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E6JNorm
AsylG 2005 §54Rechtssatz
Nach den Vorgaben des EuGH im Urteil Tjebbes ist u.a. zu prüfen ist, ob fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Rücknahme der österreichischen Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist. Dies bedeutet, dass das Unionsrecht dem ex lege eintretenden Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 27 Abs. 1 StbG nur bei Vorliegen besonders gewichtiger bzw. außergewöhnlicher Umstände (des Privat- und Familienlebens des Betroffenen) entgegen steht. Eine (derartige) unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG und daher vom VwGH im Revisionsmodell nur aufzugreifen, wenn das VwG die vom VwGH aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten hat oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat bzw. die Entscheidung auf einer verfahrensrechtlich nicht einwandfreien Grundlage erfolgte (vgl. zu allem VwGH 10.7.2020, Ra 2020/01/0203, mwN). Nach der Rechtsprechung des VwGH (Hinweis 29.4.2020, Ra 2020/01/0043, Rn. 16; 18.2.2020, Ra 2020/01/0022, Rn. 29, mwN; 8.6.2020, Ra 2020/01/0134, Rn. 14, mwN) ist die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels ein relevanter Umstand, welcher in der unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchzuführenden Interessenabwägung mitzuberücksichtigen ist. Das vom VwG in den Raum gestellte Wahrscheinlichkeitskalkül ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Dies führt aber vorliegend nicht zu einer krassen Fehlbeurteilung, weil das VwG nach Berücksichtigung des im vorliegenden Einzelfall gegebenen Privatlebens der vom Verlust der Staatsbürgerschaft betroffenen Revisionswerberin neben anderen Rechtsvorschriften auf die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 54 ff AsylG 2005 hingewiesen hat. Gegen diese Annahme bringt die Revision nichts vor, insbesondere bringt sie nicht vor, aus welchen Gründen es der Revisionswerberin unzumutbar wäre, einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu beantragen.
Gerichtsentscheidung
EuGH 62017CJ0221 Tjebbes VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020010014.J04Im RIS seit
25.01.2021Zuletzt aktualisiert am
25.01.2021