Index
L57505 Camping Mobilheim SalzburgNorm
ABGB §6Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der 1. F GmbH und 2. P GmbH, beide in W und vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. April 2019, Zl. 405-10/680/1/8-2019, betreffend Meldegesetz 1991 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Angefochtenes Erkenntnis
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) in der Sache gemäß § 1 Abs. 3 Meldegesetz 1991 (MeldeG) fest, dass die Revisionswerberinnen an einer näher bezeichneten Adresse einen Beherbergungsbetrieb mit dem Zusatz „Campingplatz/Wohnwagenplatz“ betreiben.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst fest, die Revisionswerberinnen betrieben (als GesbR) an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in der Stadt S einen Reisemobil-Stellplatz.
3 Die Örtlichkeit verfüge über 106 Stellplätze für Reisemobile, zehn Duschen, zehn Toiletten, zwei Urinale, zwölf Handwaschbecken, Haarföngelegenheit, einen Hundeauslauf, einen teilweise besetzten Empfang mit Sitzgelegenheiten und Kaffeeautomat, Sitzgelegenheiten im Freien, mehrere Müllcontainer zur Mülltrennung sowie über die Möglichkeit, gebrauchtes Wasser zu entsorgen und neues Wasser zu beziehen (Ver- und Entsorgungsstation).
4 Die einzelnen Stellplätze seien jeweils mit einem Stromanschluss ausgestattet. Es werde ein näher bezeichneter Tagessatz verrechnet. Der Platz sei videoüberwacht.
5 Aus der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Preisliste und Platzordnung (welche sich auf der Website der Revisionswerberinnen befänden) ergibt sich, dass für die Reisemobil-Stellplätze näher bezeichnete Stellgebühren pro Tag verrechnet würden und die Anmeldung während der Öffnungszeiten der Rezeption unmittelbar bei der Anreise erfolge. Gäste, welche außerhalb der Öffnungszeiten anreisten, sollten sich am Vormittag des Folgetages an der Rezeption anmelden. Der Stellplatz sei am Tag der Abreise bis 12:00 Uhr mittags zu verlassen.
6 Auch eine Reservierung eines Stellplatzes sei - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes - möglich. Der Reisemobil-Stellplatz diene der Übernachtungsmöglichkeit in den Reisemobilen durch die jeweiligen Personen, die ein Reisemobil nutzten.
7 Zuletzt stellt das Verwaltungsgericht fest, die Revisionswerberinnen hätten bis dato kein Gästeverzeichnis nach dem MeldeG geführt.
8 Nach näher dargestellter Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, es erachte die Erlassung eines Feststellungsbescheides als zulässig, sei doch der Versuch der Meldebehörde, die Revisionswerberinnen dazu zu bewegen, ihrer melderechtlichen Verpflichtung gemäß § 10 Abs. 1 MeldeG zur Führung eines Gästeverzeichnis der bei ihnen untergebrachten Gäste nachzukommen, gescheitert. Dies deshalb, weil es divergierende Rechtsauffassungen zwischen den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zur Frage gebe, ob es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Reisemobil-Stellplatz um einen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG handle.
9 Die Klärung der strittigen Rechtsfrage in einem Verwaltungsstrafverfahren wäre für die handelsrechtlichen Geschäftsführer der Revisionswerberinnen und auch für diese selbst im Lichte des § 9 Abs. 7 VStG nicht zumutbar, sodass sich die Erlassung des angefochtenen Feststellungsbescheides als einzige Möglichkeit geboten habe, die zwischen den Parteien des Verfahrens strittige Rechtsfrage einer Klärung zuzuführen.
10 Die Erlassung eines amtswegigen Feststellungsbescheides zur Klärung der zwischen den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht strittigen Rechtsfrage liege sohin im öffentlichen Interesse der Verwaltungsbehörde wie auch im öffentlich-rechtlichen Interesse der Revisionswerberinnen.
11 Sodann führte das Verwaltungsgericht nach Hinweis auf § 1 Abs. 3 und § 10 Abs. 1 MeldeG in der Sache aus, es sei zu untersuchen, ob es sich beim vorliegenden Reisemobil-Stellplatz, der Personen in ihren Reisemobilen die Nutzung untertags und während der Nacht zum Wohnen und zum Schlafen ermögliche, um einen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG handle.
12 Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 20.12.2016, Ro 2014/01/0012) maßgebenden drei Kriterien für das Vorliegen eines Beherbergungsbetriebes nach dem MeldeG lägen im vorliegenden Fall vor. So verlange das MeldeG keine besondere Intensität der Leitung und keine „Rund-um-die-Uhr“-Aufsicht. Dass dem Grunde nach eine Leitung oder eine Aufsicht durch die Revisionswerberinnen bzw. von ihnen beauftragte Personen vorliege, ergebe sich aus näher dargestellten Merkmalen des Stellplatzes. Sodann verweist das Verwaltungsgericht insbesondere auf den als Rezeption bezeichneten Empfang, die über Auftrag der Revisionswerberinnen erfolgende Videoüberwachung des Platzes und die Existenz einer Platzordnung, die auf der Webseite abrufbar sei und offensichtlich den gemeinsamen Aufenthalt der Kunden regeln solle.
13 Dass an dem vorliegenden Reisemobil-Stellplatz Gäste im Sinne von Urlaubern zum Wohnen und Schlafen in den Reisemobilen aufhältig seien, könne im Lichte eines näherbezeichneten, auf der Webseite der Revisionswerberinnen abrufbaren Films, der insbesondere auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt S hinweise und die Beratung durch Empfangsmitarbeiter für Unternehmungen zusichere, sowie mit Blick auf den bei jedem Stellplatz vorhandenen Stromanschluss nicht zweifelhaft sein. Auch nicht zweifelhaft sei, dass es sich bei der Unterkunft nicht um Daueraufenthalte, sondern lediglich um vorübergehende Aufenthalte für eine oder mehrere Nächte handle.
14 Auf dem Boden der Zielbestimmung in § 2 Abs. 1 MeldeG ergebe sich, dass es sich bei dem gegenständlichen Reisemobil-Stellplatz um einen beaufsichtigten Camping- oder Wohnwagenplatz im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG handle, selbst wenn man für diese Auslegung über die Wortinterpretation hinauszugehen habe.
15 Lege man die Bestimmungen (in der von den Revisionswerberinnen geforderten Weise) dahin aus, dass darunter nur „eigentliche“ Campingplätze, „die landläufig auch das Aufstellen eines Zeltes erlauben, oder Plätze, die nur das Aufstellen eines Wohnwagens, also eines nicht selbstfahrenden Fahrzeuges gestatten“ zu verstehen seien, käme dies einem verfassungswidrigen Nichtschließen einer offensichtlichen planwidrigen Lücke gleich, welche Absicht dem Bundesgesetzgeber nicht „zugesonnen“ werden könne.
16 Einer Untersuchung des übrigen Rechtsmittelvorbringens der Revisionswerberinnen, etwa, in welcher Weise die Nutzung von ASFINAG-Parkplätzen etc. melderechtlich zu würdigen sei, habe es nicht bedurft, zumal Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Prüfung der Frage sei, ob dritte Parkplatzbetreiber einen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG betrieben.
Ablehnung durch den VfGH
17 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerberinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2276/2019-5, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
18 Begründend führte der VfGH im Wesentlichen aus, spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Revisionswerberinnen zur Meldung verpflichtete Unterkunftsgeber iSd MeldeG seien, nicht anzustellen.
Vorverfahren
19 Daraufhin erhoben die Revisionswerberinnen die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
20 Die Revisionswerberinnen erachten sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem Recht verletzt, als Betreiber eines Reisemobil-Stellplatzes „in Form eines Parkplatzes“ kein „Meldeverzeichnis im Sinne des § 10 MeldeG“ führen und keine höchstpersönlichen, in § 5 MeldeG festgelegten Daten erheben und jahrelang aufbewahren zu müssen.
21 Zur Zulässigkeit der Revision bringen die Revisionswerberinnen unter anderem vor, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur verfassungskonformen Anwendung des MeldeG auf Reisemobil-Stellplätze.
22 Den unter der Strafsanktion des § 22 MeldeG stehenden Pflichten des Inhabers eines Beherbergungsbetriebes, die Betroffenen auf die Meldepflicht aufmerksam zu machen, könne letzterer nur entsprechen, wenn er wisse, wie viele Personen sich im Fahrzeug aufhielten. Die Anzahl der Personen könnten aber im Gegensatz zu einer Schutzhütte oder einem Hotel nur vollständig erfasst werden, wenn man Fahrzeugkontrollen vornehme. Dafür biete das MeldeG jedoch keine Grundlage. Im Hinblick darauf, dass Kraftfahrzeuge einen raschen Ortswechsel ermöglichten, die Daten daher nur kurzfristig aktuell seien und überdies kein relevantes öffentliches Interesse für die öffentliche Ruhe und Ordnung ersichtlich sei, sei der Begriff des Beherbergungsbetriebes (auch vor dem Hintergrund der Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK) restriktiv auszulegen und nicht im Wege einer Lückenfüllung, wie das Verwaltungsgericht argumentiere, auf Parkplätze auszuweiten.
23 Die Revision ist zulässig.
Feststellung der melderechtlichen Kategorie einer Unterkunftsstätte
24 Zunächst ist das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Rechtssache zu Recht von der Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides ausgegangen.
25 Als subsidiärer Rechtsbehelf scheidet der Feststellungsbescheid dann aus, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist. Auch wenn ein solcher anderer Rechtsweg offen steht, ist jedoch weiter zu prüfen, ob der Partei die Beschreitung dieses Rechtsweges auch zumutbar ist. Als dem Rechtsunterworfenen nicht zumutbar gilt insbesondere, im Falle des Bestehens unterschiedlicher Rechtsauffassungen auf Seiten der Behörde und des Rechtsunterworfenen über die Rechtmäßigkeit einer Handlung oder Unterlassung, die betreffende Handlung zu setzen bzw. zu unterlassen und sodann im Rahmen eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit dieses Verhaltens klären zu lassen (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2016/04/0022; 27.5.2019, Ra 2019/12/0020; 21.11.2018, Ra 2018/09/0180, jeweils mwN).
26 Sollten sich daher in Einzelfällen Zweifel daran ergeben, welcher melderechtlichen Kategorie (Wohnung oder Beherbergungsbetrieb) eine bestimmte Unterkunftsstätte zugehört, so hat die Meldebehörde dies auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid festzustellen (vgl. Grosinger/Szirba, Das österreichische Melderecht, 6. Auflage [2002], Anm. 3 zu § 1 Abs. 3 MeldeG, mit Hinweis auf Rechtsprechung des VfGH).
Rechtslage
27 Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetz 1991 - MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992 idF BGBl. I Nr. 104/2018, lauten:
„Begriffsbestimmungen
§ 1. ...
(3) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.
...
Gästeverzeichnis
§ 10. (1) Der Inhaber eines Beherbergungsbetriebes oder dessen Beauftragter hat ein Verzeichnis über die bei ihm untergebrachten Gäste zu führen (Gästeverzeichnis), aus dem die Daten gemäß § 5 Abs. 1 und 3 sowie das Datum der Ankunft und der Abreise ersichtlich sind. ...
(2) Die Aufzeichnungen gemäß Abs. 1 sind sieben Jahre ab dem Zeitpunkt der Eintragung aufzubewahren. Der Meldebehörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist auf Verlangen jederzeit in diese Aufzeichnungen Einsicht zu gewähren. Bei automationsunterstützter Verarbeitung sind auf deren Verlangen schriftliche Ausfertigungen aus dem Gästeverzeichnis auszuhändigen oder die Daten im Datenfernverkehr zu übermitteln.“
Beherbergungsbetrieb nach § 1 Abs. 3 MeldeG
28 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ro 2014/01/0012, zum Begriff des Beherbergungsbetriebes nach § 1 Abs. 3 MeldeG wie folgt festgehalten:
„Nach den Erläuterungen (RV 418 BlgNR 8. GP, 10) zum MeldeG 1972, dessen § 1 Abs. 3 weitgehend unverändert in das MeldeG 1991 übernommen wurde, sind für den Begriff des Beherbergungsbetriebes drei Kriterien maßgebend: 1. Er muss unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen; 2. es muss sich um die Unterbringung von ‚Gästen‘ (Urlauber, Geschäftsreisende, Kurgäste u. dgl.) handeln; 3. die Unterkunftsstätte muss zum vorübergehenden Aufenthalt bestimmt sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Beherbergung auf Gewinn gerichtet ist, gegen ein kostendeckendes Entgelt, gegen Entrichtung eines Anerkennungsbeitrags oder kostenlos erfolgt. Als Beherbergungsbetriebe kommen nach den Erläuterungen daher nicht nur gewerbliche Beherbergungsbetriebe (Hotels, Pensionen, Gasthöfe u. dgl.) sondern auch der ‚Privatzimmervermietung‘ dienende Unterkunftsstätten und ‚Appartements‘ in Betracht. Darüber hinaus zählt § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 auch beaufsichtigte Camping- und Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten zu den Beherbergungsbetrieben.
...
Soweit der Revisionswerber die Auffassung vertritt, dass er keine ‚Leitung oder Aufsicht‘ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 inne habe, ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz keine besondere Intensität der Leitung verlangt und es keiner Aufsicht ‚rund-um die-Uhr‘ bedarf, um dieses Kriterium zu erfüllen“.
29 Nach dieser Rechtsprechung zählt § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 auch beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze zu den Beherbergungsbetrieben.
Reisemobil-Stellplatz als Camping- oder Wohnwagenplatz
30 In der vorliegenden Rechtssache stellt sich nun die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Reisemobil-Stellplatz als beaufsichtigter Camping- oder Wohnwagenplatz iSd § 1 Abs. 3 MeldeG und somit als Beherbergungsbetrieb nach dieser Bestimmung anzusehen ist.
31 Das Verwaltungsgericht bejaht diese Frage betreffend den in der vorliegenden Rechtssache zu beurteilenden Reisemobil-Stellplatz.
32 Diese Auffassung begründet das Verwaltungsgericht mit teleologischen Argumenten, insbesondere der Zielbestimmung des § 2 Abs. 1 MeldeG und erachtet eine Auslegung über den Wortlaut für erforderlich. Diese Argumentation erachtet das Verwaltungsgericht offenbar als geboten, um der Auslegung der Revisionswerberinnen entgegen zu treten, unter dem Begriff Camping- oder Wohnwagenplatz im Sinne des MeldeG seien nur „eigentliche“ Campingplätze, „die landläufig auch das Aufstellen eines Zeltes erlauben, oder Plätze, die nur das Aufstellen eines Wohnwagens, also eines nicht selbstfahrenden Fahrzeuges gestatten“ zu verstehen.
33 Gegen diese Argumentation wendet sich die Revision mit näheren in den Revisionsgründen dargelegten Argumenten. Die Revision übersieht jedoch, dass eine Auslegung über den Wortlaut des § 1 Abs. 3 MeldeG hinaus nicht geboten ist.
34 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im öffentlichen Recht bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlauts in seinem Zusammenhang. Daher ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen. Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG bewirkt einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm (vgl. zu allem VwGH 22.3.2019, Ra 2018/04/0089, mwN, auch zum Vorrang der Wortinterpretation).
35 Danach muss die Bedeutung des Begriffs „Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze“ in § 1 Abs. 3 letzter Satz MeldeG nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers des MeldeG ermittelt werden.
36 Im Erkenntnis vom 7. Dezember 2011, 2011/06/0159, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer Rechtssache, die einen Abstellplatz für Wohnmobile als Teil eines Parkplatzes betraf, zum Kärntner Campingplatzgesetz 1970 idF LGBl. Nr. 143, festgehalten, dass in der dort maßgeblichen Fassung der Begriff „Campingplatz“ nicht definiert ist, sondern offensichtlich als allgemein bekannt vorausgesetzt wird, sodass die Definitionen dieses Begriffes in der Novelle LGBl. Nr. 77/2011 (zu diesem Gesetz) sowie in den anderen, in der Regierungsvorlage bezogenen Landesgesetzen insofern hilfreich sind, als daraus allgemein gültige Kriterien für die Auslegung des Begriffes „Campingplatz“ abgeleitet werden können.
37 Auch für den Begriff „Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze“ in § 1 Abs. 3 letzter Satz MeldeG fehlt eine Definition im Gesetz. Auch dieser Begriff wurde daher vom Bundesgesetzgeber offensichtlich als allgemein bekannt vorausgesetzt. Da bei diesem Begriff eine Anknüpfung an den allgemeinen Sprachgebrauch mangels ausreichender Bestimmtheit nicht anzunehmen ist (vgl. zu den objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses vor dem Hintergrund des Art. 18 B-VG nochmals VwGH 22.3.2019, Ra 2018/04/0089, mwN), ist davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber an die jeweilige Bedeutung des Begriffes nach den entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen anknüpfen wollte (vgl. zur Zulässigkeit einer tatbestandlichen Anknüpfung VwGH 24.4.2007, 2006/05/0005, mit Verweis auf Rechtsprechung des VfGH).
38 Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ro 2014/01/0012, ausgeführt hat, hat der Bundesgesetzgeber, wie die Erläuterungen zu § 1 Abs. 3 MeldeG zeigen, zunächst beim Beherbergungsbetrieb an gewerbliche - somit in einem anderen Bundesgesetz geregelte - Beherbergungsbetriebe gedacht. Wie die im Wortlaut des § 1 Abs. 3 letzter Satz MeldeG ausdrücklich vorgenommene Anknüpfung an die (landesgesetzlich geregelte) „Privatzimmervermietung“ zeigt, hatte der Bundesgesetzgeber aber auch weitere - in Landesgesetzen geregelte - Formen des Beherbergungsbetriebs vor Augen.
39 In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Begriff des Beherbergungsbetriebs nach § 1 Abs. 3 MeldeG fallbezogen auf das Vorliegen eines gewerblichen Beherbergungsbetriebs (nach § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994) abgestellt, und weiter festgehalten, dass dieser Begriff nicht nur gewerbliche Beherbergungsbetriebe erfasst, sondern etwa auch die (in die Zuständigkeit der Länder fallende) „Privatzimmervermietung“ (vgl. VwGH 20.12.2016, Ro 2014/01/0012; vgl. zur Zuständigkeit der Länder für die Privatzimmervermietung VfSlg. 7074/1973).
40 Nichts anderes gilt für den Begriff „beaufsichtigter Camping- oder Wohnwagenplatz“ in § 1 Abs. 3 MeldeG, der vom Landesgesetzgeber geregelt werden darf (vgl. zur Zuständigkeit der Länder für Regelungen betreffend die Errichtung und Benützung von Campingplätzen VfSlg. 5024/1965).
41 Zusammenfassend ist der Begriff „beaufsichtigter Camping- oder Wohnwagenplatz“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG dahin auszulegen, dass er zunächst die in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten drei Kriterien für den Begriff des Beherbergungsbetriebes nach § 1 Abs. 3 MeldeG erfüllen muss (1. Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten; 2. Unterbringung von ‚Gästen‘; 3. Bestimmung zum vorübergehenden Aufenthalt). Darüber hinaus ist zur näheren Abgrenzung auf die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen betreffend Campingplätze zurückzugreifen.
42 Ausgehend von dieser Auslegung besteht der Vorwurf der Revision, das Verwaltungsgericht habe gegen die „ständige Judikatur, dass bei der Auslegung von Verwaltungsgesetzen ein Vorrang der Wortinterpretation“ bestehe, verstoßen, nicht zu Recht.
Einzelfallbezogene Anwendung
43 Dass der fallbezogen zu beurteilende Reisemobil-Stellplatz der Revisionswerberinnen grundsätzlich die drei Kriterien für das Vorliegen eines Beherbergungsbetriebes erfüllt, hat das Verwaltungsgericht in vertretbarer Weise festgehalten.
44 Das in der Revision gegen die dahingehende Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes gerichtete Vorbringen (die Verrechnung von Tagestarifen hätte keinen Einfluss darauf, ob in den geparkten Wohnmobilen genächtigt werde; aus den Feststellungen zur Rezeption des Mobilwagen-Stellplatzes könne „logisch“ zwingend keine Aufsicht abgeleitet werden; die Videoüberwachung diene lediglich dem Schutz der Einrichtungen der Revisionswerberinnen; es liege keine Leitung des Stellplatzes vor) zeigt keine unvertretbare, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes auf.
45 Insbesondere ist zu diesem Vorbringen auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der das MeldeG keine besondere Intensität der Leitung verlangt und es keiner Aufsicht „rund-um-die-Uhr“ bedarf, um das Kriterium der „Leitung oder Aufsicht“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG zu erfüllen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ro 2014/01/0012).
46 Darüber hinaus ist im Hinblick auf den vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Zusatz „Campingplatz/Wohnwagenplatz“ weiter zu prüfen, ob es sich um einen „beaufsichtigten Camping- oder Wohnwagenplatz“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG handelt.
47 Dafür ist nach den oben dargelegten Leitlinien einzelfallbezogen auf die maßgeblichen Bestimmungen des - zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes maßgeblichen - Salzburger Campingplatzgesetzes (S.CampG), LGBl. Nr. 44/2013, zurückzugreifen. Diese lauten wie folgt:
„Anwendungsbereich
§ 1
(1) Dieses Gesetz regelt die Errichtung und den Betrieb von Campingplätzen sowie das Campieren außerhalb von Campingplätzen unbeschadet der Anwendung sonstiger bundes- und landesrechtlicher Vorschriften.
(2) Von diesem Gesetz werden nicht erfasst:
1. das von Schulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und anerkannten Trägern der freien Jugendwohlfahrt organisierte Campieren;
2. das Biwakieren im hochalpinen Gelände;
3. das einsatz- oder übungsbedingte Campieren von Bundesheer, Feuerwehr und anerkannten Rettungsorganisationen sowie anderen Katastrophenhilfsdiensten.
Begriffsbestimmungen
§ 2
Im Sinn dieses Gesetzes gilt als:
1. Campieren: das Aufstellen von Zelten, Wohnwagen und Wohnmobilen zum Zweck des Aufenthaltes und des Übernachtens;
2. Campingplatz: ein Grundstück oder Grundstücksteil oder mehrere Grundstücke, das bzw die im Rahmen des Tourismus für Zwecke des Aufstellens von Zelten, Wohnwagen oder Wohnmobilen einschließlich des damit verbundenen Abstellens von Kraftfahrzeugen für wenigstens zehn Gäste länger als eine Woche entgeltlich oder unentgeltlich und unabhängig von einem öffentlichen Zutritt bereitgestellt wird bzw werden;
...
4. Stellplatz: die für die Aufstellung eines Zeltes, eines Wohnwagens oder eines Wohnmobiles bestimmte Fläche;
...
Anforderungen
§ 5
...
(2) Campingplätze haben aufzuweisen:
1. eine geeignete Verkehrsverbindung zu den öffentlichen Verkehrsflächen;
2. eine geeignete Abgrenzung zu den Nachbargrundstücken;
3. zweckentsprechende sanitäre Einrichtungen (Wasch-, Dusch- und Toilettanlagen) und Abwasseranlagen;
4. für jeden Stellplatz mindestens einen Kraftfahrzeug-Abstellplatz auf dem Campingplatz.
...“
48 Die Definitionen dieses Landesgesetzes betreffend den Campingplatz (§ 2 Z 2 S.CampG), das Campieren (§ 2 Z 1 S.CampG) und den Stellplatz (§ 2 Z 4 S.CampG) zeigen gemeinsam, dass - entgegen der Ansicht der Revisionswerberinnen und auch des Verwaltungsgerichts - neben dem Aufstellen von Zelten und Wohnwägen auch das Aufstellen von Wohnmobilen als „Campieren“ bzw. als Zweck eines Campingplatzes anzusehen sind.
49 Aus diesem Grund verhilft auch das umfangreiche Vorbringen der Revisionswerberinnen zum „bauartbedingten Unterschied“ von Wohnmobilen und Wohnwägen, zum „völlig neuen Reiseverhalten“ bei der Benutzung von Wohnmobilen im Gegensatz zum „ursprünglichen Camping mit Zelten und Wohnwägen“ sowie zum Interesse von Reisemobilnutzern der Revision nicht zum Erfolg.
50 Auch für das S.CampG gilt, dass ein Campingplatz eine touristische Einrichtung ist, in der, wie in touristischen Beherbergungsbetrieben überhaupt, ein Gast typischerweise eine gewisse Zeit, jedenfalls länger als 24 Stunden verweilen darf. Dazu sind auch von Gesetzes wegen bestimmte Infrastruktureinrichtungen vorgeschrieben (vgl. zu dieser Sichtweise betreffend das Kärntner Campingplatzgesetz 1970 idF LGBl. Nr. 143, bereits VwGH 7.12.2011, 2011/06/0159).
51 Fallbezogen bestehen nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte, dass der Reisemobil-Stellplatz der Revisionswerberinnen die Anforderungen des § 5 Abs. 2 Z 1 bis 4 S.CampG an die Infrastruktureinrichtungen eines Campingplatzes nicht erfüllt. Insbesondere liegen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts vom S.CampG geforderte zweckentsprechende sanitäre Einrichtungen (Wasch-, Dusch- und Toilettenanlagen) und Abwasseranlagen (§ 5 Abs. 2 Z 3 S.CampG) vor.
52 Insoweit die Revision sich gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes wendet, kann sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses dartun. Insbesondere sind die durch die Revision gerügten Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Frage der Stromanschlüsse im Hinblick auf die oben angeführte Auslegung und die ansonsten getroffenen Feststellungen nicht relevant. Ebensowenig relevant ist die von der Revision vorgebrachte Frage, ob - wie von der Revision aufgeworfen - Reisemobile Stromanschlüsse auch brauchten, um die Batterien der Fahrzeuge aufzuladen, für die Kühlleistung der eingebauten Kühlschränke etc.
53 Dem Vorbringen der Revision, die Anzahl der Personen könnte nicht vollständig erfasst werden, außer durch Vornahme von Fahrzeugkontrollen, ist zu entgegnen, dass ausschließlich der Meldepflichtige durch seine Unterschrift die Richtigkeit der Angaben im Gästeblatt zu bestätigen hat. § 7 Abs. 5 MeldeG entbindet den Meldepflichtigen nicht von der in § 10 Abs. 5 MeldeG normierten Verpflichtung, mit seiner Unterschrift am Gästeblatt die Richtigkeit der Meldedaten zu bestätigen, auch wenn dem Inhaber des Beherbergungsbetriebes die Möglichkeit eingeräumt wird, die Eintragungen in die Gästeblätter selbst vorzunehmen (vgl. nochmals VwGH 20.12.2016, Ro 2014/01/0012).
54 Aus welchen Gründen vor dem Hintergrund der zum Bestehen einer Rezeption getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes eine derartige Handhabung der Meldepflicht verfassungskonform unmöglich sein sollte, ist nicht zu sehen. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass der VfGH die Ablehnung der Beschwerde der Revisionswerberinnen damit begründet hat, dass spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Revisionswerberinnen zur Meldung verpflichtete Unterkunftgeber im Sinne des MeldeG seien, nicht anzustellen sind (vgl. VfGH 26.6.2019, E 2276/2019-5).
55 Die Revision bringt weiter vor, es könne für den Reisemobil-Stellpatz der Revisionswerberinnen „nichts anderes gelten“ als für andere private und gemeindeeigene allgemeine Parkplätze, Bus-Parkplätze, Park&Ride-Anlagen sowie Autohöfe einschließlich der öffentlich nutzbaren Parkplätze der Stadt S sowie Parkplätze der ASFINAG. Zu diesem Vorbringen hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass Gegenstand der vorliegenden Feststellung nicht die Frage war, ob dritte Parkplatzbetreiber einen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG betrieben.
56 Im Ergebnis durfte das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Rechtssache zu Recht davon ausgehen, dass es sich beim vorliegenden Reisemobil-Stellplatz der Revisionswerberinnen um einen beaufsichtigten Camping- oder Wohnwagenplatz im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG handelt.
Ergebnis
57 Der Inhalt der vorliegenden Revision lässt somit erkennen, dass die von den Revisionswerberinnen behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
58 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, weshalb weder Art. 6 MRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen (vgl. dazu VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, mwN).
Wien, am 30. September 2019
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010312.L01Im RIS seit
28.10.2020Zuletzt aktualisiert am
02.11.2020