Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §62 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der 1. O E, des 2. H L, der 3. E L und des 4. J D, alle vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Berichtigungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 2020, Zl. W176 2224393-1/5Z, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der Revision wird hinsichtlich der erstrevisionswerbenden Partei Folge gegeben und der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird hinsichtlich der zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 5. September 2019 sprach die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien aus, dass „die abwesende Person [Erstrevisionswerberin] u.a.“ hinsichtlich der für die Bestätigung der Rechnungen des für die Revisionswerber bestellten Abwesenheitskurators für die Jahre 2013 bis 2017 anfallenden Entscheidungsgebühren gemäß TP 7 lit. c Z 2 GGG bzw. TP 7 Z I lit. c Z 2 GGG einschließlich einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv insgesamt 536 € „zahlungspflichtig sind“.
2 Mit Erkenntnis vom 4. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid vom 5. September 2019 erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei. Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses war als beschwerdeführende Partei jedoch nicht die Erstrevisionswerberin, sondern eine am Verfahren nicht beteiligte Person namentlich genannt. Die zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien sind namentlich genannt; weiters ist angeführt, dass alle durch den Abwesenheitskurator vertreten sind.
3 Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2019 erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
4 Mit Beschluss vom 11. Dezember 2019 wies dieser die Beschwerde hinsichtlich der Erstrevisionswerberin mangels Legitimation zurück. Hinsichtlich der übrigen Revisionswerber lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 In weiterer Folge erhoben die Revisionswerber gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2019 die (zu Ra 2020/16/0025 bis 0028 protokollierte) Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Februar 2020 berichtigte das Bundesverwaltungsgericht sein Erkenntnis vom 4. November 2019 „gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG von Amts wegen dahingehend [...], dass in der Aufzählung der beschwerdeführenden Parteien im Spruch des Erkenntnisses der Name [D. R.] durch den Namen [O. E.] ersetzt wird.“ Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
7 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, aufgrund eines Versehens bei der Abfassung des Erkenntnisses nach dem Muster eines anderen Erkenntnisses sei der Name des dortigen Beschwerdeführers nicht durch jenen der Erstrevisionswerberin ersetzt worden. Da es sich um eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit handle, seien die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG gegeben.
8 Die gegen diesen Berichtigungsbeschluss erhobene Revision legte das Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof vor.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens gemäß § 36 VwGG (die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung) in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht hätte mangels Vorliegens eines berichtigungsfähigen Fehlers das Erkenntnis vom 4. November 2019 nicht nach § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG berichtigen dürfen.
13 Die Revision ist hinsichtlich der Erstrevisionswerberin zulässig und begründet.
14 Aus § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG folgt, dass das Verwaltungsgericht ua. die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern oder anderen offenbar auf einem Versehen beruhenden Unrichtigkeiten in Erkenntnissen oder Beschlüssen jederzeit von Amts wegen vornehmen kann (vgl. etwa VwGH 2.8.2019, Ra 2019/09/0056). Eine derartige Berichtigung bewirkt, dass das berichtigte Erkenntnis oder der berichtigte Beschluss rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Erlassung geändert wird. Eine Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG ist auch nach Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig (vgl. VwGH 15.7.2019, Ra 2019/09/0038).
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist jedoch zwischen einer zulässigen Berichtigung der Parteienbezeichnung und einem unzulässigen Auswechseln der Partei zu unterscheiden. Danach ist etwa eine unrichtige Schreibweise oder eine unvollständige Parteienbezeichnung berichtigungsfähig, wenn an der Identität der Partei keine Zweifel bestehen können. Wird aber eine Parteienbezeichnung dergestalt geändert, dass eine tatsächlich existierende Person gegen eine andere Person ausgetauscht wird, ist darin ein unzulässiges Auswechseln der Partei zu erblicken (vgl. VwGH 9.8.2017, Ra 2017/09/0028; 22.3.2007, 2006/09/0104).
16 Ein solches unzulässiges Auswechseln der Partei liegt im revisionsgegenständlichen Fall vor, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den angefochtenen Berichtigungsbeschluss doch im Spruch des Erkenntnisses vom 4. November 2019 den Namen der Erstrevisionswerberin an die Stelle der zunächst als Erstbeschwerdeführer genannten Partei gesetzt.
17 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
18 Die Kostenentscheidung zu I. erfolgt im begehrten Umfang und beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
19 Die zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien können durch den angefochtenen Berichtigungsbeschluss nicht in ihren Rechten verletzt sein. Für ihre Rechtsstellung macht es - entgegen dem Revisionsvorbringen - nämlich keinen Unterschied, ob der angefochtene Berichtigungsbeschluss aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Somit fehlt ihnen die Beschwer (vgl. etwa VwGH 22.10.2018, Ra 2018/16/0102, mwN; Twardosz, Handbuch VwGH-Verfahren4, 50).
20 Die Revision war daher hinsichtlich der zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160056.L00Im RIS seit
15.12.2020Zuletzt aktualisiert am
15.12.2020