TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W240 2229742-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W240 1435177-2/9E

W240 2229744-1/5E

W240 2230051-1/4E

W240 2229742-1/4E

W240 2229743-1/4E

W240 2229745-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2020 1.) 821295004-190472753, 2.) 831469210-191151041, 3.) 1134765402-191152218, 4.) 831469308-191152255, 5.) 1074509604-191152269 und 6.) 1175778702-191152293, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2020 zu Rech erkannt:

A)       Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Die BeschwerdeführerInnen sind afghanische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Pashtunen. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind die Kinder der Zweitbeschwerdeführerin, die Fünftbeschwerdeführerin und die Sechstbeschwerdeführerin sind die gemeinsamen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

2.       Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.10.2015 zu W171 1435177-1/21E wurde dem Erstbeschwerdeführer gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF. der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird unter einem festgestellt, dass dem Erstbeschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Mit Bescheiden des BFA vom 06.06.2016 wurden den Zweit- bis FünftbeschwerdeführerInnen – in der Folge auch mit Bescheid des BFA vom 28.01.2018 der im Jahr XXXX in Österreich geborenen Sechstbeschwerdeführerin - der Asylstatus im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 zuerkannt.

4. Am 19.04.2019 langte eine Meldung über eine Reisebewegung des Erstbeschwerdeführers in den Iran beim BFA ein, woraufhin am 09.05.2019 ein Aberkennungsverfahren gemäß
§ 7 Abs. 1 Z 2 AsylG eingeleitet wurde. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 05.06.2019 vom BFA niederschriftlich zu seiner Ausreise aus Österreich nach Asylgewährung einvernommen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer vom 13.02.2020 wurde der dem Erstbeschwerdeführer mit Erkenntnis vom 19.10.2015,
Zahl: W171 1435177-1/21E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG wurde festgestellt, dass dem Erstbeschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (I.). Gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG wurde dem Erstbeschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (II.). Es wurde dem Erstbeschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFAVerfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Erstbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (IV.). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (VI.).

Das BFA stellte fest, dass nicht – wie vom Erstbeschwerdeführer angegeben – festgestellt hätte werden können, dass dieser ab XXXX im Iran aufhältig gewesen sei, um dort einen Freund zu besuchen bzw. Urlaub zu machen. Vom BFA wurde festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer ab XXXX in Afghanistan gewesen sei. Seine Reise nach Afghanistan sei freiwillig erfolgt und der Erstbeschwerdeführer habe sich freiwillig dem Schutz Afghanistans unterstellt. Das BFA stellte fest, dass keine Gründe mehr vorliegen würden, die gegen eine Rückkehr nach Afghanistan sprechen würden. Festgestellt wurde auch, dass der Erstbeschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht im Recht auf Leben gefährdet sei, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen sein würde, von der Todesstrafe bedroht wären oder einer asylrelevanten Verfolgung unterliegen würde. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Erstbeschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Er sei wirtschaftlich genügend abgesichert und könne für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen. Beweiswürdigend war vom BFA ausgeführt worden, dass laut Grenzkontrollstempeln im Reisepass des Erstbeschwerdeführers, dieser am XXXX 2018 in den Iran eingereist sei, den Iran jedoch am nächsten Tag wieder verlassen habe. Die nächste Einreise in den Iran sei mit XXXX 2018 vermerkt und auch hier sei der Erstbeschwerdeführer wieder am nächsten Tag ausgereist. Der Erstbeschwerdeführer habe diesen Umstand nicht glaubhaft aufklären können, sondern behauptete trotz Vorhalt der Ein- und Ausreisestempel vehement an, den Iran nicht verlassen zu haben und mutmaßte, es sei falsch in seinem Reisepass gestempelt worden, möglicherweise, um ihm Probleme zu bereiten, weil man dem Erstbeschwerdeführer unterstellt habe, er würde den Taliban oder dem IS angehören. Eine Erklärung, aus welchem Grund solchen Personen die Einreise gestattet, jedoch im Reisepass falsche Grenzkontrollstempel eingetragen werden sollten, habe der Erstbeschwerdeführer nicht angeben können, sondern habe wiederum behauptet, dass es sich um einen Fehler handeln müsse. Es wurde vom BFA auch darauf hingewiesen, dass das Visum des Erstbeschwerdeführers zwei Einreisen in den Iran erlaube. Danach gefragt, habe der Erstbeschwerdeführer nicht gleichlautenden Angaben getätigt und er keine hinreichend konkreten Angaben über seinen Aufenthalt im Iran tätigen hätte können. Das BFA stellte daher fest, es sei nicht glaubhaft, dass sich der Erstbeschwerdeführer tatsächlich im Iran aufgehalten habe, sondern wertete das BFA diese Angabe als Schutzbehauptung, um den Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers in Afghanistan zu verschleiern. Da der Erstbeschwerdeführer offensichtlich den Iran verlassen habe, was durch die Grenzkontrollstempel feststellbar sei, kein Visum für ein anderes Land in seinem Reisepass auffindbar sei, stellte das BFA fest, dass der Erstbeschwerdeführer nach Afghanistan gereist sei.

Mit gleichlautenden Bescheiden des BFA vom selben Tag wurden auch betreffend die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführerinnen der diesen mit Bescheid des BFA vom 06.06.2016 (hinsichtlich der Sechstbeschwerdeführerin der mit Bescheid des BFA vom 28.01.2018) zuerkannte Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt.

Mit dem Wegfall der Flüchtlingseigenschaft des Erstbeschwerdeführers sei laut BFA in weiterer Folge auch die Grundlage für die Zuerkennung des Asylstatus betreffend die restlichen BeschwerdeführerInnen aufgrund der Familieneigenschaft weggefallen. Eigene Gründe, die zu einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führen könnten, würden nicht vorliegen.

4.       Gegen die oben genannten Bescheide wurde Beschwerde erhoben. Darin zusammengefasst wurde ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer 2012 nach Österreich gelangt sei, weil gegen ihn ein Haftbefehl in Afghanistan aufrecht sei. Im Fall einer Rückkehr drohe dem Erstbeschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung, was mit Entscheidung des BVwG auch festgestellt worden sei. Entgegen der Ansicht des BFA stehe nicht fest, dass der Erstbeschwerdeführer, nach Afghanistan gereist sei nach Asylzuerkennung in Österreich, dagegen spreche insbesondere auch der Umstand, dass gegen den Erstbeschwerdeführer in Afghanistan ein Haftbefehl nach wie vor bestehe. Hinsichtlich der Zweit- bis SechstbeschwerdeführerInnen wurde darauf hingewiesen, dass infolge der Asylaberkennung des Erstbeschwerdeführers keine gesetzliche Grundlage bestehe, aus diesem Grunde auch den im Rahmen des Familienverfahrens zuerkannten Asylstatus der Zweit- bis SechstbeschwerdeführerInnen abzuerkennen. Zudem sei die Zweitbeschwerdeführerin westlich orientiert und würde Viertbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr Zwangsheirat drohen. Eine Aberkennung des Asylstatus sei unzulässig im gegenständlichen Fall.

Am XXXX 2020 kam XXXX , ein weiteres gemeinsames Kind des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich auf die Welt. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab der Erstbeschwerdeführer befragt nach der vorzitierten Tochter an, dass für diese bisher noch kein Asylantrag in Österreich aufgrund der Beschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gestellt worden sei.

5.       Am 29.05.2020 fand eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht statt, in der der Erstbeschwerdeführer in Anwesenheit seines Vertreters insbesondere zu seiner Ausreise aus Österreich nach Asylgewährung, zu seinen Familienangehörigen und zum Herkunftsstaat Afghanistan befragt wurde. Der Erstbeschwerdeführer führte insbesondere aus, seine Eltern seien ebenso wie seine leibliche Schwester verstorben. Er stehe lediglich noch zu einem Onkel mütterlicherseits in Kontakt, der in Afghanistan sei. Er habe jedoch in Summe sehr wenig Kontakt oder Bindungen zu Afghanistan, lediglich noch sehr unregelmäßig zu Schulkameraden und einem Schwippschwager. Österreich sei nun seine Heimat, er lebe seit siebeneinhalb Jahren in Österreich, habe sich gut integriert und fühle sich wie ein Österreicher. Auch sei im XXXX diesen Jahres sei seine jüngste Tochter in Österreich zur Welt gekommen.

Befragt, was er in Afghanistan vermisse, gab er seine Kindheit an, die er in seinem Heimatdorf verbracht habe. Er vermisse seine verstorbenen Eltern, zu Afghanistan habe er jedoch keine Bindung mehr, weil dort Krieg herrsche. Er wäre zudem im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nach wie vor bedroht und würde sich nicht sicher fühlen.

Auf Vorhalt der Feststellungen des BFA zur Ausreise in den Iran und zu den Grenzkontrollstempeln im Konventionsreisepass des Erstbeschwerdeführers, gab der Erstbeschwerdeführer an, es sei für ihn ein Rätsel, weshalb er insgesamt vier Stempel im Reisepass habe. Er mutmaßte, ob auch am Flughafen gestempelt worden sei, als er nach Mashhad und wieder zurück nach Teheran geflogen sei. Er gab wiederholt auf Nachfrage ausdrücklich an, nach Asylgewährung in Österreich nie mehr in Afghanistan gewesen zu sein.

Befragt, ob er eine Reise nach Afghanistan plane, verneinte dies der Erstbeschwerdeführer und verwies darauf, dass er auch niemanden mehr in Afghanistan hätte.

Befragt, ob der Erstbeschwerdeführer Dokumente oder Beweismittel vorlegen könne, die seine Angaben über seinen durchgehenden Aufenthalt im Iran Ende 2018 belegen könnten, führte er aus, dass er nichts habe. Er sei nur bei Freunden und in einem Hotel im Iran gewesen, denn es sei im nicht bewusst gewesen, dass er wegen seiner Reise in den Iran eine Bestätigung darüber benötigen würde.

Befragt, ob dem Erstbeschwerdeführer bewusst sei, dass eine Einreise nach Afghanistan einen Asylaberkennungsgrund darstellen könnte, gab der Erstbeschwerdeführer an, dies sei ihm natürlich bekannt, es stehe schließlich auch in seinem Konventionsreisepasse. Auch seine Frau und seine Kinder seien nach Asylgewährung nicht nach Afghanistan zurückgekehrt und würden dies auch nicht planen. Der Erstbeschwerdeführer gab an, er wolle selbstverständlich in Österreich bleiben, einen anderen Weg gebe es nicht für ihn. Er wolle hier arbeiten, auf eigenen Beinen stehen und sich seine Zukunft in Österreich aufbauen. Er wünsche sich auch eine Zukunft für seine Kinder in Österreich. Es sei auch das Wesentlichste für ihn und seine Ehefrau, dass die Kinder von ihm und seiner Ehefrau in Österreich großwerden könnten. Die Kinder würden sogar der Meinung sein, sie seien Österreicher, sie hätten keine Kenntnis über Afghanistan.

Der ausgewiesene Vertreter gab im Rahmen der Beschwerdeverhandlung insbesondere an, dass es keinerlei Beweis dafür gebe, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich in Afghanistan gewesen sei.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die BeschwerdeführerInnen sind afghanische Staatsangehörige und Zugehörige der paschtunischen Volksgruppe. Sie tragen die im Kopf des Spruches genannten Namen und sind an den ebenfalls dort genannten Daten geboren.

Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind die Kinder der Zweitbeschwerdeführerin, die Fünftbeschwerdeführerin und die Sechstbeschwerdeführerin sind die gemeinsamen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Am XXXX 2020 kam XXXX , ein weiteres gemeinsames Kind des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich auf die Welt.

Der Erstbeschwerdeführer reiste seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Österreich Ende 2018 in den Iran. Das BFA stellte fest, dass aufgrund von weiteren Stempeln im Reisepass des Erstbeschwerdeführers und dessen nicht konstanter Angaben dazu nicht – wie vom Erstbeschwerdeführer angegeben – festgestellt hätte werden können, dass dieser ab XXXX durchgehend im Iran aufhältig gewesen sei, um dort einen Freund zu besuchen und um Urlaub zu machen. Das BFA stellte fest, dass dem Erstbeschwerdeführer der Asylstatus abzuerkennen sei, weil das BFA mutmaßte der Erstbeschwerdeführer sei nach Afghanistan zurückzukehren und habe sich freiwillig dem Schutz des Herkunftsstaates unterstellt, was er jedoch versuche zu verschleiern.

Entgegen der Ansicht des BFA konnte vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer nach Afghanistan gereist ist nach Asylzuerkennung in Österreich und sich freiwillig dem Schutz Afghanistans unterstellt hat.

Der Erstbeschwerdeführer ist nach wie vor in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

Die Zweit- bis SechtsbeschwerdeführerInnenn sind seit der Zuerkennung von internationalem Schutz nicht (mehr) nach Afghanistan gereist bzw. haben sich seither nicht unter den Schutz Afghanistans gestellt.

Die BeschwerdeführerInnen sind strafgerichtlich unbescholten.

2.       Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den BeschwerdeführerInnen basieren auf dem Akteninhalt, insbesondere auf den vorgelegten Unterlagen, betreffend der Ausreise des Erstbeschwerdeführers aus Österreich aus den Angaben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den eingeholten Strafregisterauskünften.

Der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Österreich Ende 2018 in den Iran gereist ist, ergibt sich aus seinen Visum und Stempeln im Reisepass. Das BFA mutmaßte aufgrund der nicht konstanten Angaben des Erstbeschwerdeführers, dass aufgrund von weiteren Stempeln im Reisepass des Erstbeschwerdeführers – wie vom Erstbeschwerdeführer angegeben – festgestellt hätte werden können, dass dieser ab XXXX im Iran aufhältig gewesen sei, um dort einen Freund zu besuchen bzw. Urlaub zu machen. Das BFA mutmaßte, der Erstbeschwerdeführer sei tatsächlich nach Afghanistan zurückgekehrt und er habe sich freiwillig dem Schutz des Herkunftsstaates unterstellt.

Die erkennende Richterin des BVwG verkennt im gegenständlichen Fall nicht, dass die Angaben des Erstbeschwerdeführers zur Ausreise in den Iran nach Asylzuerkennung nicht mit den Ein- und Ausreisestempeln im Reisepass des Erstbeschwerdeführers in Einklang zu bringen sind und Ungereimtheiten feststellbar sind. Im nunmehr angefochtenen Bescheid war vom BFA festgehalten worden, dass der Erstbeschwerdeführer die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit seiner Einreise in den Iran nicht glaubhaft aufklären hätte können, sondern vehement behauptete trotz Vorhalt der Ein- und Ausreisestempel vehement an, den Iran nicht verlassen zu haben und er mutmaßte, es sei falsch in seinem Reisepass gestempelt worden, möglicherweise, um dem Erstbeschwerdeführer Probleme zu bereiten. Es wurde vom BFA auch darauf hingewiesen, dass das Visum des Erstbeschwerdeführers zwei Einreisen in den Iran erlaube. Auch danach gefragt konnte der Erstbeschwerdeführer keine glaubhaft nachvollziehbare Erklärung dafür darlegen. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte der Erstbeschwerdeführer jedoch persönlich glaubhaft wiederholt dar, dass er jedenfalls nicht nach Afghanistan zurückgekehrt sei nach Asylgewährung in Österreich. Überaus glaubhaft und nachvollziehbar legte er dar, dass seine Eltern ebenso wie seine leibliche Schwester verstorben seien, er lediglich noch zu einem Onkle mütterlicherseits in Kontakt stehe, der in Afghanistan sei. Er habe jedoch in Summe sehr wenig Kontakt oder Bindungen zu Afghanistan.

Befragt, ob er eine Reise nach Afghanistan plane, verneinte dies der Erstbeschwerdeführer glaubhaft vehement und verwies darauf, dass er auch niemanden mehr in Afghanistan hätte. Überaus nachvollziehbar und glaubhaft verwies der Erstbeschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung insbesondere darauf, dass Österreich nun seine Heimat sei, er lebe seit siebeneinhalb Jahren in Österreich, habe sich gut integriert und fühle sich wie ein Österreicher. Im XXXX diesen Jahres sei auch seine jüngste Tochter in Österreich zur Welt gekommen.

Auf Vorhalt der Feststellungen des BFA zur Ausreise in den Iran und zu den Grenzkontrollstempeln im Konventionsreisepass des Erstbeschwerdeführers, gab der Erstbeschwerdeführer an, es sei für ihn ein Rätsel, weshalb er insgesamt vier Stempel im Reisepass habe. Er vermute, dass möglicherweise auch am Flughafen gestempelt worden sei, als er nach Mashhad und wieder zurück nach Teheran geflogen sei. Er gab wiederholt auf Nachfrage ausdrücklich an, nach Asylgewährung in Österreich nie mehr in Afghanistan gewesen zu sein.

Es ist darauf hinzuweisen, dass – selbst wenn man feststellen würde, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich nach Afghanistan zurückgekehrt wäre (was jedoch im gegenständlichen Fall nicht festgestellt wird) nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer Unterschutzstellung das Erfordernis des Willens darstellt, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Herkunftsstaat ergibt. Ein derartiger Wille, die Beziehungen zu Afghanistan in derartiger Weise wiederherzustellen, konnte jedoch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung in keiner Weise festgestellt werden.

Befragt, was er in Afghanistan vermisse, gab der Erstbeschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung seine Kindheit an, die er in seinem Heimatdorf verbracht habe. Er vermisse nunmehr seine verstorbenen Eltern, zu Afghanistan habe er jedoch keine Bindung mehr, weil dort Krieg herrsche. Er wäre vor allem im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nach wie vor bedroht und würde sich nicht sicher fühlen. Befragt, ob dem Erstbeschwerdeführer bewusst sei, dass eine Einreise nach Afghanistan einen Asylaberkennungsgrund darstellen könnte, gab der Erstbeschwerdeführer ausdrücklich und überzeugend an, dies sei ihm natürlich bekannt, es stehe schließlich auch in seinem Konventionsreisepass.

Auch seine Frau und seine Kinder seien nach Asylgewährung nicht nach Afghanistan zurückgekehrt und würden dies auch nicht planen. Der Erstbeschwerdeführer gab glaubhaft im Rahmen der Beschwerdeverhandlung an, er wolle selbstverständlich in Österreich bleiben, einen anderen Weg gebe es nicht für ihn. Er wolle hier arbeiten, auf eigenen Beinen stehen und sich seine Zukunft in Österreich aufbauen. Er wünsche sich auch eine Zukunft für seine Kinder in Österreich. Es sei auch das Wesentlichste für ihn und seine Ehefrau, dass die Kinder von ihm und seiner Ehefrau in Österreich großwerden könnten. Die Kinder würden sogar der Meinung sein, sie seien Österreicher, sie hätten keine Kenntnis über Afghanistan.

Aus den im Rahmen der Beschwerdeverhandlung getätigten glaubwürdigen Angaben zu seinen Familienangehörigen in Österreich, der Bedeutung seines Aufenthalts in Österreich für sich und seine Familie und hinsichtlich seinen nicht mehr bestehenden Bindungen zu Afghanistan, wo er nach wie vor Bedrohungen und Verfolgungen befürchtet, kann der Einschätzung des BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer nicht gefolgt werden und ergibt sich für die erkennende Richterin, dass der Erstbeschwerdeführer nicht nach Afghanistan gereist ist nach Asylzuerkennung in Österreich und sich freiwillig erneut dem Schutz Afghanistans unterstellt hat.

Schließlich kann der Feststellung des BFA im angefochtenen Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer nicht gefolgt werden, dass keine Gründe mehr vorliegen würden, die gegen eine Rückkehr nach Afghanistan sprechen würden und dass der Erstbeschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht im Recht auf Leben gefährdet sei, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen sein würde, von der Todesstrafe bedroht wären oder einer asylrelevanten Verfolgung unterliegen würde. Diesbezüglich wurden vom BFA auch keine nachvollziehbaren Ausführungen getätigt, weshalb der Erstbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehrer keiner asylrelevanten Verfolgung in Afghanistan (mehr) ausgesetzt wäre. Diese Feststellungen des BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer wurden vom BFA nicht hinreichend begründet und stützen sich insbesondere lediglich auf Mutmaßungen des BFA. Vielmehr hatte der Erstbeschwerdeführe im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wiederholt angegeben, es wäre ihm nicht möglich nach Afghanistan zurückzukehren, weil er dort nach wie vor verfolgt werde und gegen ihn ein Haftbefehlt aufrecht sei. Es wird vielmehr von der erkennenden Richterin festgestellt, dass sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben hat, warum der Erstbeschwerdeführer derzeit in Afghanistan nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Entgegen der Ansicht des BFA konnte in einer Gesamtbetrachtung insbesondere nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG aufgrund des gewonnenen Eindruckes vom Erstbeschwerdeführers von der erkennenden Richterin des BVwG nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer nach Asylgewährung in Österreich nach Afghanistan gereist ist nach Asylzuerkennung in Österreich und sich freiwillig erneut dem Schutz Afghanistans unterstellt hat und in Afghanistan nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist.

Aus den gleichlautenden Angaben der Zweitbeschwerdeführerin und des Erstbeschwerdeführes ergibt sich, dass die Zweit- bis SechtsbeschwerdeführerInnenn nach der Zuerkennung von internationalem Schutz nicht mehr nach Afghanistan gereist sind und haben sich betreffend die BeschwerdeführerInnen auch keine Anhaltspunkte für andere Asylaberkennungsgründe ergeben.

3.       Rechtliche Beurteilung

3.1.    Zur Stattgebung der Beschwerden (Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann. Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (vgl. VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (vgl. VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

Gemäß § 7 Abs 1 AsylG ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn 1. Ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt; 2. Einer der in Art 1 Abschnitt C der Genfer Konvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder 3. Der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß Art 1 Abschnitt C Ziffer 1 der Genfer Flüchtlingskonvention fällt eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen, wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt.

3.1.2. Umgelegt auf den Fall des Erstbeschwerdeführers bedeutet dies Folgendes:

Die belangte Behörde hat sich hinsichtlich der Aberkennung des Status der Asylberechtigten des Erstbeschwerdeführers auf den Aberkennungsgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG gestützt. Eine Aberkennung aus dem Grund des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG ist im vorliegenden Fall nur in der Konstellation denkbar, dass sich der Erstbeschwerdeführer freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, also Afghanistan, unterstellt hat (Art 1 Abschnitt C Ziffer 1 GFK). Begründet wurde diese Entscheidung von der belangten Behörde jedoch ausschließlich damit, dass der Erstbeschwerdeführer in den Iran gereist sei, der vom Erstbeschwerdeführer behauptete Aufenthalt im Iran jedoch nicht mit seinem im Reisepass aufscheinenden Stempeln im Einklang zu bringen ist, weshalb dem Erstbeschwerdeführer die Rückkehr nach Afghanistan unterstellt wurde und ihm weiters unterstellt wurde, dass er sich unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt hatte sowie dass der Erstbeschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat zu befürchten hätte.

Eine freiwillige Unterschutzstellung des Erstbeschwerdeführers durch den Staat Afghanistan kann aufgrund der getroffenen Feststellungen jedoch nicht angenommen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer Unterschutzstellung das Erfordernis des Willens, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Herkunftsstaat ergibt. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch zustimmend auf die Ausführungen im UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Abs. 125, hingewiesen, wonach beispielsweise der Besuch eines alten oder kranken Elternteiles, was das Verhältnis des Flüchtlings zu seinem früheren Heimatland anbelangt, in der Regel anders zu beurteilen sei, als etwa regelmäßige Ferienaufenthalte oder Besuche mit dem Ziel, Geschäftsverbindungen herzustellen (VwGH 28.01.2005, 2002/01/0354, VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121).

Das UNHCR-Handbuch geht von der widerleglichen Vermutung aus, dass eine erfolgreiche Reisepassbeantragung eine Unterschutzstellungabsicht darstellt. Davon wird ausdrücklich der Fall unterschieden, dass der Flüchtling mit einem anderen Reisedokument in sein Herkunftsland zurückkehrt. Für diesen Fall plädiert das Handbuch dafür, die näheren Umstände des Falles zu beurteilen, wobei der Besuch eines kranken Elternteils anders beurteilt werden sollte als regelmäßige Ferienaufenthalte. Die Motive und die näheren Umstände einer Heimreise spielen daher nur in diesem Fall eine Rolle. Der VwGH schließt sich diesen Ausführungen an. Im Falle der Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses des Heimatstaates obliegt es dem Asylberechtigten, im konkreten Einzelfall Umstände aufzuzeigen, die der rechtlichen Annahme einer bei ihm bestehenden Unterschutzstellungsabsicht entgegenstehen (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0046).

Der Umstand einer Heimreise in den Herkunftsstaat kann ein Indiz dafür sein, dass der Asylberechtigte keinen Schutzbedarf mehr hat und sich vielmehr dem Schutz seines Heimatlandes erneut unterstellt hat. Daher wird der Asylberechtigte im Aberkennungsverfahren die Gründe für sein Verhalten plausibel zu erklären haben (vgl. zum Fall, dass sich ein Asylwerber einen Reisepass seines Heimatlandes hat ausstellen lassen, VwGH 15.5.2003, 2001/01/0499, VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121).

Dass der Erstbeschwerdeführer in den Iran eingereist ist, was auch durch seine Eintragungen im Reisepass des Erstbeschwerdeführers belegt wird, wird weder vom BFA noch von der erkennenden Richterin des BVwG in Zweifel gezogen. Das BFA hatte jedoch aufgrund Unstimmigkeiten bei Vergleich der Angaben des Erstbeschwerdeführers zu den Eintragungen in seinem Reisepass – ohne weitere Beweise – lediglich gemutmaßt, der Erstbeschwerdeführer wäre vermutlich auch wieder nach Afghanistan zurückgereist und hätte sich freiwillig wieder unter den Schutz des Herkunftsstaates Afghanistan gestellt. Das BFA hatte jedoch keinerlei hinreichende Beweismittel, dass der Erstbeschwerdeführer tatsächlich in Afghanistan war, dargelegt, sondern unterstellte dies dem Erstbeschwerdeführer einzig aufgrund seiner nicht überzeugenden Angaben betreffend seinen Aufenthalt im Iran Ende 2018. Schließlich hatte das BFA jedoch keinerlei Beweismittel und konnte dies auch nicht in substantiierter Weise darlegen, weshalb der Erstbeschwerdeführer – wäre er tatsächlich wieder nach Afghanistan zurückgekehrt – sich unter den Schutz des Herkunftsstaates wieder stellen wollte bzw. will. Diesbezüglich haben sich auch keine Anhaltspunkte im Beschwerdeverfahren ergeben. Es ist auch darauf zu verweisen, dass selbst wenn man feststellen würde, dass der Erstbeschwerdeführer nach Afghanistan zurückgekehrt wäre, der Umstand einer Heimreise in den Herkunftsstaat lediglich ein Indiz dafür sein könnte, dass der Asylberechtigte keinen Schutzbedarf mehr hat und sich vielmehr dem Schutz seines Heimatlandes erneut unterstellt hat (vgl. etwa VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121). Im gegenständlichen Fall konnte jedoch – wie auch beweiswürdigend dargelegt - nicht einmal mit Sicherheit festgestellt werden, ob der Erstbeschwerdeführer tatsächlich nach Afghanistan zurückgekehrt war. Insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG legte der Erstbeschwerdeführer zudem glaubhaft und nachvollziehbar dar, dass er keinesfalls nach Afghanistan zurückkehren wolle oder nach Asylzuerkennung in Österreich zurückgekehrt sei, er keine Bindungen zu Afghanistan habe und in Österreich seine ganze Kernfamilie lebe und er sich für sich und seine Familie eine Zukunft aufbauen möchte. Er gab glaubhaft an, er befürchte in Afghanistan nach wie vor Verfolgung, weshalb für ihn eine Rückkehr nach Afghanistan nicht in Frage käme. Im konkreten Einzelfall konnte der Erstbeschwerdeführer durch seine glaubwürdigen Ausführungen hinsichtlich seiner nach wie vor bestehende Angst vor Verfolgung in Afghanistan im Rahmen der Beschwerdeverhandlung in Summe nachvollziehbar darzulegen, dass er sich aus diesem Grunde keinesfalls unter den Schutz Afghanistan stellen will oder dies möglich wäre (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0046).

Fallbezogen sind die für die Erfüllung des von der belangten Behörde herangezogenen Tatbestandes des Art 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention notwendigen Voraussetzungen von der belangten Behörde daher zu Unrecht angenommen worden.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hat der Erstbeschwerdeführer somit kein Verhalten gesetzt, aus dem geschlossen werden könnte, dass sich dieser damit unter den Schutz seines Herkunftsstaates Afghanistan gestellt bzw. eine derartige Unterschutzstellung angestrebt hat.

Da im gesamten Verfahren keine Hinweise auf das Vorliegen sonstiger Gründe, die die Aberkennung des Status des Asylberechtigten rechtfertigen würden, hervorgekommen sind, war Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides betreffend den Erstbeschwerdeführer ersatzlos zu beheben.

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigen hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers erweist sich somit als unrechtmäßig.

Aufgrund dieses Ergebnisses liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides mangels einer gesetzlichen Grundlage dafür nicht mehr vor, weshalb diese ebenso ersatzlos zu beheben waren.

3.1.3 Hinsichtlich der Zweit- bis SechtsbeschwerdeführerInnen ist ausführen, dass die belangte Behörde die Aberkennung des Status der Asylberechtigten damit begründete, dass diese diesen Status ursprünglich aufgrund ihrer Eigenschaft als Familienangehörige hätten und nunmehr dem Ehemann bzw. dem Vater der Status der Asylberechtigten vom BFA mit Bescheid vom 13.02.2020 aberkannt worden sei.

Der Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer wird jedoch mangels Vorliegen der für eine solche Aberkennung erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vom Bundesverwaltungsgericht mit gegenständlichem Erkenntnis vom heutigen Tag ersatzlos behoben.

Durch die ersatzlose Aufhebung des für die Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Aberkennungsbescheides des Ehemanns bzw des Vaters der Zweit- bis SechtsbeschwerdeführerInnen kann auch der Aberkennungsbescheid betreffend die Zweit- bis SechtsbeschwerdeführerInnen, welcher sich allein auf den Wegfall des Asylstatus des Ehemannes bzw. Vaters stützt, keinen Bestand haben.

Es war daher jeweils Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben.

Aufgrund dieses Ergebnisses liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die weiteren Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide mangels einer gesetzlichen Grundlage dafür nicht mehr vor, weshalb diese ebenso ersatzlos zu beheben waren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

3.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

3.2. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W240.2229742.1.00

Im RIS seit

28.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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