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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Rechtssache der Revision der K K in W, vertreten durch Mag. Alexander Tupy, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 18/Top 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2020, W272 2208789-2/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die im Jahr 1989 geborene Revisionswerberin, eine russische Staatsangehörige, reiste mit einem von Italien ausgestellten Visum B in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 3. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Sie gab bei der Erstbefragung an, sie habe ihren in Österreich lebenden Bruder besuchen wollen. Die Ausstellung des Visums habe sie bei der italienischen Botschaft in Moskau beantragt, weil sie vorgehabt hätten, nach Italien auf Urlaub zu fahren. Jetzt wolle sie in Österreich leben. Es sei schwer in Tschetschenien zu leben, weil es dort keine Sicherheit gebe. Im Rahmen der Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab die Revisionswerberin weiters an, ihre Mutter, die ebenso wie auch ihre Nichte (die Tochter eines im Heimatland lebenden Bruders der Revisionswerberin) eingereist war und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, sei, seit sie einen Herzinfarkt gehabt habe, auf die Hilfe der Revisionswerberin angewiesen. Diese verwechsle immer die Medikamente. Die Revisionswerberin führe auch die Blutdruck- und Blutzuckermessungen bei ihrer Mutter durch.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Februar 2017 wegen der Zuständigkeit Italiens zur Behandlung des Antrages auf internationalen Schutz zurück und sprach die Anordnung zur Außerlandesbringung aus.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) statt und hob den Bescheid vom 27. Februar 2017 auf.
4 Infolge Versäumung der in der Dublin III-Verordnung vorgesehenen Fristen wurde sodann Österreich für die Behandlung des von der Revisionswerberin gestellten Antrages zuständig.
5 Im Rahmen einer weiteren Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Revisionswerberin den Antrag auf internationalen Schutz damit, dass in ihrem Heimatland für Frauen Verbote existierten. Das Leben sei dort für Frauen kompliziert. Diese könnten sich nicht verwirklichen. Man könne dort nur leben, wenn man sich an die Anweisungen halte. Es sei für die Revisionswerberin aber schwer, nach den Anweisungen anderer zu leben.
6 Mit Bescheid vom 18. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den von der Revisionswerberin gestellten Antrag ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
7 Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 beantragte die Revisionswerberin (sowie ihre Mutter und ihre Nichte) unter Hinweis darauf, dass bei ihrer Mutter im Juli 2018 ein „Rezidiv des bereits bekannten Vorhofflimmerns“ festgestellt worden sei, die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 18. Mai 2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 26. September 2018 gemäß § 69 Abs. 2 AVG als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht innerhalb der darin festgelegten zweiwöchigen Frist eingebracht worden war. Die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10. April 2019 als unbegründet ab.
8 Am 28. November 2019 stellte die Revisionswerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete sie mit der Krankheit ihrer Mutter, die mittlerweile zum Atmen ein Sauerstoffgerät benötige. Die Mutter, die ihre Medikamente verwechsle und auch vergesse, diese einzunehmen, brauche die ständige Betreuung und Pflege durch die Revisionswerberin. Seit dem Tod des Bruders der Revisionswerberin im Jahr 2019 fühle sich die Mutter sehr schlecht. Im Übrigen seien die „ersten Asylgründe“ noch „aktuell“.
9 Da im Rahmen der weiteren Erhebungen durch eine „VIS-Abfrage“ hervorkam, dass der Eintragung in einer internationalen Datenbank (Visa-Informationssystem - VIS) zufolge für die Revisionswerberin aufgrund eines von ihr am 3. Mai 2019 gestellten und mit dem Besuch von in Paris lebenden Familienangehörigen begründeten Antrages von der französischen Botschaft in Moskau am 8. Mai 2019 ein von diesem Tag bis 3. November 2019 gültiges Visum C ausgestellt worden sei, leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Konsultationen nach der Dublin III-Verordnung mit der zuständigen französischen Behörde ein.
10 Diese Behörde lehnte allerdings die Übernahme der Revisionswerberin - auch nach Remonstration durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - ab und verwies darauf, dass die Revisionswerberin angegeben habe, aus Österreich nicht ausgereist zu sein. Österreich habe keine Dokumente vorgelegt, um den Beweis dafür anzutreten, dass die Revisionswerberin Österreich für mehr als drei Monate verlassen gehabt hätte. Da seitens der französischen Behörde von der weiterhin bestehenden Zuständigkeit Österreichs ausgegangen werde, werde das Übernahmegesuch Österreichs abgelehnt.
11 Mit Bescheid vom 26. Juni 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - ohne zuvor das Asylverfahren zugelassen zu haben und nach einer weiteren Vernehmung der Revisionswerberin - den von ihr gestellten Folgeantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt.
12 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 24. Juli 2020 als unbegründet ab und wies den von der Revisionswerberin gestellten Antrag, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurück. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Die Revisionswerberin bringt vor, sie erachte sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem subjektiven Recht auf „Zuerkennung des Status als Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte“ verletzt.
17 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen die revisionswerbende Partei verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die von der revisionswerbenden Partei vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht der revisionswerbenden Partei verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung sie behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als die revisionswerbende Partei jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 9.9.2020, Ra 2020/20/0327, mwN).
18 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Folgeantrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache im Instanzenzug zurückgewiesen. Es liegt daher insoweit eine ausschließlich verfahrensrechtliche Entscheidung vor, mit der die Entscheidung in der Sache abgelehnt wurde. Im Hinblick auf diesen normativen Gehalt des diesbezüglich bekämpften Teils des angefochtenen Erkenntnisses (Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz) käme vorliegend allein die Verletzung der Revisionswerberin im Recht auf meritorische Entscheidung über ihren Antrag, nicht aber die Verletzung in den, den Inhalt des Antrages auf internationalen Schutz bildenden Rechten in Betracht. Die Revisionswerberin konnte daher in den als Revisionspunkten genannten Rechten auf Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz nicht verletzt werden (vgl. nochmals Ra 2020/20/0327, mwN).
19 Inhaltlich wendet sich das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision, in der ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK geltend gemacht wird, ausschließlich gegen die im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt eine Revision nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des Revisionspunktes, also des von der Revisionswerberin selbst definierten Prozessthemas, stellt (vgl. VwGH 30.6.2020, Ra 2019/20/0492, 0493, mwN). Das ist hier nicht der Fall.
20 Im Übrigen entbehrt auch das in der Sache erstattete Vorbringen, mit dem die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob die Mutter der Revisionswerberin allein nur durch letztere oder auch durch andere Personen betreut werden könne, jeglicher Berechtigung. Zwar wird in der Revision behauptet, die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts seien unvertretbar. Derartiges ist aber anhand der Ausführungen in der Revision, in der in erster Linie bloß auf der Richtigkeit der eigenen Angaben der Revisionswerberin beharrt wird, nicht zu sehen.
21 Da die Revisionswerberin in den von ihr bezeichneten Rechten nicht verletzt sein konnte und von ihr zudem auch keine Rechtsfrage dargetan wurde, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 5. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200342.L00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020