Entscheidungsdatum
07.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W174 2126174-1/23E
Im Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Rechtsanwälte RAST & MUSLIU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2016, Zl. 1049149900/140330138, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dem moslemischen Glauben und der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören, aus Nangarhar zu stammen und dort neun Klassen die Schule besucht zu haben. Der Beschwerdeführer sei ledig, in der Heimat lebten noch seine Eltern, vier Brüder und zwei Schwestern.
Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, er habe seine Heimat aufgrund des Krieges und wegen der Taliban verlassen müssen. Er wolle hier eine bessere Zukunft haben, ohne Angst leben und eine Ausbildung machen. Sonst gebe es keine weiteren Fluchtgründe.
3. Am 16.3.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er zunächst im Wesentlichen wie bisher, aus der Provinz Nangarhar zu stammen sowie der Volksgruppe der Paschtunen und dem moslemischen Glauben anzugehören und sich zuletzt in seinem Heimatort aufgehalten zu haben. Dort habe er neun Klassen die Schule besucht und als Bäcker gearbeitet. Zudem kenne er sich gut mit Teppichen aus, spreche Paschtu, verstehe Dari, Urdu, ein wenig Englisch und Türkisch. Auch spreche er ein wenig Deutsch.
Sein Vater habe auf einer Baustelle gearbeitet, ob er derzeit noch beschäftigt sei, könne der Beschwerdeführer nicht angeben. Die Mutter sei Hausfrau. Ein Onkel besitze Grundstücke in Kabul und der Beschwerdeführer glaube, dass seine Familie (die Eltern und Geschwister) jetzt dort lebe. Der letzte telefonische Kontakt zu seinen Eltern sei gestern gewesen. Väterlicherseits habe der Beschwerdeführer zwei und mütterlicherseits einen Onkel, erstere wären vielleicht auch in Kabul wohnhaft.
Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, ein Problem mit den Taliban gehabt zu haben. Bis 12:00 Uhr habe er die Schule besucht und danach die ca. 120 Kühe der Familie auf die Weide geführt. Dann wären die Taliban gekommen, hätten in Abständen von ca. drei Tagen bis einer Woche jeden Tag eine Kuh mitgenommen und dem Beschwerdeführer gedroht, wenn er jemandem, nämlich der Polizei, von dem Diebstahl etwas erzähle, würden sie ihm oder seiner Familie etwas antun. Eines Tages hätte sein Vater die Kühe gezählt, wäre darauf gekommen, dass sich der Bestand verringert hätte und dann den Diebstahl der Polizei gemeldet, die anschließend die Weidegründe kontrolliert habe. Aus Angst sei die Familie des Beschwerdeführers zum Onkel mütterlicherseits in einen anderen Ort in Nangarhar gezogen. Nach ein paar Wochen seien die Eltern wegen der Herde wieder zurückgekehrt, der Beschwerdeführer jedoch bei seinem Onkel geblieben. Durch seinen Vater habe er erfahren, dass die Taliban ihn suchten, weil sein Vater den Diebstahl der Polizei gemeldet habe. Sie hätten unbedingt den Beschwerdeführer gewollt. Nachdem sie den Aufenthaltsort seiner Familie festgestellt und seinen Vater nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten, habe auch der Onkel Anrufe der Taliban erhalten, die sich nach ihm erkundigt hätten. Der Beschwerdeführer glaube, dass sein Vater von ihnen auch geschlagen worden sei und daher die Telefonnummer des Onkels bekannt gegeben habe. Aus Angst, dass ihm auch etwas zustoßen würde, habe sein Onkel mit einem Schlepper gesprochen und sein Vater den Beschwerdeführer bei diesem abgegeben. Seine Familie habe in einem Dorf gelebt, sein Onkel in einer Stadt, wie weit diese von zu Hause entfernt gewesen sei, wisse er nicht. Der Onkel übe jedoch denselben Beruf aus, wie sein Vater. Eine Woche lang sei der Beschwerdeführer bei ihm geblieben.
Da seine Geschwister alle noch sehr klein gewesen sein, sei der Beschwerdeführer allein für die Tiere zuständig gewesen. Im weiteren Verlauf der Einvernahme korrigierte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass es sich nicht um Kühe, sondern um Ziegen gehandelt habe. Diese habe er ungefähr vier Jahre gehütet.
Direkt bedroht worden sei der Beschwerdeführer als die Ziegen gestohlen worden seien und später durch die Telefonate. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würden ihn die Taliban finden, es könne sein, dass sie auch jetzt nach ihm suchten. Zu seiner Rückkehrbefürchtung befragt ergänzte der Beschwerdeführer in weiterer Folge, aufgrund der Aussage seines Vaters bei der Polizei, hätten die Taliban Mitglieder verloren, die von der Polizei getötet worden wären. Es könne sein, dass sich die Taliban an ihm rächen wollten.
Der Beschwerdeführer sei legal mit einem Reisepass vom Kabul nach Teheran geflogen, an die Farbe des Passes könne er sich nicht mehr erinnern, dieser sei ihm im Iran von einem anderen Schlepper weggenommen worden. In der Türkei habe der Beschwerdeführer in einem Dorf in der Nähe von Istanbul auf Kühe aufgepasst und 900 türkische Lira verdient.
in Österreich besuche der Beschwerdeführer einen Deutschkurs, wolle seine schulische Ausbildung beenden und Automechaniker werden. Vorgehalten, er habe innerhalb von zwei Monaten zwei Diebstähle verübt, erwiderte er, sie hätten damals in Traiskirchen zu große Hosen bekommen, er sei dann mit zwei oder drei afghanischen Freunden zum Shoppingcenter gegangen, wo er schöne Sachen gesehen und den Diebstahl begangen habe.
Vorgelegt wurden Deutschkursbestätigungen und ein Sozialbericht der Caritas.
4. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten, Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes nicht glaubhaft seien. Es drohe ihm auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
5. Dagegen wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben.
6. Am 20.2.2017 (rechtskräftig am 23.2.2017) wurde der Beschwerdeführer vom zuständigen Landesgericht gemäß § 107 Abs. 1 StGB, §§ 15, 127 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.
Nachdem er am 3.11.2019 wegen § 83 StGB und am 16.11.2019 wegen §§ 15, 83 StGB angezeigt und bei einer Verkehrskontrolle am 17.12.2019 in einem Pkw mit zwei anderen afghanischen Staatsangehörigen angetroffen worden war, in dessen Kofferraum sich fünf Pakete mit insgesamt ca. 5,5 kg Cannabiskraut befanden, wurde gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss des zuständigen Landesgerichtes wegen § 28a SMG bzw. wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr die Untersuchungshaft verhängt.
7. Am 5.3.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.
Dabei verneinte der Beschwerdeführer eingangs die Frage der erkennenden Richterin, ob er in Österreich jemals von einem Gericht verurteilt worden sei. Vorgehalten, dass er im Februar 2017 rechtskräftig wegen gefährlicher Drohung und versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden sei erwiderte er, er wisse es nicht. Auf weiteren Vorhalt hin, dies sei nicht glaubwürdig, räumte er ein, momentan könne er das so nicht sagen, glaube aber schon, dass es so gewesen sei.
Weiters erklärte der Beschwerdeführer er sei in seinem Dorf in der Provinz Kunar im Distrikt Khwea in Afghanistan geboren, aufgewachsen und habe auch dort gelebt. Seine Muttersprache sei Paschtu, er sei ledig, sunnitischer Moslem und gehöre zur Volksgruppe der Paschtunen. Er spreche außer seiner Muttersprache noch Dari, Urdu, Türkisch und ein bisschen Englisch und Deutsch. Urdu habe er hier im Heim gelernt, wo er mit unterschiedlichen Menschen unterschiedlicher Herkunft konfrontiert sei, Türkisch während seines fünfmonatigen Aufenthaltes in der Türkei, Dari sei die zweite Hauptsprache in Afghanistan. Deutsch habe hier gelernt. Dazu habe er unterschiedliche Kurse besucht und auch viele österreichische Freunde mit denen er kommuniziere.
In einem näher genannten Ort in Nangarhar habe sein Onkel gewohnt, er selbst jedoch nicht. Vorgehalten, vor der Behörde habe er angegeben, mit seiner Familie zum Onkel mütterlicherseits gezogen zu sein, antwortete er, sie seien dort hingegangen, weil sie Probleme gehabt hätten und er habe sich maximal eine Woche oder sechs Tage lang dort aufgehalten. Weiters vorgehalten, vor der Behörde habe er ausgesagt, seine Familie wäre ein paar Wochen lang dort gewesen, erklärte der Beschwerdeführer, er habe diesen Onkel nach fünf bis sechs Tagen verlassen, seine Familie sei noch dortgeblieben, sein Vater habe dann auch Probleme bekommen. Der Beschwerdeführer sei auf jeden Fall auf der Flucht gewesen und wisse nicht, wie lange seine Familie noch beim Onkel geblieben wäre. Dieser habe in einer Ortschaft mitten in der Stadt im eigenen Haus gelebt, er glaube ca. vier oder fünf Autostunden vom Heimatdorf seiner Familie entfernt.
Als der Beschwerdeführer ausgereist sei, wären seine Eltern und Geschwister bei seinem Onkel mütterlicherseits aufhältig gewesen, aktuell seien sie wieder im Heimatdorf. Zwischendurch hätten sie sich auch ein oder zwei Monate bei den Onkeln väterlicherseits in Kabul aufgehalten, seien aber ins Heimatdorf zurückgekehrt, weil sie ihre Tiere nicht einfach hätten zurücklassen wollen. Vorgehalten, der Beschwerdeführer habe vor der Behörde ausgesagt, dass seine Familie einige Wochen beim Onkel mütterlicherseits in Nangarhar gewesen sei, dann ins Heimatdorf zurückgekehrt und später nach Kabul gegangen wäre, antwortete der Beschwerdeführer, er selbst sei fünf bis sechs Tage beim Onkel mütterlicherseits aufhältig gewesen und danach mit dem Flugzeug in den Iran geflogen.
Die Familie habe im Heimatdorf in Zelten gelebt und dort auch Grundbesitz gehabt. Die Felder bzw. Wiesen, die seinem Vater gehört hätten, seien groß gewesen, sie hätten nämlich ca. 120 bis 130 Tiere gehabt, und zwar Ziegen und Schafe. Tagsüber habe der Beschwerdeführer das Vieh gehütet. Anfangs gemeinsam mit seinem Vater, als dieser sicher gewesen sei, dass er sich auskenne, sei der Beschwerdeführer dabei allein gewesen. Sein Vater habe gearbeitet, er selbst auch neun Jahre lang die Schule besucht und seitens der Schule eine Art Ausbildung in einer Bäckerei gemacht und zudem gelernt, Teppiche zu nähen.
Der Beschwerdeführer stehe mit seinen Eltern in Kontakt über Facebook und habe auch ca. einmal pro Woche kurz mit ihnen gesprochen, das letzte Mal vor seiner Untersuchungshaft. Zudem wäre es möglich, seinen Vater telefonisch zu erreichen, zuletzt habe er dies jedoch von der Türkei aus getan. Die Familie lebe jetzt im Heimatdorf, habe die Tiere und sein Vater arbeite auch auf der Baustelle.
Zum Schlepper hätten ihn sein Vater und sein Onkel gemeinsam gebracht. Vorgehalten, zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer laut seinen Angaben bei der belangten Behörde alleine beim Onkel mütterlicherseits befunden und der Vater sei mit der übrigen Familie ins Heimatdorf zurückgekehrt gewesen, erwiderte der Beschwerdeführer, sie (wir) seien beim Onkel mütterlicherseits gewesen, er selbst habe sich in einem Extrazimmer versteckt. Sein Vater wäre zu dieser Zeit zurückgekehrt, um durch den Verkauf einiger Tiere Geld zu organisieren. Zuvor habe er eine Anzeige erstattet. Nach dieser sei auch die Polizei vor Ort gewesen, dort habe es eine Auseinandersetzung zwischen den Taliban und der Polizei gegeben, wobei auch Taliban getötet worden seien. Danach habe sich sein Vater um die Tiere gekümmert, sei dabei von den Taliban aufgehalten worden, die, wie der Beschwerdeführer glaube, sein Handy weggenommen hätten, um ihn zu finden. Jedenfalls hätten sie seinen Onkel mütterlicherseits angerufen und nach ihm gefragt.
Aufgefordert die Situation zu beschreiben, in der ihm die Taliban die Tiere weggenommen hätten, gab der Beschwerdeführer an, er sei mit den Tieren draußen gewesen und es wären sechs bis sieben Personen dort aufgetaucht, von denen zwei zu ihm gekommen seien. Sie hätten ein Tier genommen und ihn aufgefordert, nichts zu sagen. Dies sei etwa vier oder fünf Mal passiert. Als sie (wir) die Tiere gezählt hätten, hätten vier Tiere gefehlt. Sein Vater habe damals auf der Baustelle gearbeitet und die Zählung nach etwa 20 bis 25 Tagen durchgeführt. Diese Personen hätten dem Beschwerdeführer gedroht, seine Familie zu töten, falls er der Polizei, seiner Familie oder jemand anderem davon berichte. Insgesamt habe der Beschwerdeführer diese Tätigkeit ca. drei bis vier Jahre lang ausgeübt.
Nachgefragt, wie der Vater habe feststellen können, dass vier Tiere fehlten, wenn der Beschwerdeführer deren Anzahl nur mit ca. 120 bis 130 habe angeben können, erwiderte er, sein Vater habe die genaue Anzahl gekannt, weil er früher die Tiere selbst gehütet habe. Weiters nachgefragt, wie der Beschwerdeführer sich auch vor dem Vorfall habe sicher sein können, alle Tiere wieder nach Hause gebracht zu haben, wenn die genaue Anzahl nicht bekannt gewesen sei, antwortete dieser, er habe die Tiere gezählt. Die genaue Anzahl habe er inzwischen vergessen.
Nachgefragt, ob die Polizei, die nach der Diebstahlsmeldung seines Vaters die Weidegründe kontrolliert habe, den Beschwerdeführer bzw. dessen Familie beschützt und ihnen geholfen hätte, bejahte der Beschwerdeführer dies ausdrücklich. Sie hätten die Familie verteidigt, wenn sie das nicht getan hätten, hätten sie vielleicht alle Tiere verloren und es wäre vielleicht auch jemand gestorben. Die Familie sei dann wegen der Auseinandersetzung bzw. dem Kampf der dort passiert sei zum Onkel mütterlicherseits gezogen. Sein Vater habe die Anzeige gemacht und anschließend seien sie (wir) von dort weggegangen. Während der Abwesenheit der Familie seien die Tiere bei den Zelten geblieben, rundherum habe es Holzpflöcke gegeben. Die Tiere wären zwar rausgekommen, aber seien nicht weit weg gegangen. Gekümmert hätte sich inzwischen niemand um sie.
Beim Onkel habe sich die ganze Familie aufgehalten, der Beschwerdeführer sei jedoch in einem Extrazimmer gewesen.
Die Taliban hätten seinen Vater auch geschlagen, damit er freikomme, habe er ihnen sicher gesagt, dass der Beschwerdeführer die Anzeige gemacht habe, nicht mehr da sei oder bei dem Kampf auch ums Leben gekommen wäre. Dort sei es auch so, dass die Strafe derjenige bekomme, der für den Tod der Personen verantwortlich sei.
Persönlich bedroht worden sei der Beschwerdeführer von den Taliban, und zwar jedes Mal dann, wenn sie die Tiere weggenommen und ihn aufgefordert hätten, es niemandem zu sagen.
Wie oft die Taliban seinen Onkel angerufen hätten, wisse der Beschwerdeführer nicht, ebenso wenig ob sich die Familie danach wieder an die Polizei gewandt habe.
Im Falle einer Rückkehr sei er sich sicher, dass die Taliban nach wie vor ihn suchten. Sein Vater rede mit ihm immer nur drei bis vier Worte und versuche, nicht länger zu sprechen. Das Problem sei, dass dabei Taliban ums Leben gekommen wären. Der Beschwerdeführer habe auch keine Kenntnis darüber, ob sein Vater oder andere Familienmitglieder seit seiner Ausreise jemals bedroht worden seien. Es wäre schwierig, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, er müsste in Angst leben und immer dem Tod ins Auge blicken. Seine Familie hätte in diesem Fall noch mehr Angst.
In Österreich stehe der Beschwerdeführer derzeit in keiner Ausbildung, könnte aber in einer Bäckerei arbeiten und auch eine Lehre machen, wenn er einem positiven Bescheid hätte. Sein Kurs habe im November 2019 geendet, dann sei er in Untersuchungshaft genommen worden. Er wohne in einer Caritas-Unterkunft und habe sehr viele Freunde, Österreicher, Türken und auch Afghanen.
Der Beschwerdeführer antwortete im Rahmen der Verhandlung häufig auf Deutsch.
Die Parteien verzichteten auf eine Stellungnahme zum übermittelten bzw. ausgehändigten Länderinformationsmaterial gewährt.
8. Am 22.4.2020 wurde der Beschwerdeführer durch das zuständige Landesgericht rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 53 Abs. 3 StGB iVm § 494a Abs. 1 Z 2, Abs. 6 StPO wurde vom Widerruf der mit dem vorangegangenen Urteil eines Landesgerichts gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Pachtu, er spricht auch Dari, Urdu und hat weitere Fremdsprachenkenntnisse (Englisch, Deutsch, Türkisch). Er ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer wurde in seinem Heimatort geboren und wuchs dort mit seinen Eltern und sechs Geschwistern auf. Zur Herkunftsprovinz machte er widersprüchliche Angaben. In der Heimat besuchte er neun Jahre die Schule, absolvierte eine Ausbildung als Bäcker und lernte, Teppiche zu nähen. Ca. vier Jahre lang hütete er neben der Schule die familieneigene Viehherde und erwarb auch während seiner Flucht in der Türkei als Hirte ein Einkommen.
Die Familie (Eltern und Geschwister) lebt im Heimatort, hat dort Grundstücke und Vieh, der Vater arbeitet zudem auf Baustellen. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie in Kontakt. Zudem hat er zwei Onkel väterlicherseits in Kabul und einen Onkel mütterlicherseits in Nangarhar, der dort ein eigenes Haus besitzt.
Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht.
Der Beschwerdeführer wurde weder von den Taliban entführt noch festgehalten oder von diesen bedroht. Der Beschwerdeführer hatte keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.
1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.
Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.
1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 29.12.2014 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom selben Tag in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.
Der Beschwerdeführer antwortete in der Verhandlung häufig auf Deutsch und besuchte diverse Deutschkurse. Zertifikat legte er keines vor.
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.
Er war nicht ehrenamtlich tätig.
Der Beschwerdeführer konnte in Österreich nach eigenen Angaben Freundschaft zu anderen Asylwerben und auch zu Österreichern knüpfen. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 20.2.2017 (rechtskräftig am 23.2.2017) wegen § 107 Abs. 1 StGB, §§ 15, 127 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.
Zudem wurde der Beschwerdeführer am 22.4.2020 durch das zuständige Landesgericht rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 53 Abs. 3 StGB iVm § 494a Abs. 1 Z 2, Abs. 6 StPO wurde vom Widerruf der mit dem vorangegangenen Urteil eines Landesgerichts gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Zu seiner Herkunftsprovinz machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben.
Seine Familie (Eltern und Geschwister) lebt im Heimatort, hat dort Grundstücke und Vieh, der Vater arbeitet zudem auf Baustellen. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie in Kontakt. Zudem hat er zwei Onkel väterlicherseits in Kabul und einen Onkel mütterlicherseits in Nangarhar, der dort ein eigenes Haus besitzt.
Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht.
Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer alternativen Ansiedelung in der Stadt Herat bzw. Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat/Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.
Es ist dem Beschwerdeführer auch möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
Der Beschwerdeführer hat bereits in Wien gelebt, ihm sind städtische Strukturen bekannt.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 13.11.2019, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlage) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.
1.6. Lage der Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
Zur allgemeinen Situation betreffend COVID-19 ist auszuführen, COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.
Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).
Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren fällt, noch eine Person mit Vorerkrankungen ist. Ein bei einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und sonstigen Sprachkenntnissen, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan, seiner Schul- und Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen und dort zur Schule gegangen ist sowie arbeitete.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatlandes minderjährig war. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und die Dichte dieses Vorbringens kann nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist entsprechend diesen höchstgerichtlichen Vorgaben eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung erforderlich (Ra 2018/18/0150).
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung, dies insbesondere im Hinblick auf die Schilderung der Fluchtgeschichte bedarf (etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020). Dies bedeutet allerdings nicht, dass jegliche Angaben eines Minderjährigen als wahr anzusehen sind.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers war insgesamt widersprüchlich, gesteigert, vage und nicht plausibel. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, ein in den wesentlichen Punkten gleichbleibendes und nachvollziehbares Vorbringen zu erstatten.
So ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer bereits zu seiner Herkunftsprovinz widersprüchliche Angaben machte. Hatte er im erstinstanzlichen Verfahren noch mehrfach erklärt, er stamme aus einem Dorf in der Provinz Nangarhar – wobei er niemals einen Distrikt nannte – gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich an, er sei in seinem Dorf in der Provinz Kunar im Distrikt Khwea in Afghanistan geboren, aufgewachsen und habe auch dort gelebt. Auch verneinte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingangs die Frage der erkennenden Richterin, ob er in Österreich jemals von einem Gericht verurteilt worden sei. Vorgehalten, dass er im Februar 2017 rechtskräftig wegen gefährlicher Drohung und versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden sei erwiderte er, er wisse es nicht. Auf weiteren Vorhalt hin, dies sei nicht glaubwürdig, räumte er ein, momentan könne er das so nicht sagen, glaube aber schon, dass es so gewesen sei.
Zu dem fluchtauslösenden Ereignis selbst und den angeblichen Drohungen der Taliban konnte der Beschwerdeführer trotz mehrfachen Nachfragens sowohl von der belangten Behörde als auch seitens der erkennenden Richterin hin nur äußerst vage Angaben machen und antwortete häufig ausweichend.
Vor dem Bundesamt brachte er hierzu lediglich vor, die Taliban wären gekommen, hätten in Abständen von ca. drei Tagen bis einer Woche jeden Tag eine Kuh mitgenommen und dem Beschwerdeführer gedroht, wenn er jemandem, nämlich der Polizei, von dem Diebstahl etwas erzähle, würden sie ihm oder seiner Familie etwas antun. Erst gegen Ende der Einvernahme und zu seiner Rückkehrbefürchtung gefragt, erwähnte der Beschwerdeführer – ebenfalls äußerst vage – aufgrund der Aussage seines Vaters bei der Polizei hätten die Taliban Mitglieder verloren, die von der Polizei getötet worden wären. Es könne sein, dass sich die Taliban deshalb an ihm rächen wollten. Konkreteres sagte er dazu nicht aus, sodass dies nur eine vage Vermutung seinerseits blieb und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht blieb das Vorbringen bezüglich der angeblichen Auseinandersetzung und der getöteten Taliban ebenso oberflächlich.
Auch dort konnte der Beschwerdeführer trotz Aufforderung zu seinem Fluchtgrund keine konkreten Angaben machen. Aufgefordert die Situation zu beschreiben, in der ihm die Taliban die Tiere weggenommen hätten, gab er wieder nur an, er sei mit den Tieren draußen gewesen und es wären sechs bis sieben Personen dort aufgetaucht, von denen zwei zu ihm gekommen seien. Sie hätten ein Tier genommen und ihn aufgefordert, nichts zu sagen. Dies sei etwa vier oder fünf Mal passiert. Als sie (wir) die Tiere gezählt hätten, hätten vier Tiere gefehlt.
Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass sich die Familie des Beschwerdeführers nach dem angeblichen Aufenthalt beim Onkel in Nangarhar und einem weiteren Aufenthalt bei einem anderen Onkel (väterlicherseits) in Kabul – wobei der Vollständigkeit halber angemerkt wird, dass sich auch hier die Angaben des Beschwerdeführers, wann dies genau war, widersprechen – nach wie vor seit ca. fünf Jahren wieder im Heimatort aufhält und dies obwohl der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich erklärte, diese Personen – die Taliban – hätten ihm gedroht, seine Familie (und nicht ihn selbst) zu töten, falls er der Polizei, seiner Familie oder jemand anderem davon berichte, dass sie sich die Tiere genommen hätten. Vor dem Bundesamt hatte er in diesem Zusammenhang ebenfalls angegeben, die Taliban hätten gedroht, wenn er jemandem, nämlich der Polizei, von dem Diebstahl etwas erzähle, würden sie ihm oder seiner Familie etwas antun.
Dennoch erklärte er vor der belangten Behörde, durch seinen Vater habe er erfahren, dass die Taliban ihn suchten, weil sein Vater den Diebstahl der Polizei gemeldet hätte. Sie hätten unbedingt den Beschwerdeführer gewollt. Nachdem sie den Aufenthaltsort seiner Familie festgestellt und seinen Vater nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten, habe auch der Onkel Anrufe der Taliban erhalten, die sich nach ihm erkundigt hätten. Dies widerspricht jedoch nicht nur den Drohungen der Taliban, wonach die Familie (mindestens) ebenso gefährdet wäre, sondern ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Vater die Anzeige erstattete und deshalb eher in deren Focus stehen müsste. Diesen hätten sie jedoch nur – wie der Beschwerdeführer glaube – geschlagen, um den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zu erfahren und ansonsten nicht weiter verfolgt, wobei auch hier nicht plausibel ist, dass der Beschwerdeführer nicht angeben konnte, warum genau der Vater den Aufenthaltsort seines Sohnes verriet, sondern nur Vermutungen äußerte. Sogar vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte der Beschwerdeführer, obwohl er mit seiner Familie in Kontakt gestanden war, dies nicht genau begründen und vermutete nunmehr, sie hätten seinem Vater überdies das Handy weggenommen.
Unterschiedlich geschildert sind auch die Abläufe der einzelnen Vorfälle. Laut den Angaben vor dem Bundesamt habe sein Vater, nachdem er diesen bemerkt hätte, den Diebstahl der Polizei gemeldet, die anschließend die Weidegründe kontrolliert habe. Aus Angst sei die Familie des Beschwerdeführers anschließend zum Onkel mütterlicherseits in einen anderen Ort in Nangarhar gezogen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sagte er hingegen, sein Vater wäre zu dieser Zeit, als sich die Familie bereits beim Onkel aufgehalten habe, zurückgekehrt, um durch den Verkauf einiger Tiere Geld für den Schlepper zu organisieren. Zuvor habe er eine Anzeige erstattet, nach der auch die Polizei vor Ort gewesen wäre, dort habe es eine Auseinandersetzung zwischen den Taliban und der Polizei gegeben, wobei auch Taliban getötet worden seien. Somit wären die Anzeige und die angebliche Auseinandersetzung der Taliban mit der Polizei erst nach der Flucht der Familie zum Onkel gewesen und nicht, wie vor der belangten Behörde angegeben, die Ursache dafür.
Ähnlich widersprüchlich stellen sich die Aussagen des Beschwerdeführers dar, wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, die Weidetiere der Familie seien während deren Abwesenheit von Nachbarn und anderen Personen, die sich um diese gekümmert hätten, versorgt worden und in der mündlichen Verhandlung angab, niemand hätte während der Zeit, in der die Familie sich nicht im Heimatdorf aufgehalten habe, die Tiere gesorgt.
Obwohl der Beschwerdeführer mit seinen Angehörigen kommuniziert, konnte er vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht angeben, wie oft die Taliban seinen Onkel angerufen und nach ihm gefragt hätten oder ob die Familie sich nochmals an die Polizei gewandt habe.
Grob widersprüchlich sind auch die Angaben des Beschwerdeführers zum Aufenthalt beim Onkel in Nangarhar. Hatte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt anfangs noch vorgebracht, nach ein paar Wochen seien die Eltern wegen der Herde wieder zurückgekehrt, der Beschwerdeführer jedoch bei seinem Onkel geblieben, gab er später im Rahmen derselben Einvernahme sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht im Unterschied dazu an, er habe diesen Onkel nach einer Woche bzw. fünf bis sechs Tagen verlassen und betonte in der Verhandlung gleichzeitig, seine Familie sei noch dortgeblieben und zwar auch noch, als er selbst schon auf der Flucht gewesen wäre und bestätigte aber dann wiederum, sie wären alle gemeinsam dort aufhältig gewesen.
Unglaubwürdig ist auch, dass der Beschwerdeführer, der die Tiere drei bis vier Jahre gehütet hat, zwar nicht die genaue Anzahl wusste, aber behauptete, seinem Vater, der sich früher um diese gekümmert habe, wäre aufgefallen, dass von 120 bis 130 Stück vier fehlen.
Festzuhalten ist zudem, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt zunächst mehrmals vorbrachte, er habe Kühe gehütet und sich dann auf Ziegen ausbesserte. Vor dem Bundesverwaltungsgericht waren es dann Ziegen und Schafe.
Auch ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer angeblich legal mit einem Pass von Kabul nach Teheran ausgereist sein will, jedoch vor dem Bundesamt nicht angeben konnte, welche Farbe ein afghanischer Reisepass hat.
Hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass die Polizei die Familie verteidigt und Schlimmeres verhindert habe, was für eine Schutzfähigkeit des Staates spricht.
Das Vorbringen, diese zahlreichen Widersprüche und Unterschiede in den Angaben des Beschwerdeführers seien auf dessen mangelnde Bildung zurückzuführen, vermag nicht zu überzeugen. Der Beschwerdeführer hat nicht nur insgesamt neun Jahre die Schule besucht, und hat schon verschiedene Berufe ausgeübt, sondern war insbesondere in der Lage andere Details, wie zum Beispiel betreffend seine Ausreise aus Afghanistan sowohl die Fluglinie als auch die Abflugzeit zu nennen, nicht aber – trotzdem ihm mehrmals dazu Gelegenheit geboten worden war – diverse Einzelheiten zu den Ereignisse im Zusammenhang mit den von ihn geltend gemachten Fluchtgründen.
Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, glaubhaft zu machen, in der Heimat von den Taliban bedroht zu werden. Dabei übersieht
2.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage und auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung zu den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus den diesbezüglich vorliegenden Protokollvermerken und Urteilsausfertigungen.
2.4. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
2.4.1 Die Feststellungen zum Aufenthaltsort, zu den Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zur finanziellen Situation der Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan ergeben sich aus seinem Vorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie daraus, dass der Beschwerdeführer durchgehend angab, seine Familie besitze eine Viehherde und Grund, der auf jeden Fall groß sei. Zudem arbeite sein Vater.
Die Feststellung zum regelmäßigen Kontakt zu seinen Verwandten basiert auf seinen diesbezüglichen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo er erklärte, er kommuniziere mit ihr regelmäßig, einmal wöchentlich über Facebook. Lediglich während seiner Untersuchungshaft habe er zuletzt keinen Kontakt mehr aufgenommen.
Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.
Die Feststellung zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er bereits in der Heimat ca. vier Jahre lang Vieh hütete, dort das Handwerk des Bäckers und das Anfertigen von Teppichen erlernte, sich auch auf der Flucht in der Türkei Geld als Hirte verdiente, er sich in Österreich an sich zurechtfindet und angab einer Arbeit nachgehen zu können. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.
2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif, ergeben sich – unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan – aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in den Städten Herat bzw. Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Städte Herat bzw. Mazar-e Sharif als relativ sicher gelten und unter der Kontrolle der Regierung stehen. Diese sind auch sicher erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in diesen Städten grundlegend gesichert.
Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in diesen beiden Städten durchaus zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat in der Heimat neun Jahre die Schule besucht und eine Ausbildung als Bäcker und Teppichknüpfer absolviert sowie jahrelang Vieh gehütet. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten auch in Herat bzw. Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.
2.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.
1.6. zur Covid-19 – Pandemie:
Die Feststellungen zur Covid-19 – Pandemie stützen sich auf die in den Feststellungen genannten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
3.2. Zu Spruchpunkt A)
3.2.1. Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.2.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.2.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
3.2.1.3. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nicht von den Taliban bedroht. Da der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall sich nicht ereignet hat, droht dem Beschwerdeführer aus diesem Grund auch keine Gefahr durch die Taliban bei einer Rückkehr nach Afghanistan. Beim Beschwerdeführer liegt demnach keine Verfolgungsgefahr aus diesem Konventionsgrund vor.
3.2.1.4. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, liegt beim Beschwerdeführer keine europäische oder "westliche" Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung führen könnte, vor. Auch EASO bewertet in seinen Leitlinien vom Juni 2019 das Risikopotential von Männern, welche als „verwestlicht“ angesehen werden könnten, im Allgemeinen als minimal (EASO Kapitel Common analysis: Afghanistan, II. 13). Es sind nach den zitierten Länderinformationen keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Opfer von Gewalttaten wurden.
Eine auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu prognostizierende, individuelle und konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa oder im Zusammenhang mit einer "westlichen Wertehaltung" kann nicht abgleitet werden.
3.2.1.5. Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.
3.2.1.6. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
3.2.1.7. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.
3.2.2. Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.2.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
…“
3.2.2.2. Gemäß Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nich