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E6JNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M A in W, vertreten durch Lansky, Ganzger & partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2019, Zl. W134 2192532-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 2. Oktober 2015 vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob die angefochtene Entscheidung mit Erkenntnis vom 8. Juni 2020, E 4318/2019-11, soweit sie die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise betraf, wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf. Im Übrigen - sohin hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits zu den Ermittlungspflichten des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der behaupteten Konfessionslosigkeit des Revisionswerbers und andererseits von der Asylrelevanz einer als wahr unterstellten Konfessionslosigkeit des Revisionswerbers ab. Überdies fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob es sich bei einer Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) („persecution“; in Abgrenzung zu einer legitimen Strafverfolgung „prosecution“) darauf ankomme, ob die Strafe auch tatsächlich verhängt werde. Weiters mangle es an einer nachvollziehbaren Begründung des angefochtenen Erkenntnisses und sei die Beweiswürdigung unvertretbar.
7 Voraussetzung für die Annahme einer Verfolgung wegen Apostasie ist, dass der Revisionswerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch in seinem Heimatstaat leben wird (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, Rn. 15, mit Verweis auf EuGH 4.10.2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17, Rn. 88). Dass der Revisionswerber in diesem Sinn vom islamischen Glauben abgefallen sei, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt.
8 Die Revision bringt hierzu vor, das Verwaltungsgericht hätte zur behaupteten Konfessionslosigkeit des Revisionswerbers weitere Ermittlungen durch nähere Befragung des Revisionswerbers und seiner als Zeugin einvernommenen „Lernpatin“ sowie durch Einvernahme einer im Verhandlungssaal anwesenden Vertrauensperson des Revisionswerbers als Zeugin (deren Zeugenvernehmung vorliegend nicht beantragt wurde) tätigen müssen.
9 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. zuletzt etwa VwGH 5.8.2020, Ra 2020/14/0199, Rn. 23, mwN). Dass die behauptetermaßen unzureichende Befragung des Revisionswerbers bzw. der einvernommenen Zeugin im Zuge der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des anwaltlich vertretenen Revisionswerbers sowie die monierte unterbliebene Zeugenvernehmung nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, vermochte die Revision nicht darzulegen.
10 Ebenso wenig zeigt die Revision mit der pauschalen Behauptung einer unzureichenden Beweiswürdigung im Rahmen ihres Zulässigkeitsvorbringens eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für vieleVwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN).
11 Da sich das Verwaltungsgericht tragend auf die mangelnde Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal des Revisionswerbers stützte, ist auf das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es die rechtliche Beurteilung der vom Verwaltungsgericht als Hilfsbegründung herangezogenen Wahrunterstellung einer solchen Konfessionslosigkeit betrifft, mangels rechtlicher Relevanz nicht näher einzugehen.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010306.L00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020