TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 W170 2230624-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2230624-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peter WOLF, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 30.03.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1105433304/190129102, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020, stattgegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgegenstand:

XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist ein iranischer Staatsangehöriger, dem mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2017 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und mit im Spruch bezeichneten Bescheid aberkannt wurde, da die Gründe, die zur Zuerkennung des Status führten, nicht mehr vorliegen würden. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft zu machen vermocht, dass seine Hinwendung zum Christentum, welche zur Statusgewährung geführt habe, noch gegeben sei.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob die Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum in dem von der Rechtskraftwirkung des Bescheides vom 21.03.2017 umfassten Ausmaß, das schließlich zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führte, noch gegeben ist bzw. alle für die Zuerkennung maßgeblichen Fluchtgründe weggefallen sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX , ein volljähriger, iranischer Staatsangehöriger, ist seit spätestens 15.06.2016 in Österreich aufhältig und wurde diesem nach einem Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2017, Zl. 1105433304 / 160241849, der Status des Asylberechtigten zuerkannt, da aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Iran in Verbindung mit dem Vorbringen die behauptete Furcht vor Verfolgung als glaubhaft gemacht gewertet werden könne; dieser Status wurde bis dato nicht rechtskräftig aberkannt.

1.2. In der Einvernahme am 17.03.2017 gab der Beschwerdeführer zu Vorfällen in Iran an, er sei im Zusammenhang mit der Stürmung und Schließung einer Kirche 20 Monate lang inhaftiert worden. Später habe er zu einem Christen, der seit zwei Jahren eine Hauskirche habe, Kontakt gehabt, der dann festgenommen worden sei. Da er schon einmal wegen seines Wunsches zur Konvertierung sehr lange im Gefängnis gewesen sei, fürchte er in Iran um sein Leben. Weiters sei er missionarisch tätig gewesen.

Hinsichtlich seiner Praxis in Österreich gab er an, er sei Christ, besuche die katholische Kirche in XXXX und werde bald getauft. Weitere Fragen zu seinem Glauben und seiner Praxis wurden ihm von der belangten Behörde nicht gestellt. Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben des Kardinals XXXX , laut dem der Beschwerdeführer in der Erzdiözese XXXX feierlich zu den Sakramenten der Eingliederung zugelassen worden sei. Weiters legte er ein Schreiben des Pfarrers XXXX vor, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer sich taufen lassen wolle und die Vorbereitung begonnen habe.

1.3. Aus dem Aktenvermerk über den unter 1. bezeichneten Bescheid geht hervor, dass der Beschwerdeführer Christ sei und ihm in Iran Verfolgung aufgrund seiner Abkehr vom Islam drohe. Er habe glaubhaft vorgebracht, dass er sich aufgrund seines gefundenen christlichen Glaubens und der damit verbundenen inneren Überzeugung vom Islam abgewandt habe und dies schon in seiner Heimat sichtbar zum Ausdruck gebracht habe. Es seien im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, aus denen zu schließen wäre, dass die behauptete Abkehr vom Islam bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre. Laut Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran drohe vom Islam Abgekehrten die Todesstrafe. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Abkehr vom Islam verfolgt zu werden, außerhalb Irans befinde und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, dorthin zurückzukehren.

1.4. Am 08.01.2020 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde wegen seines Antrags auf Berichtigung des Geburtsdatums einvernommen. Dazu befragt, gab er an, er sei Katholik, 2017 getauft worden, derzeit nicht Mitglied einer bestimmten Kirche, da seine Sprachkenntnisse sehr schwach seien und er am Wochenende arbeite. Er besuche diverse Kirchen. Er könne keine Austrittserklärung aus dem Islam vorlegen. Weiters legte er seinen Taufschein vom 23.09.2017 der Erzdiözese XXXX (Pfarre XXXX ) vor. Mit demselben Datum wurde auch die Firmung eingetragen.

1.5. Am 03.03.2020 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Rahmen des Aberkennungsverfahrens einvernommen. Darin gab der Beschwerdeführer an, er habe seine Kirchenbesuche vernachlässigt, da er habe arbeiten wollen, um nicht mehr vom Sozialamt abhängig zu sein, und erst danach die Kirche besuchen wollen. Nach der Taufe habe sich sein Leben 100% verändert. Er habe an Gottesdiensten teilgenommen, jedoch wegen seiner geringen Sprachkenntnisse keinen sozialen Kontakt aufbauen können und nur wenig verstanden. Er verhalte sich genau nach den christlichen Vorschriften und habe bis jetzt kein Ehrenamt oder sonstige Aktivität in der Kirche übernommen. Er habe vor, in Zukunft Mitglied einer Kirche zu werden, das letzte Mal habe er vor einem Monat eine Kirche besucht. Inhaltlich sei es beim Gottesdienst um die Hilfe der Mitmenschen gegangen. Diese Kirche habe er zuvor schon fünfmal besucht. Seine Familie in Iran wisse von seiner christlichen Einstellung und habe sich von ihm distanziert. Er besitze eine Bibel auf Farsi. Er bete jeden Tag das Vater Unser. Die Konversion sei ein langer Prozess gewesen, den er in Iran begonnen habe, aufgrund des unterschiedlichen Verhaltens von Muslimen und Christen. Den Islam akzeptiere er nicht und finde ihn schlecht.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 30.03.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1105433304/190129102, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran zulässig sei und die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkte II. bis VI.).

Festgestellt wurde, dass weder die christliche Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers noch festgestellt werden könne, dass noch eine innere Hinwendung zum Christentum, welche zur Statusgewährung geführt habe, gegeben sei. Die Gründe, die zur Zuerkennung des Status geführt hätten, würden nicht mehr vorliegen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde nicht von einer aktuellen Glaubensausübung ausgehe. Aufgrund des gezeigten Verhaltens des Beschwerdeführers gehe die Behörde nicht davon aus, dass es bei ihm zu einer dauerhaften und inneren Hinwendung zum Christentum gekommen sei, weshalb davon ausgegangen werde, dass der Beschwerdeführer bei einer etwaigen Rückkehr nach Iran auch dort nicht das Bedürfnis zum Ausleben des christlichen Glaubens verspüren werde.

Die Behörde hielt einerseits fest, dass sie nie eine Kirchenmitgliedschaft vom Beschwerdeführer eingefordert habe, zumal es lediglich auf die glaubhafte innere Überzeugung einer Person, sich einer bestimmten Religion zugewandt zu haben, ankomme. Andererseits begründete die Behörde ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe die ihn unterstützende Kirche lediglich zwecks Beschaffung von asylrelevanten Beweismitteln bis zu seiner Statusgewährung in Österreich aufgesucht, damit, dass er nie ordentliches Mitglied einer staatlich anerkannten Kirche geworden sei. Dass der Beschwerdeführer in der Kirche nur mit Farsi sprechenden Personen Kontakt habe, würde die Behörde in der Ansicht bestärken, dass er vermutlich kein Interesse daran habe, ein Teil dieser Kirchengemeinschaft zu werden. Die Behörde geht schließlich davon aus, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben nie verinnerlicht habe, sondern eine solche Hinwendung zum Christentum nur zum Zwecke der Asylerlangung vorgetäuscht habe. Dass das ehemalige Interesse des Beschwerdeführers für das Christentum in Iran bekannt geworden sein könnte, wird von der Behörde völlig ausgeschlossen, zumal nur die Familie des Beschwerdeführers davon wisse und völlig auszuschließen sei, dass dies den iranischen Behörden bekannt werden und der Beschwerdeführer in deren Visier geraten könne. Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum nicht mehr gegeben sei. Insofern eine solche überhaupt je bestanden habe, habe er sich nach der Statuszuerkennung vom Christentum abgewandt, bzw. den Wechsel vom Islam zum Christentum nicht mit der nötigen inneren Überzeugung vollzogen.

1.7. Apostasie (Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht.

1.8. Der Beschwerdeführer hat sich nicht freiwillig wieder unter den Schutz Irans gestellt, eine andere Staatsangehörigkeit erworben oder sich freiwillig in Iran niedergelassen.

1.9. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu 1.1.-1.6. ergeben sich aus der Aktenlage, die Feststellung zu 1.7. aus dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Iran der Staatendokumentation vom 14.06.2019, die Feststellung zu 1.8. daraus, dass diesbezüglich keine Anhaltspunkte vorliegen (insbesondere ist der Beschwerdeführer weder nach Iran gereist, noch hat er sich einen iranischen Reisepass ausstellen lassen) und die belangte Behörde dies auch nicht vorgebracht hat, die Feststellung zu 1.9. aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020 (in Folge: AsylG), ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.

Gemäß Art. 1 Abschnitt C GFK liegen diese Gründe vor, wenn eine (nicht staatenlose) Person 1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder 2. wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat; oder 3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder 4. sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder 5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde, die den angefochtenen Bescheid maßgeblich auf Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK stützt, die Aberkennung des Status des Asylberechtigten widersprüchlich einerseits damit begründet hat, dass der Fluchtgrund des Beschwerdeführers (seine Hinwendung zum Christentum) nicht mehr vorliegt, andererseits, dass dieser nie vorgelegen hat und von einer Scheinkonversion auszugehen ist. Andere Aberkennungsgründe sind nicht zu erkennen und wurden auch nicht vorgebracht. Es ist daher zu prüfen, ob die Aberkennung gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK rechtmäßig ist. Die Alternative, dass der Fluchtgrund des Beschwerdeführers nie vorgelegen haben soll, ist darunter jedoch nicht zu subsumieren, sondern nur der Fall, dass der Fluchtgrund des Beschwerdeführers nicht mehr vorliege.

Hinsichtlich der ersten Alternative ist die belangte Behörde vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darauf zu verweisen, dass erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, keine Änderung des Sachverhalts darstellen, sondern lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen können (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0029, mwN). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0091) Auch hat die Behörde im Zuerkennungsverfahren ausdrücklich hervorgehoben, dass die behauptete Abkehr vom Islam nicht bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt ist.

Hinsichtlich der zweiten Alternative, dass die Umstände, auf Grund deren der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sind zunächst die objektiven Umstände in Iran und mögliche Änderungen der Lage zu berücksichtigen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs davon auszugehen ist, dass es sich bei den "Umständen" im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK insbesondere um solche handeln muss, die sich auf grundlegende, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention angeführten Fluchtgründe betreffende (objektive) Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht. Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet ist, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings darf es sich dabei nicht nur um vorübergehende Veränderungen handeln. (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121)

Wie unter 1.3. festgestellt, ging die Behörde im Zuerkennungsverfahren davon aus, dass laut Länderinformationsblatt zu Iran der Staatendokumentation in Iran (in Folge: LIB) vom Islam Abgekehrten die Todesstrafe droht. Auch aus dem aktuellen LIB geht hervor, dass Apostasie (Religionswechsel weg vom Islam) in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht ist. Eine Änderung der objektiven Umstände oder sonstige grundlegende Lageänderung der Situation von Konvertiten und Apostaten in Iran liegt somit nicht vor und ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch nicht näher darauf eingegangen.

Die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK stellt insofern primär auf eine grundlegende Änderung der (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat ab, kann jedoch auch die Änderung der in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K 9 zu § 7 AsylG).

Ein in der Person des Flüchtlings gelegenes subjektives Element spielt auch insofern eine Rolle, zumal aus der in Art 1 Abschnitt C Z 5 GFK enthaltenen Wortfolge "nicht mehr ablehnen kann" auch die Zumutbarkeit einer Rückkehr in das Herkunftsland ein entscheidendes Kriterium einer Aberkennung des Flüchtlingsstatus ist (vgl. Putzer/Rohrböck, Asylrecht2, Rz 155).

Auch aus einer jüngst vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Entscheidung folgt, dass der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation, darstellen kann (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496).

Im gegenständlichen Fall geht die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zusammengefasst davon aus, dass aufgrund des angeblich nach der Asylzuerkennung nachgelassenen Interesses des Beschwerdeführers am Christentum die in der Rechtsprechung Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten vorliegen würden und er es daher nicht mehr ablehnen könne, sich unter den Schutz des Heimatlandes zu stellen.

Ein Vergleich der vor dem Zuerkennungsbescheid mit vor dem Aberkennungsbescheid erfolgten Einvernahmen des Beschwerdeführers zu seinem christlichen Glauben zeigt, dass dahingegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer in einem maßgeblich geringeren Ausmaß als vor der Zuerkennung den christlichen Glauben verfolgt. Vielmehr war er im Zeitpunkt der Zuerkennung noch nicht einmal getauft, damals wurde er auch weder zur Regelmäßigkeit seiner Gottesdienstbesuche, seiner Mitgliedschaft in einer bestimmten Kirche, noch zum grundlegenden religiösen Wissen befragt. In der Zwischenzeit wurde der Beschwerdeführer getauft und gefirmt, besucht nicht oft, aber manchmal eine Kirche, und hat vor, in Zukunft die Mitgliedschaft in einer bestimmten Kirche aufzunehmen. Vor dem Hintergrund dieses Vergleichs kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Hinwendung des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben maßgeblich verändert hätte. Dieses (wenn auch geringe) Ausmaß der Hinwendung zum Christentum des Beschwerdeführers ist jedoch von der Rechtskraftwirkung des zuerkennenden Bescheides umfasst und kann diese nicht durch eine andere rechtliche Beurteilung im Aberkennungsverfahren durchbrochen werden. Eine tatsächliche Abkehr des Beschwerdeführers vom Christentum oder Rückkehr zum islamischen Glauben hat die belangte Behörde nicht näher dargelegt und haben sich diesbezüglich auch keine anderen Anhaltspunkte ergeben. Mangels wesentlicher Änderung der Situation im Vergleich zur Situation im Zeitpunkt der Asylgewährung kann daher aktuell auch nicht von einem Wegfall der Verfolgungsgefahr wegen der erfolgten Konversion zum Christentum, die (u.a.) zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt hat, ausgegangen werden. Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist jedoch von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496; VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0274).

Zudem geht die belangte Behörde offenbar davon aus, dass dem Beschwerdeführer (lediglich) aufgrund seiner Konversion zum Christentum der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden wäre. Allerdings stützt sich diese Entscheidung - wie aus dem diesbezüglichen Aktenvermerk (siehe 1.3.) ersichtlich - zusätzlich erstens auch auf die Vorfälle in Iran, da es die Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft erachtet und festhält, dass der Beschwerdeführer die Abwendung vom Islam auch schon in Iran zum Ausdruck gebracht hat, und zweitens stützt es die Entscheidung - auch wenn es davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer Christ ist - vielmehr auf die Abkehr des Beschwerdeführers vom Islam und die ihm deshalb drohende Verfolgungsgefahr. Dass dieser sich - unabhängig von der Intensität seiner Hinwendung vom Christentum - vom Islam abgewendet hat, ist unstrittig, ebenso, dass er nicht zum Islam rückkonvertiert ist. Weder berücksichtigt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Aspekt, dass dem Beschwerdeführer - auch - aufgrund seiner Abkehr vom Islam und der (weiterhin) drohenden Todesstrafe in Iran für vom Islam Abgekehrten der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, noch bringt sie eine Hinwendung des Beschwerdeführers zum Islam vor (noch ist eine solche hervorgekommen). Bei der Anwendung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK hat die Behörde jedoch auch unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318).

Da somit jedoch die Umstände, auf Grund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt wurde, weiterbestehen und von ihm nicht erwartet werden kann, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen, sowie keine Hinweise zu sehen sind, dass ein anderer Aberkennungsgrund vorliegt, erweist sich die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vorgenommene Aberkennung des Status des Asylberechtigten als nicht berechtigt und war - da die Spruchpunkte II. bis VI. darauf aufbauen - der angefochtene Bescheid zur Gänze ersatzlos zu beheben.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Mangels offener Rechtsfragen - siehe die oben zitierte Judikatur des VwGH - ist die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2230624.1.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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