TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 W154 2230073-3

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1

Spruch

W154 2230073-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Nigeria, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.03.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z1 und 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung angeordnet.

2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.04.2020, Zl. G302 2230073-1/3E, wurde die gegen den Schubhaftbescheid vom 20.03.2020 erhobene Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„3.2.3. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über keine Berechtigung zur Einreise in das und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Gegen den BF besteht eine nicht rechtskräftige aber durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht (vgl. auch VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0080). Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später ergibt - umgehend zu beenden (VwGH 20.12.2013, Zl. 2013/21/0014).

Zur tatsächlichen Durchführung der Abschiebung ist auszuführen, dass Abschiebungen nach Nigeria regelmäßig stattfinden. Ein aus den Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie allenfalls resultierendes Abschiebehindernis ist daher

aufgrund der zeitlichen Beschränkung dieser Maßnahmen aus heutiger Sicht noch als vorübergehend anzusehen und wird voraussichtlich in der nächsten Zeit wieder wegfallen. Die Durchführung der Abschiebung stellt sich somit als ausreichend wahrscheinlich im Sinne der oben zitierten Judikatur dar.

Wie die belangte Behörde geht im vorliegenden Fall auch das Bundesverwaltungsgericht von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus. So liegt gegen den BF eine zwar nicht rechtskräftige aber durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor (Anmerkung: Wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht wurde von der belangten Behörde am 20.03.2020 ein Fristsetzungsantrag an den VwGH gestellt). Weiters verfügt der BF über keine soziale Verankerung in Österreich. Insbesondere liegen kein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk und keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung vor. Darüber hinaus stellte der BF bereits in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz, wartete das Verfahren dort jedoch nicht ab, sondern reiste im April 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte in Österreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Im Gesamten gesehen ist daher von erheblichem Sicherungsbedarf auszugehen, da das Verfahren nicht ergeben hat, dass sich der BF an die österreichischen Gesetze halten und sich den Anordnungen österreichischer Behörden unterziehen werde.

Der erste Fall des § 76 Abs. 3 Z 3 FrPolG 2005 (Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme) soll nach der Systematik des Gesetzes "Fluchtgefahr" begründen. Eine bestimmte Verfahrensrechtslage als solche sagt aber für sich betrachtet nichts darüber aus, ob - iSd Art. 3 Z 7 der Rückführungsrichtlinie - anzunehmen ist, "dass sich Drittstaatsangehörige einem Rückkehrverfahren durch Flucht entziehen könnten" (vgl. zu § 76 Abs. 2a Z 1 erster Fall FrPolG 2005 idF vor FrÄG 2015 VwGH 19.05.2015, Ro 2014/21/0065).

Von daher vermag das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FrPolG 2005 grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu. In diesem Sinn weisen auch die ErläutRV zum FrÄG 2015 (582 BlgNR 25 GP 22 f) auf Judikatur des VwGH hin, wonach sich bei typisierender Betrachtung mit Fortschreiten des Verfahrens auf internationalen Schutz aus der Sicht des Fremden die Wahrscheinlichkeit verdichten kann, letztlich abgeschoben zu werden, sodass sich dadurch die Fluchtgefahr erhöht (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, reichen in diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, Zl. 2013/21/0178). Unter Berücksichtigung der Umstände, dass dem BF bewusst ist, dass er endgültig nach Nigeria rücküberstellt werden wird, ist von einem verstärkten Sicherungsbedarf auszugehen.

Es liegt daher auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 3, 6a und 9 FPG Fluchtgefahr vor und ist auch erheblicher Sicherungsbedarf gegeben.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen.

Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hat keine familiären oder sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich geht er nicht nach. Das Asylverfahren des BF wurde von der belangten Behörde negativ beschieden und wurde gegen ihn eine nunmehr durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen, da vom BVwG keine aufschiebende Wirkung gewährt wurde.

Hinzu kommt, dass der BF mehrmals wegen Delikte nach dem SMG verurteilt wurde. Die massive Delinquenz des BF vergrößert das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich (§ 76 Abs. 2a FPG).

Mit der Suchtgiftkriminalität ist im Allgemeinen eine große Wiederholungsgefahr verbunden. Auch ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Gesundheit anderer) - selbst wenn nur eine diesbezügliche Verurteilung vorliegt – besonders hoch zu bewerten (VwGH 27.03.2007, Zl. 2006/21/0033; VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0499).

Die Suchtgiftdelinquenz stellt - auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse (VwGH 25.04.2013, 2013/18/0053 mwN).

Ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters ist in erster Linie daran zu messen, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa VwGH 22.11.2013, 2011/23/0505, mwN).

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Die belangte Behörde kommt ihrer Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich zu halten nach.

Anhaltspunkte dafür, dass die Schubhaft auf Grund des Gesundheitszustandes des BF unverhältnismäßig wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht somit von der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft aus.

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere seine Delinquenz - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

3.2.4. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt A.II.):

Den oben unter Punkt 3.2.3. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge Fluchtgefahr) der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann zum Entscheidungszeitpunkt von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal eine Rückführung nach Nigeria zeitnah standfinden wird und diese Tatsache dem BF auch bewusst ist.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen sind.“

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.07.2020, Zl. W251 2230073-2/5E, wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

4. Am 12.08.2020 erfolgte seitens des BFA die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Im Rahmen der Aktenvorlage erstattete das BFA eine Stellungnahme. Darin führte das BFA wie folgt aus:

„Die Verfahrenspartei (VP) ist Staatsangehöriger Nigerias und reiste im April 2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellte am 19.04.2015 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Niederösterreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die VP am 03.03.2015 in Griechenland und am 02.04.2015 in Ungarn wegen illegaler Einreise erkennungsdienstlich behandelt wurde. Die VP stellte am erstmals in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2015, ZI. 1064810102/150393587, wurde der Antrag der VP vom 19.04.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn gem. Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig sei, des Weiteren wurde mit Spruchpunkt II ihre Außerlandesbringung gem. § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ungarn gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom gem. § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG abgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.07.2015 wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 10.12.2015, E1781/2015, wegen der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien GZ 144 Hv 152/2015a vom 19.10.2015 wurde die VP rechtskräftig wegen Delikte nach §§ 27 (1) 1. Fall, 27 (1) 2. Fall, 27 (2), 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt GZ 011 Hv 20/2016m vom wurde die VP wegen Delikte nach §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (1) Z 1 8. Fall und 27 (3) SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.07.2017 wurde der Antrag der VP auf internationalen Schutz vom 19.04.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der VP gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFAVerfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr.

100/2005 (FPG) idgF, erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der VP gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt MI.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde der VP keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. Nr. 87/2010, (BFA- VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Dagegen erhob die VP durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde.

Diese langte am 07.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die aufschiebende Wirkung wurde nicht zuerkannt.

Am 17.01.2018 wurde ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats ausgestellt durch die Botschaft von Nigeria, eingeleitet.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien GZ 043 Hv 97/2018z vom 29.11.2018 wurde die VP rechtskräftig wegen Delikte nach § 27 (2a) 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.03.2020 ein Fristsetzungsantrag eingebracht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2020, Zl. 1064810102/200297081, wurde über die VP, gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Dagegen erhob die VP durch ihre rechtliche Vertretung fristgerecht Beschwerde.

Diese wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.04.2020 GZ: G302 2230073- 1/3E als unbegründet abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Antrag der VP auf Ersatz der Aufwendungen wurde ebenfalls abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2020 GZ: I409 2166615-1/23E wurde die Beschwerde der VP gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Juli 2017, Zl. IFA 1064810102/150393587 (Antrag auf internationalen Schutz) als unbegründet abgewiesen. Eine Revision wurde gem. Art. 133 Abs 4 B-VG als nicht zulässig erklärt.

Schubhaftbegründung:

Die VP ist nicht gewillt, nach Nigeria auszureisen und besteht die Gefahr, dass sie sich dem Verfahren entzieht, um eine Abschiebung zu verhindern.

Die VP hält sich nachweislich seit April 2015 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt sie über keine Familienangehörige, ist ledig und hat keine Kinder. Sie verfügt in Österreich über kein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk, keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung und keinen gesicherten Wohnsitz.

Die VP verfügt über kein Reisedokument und kann das Bundesgebiet aus eigenem Entschluss nicht verlassen.

Heimreisezertifikaterlangung:

Seitens der nigerianischen Botschaft wurde bereits ein bis 27.07.2020 gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt. Dieses kann, sobald ein Flug ins Heimatland möglich ist, verlängert werden.

Die Abschiebung in das Heimatland der VP ist ehestmöglich geplant. Derzeit verzögert sich ein möglicher Rückflug durch die Reisebeschränkungen wegen der dzt. weltweit herrschenden CoV-19 Situation.

Eine freiwillige Ausreise der VP in sein Heimatland, wird seitens des Bundesamtes für fremdenwesen und Asyl jederzeit unterstützt.

Weitere Anhaltung in Schubhaft:

Die weitere Anhaltung in Schubhaft wird als verhältnismäßig angesehen.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgten seitens der ho. Behörde bereits drei Schubhaftprüfungen gem. § 80 Abs. 6 FPG und ist das BFA der Ansicht, dass die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft nach wie vor aus den im Schubhaftbescheid vom 20.03.2020 angeführten Gründen erforderlich ist, kein gelinderes Mittel anwendbar und bereits ein HRZ für Nigeria ausgestellt wurde.

Aufgrund der Fristerreichung gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG der durchgehend andauernden Schubhaft, wird der hierortige Verfahrensakt der VP zur 2. Prüfung einer möglichen Fortsetzung der Schubhaft i.S.d. § 22a Abs. 4 BFA-VG übermittelt.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidungen.

Die Feststellungen zur Erlangung des aktuellen Heimreisezertifikates ergeben sich aus der ergänzenden Stellungnahme des BFA vom 12.08.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf das Vorerkenntnis zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z.4 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um ein Heimreisezertifikat bemüht hat, auch verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

3.4. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2230073.3.00

Im RIS seit

28.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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