TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 W281 2231132-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W281 2231132-2/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , vertreten durch: Mag. Andreas Duensing, gegen den Bescheid des BFA, RD NÖ Außenstelle St. Pölten vom 14.05.2020, Zl. XXXX , und gegen die Anhaltung in Schubhaft bis 02.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2020, Zl. XXXX , aufgehoben sowie die Anhaltung in Schubhaft von 22.05.2020 08:00 Uhr bis 02.06.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag auf Aufwandsersatz der belangten Behörde wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2009 ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.08.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurückgewiesen, da keine Zuständigkeit der Republik Österreich für dieses Verfahren gegeben war. Zuständig war gemäß Verordnung 2003/343/EG zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Asylantrags in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 (Dublin-Verordnung) die Slowakische Republik. Auch ein am 02.02.2012 gestellter Antrag wurde gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen.

Während seines ersten Asylverfahrens im Jahr 2009 wurde der Beschwerdeführer das erste Mal im Bundesgebiet straffällig. Nach seiner Haftentlassung wurde der Beschwerdeführer in die Slowakische Republik überstellt.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet im Zeitraum 2009 bis 2015 insgesamt vier rechtskräftige Verurteilungen auf.

Aufgrund der letzten Verurteilung am 20.01.2015 leitete des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein. Mit Bescheid vom 04.10.2016 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab und erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot.

Ebenfalls aufgrund der letzten Verurteilung am 20.01.2015 verbüßte der Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Krems. Er wurde am 19.10.2014 festgenommen und zunächst in Untersuchungshaft und dann in Strafhaft genommen. Der Entlassungszeitpunkt wäre der 19.02.2018 gewesen. Am 11.05.2017 floh der Beschwerdeführer während eines begleitenden Ausganges und tauchte unter.

Zuletzt im Sommer 2019 reiste der Beschwerdeführer wieder in das Bundesgebiet ein. Er wurde am 14.08.2019 abermals festgenommen und befand sich bis 22.05.2020 in Strafhaft zur Verbüßung seiner Reststrafe.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ordnete die Schubhaft mit Bescheid vom 14.05.2020 über den Beschwerdeführer - aufschiebend bedingt mit Ende der Strafhaft - gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

Am 22.05.2020 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

Mit Beschwerde vom 20.05.2020, eingelangt per E-Mail am 26.05.2020, erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eine "Schubhaftbeschwerde", brachte vor, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen würden und stellte den Antrag "in Stattgebung der Beschwerde festzustellen, dass die über den Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2020, IFA-Zahl: XXXX , verhängte Schubhaft rechtswidrig ist, da die Gründe die Behörde angenommen hat nicht vorliegen und das angeordnet wird, dass der Beschwerdeführer zu enthaften ist."

Am 27.05.2020 erteile das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer einen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 21 Abs. 6 BVwGG iVm § 13 abs. 3 AVG, die Beschwerde ordnungsgemäß im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehres einzubringen. Dem Mängelbehebungsauftrag wurde am selben Tag nachgekommen.

Am 27.05.2020 erteilte das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Auftrag, die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen, welche auszugsweise mit 28.05.2020 vorgelegt wurden.

Am 28.05.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Stellungnahme auf, da aufgrund der vorgelegten Akten eine rechtswirksame Zustellung des Bescheides vom 04.10.2016 an den Beschwerdeführer nicht ersichtlich war.

Mit Stellungnahme vom 29.05.2020 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass festgestellt worden sei, dass eine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides vom 04.10.2016 an den Beschwerdeführer nicht erfolgt sei und der Bescheid daher ihm gegenüber nicht erlassen worden sei. Die Grundlagen zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme seien nach wie vor gegeben und werde am 29.05.2020 eine Entscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer erlassen werden. Die Zustellung dieser Entscheidung erfolge an den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers.

Am 02.06.2020 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Bescheid vom 29.05.2020 vor, mit dem es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte, erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen ihn, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ab und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Zusätzlich teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Bescheid vom 29.05.2020 an den ausgewiesenen Vertreter am 02.06.2020 per Fax übermittelt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , und das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet auch unter folgenden Aliasidentitäten bekannt:

XXXX , geb. XXXX , Geburtsort XXXX ;

XXXX , geb. XXXX , Geburtsort XXXX ;

XXXX , geb. XXXX , Geburtsort XXXX .

Er ist Staatsangehöriger von Georgien; die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.

1.2. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung des Beschwerdeführers von 22.05.2020 bis 02.06.2020

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ordnete die Schubhaft mit Bescheid vom 14.05.2020, Zl. XXXX , über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter anderem aus, dass gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 04.10.2016, Zl. XXXX , eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vorliegen würde.

Mit Vollmacht vom 15.09.2016 beauftragte der Beschwerdeführer Frau XXXX , den Beschwerdeführer in Angelegenheiten betreffend "Auskunft über alle fremdenrechtlichen Angelegenheiten in Bezug auf meine Person" zu vertreten. Auf der Vollmacht ist oben links der Name des Beschwerdeführers und "dzt. Justizanstalt JA Wien-Simmering Kaiser-Ebersdorfer Straße 297 1110 Wien" vermerkt.

Auf einem Schreiben der Frau XXXX mit Eingangsstempel vom 30.09.2016, indem Frau XXXX als Bevollmächtigte des Beschwerdeführers um die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ersucht, um gemäß § 133a Strafvollzugsgesetz ein vorläufiges Absehen vom weiteren Vollzug der Strafe wegen Einreiseverbotes geltend zu machen, ist handschriftlich die Adresse XXXX Wien angeführt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging vor dem Hintergrund der Vollmacht vom 15.09.2016 und dem Schreiben der Frau XXXX mit Eingangsstempel vom 30.09.2016 davon aus, dass der Beschwerdeführer Frau XXXX eine Zustellvollmacht erteilt hatte.

Mit "Bescheid" vom 04.10.2016, Zl. XXXX , erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen ihn, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ab und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot.

Im Rahmen der Zustellung des "Bescheides" vom 04.10.2016 erfolgte ein Zustellversuch am 07.10.2016 an der Adresse XXXX Wien. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Eine Zustelladresse ist auf diesem Rückschein nicht vermerkt, eine Hinterlegung ist bei " XXXX " ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer war in der Zeit von 09.02.2015 bis 14.03.2017 in der Justizanstalt Wien-Simmering mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der Beschwerdeführer war nie an der Adresse XXXX Wien gemeldet.

1.3 Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.3.1. Der Beschwerdeführer wird seit 22.05.2020 in Schubhaft angehalten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen ihn erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ab und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Dieser Bescheid wurde Rechtsanwalt Mag. Andreas Duensing am 02.06.2020 per Fax übermittelt. Gegen diesen Bescheid kann der Beschwerdeführer innerhalb von vier Wochen Beschwerde erheben.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat bei der Vertretungsbehörde von Georgien ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet; die Vertretungsbehörde von Georgien hat ein Ersatzreisedokument des Beschwerdeführers ausgestellt, welches eine Gültigkeit von 18.05.2020 bis 16.08.2020 aufweist.

1.3.2. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien ist am 18.06.2020 geplant.

1.4. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

1.4.1. Der Beschwerdeführer reiste zuletzt im Sommer 2019 nach Österreich ein. Sein Aufenthalt ist seit einem nicht feststellbaren Zeitpunkt mangels eines Aufenthaltstitels und des Überschreitens des Aufenthalts von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen illegal.

1.4.2. Der Beschwerdeführer achtet die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung nicht. Er ist nicht vertrauenswürdig und nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen.

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 11.11.2009, GZ: XXXX , wurde der Beschwerdeführer unter der Aliasidentität XXXX , geb. XXXX wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs. 1, 130 4. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, verurteilt. Dabei hat der Beschwerdeführer am 08.09.2009 gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem EUR 3.000,-- nicht übersteigenden Wert zwei Personen durch Einbruch in Wohnstätten mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Dabei beging er die Tat indem er das Langschild der Wohnungstür einer Person wegbog, eine Außenzylinderhälfte abdrehte und die Wohnung durchsuchte sowie indem er mit einem Spitzschraubendreher am Schließzylinder der Wohnung einer anderen Person hantierte. Strafmildernd wurde das Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist und der geringe Schaden, erschwerend kein Umstand gewertet. Der unbedingte Teil der Strafe wurde am 07.05.2010 vollzogen.

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 18.06.2010, GZ: XXXX , wurde der Beschwerdeführer unter der Aliasidentität XXXX , geb. XXXX , wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 129 Abs. 1, 130 4. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Dabei hat der Beschwerdeführer am 17.05.2010 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von EUR 310,-- einer Person mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Strafmildernd wurden das Teilgeständnis und die Sicherstellung der Beute, erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall gewertet. Gemäß § 494a Abs. 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs. 1 StGB wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu XXXX abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 09.01.2013, GZ: XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Dabei hat der Beschwerdeführer ab einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zum 02.09.2012 gefälschte bzw. verfälschte besonders geschützte Urkunden lautend auf " XXXX " mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich seiner Identität gebraucht werden, besessen, nämlich einen falschen litauischen Führerschein, einen falschen litauischen Personalausweis und einen verfälschten litauischen Reisepass. Strafmildernd wurden das Geständnis und erschwerend kein Umstand gewertet.

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 20.01.2015, GZ: XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 (4. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Diese Tat hat der Beschwerdeführer dadurch begangen, dass er mit einer anderen Person am 19.10.2014 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen einer Person durch Einbruch in dessen Wohnung fremde bewegliche Sachen in einem EUR 3.000,-- nicht übersteigenden Wert von etwa EUR 1.000,-- sowie zehn Schweizer Franken, indem sie die Kassette der Wohnungstür aufschnitten, das dahinterliegende Gitter zur Seite bogen, die Wohnung durchsuchten und die angeführten Gegenstände aus der Wohnung an sich nahmen. Strafmildernd wurden das reumütige Geständnis und die Sicherstellung des gesamten Diebesgutes, erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, die Begehung in der Probezeit und das Vorliegen der Voraussetzung des § 39 StGB (Strafschärfung bei Rückfall) gewertet. Gemäß § 19a StGB wurden beim Beschwerdeführer die in seinem Eigentum stehenden, zur Begehung der vorsätzlichen mit Strafe bedrohten Handlung sichergestellten Tatwerkzeuge, nämlich Handschuhe, Taschenlampe und Messer konfisziert. Der Beschwerdeführer wusste, dass es sich bei den weggenommenen Sachen nicht um seine handelt und er keinen Rechtsanspruch darauf hatte. Ungeachtet dessen wusste und wollte er, dass er sich diese zueignet und wollte sich dadurch unrechtmäßig bereichern. Es kam ihm bei der Tat drauf an, sich durch wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufend, beträchtliche Einnahme zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes über zumindest einige Wochen zu verschaffen. Gemäß § 53 Abs. 1 StGB iVm § 494a Abs. 1 Z 4 StPO wurde die im Urteil eines Landesgerichtes vom 11.11.2009 gewährte bedingte Strafnachsicht aufgrund von zwei massiven einschlägigen Vorstrafen und der neuerlichen Begehung binnen offener Probezeit widerrufen, um dem Beschwerdeführer das Unecht seiner Tat eindrucksvoll vor Augen zu führen und ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen dieser oder anderer Art abzuhalten.

Der Beschwerdeführer befand sich von 19.10.2014 bis 20.01.2015 in Untersuchungshaft und von 20.01.2015 bis 11.05.2017 in Strafhaft.

Während eines begleitenden Ausganges aus der Justizanstalt Krems am 11.05.2017 floh der Beschwerdeführer, tauchte unter und entzog sich somit dem Strafvollzug und dem behördlichen Zugriff.

Der Beschwerdeführer wurde am 14.08.2019 abermals festgenommen und befand sich von 14.08.2019 bis 22.05.2020 durchgehend in Strafhaft.

1.4.3. Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet Hauptwohnsitze ausschließlich aus Zeiten von Anhaltungen auf:

Von 25.06.2012 bis 04.07.2012 im Polizeianhaltezentrum (PAZ), Roßauer Lände 7-9, 1090 Wien.

Von 04.09.2012 bis 15.10.2012 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

Von 15.10.2012 bis 21.10.2012 im PAZ, Roßauer Lände 7-9, 1090 Wien.

Von 26.11.2012 bis 14.02.2013 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

Von 14.02.2013 bis 21.02.2013 im PAZ, Roßauer Lände 7-9, 1090 Wien.

Von 20.10.2014 bis 09.02.2015 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

Von 09.02.2015 bis 14.03.2017 in der Justizanstalt Wien-Simmering.

Von 14.03.2017 bis 11.05.2017 in der Justizanstalt Krems.

Von 14.08.2019 bis 16.08.2019 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

Von 16.08.2019 bis 22.05.2020 in der Justizanstalt Krems.

Von 22.05.2020 bis dato im PAZ Hernalser Gürtel.

Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit und während nicht mehr feststellbaren Zeiträumen zwischen 11.05.2017 und seit seiner letzten Einreise im Sommer 2019 im verborgenen Unterkunft genommen.

1.4.4. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über kaum familiäre und soziale Anknüpfungspunkte. Er hat in Österreich zwei Töchter, die am 19.05.2015 ( XXXX ) und am 10.02.2018 ( XXXX ) geboren wurden; er ist nicht zur Obsorge berechtigt.

Dass der Beschwerdeführer mit XXXX , geboren am XXXX, gestorben am XXXX, verheiratet gewesen ist, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer weist ein paar Deutschkenntnisse auf, geht in Österreich keiner (legalen) Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein (ausreichendes) Einkommen aus legaler Tätigkeit und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

Der Beschwerdeführer hat in Georgien seine beiden Eltern ( XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX) und zwei Schwestern ( XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX) eine Unterkunft und droht ihm in Georgien keine strafrechtliche oder politische Verfolgung.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in Bestandteile des Aktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, einem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich vom 29.05.2020 sowie einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister der XXXX vom 29.05.2020.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

2.1.1. Die Feststellungen zu Namen samt Aliasidentitäten, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers hatte bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid getroffen; sie sind unstrittig. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

2.1.2 Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus der Aktenlage; gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen des Beschwerdeführers wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es haben sich weiters keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde; eine solche wurde vom Beschwerdeführer ebenso nicht behauptet.

2.2. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung des Beschwerdeführers von 22.5.2020 bis 02.06.2020

Die Feststellungen zur Anordnung der Schubhaft und deren Begründung ergeben sich aus der zitierten Entscheidung.

Die Feststellungen zur Vollmacht des Beschwerdeführers vom 15.09.2016 ergeben sich aus der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Vollmacht vom 15.09.2016.

Die Feststellungen zum Schreiben der Frau XXXX mit Eingangsstempel vom 30.09.2016, ergeben sich aus eben diesem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Schreiben.

Die Feststellung, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor dem Hintergrund der Vollmacht vom 15.09.2016 und dem Schreiben der Frau XXXX mit Eingangsstempel vom 30.09.2016 davon ausging, dass der Beschwerdeführer Frau XXXX eine Zustellvollmacht erteilt hatte ergibt sich aus S. 3 und 4 des "Bescheides" vom 04.10.2016 und der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020.

Die Feststellungen zum "Bescheid" vom 04.10.2016, Zl. XXXX , ergeben sich aus ebendiesem.

Die Feststellungen zum Zustellversuch am 07.10.2016 an der Adresse XXXX Wien ergeben sich aus dem Rückschein zum "Bescheid" vom 04.10.2016, dem Schreiben der Frau XXXX mit Eingangsstempel vom 30.09.2016, der Vollmacht vom 15.09.2016 und der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von 09.02.2015 bis 14.03.2017 in der Justizanstalt Wien-Simmering mit Hauptwohnsitz gemeldet und nie an der Adresse XXXX Wien gemeldet war, ergibt sich aus einer Abfrage im Zentralen Melderegister vom 29.05.2020.

2.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.3.1. Dass der Beschwerdeführer seit 22.05.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich - ebenso wie die Einleitung eines Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei der Vertretungsbehörde von Georgien sowie des vorliegenden Heimreisezertifikates - aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2020, aus einem Auszug der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres vom 26.05.2020 sowie dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 29.05.2020.

Die Feststellung zum Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020 ergibt sich aus der zitierten Entscheidung.

2.3.2. Die Feststellung, dass Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien am 18.06.2020 geplant ist, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2020.

2.4. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers im Sommer 2019 ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2020 und aus der Beschwerde. Die Feststellungen zum illegalen Aufenthalt ergeben sich aus der Überschreitung des Aufenthalts von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen und dem Umstand, dass keine Ermittlungsergebnisse vorliegen, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel erteilt worden wäre.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, nicht vertrauenswürdig und nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen ist, ergibt sich insbesondere aus den Urteilen eines Landesgerichtes vom 11.11.2009, GZ: XXXX , vom 18.06.2010, GZ: XXXX , vom 09.01.2013, GZ: XXXX und vom 20.01.2015, GZ: XXXX sowie der Flucht während eines begleitenden Ausganges aus der Justizanstalt Krems am 11.05.2017. Darüber hinaus war der Beschwerdeführer in Österreich außer in Zeiten der Anhaltung nie in Österreich gemeldet und hat stets im Verborgenen Unterkunft genommen. Diese Feststellung ergibt sich nicht nur aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 29.05.2020, sondern auch aus dem soeben zitierten Urteilen.

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und der Anhaltung in Untersuchungs- bzw. Strafhaft von 19.10.2014 bis 11.05.2017 ergeben sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister vom 29.05.2020 sowie den soeben angeführten Urteilen.

Die Feststellungen zur Flucht des Beschwerdeführers am 11.05.2017 und zur abermaligen Festnahme am 14.08.2019 sowie der Strafhaft bis 22.05.2020 ergeben sich aus dem angefochten Bescheid und dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 29.05.2020 und sind unbestritten.

Die Feststellungen zu den Hauptwohnsitzen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 29.05.2020.

Die Feststellungen zu den familiären und sozialen Anknüpfungspunkten und seinen Deutschkenntnissen in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2020. Die Feststellungen, dass zwei Töchter in Österreich hat und deren Namen sowie Geburtsdaten ergeben sich ebenfalls aus seinen Angaben vom 05.05.2020. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren nicht behauptet der Obsorgeberechtigte für seine Kinder zu sein und liegen zu dieser Annahme auch keine Ermittlungsergebnisse vor. Die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Ein schützenswertes Familienleben hat der Beschwerdeführer weder im Verfahren noch in der Beschwerde vorgebracht.

Die Feststellung, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer mit XXXX verheiratet war, ergibt sich zum einem aus dem Umstand, dass eine Heiratsurkunde im Akt nicht aufliegt; zum anderen, dass ein aktueller Auszug aus dem Zentralen Melderegister der XXXX vom 29.05.2020 und des Beschwerdeführers vom 29.05.2020 den Familienstand als ledig ausweist. Die Feststellung, dass XXXX am 24.02.2019 gestorben ist sowie das Geburtsdatum ergeben sich ebenfalls aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister der XXXX vom 29.05.2020.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, er in Österreich kein Einkommen hat und über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen verfügt, beruht auf seinen diesbezüglichen Angaben und dem angefochtenen Bescheid und sind überdies unbestritten.

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers in Georgien seiner dortigen Unterkunft und, dass ihm in Georgien keine strafrechtliche oder politische Verfolgung droht ergeben sich aus seinen Angaben vom 05.05.2020.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

3.1.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten (auszugsweise):

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Der mit "Gelinderes Mittel" betitelte § 77 FPG lautet:

"§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen."

3.1.1.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG) lauten (auszugsweise):

Der mit "Heilung von Zustellmängeln" betitelte § 7 ZustG lautet

"§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist."

Der mit "Zustellungsbevollmächtigter" betitelte § 9 ZustG lautet:

"§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

..."

Der mit "Zustellung an den Empfänger" betitelte § 13 ZustG lautet:

§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

(2) Bei Zustellungen durch Organe eines Zustelldienstes oder der Gemeinde darf auch an eine gegenüber dem Zustelldienst oder der Gemeinde zur Empfangnahme solcher Dokumente bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist.

..."

...

Der mit "Hinterlegung" betitelte § 17 ZustG lautet:

"§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

..."

3.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; VwGH 23.09.2010, 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (VwGH 22.05.2007, 2006/21/0052; VwGH 29.04.2008, 2008/21/0085; VwGH 28.02.2008, 2007/21/0512; VwGH 28.02.2008 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird. (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.3. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.3.1. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft ausschließlich zur Sicherung der Abschiebung angeordnet und zwar auf der Grundlage, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 04.10.2016 verhängt worden wäre.

Eine mit Bescheid vom 04.10.2016 verhängte, rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot liegt aus folgenden Gründen nicht vor:

Der Beschwerdeführer war im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot grundsätzlich unvertreten. Die im Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erliegende Vollmacht des Beschwerdeführers vom 15.09.2016 war als "Vollmacht" betiteltet, enthielt aber ausdrücklich den Zusatz, den Beschwerdeführer im Rahmen der Auskunft über alle fremdenrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Es hat sich daher dabei um eine "Auskunftsvollmacht" gehandelt, wodurch die Bevollmächtigte Auskünfte für den Beschwerdeführer in allen fremdenrechtlichen Angelegenheiten erlangen konnte. Eine Zustellungsvollmacht kann dem Wortlaut dieser Vollmacht vom 15.09.2016 nicht entnommen werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging in diesem Verfahren offenbar irrtümlich davon aus, dass es sich bei der Vollmacht vom 15.09.2016 auch um eine Zustellvollmacht handelte.

Eine Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten gemäß § 9 Abs. 1 ZustG ist aber nur rechtswirksam, wenn eine rechtswirksame Zustellungsvollmacht vorliegt. Im vorliegenden Fall wurde am 07.10.2016 ein Zustellversuch an der Adresse der XXXX vorgenommen. Da XXXX nicht Zustellbevollmächtigte des Beschwerdeführers war, konnte keine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG erfolgen. Für eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 ZustG, dass dem Beschwerdeführer folglich der Bescheid vom 04.10.2016 tatsächlich auf einem anderen Wege zugekommen wäre, liegen im Verfahren keine Ermittlungsergebnisse vor und wird vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch nicht behauptet.

Wenn eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG und auch eine Heilung gemäß § 7 ZustG nicht erfolgt ist, wurde der Bescheid vom 04.10.2016 dem Beschwerdeführer gegenüber nicht erlassen, konnte somit keine Rechtswirkungen entfalten und ist somit rechtlich nicht existent. Es lag somit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 14.05.2020 keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer vor.

3.3.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stütze sich sowohl im Spruch als auch in der gesamten Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich auf den Umstand, dass Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt wurde.

Eine Abschiebung eines Fremden ist aber nur aufgrund eines durchsetzbaren Titels, wie zB einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, möglich. Da ein solcher Titel zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht bestand, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0251).

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so musste das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162).

Sofern die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft somit auf den angefochtenen Bescheid vom 14.05.2020 gestützt wird bzw. wurde, ist bzw. war sie somit rechtswidrig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Beschwerdeführer befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher auch eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und "ermächtigt" das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage "in der Sache" zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

3.4.2. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.4.3. Gegen den Beschwerdeführer ist ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme anhängig. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Stellungnahme vom 29.05.2020 mitgeteilt, dass eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen werden soll. Dieser Bescheid wurde mit 02.06.2020 dem ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers per Fax übermittelt. Gegen diesen Bescheid kann der Beschwerdeführer innerhalb offener Beschwerdefrist innerhalb von vier Wochen eine Beschwerde erheben und ist somit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Nur der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Jahr 2016 (indem keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen wurde, da es sich beim "Bescheid" vom 04.10.2016 nicht um einen Bescheid gehandelt hat) auch noch nicht abgeschlossen ist und daher auch noch anhängig ist. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird zusätzlich eine Berichtigung jener Register (zB Betreuungsinformationssystem, Informationssystem zentrales Fremdenregister), in denen eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme mit Bescheid vom 04.10.2016 vermerkt ist, zu veranlassen haben.

3.4.4. Das Bundesverwaltungsgericht geht von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Gegen den Beschwerdeführer ist ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme anhängig. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach strafrechtlich verurteilt und weist einschlägige Vorstrafen auf. Dabei kam es ihm insbesondere bei seiner letzten Verurteilung am 20.01.2015 darauf an, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende, beträchtliche Einnahme zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Er kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aufgrund seines Verhaltens nicht als kooperativ oder vertrauenswürdig angesehen werden.

Der Beschwerdeführer verfügt zwar über familiäre Bindungen im Bundesgebiet, diese weisen jedoch nur eine äußerst geringe Intensität auf; zu seinen zwei Töchtern hat der Beschwerdeführer kaum familiäre Bindungen, diese wurden auch nicht im Verfahren oder in der Beschwerde behauptet. Seine Töchter blieben in der Beschwerde unerwähnt. Der Beschwerdeführer ist auch nicht zur Obsorge berechtigt. Andere soziale Kontakte hat der Beschwerdeführer nicht bzw. allenfalls unsubstantiiert ausschließlich mit den Worten "seinen Bekannten" vorgebracht. Der Beschwerdeführer geht zudem in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt nicht über ausreichende eigene finanzielle Mittel. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, wonach er nach seiner Haftentlassung bei einer näher genannten Adresse Unterkunft nehmen könne, liegen in einer Gesamtbetrachtung keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, dass er sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entziehen und nicht untertauchen wird. Die Bekanntgabe einer Adresse in der Beschwerde, an der der Beschwerdeführer wohnen könnte belegt überdies nur, dass er in Österreich nicht unterstandslos wäre. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer bereits einmal am 11.05.2017 bei einem begleitenden Ausgang aus der Strafhaft entflohen, danach untergetaucht und hat sich somit dem behördlichen Zugriff entzogen. Auch bei seiner letztmaligen Einreise ins Bundesgebiet im Sommer 2019 hat er sich nicht freiwillig gestellt, sondern wurde am 14.08.2019 festgenommen und anschließend in Strafhaft genommen. Zusätzlich zeigt sich der Beschwerdeführer auch im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wenig kooperativ, da er auf die Frage, wo er vor seiner Inhaftierung Unterkunft genommen habe und warum er sich nicht angemeldet habe keine Angaben machte. In der Beschwerde behauptet er, dass er sich nicht versteckt gehalten habe, sondern sich im Spital bei seiner Frau aufgehalten habe. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass seine Frau am 24.02.2019 verstorben ist und er sich somit ab Sommer 2019 nicht im Spital bei ihr aufgehalten hat. Eine Unterkunftnahme als Besucher in einem Spital ist rechtlich auch nicht möglich bzw. zulässig. Seit seiner Flucht am 11.05.2017 hat der Beschwerdeführer, sofern er sich im Bundesgebiet aufgehalten hat, immer im Verborgenen Unterkunft genommen und somit auch das Meldegesetz missachtet.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher vom Vorliegen einer Fluchtgefahr insbesondere aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG sowie unter Berücksichtigung des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG aus.

3.4.5. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht nennenswert sozial oder beruflich verankert ist, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich nicht über ausreichende (eigene) Mittel zur Existenzsicherung und ist beruflich nicht verankert. Er hat in Österreich strafbare Handlungen begangen und weist vier Verurteilungen, davon drei wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls, zweimal durch Einbruch, wobei es einmal beim Versuch geblieben ist und eine Verurteilung wegen des Vergehens des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden auf. Der Beschwerdeführer weist somit jedenfalls zwei einschlägige Vorstrafen auf. Zwischen dem Vollzug der ersten Freiheitsstrafe mit 07.05.2010 aufgrund der ersten Verurteilung am 11.11.2009 und der Begehung der nächsten Straftrat am 17.05.2010 liegen nur zehn Tage, weshalb auch von einem raschen Rückfall des Beschwerdeführers auszugehen war. Der Beschwerdeführer konnte damals, obwohl er das Haftübel verspürte, nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abgehalten werden. Auch die zweite Strafhaft und die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre konnte den Beschwerdeführer in der Folge nicht von der Begehung weiteren strafbare

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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