückkehrhindernissen angeführt, ebenso haben Sie nicht angeführt, dass Ihre Familie Sie nicht unterstützen könne, somit kann eben davon ausgegangen werden, dass diese nicht wissen würde, dass Sie Christ seien und des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass diese Sie unterstützen würde.
Ihnen wurde mit Erkenntnis vom 09.03.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt, weil für Sie als Zivilperson im Falle einer Rückkehr eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung Ihres Lebens nicht ausgeschlossen werden konnte; aufgrund dessen ist die Behörde davon ausgegangen, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wären.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen jedoch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vor, umso mehr Ihnen nun eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat zuzumuten ist.
Sie befinden sich im erwerbsfähigen Alter und bejahten im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich Ihre Arbeitsfähigkeit. Sie haben acht Jahre eine afghanische Schule besucht und haben zudem Arbeitserfahrung als Sticker gesammelt. Dies wird Ihnen freilich bei der Arbeitssuche in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat sowie der Wiedereingliederung in der afghanischen Gesellschaft nützlich sein.
Aus diesen Gründen ist schließlich einzig festzustellen, dass Sie im Falle der Rückkehr für Ihre Existenzsicherung aufkommen können. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat führt freilich nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in diesen Städten, umso mehr Sie als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann Ihren Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO´s) zurückgreifen könnten.
Anzumerken ist, dass bereits der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung erkannt hatte, dass selbst fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte bzw. Unterstützungen in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Rückkehr an diese Orte führen. Auch eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Rückkehrer vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht mehr aus, um eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zu verneinen.
Da es Ihnen in Österreich schließlich gelungen ist, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten sowie die im Alltag immer wieder auftretenden Schwierigkeiten in den diversen Bereichen zu bewältigen, ist es Ihnen freilich nun sehr wohl zuzumuten, mit Ihrer (neu gewonnenen) Lebenserfahrung auch in Afghanistan, speziell in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt, zumutbar leben zu können. Dies alles spricht schließlich dafür, dass Sie nun in der Lage sein werden, sich (auch) aus eigenen Kräften ein notdürftiges Überleben in Afghanistan zu sichern, und somit ist davon auszugehen, dass Sie nun aufgrund Ihrer bisherigen Lebenserfahrung über die hierfür erforderlichen Fertigkeiten verfügen.
Aufgrund soeben genannter Gründe liegen derzeit jene Voraussetzungen, die die Gewährung subsidiären Schutzes unabdingbar machen, nicht vor.
Bezugnehmend auf eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat ist anzumerken, dass dies - alleine gesehen - freilich nicht zur Feststellung führen kann, diese Orte kämen nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage, zumal nun gerade mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben sind, um diesem etwaigen Problem Abhilfe zu verschaffen. Hinzu kommt, dass es einem Erwachsenen wohl zumutbar ist, sich in den Großstädten seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen, genauso wie er dies – wohl wesentlich komplizierter – im (weiten) Ausland ohne Sprachkenntnisse zu erlangen in der Lage sein wird müssen. In Anbetracht der Vielzahl an Rückkehrern aus dem Ausland und deren Möglichkeiten, sich im Heimatland Afghanistan anzusiedeln, lässt sich kein Grund feststellen, der gerade in Ihrem Fall eine solche Rückkehr unmöglich erscheinen ließe, umso mehr Sie diesbezüglich auch keine plausible Begründung abgegeben oder eine besondere Stellung erklärt haben.
Dass Sie schließlich den Lebensunterhalt sowohl in Mazar-e-Sharif als auch in Herat Stadt bestreiten könnten, ist Ihrem Vorbringen insofern zu entnehmen, als Sie glaubhaft machten, zweifellos für eine achtjährige Schulbildung zu verfügen, über Jahre hinweg Arbeitserfahrung als Sticker gesammelt zu haben und auch nach wie vor absolut erwerbsfähig sind. Es ist Ihnen schließlich nun zuzumuten, dass Sie auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebestunterhalt - (auch) ohne unmittelbar in Herat Stadt oder Mazar-e-Sharif bestehendem familiären Background - bestreiten könnten.
Überdies ist anzumerken, dass das BFA zum Zeitpunkt der Schutzgewährung davon ausgegangen ist, dass Sie im Falle der Rückkehr vor eine ausweglose Situation gestellt gewesen wären. Nunmehr hat sich jedoch insbesondere aufgrund der Schilderung Ihres Lebenslaufes die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen Ihrer Person gänzlich konträr dargestellt; wie dieser schließlich zu entnehmen ist – und durch den im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA gewonnenen Eindruck durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter bestätigt wird -, zeichnen Sie sich durch Ihr freundliches Verhalten aus und überzeugen zudem mit Ihrer Flexibilität und Aufgeschlossenheit. Diese (zuvor genannten) positiven Attribute werden Ihnen im Falle der Rückkehr freilich von hohem Nutzen sein.
Sie haben schließlich während Ihres Aufenthaltes hier in Österreich gezeigt, dass Sie sich sogar in einem fremden Land, in welchem sich insbesondere die Kultur, die Sprache sowie auch die Religion von Ihrem Heimatland unterscheidet, anpassen können und zurechtfinden. Dies wird Ihnen bei der Eingliederung in die afghanische Gesellschaft nützlich sein, und eine ausweglose Situation im Falle der Rückreise muss aus diesen Gründen – auch trotz eines fehlenden familiären Backgrounds in den als IFA geprüften Gebieten – ausgeschlossen werden.
Aufgrund der diesbezüglichen Länderinformationen, Ihrer Schulbildung und Ihrer bis dato ausgeübten Arbeitstätigkeit lässt sich schließlich kein Grund mehr feststellen, der Ihre Rückkehr nach Afghanistan unzumutbar machen würde. Zudem befinden Sie sich im erwerbsfähigen Alter und es ist in Ihrem Fall – wie bereits zur Würdigung Ihrer Person ausführlichst dargestellt – nicht ersichtlich, dass bei Ihnen eine grundsätzliche Arbeitsfähigkeit nicht gegeben wäre. Es ist gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte in einer Ihnen noch weitestgehend unbekannten Umgebung zu knüpfen. Darüber hinaus könnten Sie selbstverständlich im Falle der Rückkehr - wie den Feststellungen zum Herkunftsland klar hervorgeht - zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes Unterstützungen, insbesondere in Zusammenhang mit einer Rückkehr, vom UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen. Daher besteht schließlich kein Zweifel daran, dass Sie sich als arbeitsfähiger und gesunder Mann in Mazar-e-Sharif oder in Herat Stadt ohne kulturelle, traditionelle und sprachliche Barrieren selbst versorgen können, zumal auch ebendort internationale Hilfsorganisationen den Wiedereinstieg für Rückkehrer unterstützen.
Des Weiteren geht der Länderinformation klar hervor, dass Mazar-e-Sharif und Herat über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut bzw. sicher erreichbare Städte sind.“
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. führte das BFA folgendes aus:
„Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs.1) nicht oder nicht mehr vorliegen.
Während der 2. Fall des § 9 Abs.1 Z 1 AsylG jene Fälle betrifft, in denen sich die für die Erteilung maßgeblichen Voraussetzungen nach dem Erteilungszeitpunkt wesentlich geändert haben, stellt die erstgenannte Variante darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung nie vorgelegen haben. Die Bestimmung normiert in den angeführten Fällen eine Verpflichtung zur Aberkennung.
Mit Urteil vom 23.5.2019, Bilali, C-720/17, hat der EuGH zu Recht erkannt, dass Art. 19 Abs.1 in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen sei, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen müsse, wenn er diesen Status zuerkannt habe, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen seien, indem er sich auf Tatsachen gestützt habe, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen hätten, und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werde könne, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt. Der Gerichtshof verweist schließlich auf die Zielsetzung und allgemeine Systematik der Richtlinie, insbesondere auf Art. 18, der die Zuerkennung von subsidiären Schutzstatus nur an Personen vorsieht, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Wenn der Mitgliedstaat diesen Status nicht rechtmäßig gewähren durfte, muss er erst recht verpflichtet sein, ihn abzuerkennen, wenn sein Irrtum festgestellt wird (vgl. Urteil vom 24.6.2015, H.T., C-373/13)
Artikel 8 der Statusrichtlinie normiert die Möglichkeit der Nicht-Gewährung von internationalem Schutz, steht dem Antragsteller interner Schutz zur Verfügung (inländische Fluchtalternative).
Die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes sind nach der österreichischen Rechtslage gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG dann gegeben, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat
1. eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder
2. für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde und zudem
3. eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen steht.
§ 8 Abs. 3 AsylG greift also die Möglichkeit des Art. 8 der Statusrichtlinie auf und bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass in jenem Fall, in dem Fremden eine innerstaatliche Schutzalternative zur Verfügung steht, die in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht gegeben sind (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Das Nicht-Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist im österreichischen Asylrecht also eine Erteilungsvoraussetzung.
Der Ansicht, dass im Aberkennungsverfahren die Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeklammert zu bleiben habe, weil § 9 Abs.1 Z 1 nur auf § 8 Abs. 1 AsylG, nicht aber auf § 8 Abs. 3 AsylG verweise, ist nicht zuzustimmen (VwGH v 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Der VwGH führt aktuell zur Aberkennung des subsidiären Schutzstatus aus, dass die Bestimmung des oben angeführten § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG das Ziel verfolge, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038).
Der VwGH führt in diesem Erkenntnis aus: Dies wird auch in den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP, 38) - wenngleich dort auch nur kurz angesprochen, so dennoch deutlich – zum Ausdruck gebracht, indem betont wird, dass der Fremde (auch) in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, betrifft der von der Behörde und vom BVwG hier zur Anwendung gebrachte § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind.
Dem Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahren lag der Sachverhalt zugrunde, dass die fehlenden Voraussetzungen in der Person des Antragstellers gelegen waren, die Behörde damit Tatsachen den Asylwerber betreffend, die bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung vorlagen, fälschlicherweise nicht berücksichtigt hat.
Allerdings trifft der VwGH in diesem Erkenntnis keinerlei Aussage darüber, wie vorzugehen ist, wenn die Behörde entscheidungsrelevante Tatsachen, die außerhalb der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht berücksichtigt hat. Die allgemeinen Erläuterungen des VwGH im oa Erkenntnis treffen eindeutig auch auf einen solchen Sachverhalt zu. Auch in einem solchen Fall würde eine Aberkennung des Schutzstatus nicht auf einer Änderung der relevanten Tatsachenumstände beruhen, sondern auf einer Neubewertung des bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des Schutzstatus vorliegenden Sachverhaltes. Auch hier hat der Verweis auf die Materialen des Fremdenrechtspaketes (RV 952 BlgNr 22. GP, 38) Gültigkeit, wonach die Bestimmung des § 9 Abs.1 Z1 AsylG 2005 das Ziel verfolgt, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt.
Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig. Wenn die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen, so ist abzuerkennen. Für Interpretationen etwa dahingehend, dass die Aberkennung etwa nur bei bestimmten Fällen von Tatsachenunkenntnis der Behörde anzuwenden wäre, besteht angesichts dieser Eindeutigkeit der Formulierung kein Raum.
Und tatsächlich wird in der Judikatur von einer weitreichenden Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft ausgegangen.
So führte bereits der AsylGH am 23.9.2010 in E9 318.625-2/2010 aus, dass die Konstellation des 1. Falles jener entspricht, die der „Zurücknahme“ der Anerkennung als Asylberechtigter zugrunde liegt – mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Fälle der vom AsylG 2005 vorgesehenen Zurücknahme Umstände betreffen, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil bereits zum Entscheidungszeitpunkt Asylausschlussgründe vorgelegen sind. Bei der Aberkennung des subsidiären Schutzes stellt das AsylG 2005 hingegen lediglich darauf ab, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Eine Differenzierung, ob die Voraussetzungen mangels Schutzwürdigkeit oder mangels Schutzbedürftigkeit nicht vorgelegen haben, nimmt das Gesetz nicht vor. Diese Abänderung sieht die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung vor.
Der AsylGH bestätigt die von der ersten Instanz vorgenommene Durchbrechung der Rechtskraft, bewertet die Rückkehrgefährdung neu und bestätigt die Aberkennung des Schutzstatus: Das Ermittlungsergebnis ergab, dass die Voraussetzungen weder zum Zeitpunkt ihrer Zuerkennung vorlagen, noch aktuell gegeben sind. Die Grundlagen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf Basis des § 9 Abs.1 Z 1, 1. Fall AsylG 2005 liegen somit vor.
In der Entscheidung W151 2111715-2/17E vom 09.09.2019 stellt das BVwG fest, dass „Fremde nicht über den Status des subsidiären Schutzes verfügen sollen, wenn sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen. Es ist in einem solchen Fall mit einer Aberkennung vorzugehen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Gewährung auch tatsächlich vorgelegen haben oder ob sie nachträglich weggefallen sind. Im Aberkennungsverfahren ist demnach eine aktuelle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen, was sich erstens schon aus der Formulierung des ersten Falles des § 9 Abs.1 Z 1 AsylG ergibt, und zudem durch die Rechtsprechung des VwGH Bestätigung findet.“
Gestützt auf diese Bestimmung nimmt das BVwG schließlich eine Aberkennung wegen Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor und stellt dabei fest, dass sich die Umstände seit der Zuerkennung des Status nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben. Unabhängig davon, wieso diese im Zeitpunkt der Erteilung des Schutzes nicht berücksichtigt wurde, beurteilt das BVwG die allgemeine Lage rein zum jetzigen Zeitpunkt und gelangt zur Feststellung, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative dem Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehe.
Wie oben bereits kurz angeschnitten, würde es auch der Systematik und den Zielen der Statusrichtlinie widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH 23.05.20019, Bilali, C-720/17). Damit stellte der EuGH klar, dass die Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Statusrichtlinie fällt und es für die Gewährung nationalen Schutzes aus solchen Gründen einer Form bedarf, die die Gefahr der Verwechslung mit der Schutzgewährung im Sinne der Statusrichtlinie ausschließt (VwGH 21.5.2019, Ro 2019/01/0106).
Um Härtefälle, die sich im Zuge einer Aberkennung ergeben können, zu vermeiden, hat die österreichische Rechtsordnung die Verpflichtung der Behörde normiert, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, wenn dies im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist. Keinesfalls aber kann einem Drittstaatsangehörigen der subsidiäre Schutz aus anderen Erwägungen als denen in § 8 AsylG 2005 genannten beibehalten werden.
Im Aberkennungsverfahren ist demnach eine aktuelle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen.
Im gegenständlichen Fall ist aus folgenden Gründen gem. § 9 Abs. 1 Z. 1, 1.Fall AsylG abzuerkennen:
Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, sind in Ihrem Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegend, umso mehr Sie auf Nachfragen des zur Entscheidung berufenen Organwalters auch nichts vorbrachten oder glaubhaft machten, dass eine aktuell vorliegende Gefährdung Ihrer Person im gesamten Heimatstaat annehmen ließe.
Es konnte zwar für Ihr unmittelbares Herkunftsgebiet in der Provinz Ghazni eine reale Gefahr im Sinne einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts erkannt werden. Nicht aber konnte festgestellt werden, dass Ihnen aktuell keine innerstaatliche Fluchtalternative offen stünde.
Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 entsprechend braucht es keiner externen Unterstützung, um für alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten vorliegen, eine IFA in den Städten Mazar-e Sharif und Herat erkennen zu können. Auch entspricht es der Rechtsprechung des VwGH, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH Ra 2019/20/0175).
Wie zudem bereits beweiswürdigend dargelegt wurde, ist davon auszugehen, dass Ihre psychischen Leiden in Afghanistan behandelt werden können, sodass nach menschlichem Ermessen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer gravierenden Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes im Falle einer Rückkehr ausgegangen werden kann. Im Laufe des Verfahrens wurden auch keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht, woraus sich ergeben würde, dass es im Falle einer Rückkehr zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen würde. Unter Fortsetzung der Ihnen verordneten medikamentösen Behandlung ist nach menschlichem Ermessen schließlich nicht anzunehmen, dass sich Ihr Gesundheitszustand gravierend verschlechtern würde; weiters sind keine Gründe ersichtlich, warum es Ihnen unter Anspannung Ihrer Kräfte nicht möglich sein sollte, sich durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundalge zu sichern. Auch wenn nicht verkannt wird, dass Sie angesichts der diagnostizierten Erkrankungen und der fehlenden familiären bzw. sozialen Anknüpfungspunkte vor dem Hintergrund der angespannten Versorgungslage in Ihrem Heimatland mit einer schwierigen Lage konfrontiert werden würden, ist angesichts der hinreichend vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten insgesamt nicht davon auszugehen, dass Sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.
Den obigen Ausführungen entsprechend (siehe dazu Feststellungen und Beweiswürdigung) fallen Sie schließlich unter die Personengruppe, der eine IFA in Mazar-e Sharif und auch Herat offen steht, umso mehr in Ihrem Fall auch keinerlei besondere Gefährdungsfaktoren hervorgekommen sind.
Auf Grundlage des aktuellen Kenntnisstandes der Behörde zu der Situation in Ihrem Heimatland wird festgestellt, dass Sie derzeit nicht die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG erfüllen, weshalb auch gemäß § 9 Abs. 1 Z 1, erster Fall des AsylG der Status des subsidiären Schutzberechtigten abzuerkennen war.
Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass diese nunmehrige Entscheidung keineswegs von einer Änderung der Rechtsprechung alleine getragen ist, sondern von einer Aktualisierung des Kenntnisstandes der Behörde zur allgemeinen Situation in Ihrem Heimatland.
Berücksichtigt wurde dabei auch Ihre konkrete Einzelsituation, wobei das Ermittlungsverfahren spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu Tage brachte, die im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus keine Berücksichtigung fanden (siehe dazu Feststellungen zu Ihrer Person und die entsprechende Beweiswürdigung).
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.“
9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
10. Der BF stellte am 18.02.2020 einen zweiten Asylantrag.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung:
Anzuwendendes Recht:
1.1. Unionsrecht:
Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in Folge: „Statusrichtlinie“) lautet:
„Interner Schutz
(1) Bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz können die Mitgliedstaaten feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes
a) keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht oder
b) Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Artikel 7 hat,
und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung hat oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil seines Herkunftslandes gemäß Absatz 1 in Anspruch nehmen kann, berücksichtigen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Artikel 4. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden.“
Art. 16 der Statusrichtlinie lautet:
„Erlöschen
(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.
(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, die sich auf zwingende, auf früher erlittenem ernsthaftem Schaden beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder wenn sie staatenlos ist, des Landes, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen.“
Art. 19 der Statusrichtlinie lautet:
„Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus
(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.
(2) Die Mitgliedstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absatz 3 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen.
(3) Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen eine Verlängerung ab, wenn
a) er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absätze 1 und 2 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;
b) eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.
(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat.“
1.2. Nationales Recht:
§ 8 Abs. 1 AsylG lautet:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“
§ 9 Abs. 1 AsylG lautet:
„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“
Zu Spruchteil A.I.)
2. Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheids
In ihrer rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheids geht die belangte Behörde auf S. 155ff vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG zusammengefasst davon aus, dass aufgrund des Urteils des EuGH vom 23.05.2019, Rs. C-720/17, Bilali (in Folge: „Urteil Bilali“ oder „Rechtssache Bilali“), eine aktuelle Prüfung der Notwendigkeit des subsidiären Schutzes zwingend erforderlich sei. So würde es der Statusrichtlinie widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck internationalen Schutzes aufweisen. Personen, deren gewährter Schutz auf falschen Daten und Beurteilungen aufbaue und die sich in keiner Situation befinden, welche die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes erfüllen, stehen somit in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes. Damit sei der nicht rechtmäßig gewährte Status auch jedenfalls abzuerkennen, wenn der Irrtum hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Gewährung des Schutzes festgestellt wird. Wenn also niemals eine tatsächliche Gefahr bestanden habe, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, welche die Gewährung des subsidiären Schutzes gerechtfertigt hätte, müsse daraus geschlossen werden, dass sich die Gründe, die zur Zuerkennung des Status geführt haben, in einer Weise geändert haben, dass die die Aufrechterhaltung bzw. die Notwendigkeit des Status nicht mehr gerechtfertigt sei.
Zur möglichen Erfüllung von § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der (1.) in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder (2.) dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn in den Fällen 1. oder 2. eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden u.a. dann der Status als subsidiär Schutzberechtigter abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Status „nicht“ (1. Fall) oder „nicht mehr“ (2. Fall) gegeben sind.
Gegenständlich ist aus dem Spruch des bekämpften Bescheides nicht eindeutig zu entnehmen, ob die belangte Behörde von der Erfüllung des ersten Falls, des zweiten Falls oder ohnedies beider Fälle von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ausging. In der Bescheidbegründung stützt sich die belangte Behörde jedoch ausschließlich auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG. Ausführungen, weshalb im Fall des BF geänderte persönliche Umstände vorliegen würden, weshalb § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall verwirklicht sei, finden sich im angefochtenen Bescheid nicht.
§ 9 Abs. 1 Z 1 AsylG verfolgt das Ziel sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Dies lässt sich auch den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005, kundgemacht mit BGBl. BGBl. I Nr. 100/2005, entnehmen, indem betont wird, dass der Fremde auch in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiären Schutz die dafür notwendige Voraussetzung nicht erfüllt hat, betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind. Dies steht im Einklang mit Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie, wonach bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 StatusRL nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 77f, unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des EuGH vom 23.05.2019, und darin Rz. 44ff).
Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß dem Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist gemäß Art. 19 Abs. 4 leg. cit. der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 78).
Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass die von Amts wegen durch die belangte Behörde wie auch durch das BVwG zu prüfende Frage, ob einem Antragsteller auf internationalem Schutz eine – ihm auch zumutbare – innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d. § 11 AsylG offensteht oder nicht, eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, welche auf Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0217, Rz. 15). „Zumutbar“ bedeutet i.S. einer Auslegung konform mit Art. 8 der Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/02/0096, m.w.N.). Dabei reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Vielmehr muss es ihm möglich sein, in diesem Gebiet nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landesleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, Rz. 23). Betreffend die Sicherheitslage wiederum muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde, findet (vgl. VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160, Rz. 37). Diese Fragen sind auf Grundlage ausreichender Sachverhaltsfeststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu beantworten (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, m.w.N.).
Ausgehend von getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Afghanistan sowie zu persönlichen Umständen des BF (konkret: dem Fehlen tragfähiger familiärer oder sozialer Anknüpfungspunkte in diesem Land) zog das BVwG im Erkenntnis vom 09.03.2017 die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlagen (s. S. 17ff der Entscheidung).
Nunmehr vertritt die belangte Behörde jedoch unter Hinweis auf das Urteil Bilali die Auffassung, dass vor dem Hintergrund einer unveränderten Tatsachenlage auch dann nach § 9 Abs. 1 Z 1 1. Fall AsylG abzuerkennen wäre, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren.
Dem im Vorabsatz erwähnten Urteil des EuGH lag die Frage zugrunde, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 19 Abs. 3 der Statusrichtlinie, einer nationalen Bestimmung eines Mitgliedstaats betreffend die Möglichkeit der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehen, wonach auf Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erkannt werden kann, ohne dass sich die für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstände selbst geändert haben, sondern nur der diesbezügliche Kenntnisstand der Behörde eine Änderung erfahren hat und dabei weder eine falsche Darstellung noch das Verschweigen von Tatsachen seitens des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend waren. Hintergrund war ein Irrtum über die Staatsangehörigkeit des dortigen Antragstellers (vgl. Urteil des vom EuGH 23.05.2019, Rz. 38).
Zu dieser Frage führte der EuGH in den Erwägungsgründen 40 bis 44, 47 bis 49 und 51 des erwähnten Urteils wörtlich aus:
„40 In Art. 19 der Richtlinie 2011/95 sind die Fälle festgelegt, in denen die Mitgliedstaaten den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen können oder müssen.
41 In diesem Zusammenhang ist zweitens darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie, wie das vorlegende Gericht ausführt, den Verlust des subsidiären Schutzstatus nur für den Fall vorsieht, dass der Betroffene etwas falsch dargestellt oder verschwiegen hat und dies bei der Entscheidung, ihm diesen Status zuzuerkennen, ausschlaggebend war. Des Weiteren sieht keine andere Bestimmung dieser Richtlinie ausdrücklich vor, dass der genannte Status dann aberkannt werden muss oder kann, wenn die betreffende Entscheidung über die Zuerkennung wie im Ausgangsverfahren ohne eine falsche Darstellung oder das Verschweigen seitens des Betroffenen aufgrund unzutreffender Tatsachen getroffen wurde.
42 Drittens ist jedoch festzustellen, dass Art. 19 der Richtlinie 2011/95 auch nicht ausdrücklich ausschließt, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten verloren gehen kann, wenn sich der Aufnahmemitgliedstaat gewahr wird, dass er diesen Status aufgrund unzutreffender, nicht dem Betroffenen zuzurechnender Daten gewährt hat.
43 Es ist daher zu prüfen, ob unter Berücksichtigung auch der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2011/95 auf eine solche Situation einer der anderen Gründe für den Verlust des subsidiären Schutzes anwendbar ist, die in Art. 19 der Richtlinie 2011/95 aufgeführt sind.
44 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95 widersprechen würde, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M’Bodj, C?542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 44). Die Situation einer Person, die den subsidiären Schutzstatus auf der Grundlage falscher Daten erlangt hat, ohne jemals die Voraussetzungen hierfür erfüllt zu haben, steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes.“
[…]
„47 Gemäß diesem Art. 16 Abs. 1 ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser grundsätzlich nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Eine solche Änderung der Umstände muss nach Art. 16 Abs. 2 so wesentlich und endgültig sein, dass die betroffene Person nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden.
48 Bereits aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 ergibt sich somit, dass ein Kausalzusammenhang besteht zwischen der Änderung der Umstände nach Art. 16 dieser Richtlinie und der Unmöglichkeit für den Betroffenen, seinen Status des subsidiär Schutzberechtigten zu behalten, da seine ursprüngliche Furcht, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, nicht mehr begründet erscheint (vgl. entsprechend Urteil vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C?175/08, C?176/08, C?178/08 und C?179/08, EU:C:2010:105, Rn. 66).
49 Zwar ergibt sich eine solche Änderung im Allgemeinen daraus, dass sich die tatsächlichen Umstände im Drittland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht zum einen Art. 16 der Richtlinie 2011/95 nicht ausdrücklich vor, dass sein Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist, und zum anderen kann eine Änderung des Kenntnisstands des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Befürchtung, dass Letztere einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie erleidet, im Licht der neuen Informationen, die diesem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, nicht mehr begründet erscheint.“
[…]
„51 Somit ergibt sich aus Art. 16 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 im Licht der allgemeinen Systematik und der Zielsetzung dieser Richtlinie, dass der Aufnahmemitgliedstaat, wenn er über neue Informationen verfügt, die belegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser, dem er subsidiären Schutz gewährt hat, entgegen seiner ursprünglichen, auf unzutreffende Tatsachen gestützten Beurteilung der Situation dieses Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen niemals einer tatsächlichen Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie zu erleiden, ausgesetzt war, daraus schließen muss, dass sich die der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zugrunde liegenden Umstände in einer Weise verändert haben, dass die Aufrechterhaltung dieses Status nicht mehr gerechtfertigt ist.“
Der EuGH betont im Urteil weiters, dass seine Auslegung durch eine Betrachtung der Statusrichtlinie im Lichte der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt werde. Obgleich keine Bestimmung der genannten Konvention ausdrücklich den Verlust des Flüchtlingsstatus vorsehe, sei das Amt des UNHCR gleichwohl der Auffassung, dass in dem Fall, dass sich später herausstellt, dass dieser Status niemals hätte verliehen werden dürfen, die Entscheidung über die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus grundsätzlich aufzuheben sei (Urteil Bilali, Rz. 53 und 58).
Nach den von der belangten Behörde im gegenständlichen Fall getroffenen Sachverhaltsfeststellungen lässt sich jedoch kein Irrtum über die Tatsachen im Zeitpunkt der Gewährung subsidiären Schutzes, also dem 09.03.2017, ableiten. Ein solcher Irrtum wäre etwa ein im Zeitpunkt der Gewährung subsidiären Schutzes doch vorhandenes (familiäres oder soziales) Netzwerk in Afghanistan oder eben vorhandene Kenntnisse der Lage in Afghanistan. Auf einen solchen Irrtum lässt sich aus den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen jedoch nicht schließen.
Der dem BVwG unterlaufene Irrtum kann sohin nur darin bestanden sein, dass es aufgrund der Tatsache des fehlenden sozialen oder familiären Netzwerks rechtlich unrichtig schlussfolgerte, dass dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d. § 11 AsylG nicht offenstehe. Eine solche Konstellation lag jedoch dem von der belangten Behörde erwähnten Urteil Bilali nicht zugrunde.
Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die rechtliche Beurteilung kein „Umstand“ i.S.d. Art. 16 der Statusrichtlinie ist und ein rechtlicher Beurteilungsirrtum kein „Irrtum über einen Umstand“ ist. Die Anwendung des Art. 16 leg. cit. auf einen Fall einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung scheidet also aus.
Daran ändern auch die von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung getätigten Verweise auf die „UNHCR-Richtlinien“ ein darin zum Ausdruck gebrachtes Nichterfordernis eines sozialen oder familiären Netzwerks als Grundlage für eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative, etwa in afghanischen Städten wie Herat oder Mazar-e Sharif, nichts. Zwar ist es richtig, dass solche Dokumente bei der Frage, ob einem Antragsteller eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht, gemäß Art. 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung nationalen Verfahrensrechts verpflichtend zu berücksichtigen sind (dazu etwa VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160, Rz. 42, m.w.N.). In seiner Richtlinie trifft der UNHCR nach qualitätsgesicherten Prozessen und insbesondere aufgrund seines Expertenwissens Schlussfolgerungen, was auf Grundlage einer bestimmten ermittelten Länderberichtslage allgemein bei der Prüfung der Relevanz und/oder Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Neuansiedlungsalternative zu beachten ist. Diese – sich zu bestimmten Fragen allenfalls ändernden – Schlussfolgerungen stellen jedoch auch keine „Umstände“ i.S.d. Art. 16 Statusrichtlinie dar, über welche man sich auf Tatsachenebene hätte irren konnte.
Das erkennende Gericht vermag aus den Schlussfolgerungen des UNHCR nicht zu schließen, dass diese aufgrund einer sich verbesserten Lage ergangen wären (so jedoch offensichtlich die Ansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid). Vielmehr kommen die genannten Institutionen zum Schluss, dass in Anbetracht der gegenwärtigen Berichtslage bestimmten Personen – unbeschadet einer erforderlichen Prüfung auch zu deren persönlichen Umständen – eine Wiederansiedlung an bestimmten Orten in Afghanistan zumutbar ist bzw. auch die Relevanz einer solchen Ansiedlung gegeben ist. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass sich die Situation vor Ort etwa im Hinblick auf die Sicherheitslage oder die sozioökonomischen Rahmenbedingungen verbessert hat. Überdies sahen die im Zeitpunkt der Gewährung subsidiären Schutzes veröffentlichten Richtlinien des UNHCR betreffend Afghanistan bereits Ausnahmen vom (unbedingten) Erfordernis eines sozialen oder familiären Netzwerks für die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative vor (s. S. 86 der UNHCR-Richtlinien vom 06.08.2013).
Vielmehr liest das BVwG Rz. 43 des Urteils Bilali so, dass aus Sicht des EuGH eine Aberkennung (bzw. Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung) nur aus Gründen erfolgen dürfe, welche (noch) in Art. 19 der Statusrichtlinie angeführt sind. Dies wären die in Art. 19 Abs. 3 leg.cit. selbst genannten Gründe, oder eben die Gründe der Art. 17 und 16 dieser Richtlinie. Wie im Vorabsatz erwogen kommt jedoch Art. 16 Statusrichtlinie für einen Fall wie den gegenständlichen nicht in Frage. Da weiters auch die übrigen Fälle des Art. 19 dafür nicht einschlägig sind, scheidet eine Möglichkeit (oder gar Pflicht) zur Aberkennung, Beendigung oder Verlängerung subsidiären Schutzes aufgrund einer auf einem Rechtsirrtum bzw. einer im Nachhinein als unrichtig erkannten rechtlichen Beurteilung beruhenden Schutzgewährung aus.
Auch das EASO geht davon aus, dass es unter der geltenden Unionsrechtslage nicht ausreicht, dass eine Verwaltungsbehörde zu dem Schluss gelangt, dass der subsidiäre Schutz nicht hätte gewährt werden dürfen, und sich darum bemüht, ihre ursprüngliche Entscheidung zu revidieren (vgl. EASO, Richterliche Analyse Beendigung des internationalen Schutzes: Artikel 11, 14, 16 und 19 der Anerkennungsrichtlinie, abrufbar unter: https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/ending-international-protection_de.pdf, S. 57).
Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung der Gewährung subsidiären Schutzes nur dann gerechtfertigt sei, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung der belangten Behörde der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorgelegen wäre, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Von einer nachträglichen Änderung der Sache sei nach dem Verwaltungsgerichtshof aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden („nova reperta“). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage sei von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. dazu VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0293, Rz. 12, m.w.N.).
Ein Rechtsirrtum bildet nach der hier zur Anwendung gelangenden, nationalen Verfahrensrechtsordnung ohnedies keinen Grund für eine Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG, unabhängig davon, ob diese von Amts wegen erfolgt oder nicht (vgl. zum Rechtsirrtum als Wiederaufnahmegrund etwa VwGH 11.02.1988, 86/16/0192).
Im Ergebnis ermöglicht daher, anders als die belangte Behörde vermeinte, § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG (also wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten „nicht“ vorliegen) bei unionsrechtskonformer Auslegung – im Gegensatz zu (bestimmten) ursprünglichen Irrtümern über Tatsachen (Daten) oder etwa im Fall sich als nachträglich unrichtig herausstellender Angaben eines Antragstellers vor originärer Zuerkennung – keine Aberkennung eines aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuerkannten Status als subsidiär Schutzberechtigen.
Da der angefochtene Bescheid daher im überwiegenden Teil auf einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde beruhte, waren Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheids schon aus diesem Grund ersatzlos zu beheben. Lediglich der Vollständigkeit halber soll im Folgenden noch darauf eingegangen werden, ob gegenständlich § 9 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall erfüllt ist.