TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/4 W123 2214440-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2020
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Entscheidungsdatum

04.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W123 2214440-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt III) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.)

2. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 30.11.2018 - durch persönliche Ausfolgung durch einen Beamten in der Justizanstalt Wels - zugestellt.

3. Mit Schriftsatz vom 03.01.2018 (gemeint offenkundig 03.01.2019) erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und stellte den Antrag, den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die belangte Behörde überhaupt nicht dargelegt habe, inwiefern aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) "Schwere des Fehlverhaltens" des Beschwerdeführers anzunehmen gewesen wäre.

4. Mit Schreiben vom 23.04.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass die am 03.01.2019 eingebrachte Beschwerde als verspätet zurückzuweisen sein werde. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schriftsatzes schriftlich Stellung zu nehmen.

5. Am 08.05.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Datum: 07.05.2020) gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2018 ein.

Der Beschwerdeführer wies einleitend auf die Verständigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2020 hin, in der mitgeteilt worden sei, dass es von einer verspäteten Einbringung der Beschwerde ausgehe. Im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (30.11.2018) habe sich der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Suben in Strafhaft befunden. Der Beschwerdeführer habe dann seine Lebenspartnerin ersucht, gemeinsam mit der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers, die Beschwerde zu verfassen und rechtzeitig abzufertigen. Der Beschwerdetext sei formuliert und zur Post gegeben worden. Dabei sei es offensichtlich zu einer Fehlzustellung gekommen und habe das Schriftstück neuerlich abgefertigt werden müssen. So sei es offensichtlich zur Fristversäumnis gekommen.

Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Zustellung und während des Laufs der Beschwerdefrist nicht anwaltlich vertreten gewesen. Die Handlungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers seien durch die Strafhaft eingeschränkt gewesen. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass seine Lebenspartnerin und seine Chefin die Beschwerde fristgerecht abfertigen würden, was offenkundig leider nicht geschehen sei. Erschwert sei die Situation noch dadurch geworden, dass das Fristende in den Zeitraum der Weihnachtsferien gefallen sei, sodass auch aus diesem Grunde fachkundige rechtliche Beratung und Unterstützung nicht in Anspruch genommen werden habe können.

Vor diesem Hintergrund seien aus der Sicht des Beschwerdeführers die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben. Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28.11.2018 und stellte die Anträge, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete fremdenpolizeiliche Verfahren einzustellen, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes angemessen herabzusetzen.

Der Beschwerdeführer legte dem gegenständlichen Antrag als "Bescheinigungsmittel" Lohn- und Gehaltsabrechnungen vom Jänner bis März 2020, die Kopie einer Zahlungsanweisung/Auftragsbestätigung in der Höhe von EUR 30,00 sowie den Bescheid der belangten Behörde vom 28.11.2018 (wiederum in Kopie) vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Antragsteller wurde der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 28.11.2018 durch persönliche Ausfolgung am 30.11.2018 ordnungsgemäß zugestellt. Die 4-wöchige Beschwerdefrist an das Bundeverwaltungsgericht begann am 30.11.2018 zu laufen und endete mit Ablauf des 28.12.2018.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid datierte mit 03.01.2018 (gemeint offenkundig 2019) und langte am selben Tag bei der belangten Behörde ein.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts (W123 2214440-1) und in den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführervertreters (W123 2214440-2).

Sämtliche Elemente zur Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes sind zweifelsfrei und lückenlos und ohne weitere Ermittlungsnotwendigkeit dem gegenständlichen Gerichtsakt zu entnehmen. Alle hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages sowie des Antrages auf Wiedereröffnung des Verfahrens abzuklärenden Fragen sind umfassend und lückenlos vollständig aus den bisher dargelegten Ausführungen und aus dem Gerichtsakt zu ersehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der jeweils nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

3.2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 2 VwGVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat die Behörde bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Gemäß § 33 Abs. 5 VwGVG tritt das Verfahren durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Gemäß § 33 Abs. 6 VwGVG findet gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags keine Wiedereinsetzung statt.

Auf Grund des § 17 VwGVG ist die subsidiäre Anwendung des § 71 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen, ist aber als Vorbild für § 33 VwGVG zu betrachten (ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP). Struktur und Wortlaut der Bestimmungen orientieren sich weitgehend an § 46 VwGG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 33 VwGVG Anm. 1). Diese Bestimmung weist die engste Verwandtschaft mit § 71 AVG auf.

Infolge der Gemeinsamkeiten verweist der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in einer Vielzahl von Erkenntnissen auf die jeweils zu den anderen gleichartigen Bestimmungen ergangene Rechtsprechung, weswegen nach Ansicht des erkennenden Gerichts die Judikatur des VwGH zu § 71 AVG auch für die Bestimmung des § 33 VwGVG herangezogen werden kann (siehe z.B. VwGH 10.05.1973, Zl. 1646/72; 24.11.2005, Zl. 2005/11/0176; 22.12.2005, Zl. 2002/15/0109; 20.04.2010, Zl. 2010/11/0035; 10.11.2011, Zl. 2011/07/0232; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG IV, § 71 Rz 8).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, Zl. 83/03/0134).

Ein Ereignis ist dann "unabwendbar", wenn der Eintritt dieses Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden konnte. Ein Ereignis ist als "unvorhergesehen" zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten werden konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, Zl. 93/16/0020). Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment (VwGH 25.03.1976, Zl. 0265/75, VwSlg. 9024 A/1976) ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft (VwGH 26.06.1985, Zl. 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, Zl. G 53/83-13 u.a.). Ein solcher "minderer Grad" des Versehens (im Sinne des § 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.11.1996, Zl. 95/17/0112; 23.05.2001, Zl. 99/06/0039; 01.06.2006, Zl. 2005/07/0044). Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 08.10.1990, Zl. 90/15/0134; 14.07.1993, Zl. 93/03/0136; 24.05.2005, Zl. 2004/01/0558). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an behördlichen oder gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 18.04.2002, Zl. 2001/01/0559; 29.01.2004, Zl. 2001/20/0425; 17.07.2008, Zl. 2007/21/0227; 23.06.2008, Zl. 2008/05/0122).

Der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache nicht oder nur mangelhaft beherrscht, stellt keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar ( VwGH 22.5.1997, 97/18/257; 1.8.2000, 2000/21/0097; 19.9.2007, 2007/08/0097). Vielmehr genügt es, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, ein rechtlich bedeutsames behördliches Schriftstück erhalten zu haben (vgl. VwGH 24.2.2000, 96/21/0430; 11.10.2001, 98.18.0355; 19.11.2003, 2003/21/0090) um dessen Pflicht auszulösen, im Falle seiner Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, diese nicht auf sich beruhen zu lassen. (VwGH 28.1.2003, 2002/18/0291; 27.1.2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 10.5.2000 95/18/0972) sowie den Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, zumal aus der Rechtmittelbelehrung die Zulässigkeit und die Art des allfällig zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsstelle sowie die dafür zur Verfügung stehende Frist hervorgeht und aufgrund der besonderen Bedeutung des Zustelldatums für die Einhaltung der Rechtmittelfrist, der Partei erhöhte Sorgfaltspflicht zukommt (VwGH 7.8.2001, 98/18/0068). Hat die der deutschen Sprache nicht mächtige Partei es unterlassen, diesbezügliche Erkundigungen einzuholen, trifft diese ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394, 10.5.2000, 95/18/0972). Auch ein ungebildeter dem Lesen und Schreiben unkundiger Mensch, ist grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn er einem behördlichen Schriftstück, ohne eine lesekundige Person beizuziehen, einen falschen Inhalt unterstellt, zumal er im Bewusstsein seiner diesbezüglichen Unfähigkeit damit rechnen musste, ein an ihn adressiertes Schreiben nicht richtig lesen und verstehen zu können (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394; 10.5.2000, 95/18/0972).

Hat eine Partei einen Vertreter bestellt (§ 10 AVG), muss er sich dessen Verhalten zurechnen lassen (vgl. § 12 AVG); für eine Wiedereinsetzung kommt es in diesem Fall darauf an, dass das zur Versäumung führende Ereignis für den Vertreter unvorhergesehen oder unabwendbar war und ihn kein Verschulden trifft. Die Rechtsprechung legt an die Sorgfaltspflichten rechtskundiger Parteienvertreter einen strengeren Maßstab an als bei anderen Personen. In der Praxis kommt es häufig zur Versäumung von Fristen oder Verhandlungen, weil Mitarbeitern von berufsmäßigen Parteienvertretern (Rechtsanwälten etc.) Fehler unterlaufen. Nach der Rechtsprechung ist in diesem Fall eine Wiedereinsetzung zwar grundsätzlich möglich, wenn dieses Versehen für den Parteienvertreter unvorhergesehen oder unabwendbar war; die Rechtsprechung nimmt jedoch eine weitgehende Überwachungspflicht des Parteienvertreters gegenüber seinen Mitarbeitern an. In der reichhaltigen und kasuistischen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, insbesondere zur Glaubhaftmachung der ausgeübten Überwachung des Kanzleibetriebes durch den Parteienvertreter oder des mangelnden Verschuldens der Unkenntnis der Zustellung von amtlichen Schriftstücken, werden zumeist beide Aspekte unter einem geprüft. Will beispielsweise ein berufsmäßiger Parteienvertreter glaubhaft machen, dass er den Kanzleibetrieb hinreichend überwacht hat, muss er bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Art und Intensität der von ihm über seine Kanzlei ausgeübten Kontrolle für die Art und Weise vorbringen, in der er seine Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleipersonal tatsächlich selbst gehandhabt hat, und warum nur in diesem Fall die an sich ausgeübte Überwachung nicht zur Entdeckung der Fehlleistung geführt hat. Etwa reicht das Vorbringen, die seit 27 Jahren fehlerfrei arbeitende Kanzleileiterin habe eine Berufungsfrist versäumt, in diesem Zusammenhang nicht aus, um zu dokumentieren, dass der Parteienvertreter seiner auch der verlässlichen Angestellten gegenüber bestehenden Überwachungspflicht nachgekommen ist, weshalb ihn diese Behauptung auch nicht iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG exkulpieren kann (Hengstschläger - Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Teilband, Wien 2009 Rz 120f). Im Ergebnis werden nur Fehlleistungen einer ausreichend überwachten verlässlichen Kanzleikraft als Wiedereinsetzungsgrund gewertet. Zu diesen Fragen besteht eine sehr umfangreiche - und tendenziell sehr strenge - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, Wien 2004, S 308 f).

Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in das Verfahren nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muss daher bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht bzw. müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (VwGH 07.08.1992, Zl. 92/14/0033; 11.07.2000, Zl. 2000/16/0311). Trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit, besteht hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages die Pflicht neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die er sich stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (VwGH 19.06.1990, Zl. 90/04/0101). Die Behörde ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung mit einzubeziehen (VwGH 14.12.1995, Zl. 95/19/0622; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115).

3.2.2. Dem gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag kann schon deshalb nicht Folge gegeben werden, da der Antragsteller - entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der behauptete Wiedereinsetzungsgrund bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht bzw. mit tauglichen Bescheinigungsmitteln belegt werden muss - lediglich nicht substantiierte Behauptungen aufstellte. Zur Fristversäumnis verwies der Antragsteller zwar auf die vorgelegten "Bescheinigungsmittel", jedoch kann diesen nicht einmal ansatzweise entnommen werden, warum die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde versäumt wurde. Abgesehen davon gestand der Antragsteller (indirekt) selbst ein, dass seine Lebenspartnerin bzw. Chefin, die somit als "Vertreter" des Beschwerdeführers iSd § 10 AVG zu qualifizieren sind, die Beschwerde nicht fristgerecht abgefertigt haben. Dieses Fehlverhalten muss sich der Antragsteller somit zurechnen lassen.

Soweit der Beschwerdeführer auf seine eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten infolge der Strafhaft verweist, ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des VwGH die Tatsache, dass sich die Partei in Haft befindet, ist für sich allein genommen noch kein Hinderungsgrund, der bei Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigte. Macht die Partei geltend, dass sie die (Rechtsmittel-)Frist deshalb nicht einhalten konnte, weil über sie eine Untersuchungs-, Straf- oder Schubhaft verhängt wurde, bringt sie keine taugliche Begründung für einen Wiedereinsetzungsantrag vor, weil durch einen Aufenthalt in einer Haftanstalt die Dispositionsfähigkeit nicht so weit verloren geht, dass die Partei allein deswegen außer Stande wäre, die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels zu wahren (vgl VwGH vom 19.11.2003, 2003/21/0090; vom 07.09.2004, 2001/18/0037; vom 31.08.2006, 2004/21/0139). Die verspätete Einbringung eines Rechtsmittels oder Erledigung eines Verbesserungsauftrags ist nicht schon deshalb unverschuldet oder lediglich auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen, weil sich die Partei in Haft befindet. Dies gilt auch für Häftlinge, die (noch) unvertreten und/oder der deutschen Sprache nicht mächtig sind (vgl VwGH vom 13.12.2001, 99/21/0110; vom 19.11.2003, 2003/21/0090; vom 31.08.2006, 2004/21/0139) oder nicht über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen (vgl VwGH vom 23.06.1998, 97/21/0770), dh auch das Zusammentreffen von Haft und mangelnder Sprach- oder Rechtskenntnis (Rechtsirrtum) ist per se noch kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl VwGH vom 13.12.2001, 99/21/0110; vom 28.01.2003, 2002/18/0291; vom 31.08.2006, 2004/21/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 83 (Stand 01.04.2009, rdb.at) mwN).

Dem Antragsteller ist es damit nicht gelungen, ein entsprechendes unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen. Denn gemäß der in § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, normierten "Glaubhaftmachung" muss bei der entscheidenden Instanz die Überzeugung der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorgerufen werden. Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen nicht aus (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 116).

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offen geblieben sind, sondern diese vielmehr aus den Verwaltungsakten beantwortet werden konnten.

Zu B)

Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung zur verspäteten Einbringung einer Beschwerde oder zu den Voraussetzungen eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es diesbezüglich an einer Rechtsprechung (siehe die diesbezüglich in der Entscheidungsbegründung angeführten Judikate des VwGH); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beschwerdefrist Frist Fristablauf Fristversäumung Glaubhaftmachung Verfristung VwGH Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W123.2214440.2.00

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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