TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 W235 2193607-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W235 2193607-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.03.2018, Zl. 16-1132682409-161430798, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der zum Antragszeitpunkt minderjährige, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 18.10.2016 gab er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seiner Person an, dass er minderjährig, ein Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam sei. Von 2008 bis 2015 habe er die Grundschule besucht. Er stamme aus der pakistanischen Provinz Punjab und zwar aus dem Distrikt XXXX . Dort würden noch seine Eltern und seine drei jüngeren Brüder leben. Sein Reiseziel sei ein Land gewesen, in dem er sicher sei und lernen könne. Pakistan habe er ca. im Mai 2015 verlassen und sei über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist. In Österreich wolle er zur Schule gehen.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht richtig zur Schule gehen können. Es komme immer wieder zu Bombenangriffen in Schulen und Kinder würden in Schulen entführt. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Er wolle endlich richtig zur Schule gehen und etwas lernen.

1.3. Am 26.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anwesenheit seiner gesetzlichen Vertreterin (Amt der Tiroler Landesregierung) und einer Vertrauensperson sowie unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprachen Urdu und Punjabi einvernommen, wobei er zunächst angab, es gehe ihm gut und er habe keine Krankheiten. In der Erstbefragung habe es einen Fehler gegeben; er habe nicht angegeben, von wann bis wann er zur Schule gegangen sei, es wurde jedoch trotzdem „etwas“ aufgeschrieben. Zu seiner Person brachte der Beschwerdeführer vor, er sei sieben Jahre in eine staatliche Schule gegangen und seine Familie habe nicht viel Geld gehabt. Sein Vater habe nicht arbeiten können und seine Mutter arbeite als Reinigungskraft. Seine Familie habe zwei Häuser. Sie würden sich im Heimatort, in XXXX (auch: XXXX ), aufhalten. Kontakt bestehe ein- bis zweimal am Tag über soziale Netzwerke. Derzeit würden ihn seine Eltern nicht aufnehmen, da sie nicht viel Geld hätten. An weiteren Verwandten habe er noch einen Onkel mütterlicherseits. Von seiner Geburt bis zur Ausreise habe der Beschwerdeführer in seinem Heimatort gelebt. Für die Schleppung habe er zwischen € 5.000,00 und € 6.000,00 bezahlt. Das Geld stamme vom Verkauf eines Grundstücks neben seinem Elternhaus. Nach Österreich sei er gekommen, da er kein Geld mehr gehabt habe, um weiter zu kommen. Jetzt sei er hier, es gehe ihm gut und er habe ein gutes Leben.

Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, als er „eines Tages“ nicht in der Schule gewesen sei, da er krank gewesen sei, seien Terroristen in die Schule gekommen und hätten die Kinder mit Holzstangen geschlagen und verletzt. Sie hätten auch Waffen gehabt, aber nicht geschossen. Ein Kind hätten die Terroristen entführt. Am nächsten Tag sei er wieder in der Schule gewesen und ihm sei erzählt worden, was passiert sei. Die Terroristen hätten gesagt, sie würden wieder kommen und die Schüler angreifen, bis die Regierung auf sie höre und mache, was sie wollten. Seine Eltern hätten deshalb Angst um ihn gehabt. Der Beschwerdeführer sei noch zwei Tage zur Schule gegangen, dann seien Sommerferien gewesen. Seine Eltern hätten ihm gesagt, er solle das Land verlassen und hätten in den beiden Tagen, als er noch zur Schule gegangen sei, begonnen, das Grundstück zu verkaufen. Nachdem das Grundstück verkauft worden sei, hätten sie die Reise organisiert und der Beschwerdeführer habe das Land verlassen. Er habe nur dieses Problem gehabt und seiner Familie sei es finanziell nicht gut gegangen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er in zwei verschiedene Schulen gegangen sei. Die erste habe er fünf Jahre in seiner Heimatstadt besucht und die zweite sei in XXXX – etwa eine Stunde von seinem Elternhaus entfernt – gewesen. Der Vorfall sei in XXXX geschehen. Wann genau der Vorfall gewesen sei, wisse er nicht. Er gehe davon aus, dass es 2016 gewesen sei, als er Pakistan verlassen habe. Welche Terroristen das gewesen seien, wisse er nicht. Vorher habe es keine derartigen Vorfälle gegeben, aber nach seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer erfahren, dass es nochmals einen solchen Vorfall an derselben Schule gegeben habe. Persönlich an ihn herangetreten seien diese Terroristen nicht und auch in den zwei Tagen nach dem Vorfall sei nichts passiert. Bombenangriffe habe es auf seine Schule nicht gegeben. Die Aussage in der Erstbefragung habe sich allgemein auf Pakistan bezogen. Abgesehen von diesem Vorfall habe es keine Übergriffe gegeben und es sei auch niemand persönlich an ihn herangetreten. Auf Nachfrage der gesetzlichen Vertreterin gab der Beschwerdeführer an, die Polizei helfe seiner Familie nicht, weil sie arm seien. Den reichen Menschen helfe die Polizei. Die Terroristen, die in die Schule gekommen seien, seien Taliban gewesen.

In Pakistan sei der Beschwerdeführer niemals von den Behörden festgenommen oder verhaftet worden. Er habe niemals Probleme mit den Behörden gehabt. Von staatlicher Seite sei er niemals wegen seiner politischen Gesinnung, Religion, Nationalität, Rasse oder Volksgruppe verfolgt worden. Wegen seiner Rasse sei er jedoch von anderen Kasten diskriminiert und beleidigt worden.

Im Fall einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban. Er könne auch nicht arbeiten, weil er zu jung sei und sie hätten zu Hause auch nicht genug Geld. Mit der Polizei oder anderen Behörden habe er keine Probleme. In einer anderen Stadt oder in einem anderen Landesteil kenne er niemanden.

In Österreich gehe er in die Schule und mache Hausaufgaben. Manchmal mache er Aufgaben in dem Heim, spiele mit dem Handy oder auch Tischfußball. Der Beschwerdeführer habe den Deutschkurs A1 absolviert. Er gehe zwei- bis dreimal am Tag in eine türkische Moschee beten. Verwandte oder Familienangehörige habe der Beschwerdeführer in Österreich nicht.

Im Zuge seiner Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende verfahrensrelevante Dokumente vor:

?        Schulbesuchsbestätigungen einer Polytechnischen Schule für das Schuljahr 2016/2017 mit den Beurteilungen „nicht beurteilt“ vom XXXX 06.2017 und vom XXXX 02.2017;

?        Zertifikat ÖSD KID A1 vom XXXX .05.2017;

?        Schulnachricht einer Neuen Mittelschule für das Schuljahr 2017/2018 (mit sechs Nicht Genügend) vom XXXX 02.2018 samt verbaler Beurteilung des Unterrichtsfachs „Deutsch als Fremdsprache“;

?        Schulbesuchsbestätigung einer Neuen Mittelschule vom XXXX 09.2017;

?        Verbale Beurteilung „Deutsch als Fremdsprache“ vom XXXX 01.2018;

?        Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs (Niveau A2) vom XXXX 01.2018;

?        Teilnahmezertifikat „Workshop zum Müll trennen“ vom XXXX 11.2017 und

?        zwei Empfehlungsschreiben

1.4. Am 12.03.2018 langte beim Bundesamt eine Stellungnahme der gesetzlichen Vertreterin zu den in der Einvernahme ausgefolgten Länderfeststellungen zur Situation in Pakistan ein. In dieser wurde zunächst betreffend die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers darauf verwiesen, dass auf sein junges Alter Bedacht zu nehmen und ein anderer Maßstab als bei Erwachsenen anzulegen sei. Die Länderberichte würden die prekäre Situation bestätigen, in der sich insbesondere die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers befinde. Terroristische Gruppierungen wie die Taliban würden dort eine große Präsenz aufweisen. Für die innere Sicherheit Pakistans bleibe die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus ein zentrales Problem. Taliban und andere terroristische Organisationen würden schwere Terroranschläge verüben. Unter Zitierung eines Berichts von Human Rights Watch vom März 2017 sowie eines Berichtes des Refugee Documentation Centre vom Feber 2018 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass staatliche Strukturen nicht in der Lage seien, den minderjährigen Beschwerdeführer vor Verfolgung zu schützen. Sicherheitseinrichtungen seien mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. In den Augen der Extremisten wie der Taliban seien Schulen die Brutstätte der „Abtrünnigen“. Daher drohe dem Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung. Im vorliegenden Fall sei die Furcht vor Verfolgung im Hinblick auf die Sicherheitslage und die fehlenden Schutzmöglichkeiten seitens des pakistanischen Staates jedenfalls wohlbegründet. Da der Beschwerdeführer seine Heimat als Jugendlicher habe verlassen müssen, keine berufliche Ausbildung absolviert habe und bei einer Rückkehr nach Pakistan mit keiner Unterstützung rechnen könnte, würde er in eine existenzbedrohende Lage geraten. Ungeachtet der Frage, ob der Beschwerdeführer in einem anderen Landesteil nicht verfolgt würde, wäre ihm ein Aufenthalt in einem anderen Teil Pakistans nicht zumutbar. Daher werde ihm zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sein. Abschließend werde noch auf die im Zusammenhang mit Minderjährigen erforderliche Kindeswohlprüfung verwiesen.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In seiner Begründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Beschwerdeführer zur Volksgruppe der Punjabi gehöre und sunnitisch-islamischen Glaubens sei. Er sei minderjährig, ledig und kinderlos. Weiters sei er pakistanischer Staatsangehöriger und stamme aus der Provinz Punjab. Er habe Kontakt zu seiner Familie und verfüge über Schulbildung. Fest stehe, dass er an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes leide. Fest stehe, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat von keiner Behörde gesucht werde und weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von staatlicher Seite verfolgt werde. Die von ihm angegeben Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien unglaubwürdig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Taliban seine Schule angegriffen hätten. Fest stehe, dass er persönlich niemals von den Taliban bedroht worden sei und, dass er aufgrund der schlechten finanziellen Lage seiner Familie sein Heimatland verlassen habe. Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz Punjab sei relativ sicher. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre oder, dass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt würde. Er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte und könne aufgrund seines arbeitsfähigen Alters bei Rückkehr selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Festgestellt werde, dass im Fall des Beschwerdeführers kein Familienbezug in Österreich vorliege. Es hätten auch keine Umstände festgestellt werden können, die auf ein schützenswertes Privatleben in Österreich hinweisen würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 18 bis 89 des angefochtenen Bescheides unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zur Lage in Pakistan.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Staatsangehörigkeit, zur Religion, zum Gesundheitszustand, zur Schulbildung und zum Kontakt zu seiner Familie auf seinen dahingehend glaubhaften Angaben beruhen würden. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates wurde mit näherer Begründung ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer geglaubt werde, dass er im Herkunftsstaat nicht behördlich gesucht werde. Auch werde ihm geglaubt, dass er von staatlicher Seite wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht verfolgt werde. Nicht glaubhaft seien die Angaben, wonach Terroristen seine Schule angegriffen hätten. Es sei nicht glaubhaft, dass über einen langen Zeitraum nichts geschehen sei und plötzlich an dem Tag, an dem er krank gewesen sei, die Schule überfallen worden sei. Auch wenn es möglich sei, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Erzählung durch Mitschüler tatsächlich der Meinung sei, dass die behauptete Bedrohung so geschehen sei, müssten Erzählungen Dritter in ihrer Beweiskraft massiv hinter persönlich Erlebtes zurücktreten, da diese einer Glaubhaftigkeitsprüfung durch das Bundesamt nicht zugänglich seien. Zunächst habe der Beschwerdeführer auch nicht angeben können, wer für den Überfall verantwortlich gewesen sei und habe das Vorbringen erst auf Nachfrage dahingehend gesteigert, dass die Taliban in seine Schule gekommen seien. Es sei auch nicht logisch, wieso ausgerechnet der Beschwerdeführer ausreisen habe müssen. Er habe mit dem Vorfall nichts zu tun gehabt und wäre auch sonst nicht ins Visier der Taliban geraten. Auch sei nicht glaubhaft, dass die Schule am nächsten Tag ohne Probleme wieder öffnen habe können. Selbst bei Wahrunterstellung habe der Beschwerdeführer nicht darlegen können, dass diese Männer tatsächliches Interesse an seiner Person gehabt hätten. Vielmehr könne aus seinem Auftreten geschlossen werden, dass er den Asylantrag nur zum Zweck der Aufenthaltserlangung in Österreich gestellt habe. Eine Wiederansiedelung in seiner Heimatprovinz Punjab könne dem Beschwerdeführer auf jeden Fall zugemutet werden. Es sei glaubhaft, dass er in der Heimat Familienangehörige habe und daher im Fall der Rückkehr in keine ausweglose Lage geraten würde. Auch könne ihm zugemutet werden, bei einer Rückkehr selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Mit seiner Arbeit könnte der Beschwerdeführer zudem seine Familie unterstützen. Seine Angaben zum Privat- und Familienleben [in Österreich] seien glaubwürdig. Die Feststellungen zur Lage in Pakistan würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass der Beschwerdeführer eine staatliche oder private Verfolgung aus einem den von der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannten Gründe nicht vorgebracht habe. Auch sei von einer Schutzfähigkeit und –willigkeit der Behörden auszugehen. Alleine aus dem Umstand, dass Bestechung und Korruption vorkommen könnten, müsse nicht geschlossen werden, dass sich die Polizei systematisch beeinflussen lasse. Ferner könne auch die schlechte wirtschaftliche Lage nicht zu einer Asylgewährung führen. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers lediglich auf Vermutungen stützen würden. Er habe nicht glaubhaft darzulegen vermocht, dass ihm bei einem Verbleib in Pakistan die Lebensgrundlage entzogen und ihm somit ein weiterer Verbleib dort nicht zumutbar wäre. Der Beschwerdeführer sei gesund und arbeitsfähig und verfüge in der Heimat über familiäre Anknüpfungspunkte. Offenbar habe er in seiner Heimat über eine Existenzgrundlage verfügt. Ferner habe er auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen „außergewöhnlichen Umstand“ behauptet, der ein Abschiebehindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte. Eine allgemeine existenzbedrohende Notlage, wie eine Hungersnot oder eine Naturkatastrophe, liege ebenso wenig vor. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht erfüllt seien. Unter Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wurde darauf verwiesen, dass im Fall des Beschwerdeführers kein Familienbezug und kein Familienleben in Österreich bestehe. Zum Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich wurde ausgeführt, dass er nicht berufstätig sei, sich in der Grundversorgung befinde und in einer öffentlichen Betreuungsstelle wohne. Es bestünden somit auch keine privaten Bindungen in Österreich. Zudem sei der Beschwerdeführer mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in seinem Heimatland bestens vertraut. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis Abs. 3 BFA-VG sei zulässig. Weiters wurde in Spruchpunkt V. ausgesprochen, dass im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei. Letztlich wurde zu Spruchpunkt VI. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.03.2018 wurde dem Beschwerdeführer von Amtswegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der damals minderjährige Beschwerdeführer im Wege seiner gesetzlichen Vertretung fristgerecht am 24.04.2018 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges sowie des wesentlichen Vorbringens des Beschwerdeführers ausgeführt, dass die belangte Behörde auf das junge Alter des Beschwerdeführers Bedacht nehmen und einen anderen Maßstab als bei Erwachsenen hätte anlegen müssen. Eine Auseinandersetzung mit dem jungen Alter des Beschwerdeführers sei der Entscheidung nicht zu entnehmen, obwohl eine solche in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit hätte einfließen müssen. Insbesondere habe es die Behörde verabsäumt, ausreichende Ermittlungen hinsichtlich der Taliban Präsenz in Schulen Pakistans sowie der vorgebrachten Diskriminierung durch andere Kasten zu tätigen. Im angefochtenen Bescheid hätten Länderberichte darüber gefehlt, wie brutal die Taliban gegen Lehrer und Schüler vorgehen würden. Nach Zitierung eines Berichts von Human Rights Watch vom März 2017 wurde ausgeführt, dass nicht nachvollzogen werden könne, warum die Behörde das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft erachtet habe. Auch wenn der Beschwerdeführer an dem Tag, an dem die Taliban ein Kind entführt hätten, nicht in der Schule gewesen sei, schließe das eine asylrelevante Verfolgung nicht aus.

Zur Situation im Fall der Rückkehr habe es die Behörde außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass ihn seine Eltern nicht mehr aufnehmen und auch über keine existenziellen Mittel verfügen würden. Das Vorbringen des minderjährigen Beschwerdeführers sei weder berücksichtigt noch gewürdigt worden. Seine Familie lebe selbst in einer Notlage und könne den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht unterstützen. Er habe keinerlei Arbeitserfahrung gesammelt und könne sich somit nicht selbst versorgen. Bei einer Rückkehr wäre der minderjährige Beschwerdeführer auf sich alleine gestellt und könnte mit keinem familiären Rückhalt rechnen. Ferner sei die Provinz Punjab laufend von Anschlägen betroffen. Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Gemüsemarkt im ostpakistanischen Lahore seien mindestens 26 Menschen getötet und 58 Menschen verletzt worden. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass „wir“ von anderen Kasten diskriminiert und beleidigt worden seien, habe die Behörde keine Nachfragen gestellt und auch keine Länderberichte herangezogen. Derartige Ermittlungen hätten im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung von Bedeutung sein können. Auch sei im Hinblick auf eine Rückkehrentscheidung der Gesundheitszustand zu überprüfen. Der minderjährige Beschwerdeführer sei am XXXX 04.2018 einer Operation aufgrund einer Zyste unterzogen worden. Da der Beschwerdeführer der Gefahr ausgesetzt sei, an Zysten zu erkranken, müsse im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung überprüft werden, ob er in Pakistan eine diesbezügliche medizinische Behandlung erhalten könnte.

Der pakistanische Staat sei nicht in der Lage, Schüler vor Verfolgung durch die Taliban zu schützen. Hätte die Behörde ein ordentliches Ermittlungsverfahren geführt, hätte sie feststellen müssen, dass dem Beschwerdeführer auf der Basis seiner vorgebrachten glaubwürdigen Fluchtgründe in Pakistan asylrelevante Verfolgung drohe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für ihn nicht, da er in den Großstädten über keine familiäre Unterstützung verfüge. Zudem sei er erst 16 Jahre alt und könne auf keine nennenswerte zivile Berufsausbildung zurückgreifen. Dem minderjährigen Beschwerdeführers sei es gelungen, glaubhaft darzustellen, dass er im Fall der Rückkehr nicht in der Lage wäre, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Aufgrund seiner Minderjährigkeit stelle sich der Beschwerdeführer qualifiziert schutzbedürftiger dar als die übrige Bevölkerung. Aus den aktuellen Länderberichten gehe hervor, dass Pakistan, insbesondere die Provinz Punjab, immer wieder Ziel von Anschlägen sei.

Der Beschwerdeführer sei um eine Integration in Österreich bemüht und nütze die sich ihm bietenden Möglichkeiten, die Kultur und die Sprache zu erlernen. Er besuche in Tirol die Schule und habe den Deutschkurs auf der Niveaustufe A1 abgeschlossen. Somit habe sich ein Privatleben etabliert, welches durchaus schützenswert sei und einer Rückführung nach Pakistan entgegenstehe.

Neben einer Vollmacht des Amtes der Tiroler Landesregierung für die, die Beschwerde unterfertigt habende als gesetzliche Vertreterin einschreitende Mitarbeiterin wurden nachstehende Unterlagen beigelegt:

?        Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 02.2018, mit welchem die Obsorge über den minderjährigen Beschwerdeführer seinen Eltern entzogen und das Land Tirol als Jugendwohlfahrtsträger mit der Obsorge betraut wurde und

?        vorläufiger stationärer Arztbrief eines Krankenhauses, Abteilung für Urologie, vom XXXX 04.2018, dem entnommen werden kann, dass der Beschwerdeführer von XXXX 04.2018 bis XXXX 04.2018 wegen der chirurgischen Entfernung eines Abszesses, die komplikationslos verlaufen ist, dort aufhältig war

4. Im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung legte der nunmehr volljährige Beschwerdeführer mit Eingaben vom 13.02.2020 und vom 27.02.2020 nachstehende, bis dato noch nicht vorgelegte Unterlagen vor:

?        Bestätigungen der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX vom XXXX 10.2018 und vom XXXX 04.2019 über die Teilnahme des Beschwerdeführers an diversen Aktivitäten der Pfarre;

?        undatiertes Zertifikat an der Teilnahme eines Deutschkurses von März 2019 bis Juli 2019;

?        Teilnahmebestätigung an einer „Deutschqualifizierung“ vom XXXX 02.2020;

?        Bericht über eine ambulante Untersuchung eines Bezirkskrankenhauses vom XXXX 11.2018, dem zu entnehmen ist, dass das Problem des Beschwerdeführers ist, dass er homosexuell ist und diese Orientierung nicht offen zeigen kann, mit der Diagnose akute Belastungsreaktion und posttraumatische Belastungsstörung;

?        „Mitteilung über den Leistungsstand“ einer Neuen Mittelschule vom XXXX 01.2018, der zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer in vier Gegenständen (unter anderem in Deutsch) mit „Nicht Genügend“ zu beurteilen wäre samt einem „Clearing“;

?        Teilnahmebestätigung vom XXXX 12.2019 an einem Deutschkurs B1 und

?        Empfehlungsschreiben vom XXXX 02.2020

Ein bezughabendes Vorbringen wurde hierzu nicht erstattet.

5. Am 03.03.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Punjabi statt, an der der Beschwerdeführer und seine bevollmächtigte Vertreterin teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit Schreiben vom 24.01.2020 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation in Pakistan zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er schon seit längerem an starken Kopfschmerzen leide. Dagegen nehme er ab und zu Medikamente. Als er von XXXX 04.2018 bis XXXX 04.2018 stationär in Behandlung gewesen sei, habe es sich um eine kleine Operation gehandelt, die nach den zwei Tagen erledigt gewesen sei. Zum ambulanten Untersuchungsbericht vom XXXX 11.2018 brachte er vor, er sei damals am Rückweg von einem Deutschkurs von der Ambulanz abgeholt worden, weil er Schmerzen an der linken Brustseite gehabt habe. Das habe ca. zwei bis drei Stunden gedauert. Wenn er Kopfschmerzen habe, verschreibe ihm der Arzt etwas. Die Niederschriften der Erstbefragung und vor dem Bundesamt seien ihm rückübersetzt worden und er habe die Wahrheit gesagt. Die Dolmetscher in der Erstbefragung und in der Einvernahme habe er gut verstanden.

Der Beschwerdeführer habe keine Identitätsdokumente. Er sei pakistanischer Staatsangehöriger und seine Religion sei der Islam. Wegen seiner Religion habe er in Pakistan keine Probleme gehabt. Seine Volksgruppe würden die Leute als „Miah Miah“ bezeichnen; wegen dieser Volksgruppe habe er auch Probleme gehabt. Dies habe sich seit seiner Kindheit so geäußert, dass die Leute gesagt hätten, „Du bist ein Miah Miah“; das habe man auch schon zu seinem Vater und Großvater gesagt. Als der Beschwerdeführer zur Schule gegangen sei, hätten die Mitschüler und Lehrer zu ihm Miah gesagt. Abgesehen davon sei nichts passiert. Er habe nur gehört, dass die Leute zu ihm „Miah Bilal“ gesagt hätten. Auf Vorhalt, er habe vor dem Bundesamt gesagt, von anderen Kasten diskriminiert zu werden sowie auf weiteren Vorhalt, das Kastensystem werde im Islam abgelehnt, gab der Beschwerdeführer an, es stimme, dass das Kastensystem im Islam verboten sei, aber es gebe dennoch Leute, die darauf pochen würden. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er spreche Urdu und Punjabi. Urdu könne er auch lesen und ein bisschen schreiben. Deutsch und Englisch könne er auch ein bisschen. Zu den mit der Ladung übersendeten Länderfeststellungen zur Situation in Pakistan gab weder der Beschwerdeführer noch seine Vertreterin eine Stellungnahme ab.

Zu seinen Wohnorten, zu seinen Familienangehörigen und zu seinem Leben in Pakistan gab der Beschwerdeführer an, dass er aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Punjab stamme. In seinem Heimatdorf würden noch seine Eltern und drei jüngere Brüder leben. Von seiner Geburt bis zur Ausreise habe er immer an derselben Adresse gewohnt. Dort habe er mit seinen Eltern und seinen Brüdern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Das sei eine Wohnung mit zwei Zimmern gewesen. Zwischenzeitig hätten jedoch Terroristen einen Bruder mitgenommen. Zu seinen Eltern habe er telefonischen Kontakt. In Pakistan sei er ca. sieben Jahre zur Schule gegangen. Wann genau das gewesen sei, wisse er nicht. Seine Familie habe in Pakistan den Lebensunterhalt durch ein kleines Grundstück neben seinem Elternhaus verdient, auf dem sie Gemüse angepflanzt hätten, und seine Mutter habe in einem fremden Haushalt gearbeitet. Sein Vater sei invalid und könne nicht arbeiten, aber durch die Arbeit seiner Mutter habe die Familie leben und der Beschwerdeführer habe in die Schule gehen können. Jetzt sei seine Mutter krank und seien die Medikamente nicht finanzierbar. Weitere Verwandte habe er in Pakistan nicht.

Zu seiner Integration in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich alleine sei. Er habe seine Deutschzeugnisse bereits vorgelegt. Aktuell habe er in Österreich keine Arbeitserlaubnis und arbeite deshalb nicht. Er habe schon versucht, eine Tischlerlehre zu beginnen, aber man habe ihm gesagt, das gehe nur mit einer positiven Entscheidung. Er lebe von der Grundversorgung. Abgesehen von den Deutschkursen sei er ein Jahr in der Schule gewesen, habe jedoch keine guten Noten gehabt. Manchmal helfe der Beschwerdeführer in der Kirche aus. In Österreich habe er weder Verwandte noch Freunde. Es gefalle ihm in Österreich, aber er habe keine Beziehung hier „laufen“. Die Gesetze hier würden ihm gefallen und man habe Respekt voreinander.

Zu seinen Reisebewegungen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei vor fünf Jahren ausgereist. Er sei von XXXX aus in den Iran gelangt und dann versteckt in einem Bus weiter in die Türkei gereist. Von der Türkei aus, sei er nach Bulgarien und von dort aus nach Serbien gelangt. In Serbien habe er sich ca. sieben Monate aufgehalten und habe dann nach Ungarn einreisen können, da er auf die Liste der „Unter-18-jährigen“ gekommen sei. In Ungarn sei er ca. ein Monat gewesen und dann mit dem Zug nach Wien gefahren. Seine Reise sei schlepperunterstützt erfolgt. Er sei immer von einem Schlepper an den nächsten übergeben worden. Das Geld für die Schleppung hätten seien Eltern durch den Verkauf eines Grundstücks erhalten.

Zu den Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen und zusammengefasst vor, als er einmal frei gehabt habe, sei er in die Schule gekommen und seien dort Terroristen von der Daesh gewesen. Sie hätten Schüler geschlagen. Als er ein zweites Mal zur Schule habe gehen wollen, sei einer der Schüler mitgenommen worden. An dem Tag sei er krank gewesen, als die Terroristen gekommen seien. Die Terroristen seien einmal gekommen als er krank gewesen sei und danach seien sie noch einmal gekommen. Als die Terroristen das zweite Mal gekommen seien, sei er dort gewesen. Er sei draußen gewesen und habe sich bei der Schule versteckt. Schüler seien mit Stöcken geschlagen worden und die Terroristen hätten sie aufgefordert, dass alle auf sie hören müssten. Zwei oder drei Personen seien danach von ihnen mitgenommen worden. Die Schule sei geschlossen worden und der Beschwerdeführer sei nach Hause gegangen. Er habe nicht mehr in die Schule gehen können, da die Regierung die Schule geschlossen habe. Sein Vater habe dann mit einer Person gesprochen, die ins Ausland reisen habe wollen. Dann habe sein Vater das Grundstück verkaufen wollen, aber ganz kaufen habe es niemand wollen. Seine Mutter habe das Grundstück dann für einen Kredit verkauft. Als der Beschwerdeführer schon in Österreich gewesen sei, sei sein Bruder von den Terroristen mitgenommen und getötet worden. Das sei ca. drei bis vier Monate nach seiner Einvernahme vor dem Bundesamt gewesen. Auf Vorhalt, er erzähle jetzt die dritte Version seiner Fluchtgeschichte, gab der Beschwerdeführer an, das erste Mal als er nicht anwesend gewesen sei, habe man ein Kind mitgenommen und als sie das zweite Mal gekommen seien, als er da gewesen sei, hätten sie drei Kinder mitgenommen. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt nur von ersten Mal gesprochen habe, gab er an, vielleicht habe er es vergessen, aber er habe es auf jeden Fall sagen wollen. Die Frage, ob er selbst von den Terroristen persönlich bedroht oder angegriffen worden sei, beantwortete der Beschwerdeführer dahingehend, dass die Bedrohungen gegen das ganze Dorf ausgesprochen worden seien.

Der weitere Verlauf der Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

„R: Wurden die Bedrohungen auch gegen Sie persönlich ausgesprochen?

BF: Als sie das Dorf meinten, bedrohten sie ja jeden.

R: Ich meine ist jemals ein Terrorist zu Ihnen gekommen und hat gesagt „ich bedrohe dich, oder dir passiert etwas, wenn du das und das nicht machst“?

BF: Als sie in die Schule kamen, sagten sie wenn die Regierung nicht das erfüllt, was sie verlangen, werden sie hier einen nach den anderen töten.

R: Was hätte die Regierung denn erfüllen sollen?

BF: Die Regierung hätte Maßnahmen gegen sie setzen sollen. Aber wenn wir zur Polizei gingen, verlangten sie immer Geld, um sie festzunehmen, von wo sollen wir Geld haben.

R: Wer hat Geld verlangt?

BF: Als wir zur Polizei gingen, um Schutz anzusuchen, haben Sie gesagt „gebt uns zuerst Geld, dann werden wir kommen“. Denn diese Terroristen hatten auch ihre eigenen Politiker, wie kann man das ausdrücken… sie haben ein großes Netzwerk und auch zur Polizei Beziehungen.

R: Sie haben vorher gesagt, als die Terroristen in die Schule gekommen sind, haben die Terroristen gesagt, „wenn die Regierung nicht das erfüllt was sie verlangen, werden sie einen nach den anderen töten“, woher wissen Sie das wenn sie sich versteckt haben?

BF: Als die Medienleute kamen, haben sie auch Interviews geführt und ich habe das auch im Fernsehen gesehen.

R: Welche Medienleute kamen?

BF: Das weiß ich nicht, aber sie kamen nicht zu den Terroristen, sondern zu den „größeren Leuten“ und die sagten, dass die Terroristen von der Regierung das und das verlangen.

R: Was meinen Sie mit das und das?

BF: Sie verlangten nach etwas, die was interviewt wurden, sagten das.

R: Was haben die Terroristen verlangt?

BF: Das weiß ich nicht, ich habe sie nicht immer getroffen, aber die was interviewt wurden, sagten, dass sie etwas von ihnen verlangten.“

Der Beschwerdeführer wisse von zwei Angriffen an seiner Schule. Einer als er krank gewesen sei und der andere, als er dort hingegangen sei. Dazwischen seien vier bis fünf Tage gewesen. Den Monat, in dem diese beiden Vorfälle gewesen seien, könne er nicht sagen. An das Jahr könne er sich nicht erinnern. Die Schüler, die mitgenommen worden seien, habe der Beschwerdeführer nicht gekannt. Dass sein Bruder getötet worden sei, wisse er, weil der Bruder immer noch nicht zurückgekommen sei. Diese Entführung sei ca. vier bis fünf Monate nach seinem ersten Interview gewesen. Als die Terroristen zum zweiten Mal gekommen seien, sei er in der Schule hinten in der Klasse gewesen. Die Leute seien von vorne durch die Türen gekommen; es seien sechs oder sieben Terroristen gewesen. Auf Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung sowie auf Nachfrage, ob seine Schule auch bombardiert worden sei, brachte der Beschwerdeführer vor, seine Schule sei einmal bombardiert worden und eine Schule einige Dörfer weiter sei drei- bis viermal bombardiert worden. Auf Vorhalt, er habe vor dem Bundesamt gesagt, es habe keine Bombenangriffe auf seine Schule gegeben, gab er an, das habe er schon gesagt. Von staatlicher Seite sei er niemals bedroht oder verfolgt worden.

Auf Vorhalt des ambulanten Untersuchungsberichts vom XXXX 11.2018, in dem vermerkt ist, dass er homosexuell ist, gab der Beschwerdeführer an, das stimme. Das sei schon seit seiner Kindheit so. Aber in Pakistan sei es verboten, dass ein Mann einen Mann liebe. Er habe bemerkt, dass er homosexuell sei, weil er Mädchen und Frauen nicht so sehr möge. Aktuell lebe er in keiner Beziehung. Auch früher habe er weder einen festen homosexuellen Partner gehabt noch eine homosexuelle Beziehung. Auf die Frage nach seinem ersten homosexuellen Kontakt brachte der Beschwerdeführer vor, er habe „es“ einmal getan; das sei aber schon sehr lange her. Das sei mit jemandem gewesen, dessen Angehörige dann eine Anzeige gemacht hätten. Das sei in Pakistan gewesen. Danach habe er es nicht mehr gemacht. Es sei vor den Angriffen auf die Schule gewesen. Es sei nur einmal gewesen und danach nicht mehr. Diesen Jungen habe er in der Schule kennengelernt. Wie alt sie damals gewesen seien, wisse er nicht mehr. Das homosexuelle Erlebnis habe ihm gut gefallen. In Österreich lebe er seine Homosexualität „bis jetzt“ nicht offen, weil er Angst habe, dass „nichts Verkehrtes“ passiere. Er sei auch noch unter 18 Jahre gewesen und habe auch deswegen Angst gehabt. Als sein damaliger Partner angezeigt worden sei, sei dieser von der Polizei geschlagen worden und dann habe man ihn freigelassen. Die Nachfrage, ob der Beschwerdeführer von der Polizei auch einvernommen worden sei, bejahte er und brachte vor, dass sie beide geschlagen worden seien. Auf Vorhalt, aus welchen Gründen er weder vor dem Bundesamt noch im Zuge der Beschwerdeausführungen von seiner Homosexualität gesprochen habe, gab er an, er habe Angst gehabt, dass „was Verkehrtes“ passiere. Seine Eltern wüssten davon nichts. In Pakistan sei es nicht erlaubt, Homosexualität offen zu leben. Auf Vorhalt, er lebe seine Homosexualität auch in Österreich nicht, brachte der Beschwerdeführer vor, jetzt sei er über 18 Jahre alt und jetzt mache er „es“. Er werde für sich einen Partner suchen. Auf die Frage, wo er den Mann treffen wolle, gab er an, er müsse zuerst suchen, dann werde er ihn finden. Die weitere Frage, wie er das anstellen wolle, beantwortete der Beschwerdeführer dahingehend, dass er ihn schon finden werde. Er werde ihn suchen und wenn er einverstanden sei, werde der Beschwerdeführer „es“ mit ihm machen.

In der Verhandlung wurden eine undatierte Überweisung an eine Fachärztin für Neurologie wegen Verdachts auf Spannungskopfschmerz (vgl. Beilage ./1) und das bereits im Akt erliegende Empfehlungsschreiben vom XXXX 02.2020 (vgl. Beilage ./2) vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der zum Antragszeitpunkt minderjährige, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Pakistan, Zugehöriger der Volksgruppe der Punjabi und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der pakistanischen Provinz Punjab, wo er geboren und bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern und drei jüngeren Brüdern im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Ca. im Mai 2015 verließ der Beschwerdeführer Pakistan und reiste über den Iran, die Türkei und Bulgarien nach Serbien, wo er sich ca. sieben Monate aufhielt. Nachdem er die Möglichkeit bekam, nach Ungarn einzureisen, ergriff er diese und begab sich aus Ungarn unrechtmäßig nach Österreich, wo er am 17.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.2. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan. Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist, die dem pakistanischen Staat zurechenbar ist. Darüber hinaus wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten der Taliban oder einer vergleichbaren terroristischen Gruppierung ausgesetzt ist, die asylrelevante Intensität erreicht. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer homosexuell ist. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Pakistan aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Punjabi und/oder der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Pakistan aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer leidet an fallweise auftretenden Spannungskopfschmerz, wogegen er erforderlichenfalls Medikamente nimmt. Von XXXX 04.2018 bis XXXX 04.2018 befand er sich wegen der chirurgischen Entfernung eines Abszesses in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus. Dieser Eingriff verlief komplikationslos und benötigte der Beschwerdeführer diesbezüglich keine Nachbehandlung. Am XXXX 11.2018 war der Beschwerdeführer zur ambulanter Untersuchung in einem Bezirkskrankenhaus und wurden damals eine akute Belastungsreaktion und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sich in der Folge in psychologische oder psychotherapeutische Behandlung begeben hat. Eine diesbezügliche, aktuelle Behandlungsbedürftigkeit liegt nicht vor. Zusammengefasst wird sohin festgestellt, dass der Beschwerdeführer weder an einer schwerwiegenden psychischen noch an einer schwerwiegenden physischen Krankheit leidet.

Der Beschwerdeführer gehört keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit CoVid-19 an. Die CoVid-19 Pandemie stellt für den Beschwerdeführer kein „real risk“ im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dar.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage in Pakistan. Er ist ledig und kinderlos bzw. ohne Obsorgeverpflichtungen, verfügt über eine siebenjährige Schulbildung und spricht neben Punjabi auch Urdu, etwas Englisch und etwas Deutsch. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor seine Eltern, zu denen er regelmäßigen telefonischen Kontakt hat, mit seinen jüngeren Brüdern. Die Familie des Beschwerdeführers verfügt über eine Wohnmöglichkeit in seinem Heimatdorf.

Festgestellt wird sohin, dass der an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidende, junge, ledige und kinderlose Beschwerdeführer über eine mehrjährige Schulbildung verfügt und arbeitsfähig ist sowie, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Pakistan ein familiäres- bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerde-führers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.1.4. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich nicht über familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und lebt auch mit niemanden in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig erwerbstätig, sondern lebt seit der Antragstellung von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2016/2017 eine Polytechnische Schule und im Schuljahr 2017/2018 eine Neue Mittelschule. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer eine dieser Schulen positiv abgeschlossen hat. Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und das Zertifikat ÖSD KID A1 erlangt. Aktuell besucht er einen Deutschkurs auf der Niveaustufe B1. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, sich in einfachen Worten alltagstauglich in deutscher Sprache zu verständigen. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er lebt seit Antragstellung am 17.10.2016 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Fallweise nimmt der Beschwerdeführer an Aktivitäten der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX teil und verfügt im Bundesgebiet über einen Bekanntenkreis. Darüber hinausgehende Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, liegen nicht vor.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur Lage in Pakistan:

1.2.1. Neueste Ereignisse:

1.2.1.1. Integrierte Kurzinformation vom 9.8.2019: Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir:

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außenwie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in NeuDelhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine „Hinduisierung“ des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als „nicht akzeptabel“ und „nicht bindend“ bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung:

Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war [siehe KI vom 20.2.2019].

Quellen:

?        ARTE – (7.8.2019): Kaschmir: Eskaliert der Konflikt zwischen Indien und Pakistan erneut? https://www.arte.tv/de/articles/kaschmir-eskaliert-der-konflikt-zwischen-indien-und-pakistanerneut, Zugriff 8.8.2019;

?        BBC - British Broadcasting Corporation (6.8.2019): Article 370: What happened with Kashmir and why it matters, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49234708, Zugriff 7.8.2019;

?        BBC - British Broadcasting Corporation (7.8.2019): Article 370: Kashmiris express anger at loss of special status, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49261322, Zugriff 8.8.2019;

?        DS – Der Standard (7.8.2019): Kaschmir-Konflikt: Pakistan weist indische Diplomaten aus, https://www.derstandard.at/story/2000107163187/pakistan-weist-indische-diplomaten-austoter-bei-protesten-in-srinagar, Zugriff 8.8.2019;

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (7.8.2019): Warnungen aus Islamabad, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kaschmir-konflikt-warnungen-aus-islamabad16321737.html, Zugriff 8.8.2019;

?        HP – Huffpost (8.8.2019): India Arrests Over 500 In Kashmir As Pakistan Suspends Railway Service, https://www.huffpost.com/entry/india-arrests-over-500-in-kashmir-as-pakistansuspends-railway-service_n_5d4c19a7e4b09e729742389e?guccounter=1, Zugriff 9.8.2019;

?        IT – India Today (6.8.2019): Article 370: China says opposed to Ladakh as Union Territory, https://www.indiatoday.in/india/story/china-reaction-jammu-kashmir-article-370-1577915-201908-06, Zugriff 7.8.2019;

?        NZZ – Neue Züricher Zeitung (5.8.2019): Indien hebt den Autonomiestatus Kaschmirs auf und

riskiert, die Spannungen in der Region drastisch zu verschärfen, https://www.nzz.ch/international/kaschmir-indien-provoziert-mit-der-aufhebung-dessonderstatus-ld.1499966, Zugriff 9.8.2019

;

?        ORF – Österreichischer Rundfunk (5.8.2019): Indien streicht Kaschmirs Sonderstatus, https://orf.at/stories/3132670/, Zugriff 5.8.2019;

?        SCMP – South China Morning Post (7.8.2019): China calls India’s move to scrap Kashmir’s special status ‘not acceptable’ and not binding,

https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3021712/china-calls-indias-move-scrapkashmirs-special-status-not, Zugriff 7.8.2019;

?        SO – Spiegel Online (4.8.2019): Pakistan bittet Trump um Vermittlung, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-nach-terrorwarnung-verlassen-tausende-dasgebiet-a-1280384.html, Zugriff 6.8.2019;

?        TNYT – The New York Times (6.8.2019): In Kashmir Move, Critics Say, Modi Is Trying to Make India a Hindu Nation, https://www.nytimes.com/2019/08/06/world/asia/ jammu-kashmirindia.html, Zugriff 7.8.2019 und

?        ZO – Zeit Online (7.8.2019): Pakistan weist indischen Botschafter aus, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-botschafterausweisung-hasan, Zugriff 8.8.2019

1.2.1.2. Integrierte Kurzinformation vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militär und PTM:

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen – darunter fünf Soldaten – verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die örtliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig, bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen, um ebenfalls am Protest teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren, wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).

In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, PT 27.5.2019), weswegen es schwierig ist, Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).

Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019).

Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klar machte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass „ihre Zeit vorbei“ sei, und dass diese die „roten Linien“ nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine „Kriegserklärung“ sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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