TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/16 G311 2176530-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G311 2176530-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2017, Zahl: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.02.2020, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 30.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

Am 31.01.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers zu seinem Antrag auf internationalen Schutz statt.

Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, fand am 12.10.2017 statt.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer weiters eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Mit dem am 10.11.2017 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom selben Tag erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid des Bundesamtes. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, der Beschwerde stattgeben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten, allenfalls des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung sowie den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufheben und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG erteilen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 15.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit am 05.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangender Beschwerdenachreichung des Bundesamtes vom 03.01.2018 wurde ein Bericht der Landespolizeidirektion (LPD) XXXX vom 01.01.2018 über den Verdacht der vom Beschwerdeführer begangenen sexuellen Belästigung weitergeleitet.

Am 26.02.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine vom Bundesamt weitergeleitete Meldung der LPD vom 22.02.2018 über die erfolgte Anzeige des Beschwerdeführers wegen sexueller Belästigung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ein.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , rechtskräftig am XXXX .2019 wurde der Beschwerdeführer wegen sexueller Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlung gemäß § 218 Abs. 1a StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (gesamt daher EUR 400,00) und im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen verurteilt.

Mit Schreiben vom 29.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 30.01.2020 einlangend, wurde seitens des Beschwerdeführers beantragt, seine Lebensgefährtin im Zuge der anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung als Zeugin zu vernehmen. Weiters wurden Unterlagen zur selbstständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich, Empfehlungsschreiben und Teilnahmebestätigungen zu Kursen vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.02.2020 wurden der bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und dem Bundesamt zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ein Konvolut von aktuellen und relevanten Länderberichten zum Irak zur Kenntnisnahme übermittelt und zugleich die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung oder der mündlichen Stellungnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt.

Mit am 10.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht einlangender Urkundenvorlage wurden ergänzende Unterlagen zum Nachweis der Integration des Beschwerdeführers vorgelegt.

Mit Beschwerdenachreichung vom 12.02.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt das gegen den Beschwerdeführer ergangene Strafurteil des Bezirksgerichtes XXXX sowie die dazu ergangene Rechtsmittelentscheidung des Landesgerichtes XXXX vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.02.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung sowie in Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen. Das Bundesverwaltungsgericht führte im Zuge der mündlichen Verhandlung zu den dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vorab übermittelten Länderberichten noch aktuelle Zeitungsberichte in das Verfahren ein.

Auf die Fortsetzung der Verhandlung und die mündliche Verkündung der Entscheidung wurde verzichtet. Dem Beschwerdeführer vom Gericht die Möglichkeit eingeräumt, bis 28.02.2020 bei Gericht einlangend schriftliche Schlussausführungen zu erstatten.

Am 02.03.2020 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers samt seinerseits ergänzend vorgelegter Zeitungsartikel beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.04.2020 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Berichte bezogen auf die COVID-19 Situation im Nahen Osten bzw. im Irak zur Stellungahme bis 01.05.2020 übermittelt.

Eine schriftliche Stellungnahme langte am 30.04.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch (vgl etwa Erstbefragung vom 31.01.2016, AS 1 ff; Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 27 ff; Kopie irakischer Personalausweis, AS 43 f; Kopie irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis, AS 41; Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2020, S 2 ff).

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Geboren und aufgewachsen ist der Beschwerdeführer in Bagdad. Er hat dort sechs Jahre die Grundschule und drei Jahre die Mittelschule besucht, aber keinen höheren Schulabschluss erreicht. Die Schule brach er wegen der Ermordung des Vaters im Jahr 2009 ab, jobbte dann in verschiedenen Berufsrichtungen und erlernte schließlich den Beruf des Frisörs als Hilfsarbeiter. Mit einem seiner Brüder investierte der Beschwerdeführer auch in ein Taxi und waren beide gemeinsam auch als Taxifahrer berufstätig. Der Beschwerdeführer lebte – bis auf einen kurzen Aufenthalt in Kairo/Ägypten während der Konfessionskriege zwischen 2006 und 2008 – durchgehend in Bagdad oder nahgelegenen Orten (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 31 f; Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2020, S 4 ff).

Der Vater des Beschwerdeführers verstarb 2009. Der Beschwerdeführer vermutet, dass er von Milizen ermordet wurde, da der Vater als Mechaniker für die US-Amerikaner in Abu Ghraib gearbeitet hatte. Der Beschwerdeführer hat noch zwei Brüder, wobei einer bereits verheiratet ist, und zwei Schwestern. Diese leben alle gemeinsam nach einem vorübergehenden Aufenthalt in der Türkei bzw. einem Flüchtlingslager in Erbil, wieder in Bagdad in einer gemieteten Wohnung. Der Beschwerdeführer hat weiters einen Onkel, der in XXXX lebt, und hat – sofern die Familie über einen funktionierenden Internetzugang verfügt – regelmäßig Kontakt zur Familie in Bagdad (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 30 ff; Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2020, S 5 ff, S 11 und 14).

Der Beschwerdeführer reiste am 19.01.2016 legal auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul/Türkei. Von dort aus reiste der Beschwerdeführer teils selbstständig, teils schlepperunterstützt über Griechenland und weitere dem Beschwerdeführer nicht bekannte Länder, darunter aber jedenfalls Slowenien, bis nach Österreich, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl Erstbefragung vom 31.01.2016, AS 3 ff; Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 32 f; Kopie des Flugtickets, AS 49; Kopie eines türkischen B1-Visums, gültig von 16.01.2016-13.07.2016 für 30 Tage, AS 53; Kopie eines slowenischen Polizeiberichts vom 29.01.2016, AS 51). Er hält sich seit seiner Asylantragsstellung ununterbrochen im Bundesgebiet auf und verfügt hier seit 10.02.2016 über durchgehende Meldungen von Hauptwohnsitzen. Seit 10.09.2019 ist der Beschwerdeführer bei seiner Lebensgefährtin mit Hauptwohnsitz gemeldet (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 30.03.2020).

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium, die im Irak nicht behandelbar wären (vgl Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 28; Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2020, S 4).

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .2018, XXXX , rechtskräftig am XXXX .2019, wurde der Beschwerdeführer nach Teilstattgabe seiner Strafberufung durch das Landesgericht XXXX mit Urteil vom XXXX .2019, XXXX , wegen sexueller Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlung gemäß § 218 Abs. 1a StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (gesamt daher EUR 400,00) und im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 01.01.2018 im Zuge einer Silvesterparty in einem Nachtlokal in erheblich alkoholisierten Zustand (etwa 1,2 Promille) eine Frau durch eine intensive Berührung in einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzte, und zwar indem er ihren linken Oberschenkel intensiv berührte und die Hand bis zum Genitalbereich bewegte (vgl aktenkundiges Urteil vom XXXX .2018).

Der Beschwerdeführer erhob gegen das Urteil des Bezirksgerichtes „volle Berufung“. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2019, XXXX , wurde auf die Berufung wegen Nichtigkeit mangels Erklärung darüber, welche Nichtigkeitsgründe geltend gemacht würden und diese in der Berufung auch nicht ausgeführt wurden, keine Rücksicht genommen. Weiters führte das Landesgericht aus, dass auch die Schuldberufung ohne Erfolg bleibe, weil keine Bedenken gegen die vom Erstgericht festgestellten schulderheblichen Tatsachen und die dazu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen bestünden. Das Erstgericht habe sich umfassend mit den ihm zur Verfügung stehenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt und daraus anhand einwandfreier Prämissen den Gesetzen der Logik folgende Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite getroffen. Die Strafberufung führe nur deswegen zu einem Teilerfolg (Herabsetzung der Geldstrafe von ursprünglich 120 Tagessätzen bzw. 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe auf 100 Tagessätze bzw. 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), weil die gesetzliche Urteilsausfertigungsfrist vom Erstgericht um ein Vielfaches überschritten worden sei und das Verfahren aus einem nicht vom Beschwerdeführer oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert habe (vgl aktenkundiges Urteil vom XXXX .2019).

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die den zitierten strafgerichtlichen Urteilen zugrundliegende Straftat begangen und das je umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer lebt mit XXXX , geboren am XXXX , österreichische Staatsangehörige, seit etwa eineinhalb Jahren in einer Beziehung und zumindest seit 10.09.2019 (Datum der Meldung des Hauptwohnsitzes) mit dieser im gemeinsamen Haushalt. Eine Heirat wird von beiden beabsichtigt. Die Lebensgefährtin arbeitet als Schmuckberaterin in einer Filiale einer Schmuckkette in XXXX und verdient monatlich netto etwa EUR 1.100,00. Er ist in das Familienleben seiner Lebensgefährtin integriert und nimmt regelmäßig an gemeinsamen Aktionen und Feiern teil. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine weiteren familiären Bindungen in Österreich (vgl „Mietvereinbarung“ zwischen dem Beschwerdeführer und der Lebensgefährtin vom 01.09.2019; Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 30.03.2020; diverse aktenkundige Unterstützungsschreiben; Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2020, S 12 f).

Der Beschwerdeführer lebte seit seiner Asylantragstellung Ende Jänner 2016 bis Mitte September 2019 von der Grundversorgung. Nunmehr ist er seit 22.07.2019 selbstständig vertretender, unbeschränkt haftender Gesellschafter (Komplementär) der „ XXXX “ (im Folgenden: KG). Der Beschwerdeführer betreibt gemeinsam mit einem weiteren Komplementär und einem Kommanditisten die KG, deren Geschäftszweig laut Firmenbuch das Führen eines Friseursalons sowie das Handeln mit Waren aller Art ist. Die KG erwirtschaftete einen Umsatz von EUR 1.363,- im Oktober 2019, von EUR 1.708,00 im November 2019 und von EUR 1.996,00 im Dezember 2019. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verdiente der Beschwerdeführer monatlich zwischen EUR 600,00 und EUR 900,00. Davon bezahlt er der Lebensgefährtin monatlich EUR 150,00 anteilige Betriebskosten für deren Wohnung und beteiligte sich an den Kosten für die Verpflegung (vgl Grundversorgungs- und Sozialversicherungsdatenauszug vom 30.03.2020; Firmenbuchauszug zur FN XXXX vom 09.04.2020; Umsatzbestätigung der Steuerberatung; Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2020, S 12; GISA-Abfrage vom 09.04.2020).

Im Zeitraum 03.04.2019 bis 25.07.2019 sowie seit September 2019 bis voraussichtlich Juli 2020 nahm bzw. nimmt der Beschwerdeführer an Basisbildungskursen der Volkshochschule teil (vgl aktenkundige Teilnahmebestätigung bzw. Kursbestätigung vom 28.01.2020). Weiters besucht der Beschwerdeführer seit 03.03.2019 laufend einen Deutschkurs des Niveaus A2 (vgl aktenkundige Bestätigungen vom 30.06.2019 und 03.02.2020). Eine Deutschsprachprüfung hat der Beschwerdeführer bisher nicht abgelegt. Er kann sich im Alltag auf Deutsch verständigen. Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse in einem den Referenzrahmen zuordenbaren Ausmaß verfügt.

Er hat weiters einen umfangreichen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich (vgl die zahlreichen aktenkundigen Unterstützungs- und Integrationsschreiben). Hingegen konnte nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer in einem Verein oder einer Organisation engagiert oder ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt hätte.

Insgesamt liegen jedoch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht vor.

Der Vater des Beschwerdeführers wurde im Jahr 2009 – mutmaßlich wegen seiner Tätigkeit für das US-amerikanische Militär - getötet. Der Beschwerdeführer hatte deswegen keine persönlichen Probleme und lebte bis Ende 2015 im Irak. Ein für die Flucht des Beschwerdeführers kausaler Grund liegt diesbezüglich nicht vor (vgl Erstbefragung vom 31.01.2016, AS 7; Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 34 ff).

Der Beschwerdeführer ist im Irak nicht vorbestraft, hat keinerlei Probleme mit irakischen Behörden, Gerichten, der Polizei oder der Regierung. Gegen ihn besteht weder eine Fahndung, ein Haftbefehl noch eine Strafanzeige im Irak. Er war bisher niemals politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei und wurde weder wegen seiner Volksgruppen- noch Religionszugehörigkeit persönlich verfolgt oder bedroht (vgl insbesondere Niederschrift Bundesamt vom 12.10.2017, AS 36).

Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung durch schiitische Milizen, den IS oder von staatlicher Seite ausgesetzt ist.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Schreiben vom 06.02.2020 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen (mit Stand Februar 2020), die im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung ergänzend in das Verfahren eingeführten Zeitungsberichte sowie die mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.04.2020 zur Lage betreffend COVID-19 auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.

Daraus ergibt sich auszugsweise:

Zur COVID-19 Lage im Irak ergibt sich aus der Kurzinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes vom 27.03.2020, dass die Behörden ein Lautsprechersystem benützen, um die Bevölkerung dazu aufzufordern, zuhause zu bleiben. Humanitäre Organisationen fürchten besonders um die 1.5 Millionen Zivilisten, die im Zuge der Kämpfe gegen den IS vertrieben worden. In den dicht besiedelten Lagern und Wohnblöcken haben viele nur begrenzten Zugang zu Lebensmitteln. Sauberes Wasser wird zum Kochen und nicht zum Händewaschen benötigt. Schulen, Universitäten und Einkaufszentren sowie andere Plätze, an denen sich größere Menschenansammlungen bilden können, wurden geschlossen. Die landesweite Abriegelung sollte zum Stand 26.03.2020 bis 11.04.2020 anhalten. Die irakischen Grenzen waren geschlossen (vgl Kurzinformation der Staatendokumentation vom 27.03.2020 zur COVID-19 Lage im Nahen Osten, S 2).

Aus dem UN OCHA Situation Report No. 10 zum Irak (COVID-19) vom 09.04.2020 ist ersichtlich, dass es zu diesem Zeitpunkt im gesamten Irak zu 1202 bestätigten COVID-19 Fällen gekommen ist, wovon 69 Personen bis zum 09.04.2020 verstorben und 452 Patienten wieder genesen waren. In der Autonome Region Kurdistan kam es vorübergehend zu einem „Lockdown“. Flughäfen im Zentralirak und in Kurdistan blieben jedenfalls bis 11.04.2020 geschlossen. Die COVID-19 Maßnahmen, darunter Abstandhalten und „Social Distancing“ haben – wie auch in anderen Staaten - zu Wirtschaftseinbrüchen geführt. Durch die Restriktionen und Lockdowns kam es auch zur Beeinträchtigung von Hilfsleistungen humanitärer Institutionen.

Mit Stand 26.05.2020 gab es im Irak 4.632 bestätigte COVID-19 Erkrankungen und 163 Todesfälle (vgl https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200526-covid-19-sitrep-127.pdf?sfvrsn=7b6655ab_8, Zugriff am 27.05.2020).

Aus den im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung ergänzend in das Verfahren eingeführten Zeitungsberichten ergibt sich im Wesentlichen, dass die seit Oktober andauernden Proteste gegen die Regierung im Irak, insbesondere auch in Bagdad, weiter fortdauern und die Sicherheits- und Regierungskräfte dabei Protestanten und auch gewaltsame Ausschreitungen weiterhin mit Gewalt bekämpfen (vgl dazu etwa New York Times, In Iraq, Where Beauty Was Long Suppressed, Art Flowers Amid Protests, vom 03.02.2020, https://nyti.ms/2RR5PSs; Wiener Zeitung, Bagdad erlebt seinen Tahrir-Moment, vom 12.11.2019; Welt e-Paper: Tränengas, Detonationen – und die Menschen schwören der Regierung Rache, vom 08.11.2019, https://www.welt.de/203180338).

Aus dem zur Vorbereitung der mündlichen Beschwerdeverhandlung in das Verfahren eingeführten Konvolut an Länderberichten ergibt sich:

„1.      Sicherheitslage:

1.1.    Allgemeine Sicherheitslage:

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/de/dokument/1437719.html, Zugriff 19.07.2018

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        CRS – Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

-        MIGRI – Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 30.10.2018

1.2.    Islamischer Staat (IS):

1.2.1.  Islamischer Staat – Stand LIB vom 20.11.2018:

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).

Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Quellen:

-        Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/, Zugriff 30.10.2018

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        CRS – Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

-        ISW – Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS‘s Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html, Zugriff 30.10.2018

-        Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://jamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/, Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing – Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding- in.html, Zugriff 30.10.2018

-        Joel Wing – Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

-        Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018

-        WP – Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback-in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf_story.html?noredirect=on&utm_term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018

1.2.2.  Islamischer Staat – Stand Kurzinformation vom 09.04.2019:

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

Quellen:

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2013286.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq_security_situation.pdf, 13.3.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018 , https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019

1.2.3.  Islamischer Staat – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:

Die folgende Karte des Institute for the Study of War (ISW) weist neben Unterstützungszonen des islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien auch Gebiete aus, in denen Angriffe und Manöver vom IS ausgeführt wurden, sowie Gebiete, in denen Änderungen in der Vorgehensweise des IS beobachtet wurden. Weiters werden Gebiete, die sowohl von der kurdischen Regionalregierung als auch von der irakischen Zentralregierung für sich beansprucht werden (die sogenannten „umstrittenen Gebiete") dargestellt (in grau schattierten Linien).

ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-apri/-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine „Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run- Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es „Lücken“ zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).

Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).

Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).

Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).

Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung AI-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane‘s 1.5.2019).

Quellen:

-        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 18.6.2019

-        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (11.6.2019): Regional Overview – Middle East 11 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/12/regional-overview-middle-east-11-june-2019/, Zugriff 18.6.2019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 18.6.2019

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019

-        Jane‘s 360 (1.5.2019): USAF reports combat debut for F-35A, https://www.janes.com/article/88186/usaf-reports-combat-debut-for-f-35a, Zugriff 17.6.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.5.2019): Islamic State Announces New Offensive But Amounts To Little So Far, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/islamic-state-announces-new-offensive.html, Zugriff 14.6.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 14.6.2019

-        Kurdistan 24 (11.4.2019): Iraq launches 'large-scale' anti-ISIS operation in Hamrin Mountains, https://www.kurdistan24.net/en/news/e2d4b872-d38a-4a00-8de1-fd4a6b93d8f0, Zugriff 17.6.2019

-        Rudaw (9.5.2019): Iraq not keeping up with evolving ISIS: US Defense Department, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/090520191, Zugriff 18.6.2019

-        SCR - Security Council Report (30.4.2019): May 2019 Monthly Forecast, https://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2019-05/iraq-3.php, Zugriff 1.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (2.5.2019): Implementation of resolution 2421 (2018); Report of the Secretary-General [S/2019/365], https://www.ecoi.net/en/file/local/2008023/S_2019_365_E.pdf, Zugriff 17.6.2019

-        UNSC – United Nations Security Council (1.2.2019): Eighth report of the Secretary-General on the threat posed by ISIL (Da’esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat, https://www.un.org/sc/ctc/wp-content/uploads/2019/02/N1901937_EN.pdf, Zugriff 18.6.2019

-        USDOD - US Department of Defense (7.5.2019): Operation Inherent Resolve - Lead Inspector General report to the United States Congress, January 1, 2019, March 31, 2019, https://media.defense.gov/2019/May/07/2002128675/-1/-1/1/LIG%20OCO%20OIR%20Q2%20MARCH2019.PDF, Zugriff 18.6.2019

-        Xinhua (6.5.2019): 8 IS militants killed in operation in western Iraq desert, http://www.xinhuanet.com/english/2019-05/06/c_138036239.htm, Zugriff 18.6.2019

1.2.4.  Islamischer Staat – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).

Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).

Am 7.7.2019 begann die „Operation Will of Victory“, an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der USgeführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).

Quellen:

-        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (17.7.2019): Regional Overview – Middle East 17 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/17/regional-overview-middleeast-17-july-2019/, Zugriff 2.10.2019

-        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middleeast-2-october-2019/, Zugriff 7.10.2019

-        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (4.9.2019): Regional Overview – Middle East 4 September 2019, https://www.acleddata.com/2019/09/04/regional-overviewmiddle-east-4-september-2019/, Zugriff 2.10.2019

-        Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone190924052551906.html, Zugriff 2.10.2019

-        Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border190825184711737.html, Zugriff 28.10.2019

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        Diyaruna (7.10.2019): Iraq launches phase 6 of 'Will of Victory’, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/10/07/feature-02, Zugriff 18.10.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-theirusual.html, Zugriff 17.10.2019

-        Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-alongsyrian-border/, Zugriff 18.10.2019

-        PressTV (21.9.2019): Fifth phase of Will of Victory operation ends with cleansing areas near Saudi border, https://www.presstv.com/Detail/2019/09/21/606767/Fifth-phase-of-Will-ofVictory-operation-ends-with-cleansing-areas-near-Saudi-border-from-Daesh, Zugriff 18.10.2019

-        Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsiblefor-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 30.10.2019

-        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victoryover-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 28.10.2019

-        Rudaw (11.8.2019): Iraq ends third phase of ‘Will of Victory’ campaign, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/11082019, Zugriff 18.10.2019

-        Rudaw (20.7.2019): Iraq launches second phase of Will of Victory anti-ISIS operation, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/200720191, Zugriff 18.7.2019

-        Rudaw (24.8.2019): Fourth phase of ‘Will of Victory’ operation begins: Iraqi defense ministry, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/24082019, Zugriff 18.10.2019

-        The Portal (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportalcenter.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 18.10.2019

1.3.    Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen:

1.3.1.  Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand LIB vom 20.11.2018:

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 6.2.2018).

So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018).

Die folgende Grafik von ACCORD zeigt, im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 5.9.2018).

ACCORD (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus ACLED, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/193015362173742018q2iraq-de.pdf, Zugriff 29.10.2018 [Grafik gelöst, Anm.]

Laut Angaben von UNAMI, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak, wurden im September 2018 im Irak insgesamt 75 irakische Zivilisten durch Terroranschläge, Gewalt und bewaffnete Konflikte getötet und weitere 179 verletzt (UNAMI 1.10.2018). Insgesamt verzeichneteUNAMI im Jahr 2017 3.298 getötete und 4.781 verwundete Zivilisten. Nicht mit einbezogen in diesen Zahlen waren zivile Opfer aus der Provinz Anbar im November und Dezember 2017, für die keine Angaben verfügbar sind. Laut UNAMI handelt es sich bei den Zahlen um absolute Mindestangaben, da die Unterstützungsmission bei der Überprüfung von Opferzahlen in bestimmten Gebieten eingeschränkt ist (UNAMI 2.1.2018). Im Jahr 2016 betrug die Zahl getöteter Zivilisten laut UNAMI noch 6.878 bzw. die verwundeter Zivilisten 12.388. Auch diese Zahlen beinhalten keine zivilen Opfer aus Anbar für die Monate Mai, Juli, August und Dezember (UNAMI 3.1.2017)

Die folgenden Grafiken von lraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle, dokumentierte IBC im September 2018 241 zivile Todesopfer im Irak. Im September 2017 betrug die Zahl von IBC dokumentierter ziviler Todesopfer im Irak 490; im September 2016 935. Insgesamt dokumentierte IBC von Januar bis September 2018 2.699 getötete Zivilisten im Irak. Im Jahr 2017 dokumentierte IBC 13.178 zivile Todesopfer im Irak; im Jahr 2016 betrug diese Zahl 16.393 (IBC 9.2018).

IBC - lraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iraqbodycoun t.org/database/, Zugriff 31.10.2018 [Grafik gelöscht, Anm.]

IBC - lraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iragbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018 [Grafik gelöscht, Anm.]

Quellen:

?        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location &         Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018q2irag-de.pdf, Zugriff 29.10.2018

?        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

?        IBC - lraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iragbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018

?        Joel Wing - Musings on lraq (5.4.2018): lraq Witnessing Fewest Security lncidents Since 2003, http://musingsonirag.blogspot.com/2018/04/iraq-witnessing-fewest-securi.thytml, Zugriff 02.11.2018

?        Joel Wing - Musings on lraq (6.10.2018): lslamic State Returns To Baghdad While Overall Security In lraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state­returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

?        MIGRI - Finnische lmmigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in lraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish immigrationservicereportsecurityiniraqvariablebutimproving/10061710, Zugriff 30.10.2018

?        UNAMI - United Nations Assistance Mission in lraq (3.1.2017): UN Casualties Figures for lraq for the Month of December 2016, http://www.unirag.org/index.php?option=comk2&view=item&id=6611:un-casualties-figures-for-irag-for-the-month-of-december-2016&Itemid=633&Iang=en, Zugriff 31.10.2018

?        UNAMI - United Nations Assistance Mission in lraq (2.1.2018): UN Casualty Figures for lraq for the Month of December 2017, http://www.unirag.org/index.php?option=comk2&view=item&id=8427:un-casualty-figures-for-irag-for-the-month-of-december-2017&Itemid=633&Iang=en, Zugriff 31.10.2018

?        UNAMI - United Nations Assistance Mission in lraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for lraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=comk2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-irag-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&Iang=en, Zugriff 31.10.2018

1.3.2.  Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand Kurzinformation vom 09.04.2019:

Liveuamap Live Universal Awareness Map, https://irag.liveuamap.com/en/time/01.04.2019, Zugriff 1.4.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).

Die folgende Grafik von lraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 3.2019).

lraq Bodycount (3.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).

lraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Quellen:

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state-might-be-coming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.4.2019): Iraq Saw Lowest Violence Ever March 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/iraq-saw-lowest-violence-ever-march-2019.html, Zugriff 4.4.2019

1.3.3.  Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.

Liveuamap Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/enltime/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 7.2019).

lraq Bodycount (7.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iragbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 7.2019).

lraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iragbodycount.org/databasel/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).

Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der „Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. OS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).

Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro- iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019).

Quellen:

-        BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 04.02.2020)

-        IBC - Iraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.5.2019): Islamic State Announces New Offensive But Amounts To Little So Far, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/islamic-state-announces-new-offensive.html, Zugriff 14.6.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 14.6.2019

-        Joel Wing, Musings on Iraq (1.7.2019): Violence Dips During Islamic State’s Latest Offensive, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/07/violence-dips-during-islamic-states.html, Zugriff 3.7.2019

1.3.4.  Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten