TE Vwgh Beschluss 2020/10/5 Ra 2020/20/0329

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Veröffentlicht am 05.10.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §28
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Rechtssache der Revision des N R in W, vertreten durch Dr. Malena Stürzenbecher, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Laudongasse 20/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2020, W218 1439085-2/23E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das den Revisionswerber betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2020, Ra 2019/20/0567, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, womit dem Revisionswerber der ihm im Jahr 2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen geänderter Umstände aberkannt worden war, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Maßgeblich dafür war, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 4. September 2019 von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen war, die Änderung der Umstände ausschließlich im Vergleich mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 2015, mit dem dem Revisionswerber der Status des subsidiärer Schutzberechtigten zuerkannt worden war, beurteilen zu müssen, während der zuletzt im Mai 2018 erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung zu Unrecht keine Beachtung geschenkt worden war.

2        Mit dem Erkenntnis vom 23. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren die vom Revisionswerber gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juni 2018, womit u.a. ausgesprochen worden war, dass der dem Revisionswerber früher zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, erhobene Beschwerde erneut als unbegründet ab. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1116/2020-7, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 22. Juli 2020, E 1116/2020-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewichen und es fehle (weitere) Rechtsprechung zu den Voraussetzungen dieses Aberkennungstatbestandes. Es lägen keine Änderungen in den maßgeblichen Umständen vor, die hinreichend bedeutsam und endgültig seien, um dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen.

8        Soweit das Fehlen von Rechtsprechung angesprochen wird, beruft sich der Revisionswerber (lediglich) darauf, dass der in seinem Fall maßgebliche Sachverhalt nicht mit jenem vergleichbar sei, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 2019, Ra 2019/14/0153, zugrunde gelegen sei.

9        Mit diesem Vorbringen verkennt der Revisionswerber, dass es sich bei der Prüfung, ob dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen ist, um eine einzelfallbezogene Beurteilung anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Falles handelt. Vor diesem Hintergrund ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser im Revisionsmodell nicht dazu berufen ist, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten. Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2019/20/0401, mwN). Dass Letzteres der Fall wäre, zeigt die Revision nicht auf.

10       Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Anwendung des - vom Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall herangezogenen - zweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat.

11       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dabei maßgeblich, dass es gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt.

12       Bei Hinzutreten neuer Umstände (nach der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung) dürfen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben. Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind daher nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind (vgl. zum Ganzen VwGH 5.8.2020, Ra 2020/20/0154, mwN).

13       In seiner Begründung - die sich maßgeblich auf Änderungen in den persönlichen Umständen des Revisionswerbers bezieht, sodass dem Vorbringen, wonach eine Änderung der Lage im Herkunftsstaat nicht eingetreten sei, der Boden entzogen ist - hat das Bundesverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der junge und arbeitsfähige Revisionswerber, der eine Landessprache des Herkunftsstaates spreche und mit der afghanischen Kultur vertraut sei, in Österreich zwei Semester lang die Schule besucht und Berufserfahrung gesammelt habe. Seine Selbsterhaltungsfähigkeit habe der Revisionswerber durch die Aufnahme einer andauernden vollversicherungspflichtigen Beschäftigung unter Beweis gestellt, womit ein kontinuierlicher Zugewinn an Berufserfahrung einhergegangen sei. Das Augenleiden des Revisionswerbers sei operativ saniert worden und beeinträchtige diesen nicht weiter. Der Revisionswerber habe an Lebenserfahrung, Ausbildung, Berufserfahrung und Reife dazugewonnen und sei nunmehr - im Gegensatz zur Situation zum Zeitpunkt der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung im Mai 2018 - in der Lage, seine Existenz in Afghanistan, im Besonderen in den Städten Mazar-e Sharif und Herat, auch ohne familiäre Unterstützung durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten zu sichern.

14       Das Bundesverwaltungsgericht war - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung berechtigt, alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände, also auch jene, die vor der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind (hier etwa die Augenoperationen, den Schulbesuch und die auch schon vor diesem Zeitpunkt erlangte Berufserfahrung), in seine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die in der Judikatur aufgestellten Grundsätze missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte, vermag die Revision nicht darzutun.

15       Es liegt auch der vom Revisionswerber behauptete Verstoß gegen die in § 63 Abs. 1 VwGG normierte Bindungswirkung nicht vor, weil das Bundesverwaltungsgericht im Sinn der tragenden Erwägungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2020, Ra 2019/20/0567, dargelegt hat, worin es die nach der zuletzt im Mai 2018 erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gelegenen Sachverhaltsänderungen gesehen hat.

16       Zu den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Erkrankungen hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung offengelegt, warum es davon ausgegangen ist, das Augenleiden des Revisionswerbers sei geheilt und er leide nicht unter Bluthochdruck oder psychischen Beschwerden. Dass die diesbezügliche Beweiswürdigung vom Bundesverwaltungsgericht in einer unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (zur eingeschränkten Revisibilität der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren vgl. etwa VwGH 31.7.2020, Ra 2020/20/0240, mwN), wird in der Revision nicht behauptet. Hinsichtlich des Revisionsvorbringens zu weiteren Krankheiten, mit denen sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt habe, verabsäumt es die Revision, die Relevanz dieses Verfahrensmangels, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzulegen (zur Notwendigkeit der Darstellung der Relevanz eines Verfahrensmangels in der Revision und zudem auch schon in der gesonderten Begründung für ihre Zulässigkeit vgl. etwa VwGH 30.4.2020, Ra 2019/14/0523, mwN; dort gleichfalls auch in Bezug auf das Vorbringen zu Erkrankungen).

17       Mit dem weiteren, nicht näher substantiierten Vorbringen zur Heranziehung veralteter Länderberichte und zu den dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufenen Begründungsmängeln betreffend die aktuelle Situation im Herkunftsstaat werden ebenfalls Verfahrensfehler geltend gemacht, deren Relevanz für den Verfahrensausgang schon in der abgesonderten Begründung für die Zulässigkeit hätte dargetan werden müssen (vgl. in Bezug auf Länderberichte etwa VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147, mwN). Eine solche Darlegung ist der Begründung für die Zulässigkeit der Revision jedoch nicht zu entnehmen, weil sich diese in kursorischen Ausführungen und dem pauschalen Verweis auf näher genannte Berichte erschöpft, ohne einen Bezug zum konkreten Fall herzustellen.

18       Das gilt auch für das Vorbringen, wonach das Parteiengehör verletzt worden sei, weil das Bundesverwaltungsgericht seine Feststellungen zur Situation im Heimatland des Revisionswerbers aktualisiert habe, ohne ihm die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen (vgl. VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN). Soweit die Revision die Durchführung einer Verhandlung einfordert, übersieht sie, dass eine solche stattgefunden hat, weshalb konkret und fallbezogen darzulegen gewesen wäre, weshalb die Abhaltung einer weiteren Tagsatzung zu einer für den Revisionswerber günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0328; 10.9.2018, Ra 2017/19/0431; jeweils mwN). Ausführungen dazu, was der Revisionswerber im Rahmen einer weiteren Stellungnahme oder in einer weiteren Verhandlungstagsatzung konkret hätte vorbringen können, das zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen können, sind der Revision nicht zu entnehmen.

19       Wenn die Revision unter Verweis auf zwei näher bezeichnete Berichte vom April 2020 und vom Juli 2020 die rasante Ausbreitung von Erkrankungen an Covid-19 sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen der „Covid-19-Pandemie“ ins Treffen führt, verkennt sie, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hatte. Dieser Zeitpunkt ist bei der Entscheidung durch einen Einzelrichter der Zeitpunkt der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung oder - falls eine solche stattgefunden hat - der mündlichen Verkündung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. VwGH 6.7.2020, Ra 2020/01/0176, mwN). Das angefochtene Erkenntnis wurde der Vertreterin des Revisionswerbers am 26. März 2020 zugestellt, sodass es dem Bundesverwaltungsgericht von vornherein nicht möglich war, bei seiner Entscheidung die in der Revision genannten, erst später entstandenen Beweismittel zu berücksichtigen.

20       Zudem werden mit dem bloßen Verweis auf wirtschaftliche Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus, ohne aufzuzeigen, von welchen konkreten Auswirkungen der Revisionswerber (im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses) betroffen gewesen wäre, keine exzeptionellen Umstände dargelegt, nach denen im Fall der Ansiedelung in den als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommenden Orten die reale Gefahr einer drohenden Verletzung seiner durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK garantierten Rechte zu gewärtigen oder die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative unzumutbar wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass durch eine schwierige Lebenssituation im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat in Bezug auf die Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht dargetan wird (vgl. VwGH 1.7.2020, Ra 2020/20/0196 bis 0198, mwN).

21       Bezogen auf die gerügte Unterlassung der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zwecks Beurteilung des Gesundheitszustandes des Revisionswerbers und eines „Expertengutachtens“ zu Afghanistan betreffend die Auswirkungen der „Covid-19-Pandemie“ übersieht die Revision, dass es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0189 bis 0191, mwN). Es ist anhand der Ausführungen in der Revision aber nicht zu sehen, warum das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen von der Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen hätte ausgehen müssen.

22       Wenn die Revision schließlich die vom Bundesverwaltungsgericht im Sinn des Art. 8 EMRK vorgenommene Interessenabwägung beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2020/20/0161, mwN)

23       Dem Vorbringen, wonach der Revisionswerber „kaum Afghanisch“ spreche, ist entgegenzuhalten, dass er in der Verhandlung angeben hat, Dari sei seine Muttersprache und er die Dolmetscherin gut verstehe. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen - im Besonderen auch die in der Revision angesprochenen, zugunsten des Revisionswerbers zu berücksichtigenden - Umstände einbezogen. Im Besonderen hat das Verwaltungsgericht auch die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers berücksichtigt, jedoch dazu angemerkt, dass der Revisionswerber dennoch - und obgleich er mittlerweile berufstätig ist - über keine ausgeprägten sozialen Bindungen im Bundesgebiet verfüge. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der im Einzelfall vorgenommenen Gewichtung der festgestellten Umstände die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.

24       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. Oktober 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200329.L00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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