TE Vfgh Beschluss 1995/11/28 B1648/95

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Veröffentlicht am 28.11.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der beschwerdeführende Rechtsanwalt wandte sich mit Schriftsatz vom 26. Mai 1995 mit einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid der Abgabenberufungskommission von Wien vom 17. März 1995. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11. April 1995 zugestellt. Die Beschwerdeschrift wurde am 26. Mai 1995 zur Post gegeben und langte am 29. Mai 1995 beim Verfassungsgerichtshof ein.

Die sechswöchige Beschwerdefrist hat am 11. April 1995 begonnen und ist am 23. Mai 1995 abgelaufen. Die Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelangt und auch nicht vor Ablauf der Frist an ihn zur Post gegeben worden. Sie ist daher verspätet.

2. Da in der Beschwerde die Angabe des Tages der Zustellung des angefochtenen Bescheides fehlte, wurde dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10. August 1995 aufgetragen, den Mangel zu beheben. Mit Schriftsatz vom 14. August 1995 wurde der Mangel behoben und ein Antrag auf Wiederseinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der Antrag wurde folgendermaßen begründet: Die Kanzleileiterin habe bei Einlangen des Bescheides am 11. April im Kanzleikalender den letzten Tag der Frist für die Einbringung einer Beschwerde (nach den vorgelegten Kopien der Kalenderblätter übrigens an den VwGH) für den 23. Mai vorgemerkt. Am 19. Mai habe die Kanzleileiterin dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt den Akt vorgelegt. Dieser habe den von der Kanzleileiterin handschriftlich vorgenommenen Eingangsvermerk am Bescheid "an Stelle mit 11.4.1995 mit 14.4.1995" gelesen und die Kanzleileiterin angewiesen, "an Stelle dem 23.5.1995 als letzten Tag der Frist den 26.5.1995 einzutragen".

In der Folge wurde die Beschwerde am 26. Mai 1995 zur Post gegeben.

3. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann gegeben ist, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 11706/1988).

Im vorliegenden Fall kann aber davon nicht die Rede sein. Es wurde eine Eintragung der Kanzleileiterin im Kalender von dieser über Weisung des Rechtsanwalts korrigiert. In einem solchen Fall ist besonders sorgfältig vorzugehen. Es überschreitet einen minderen Grad des Versehens, wenn ein Rechtsanwalt, der eine Änderung einer Fristvormerkung im Kalender anordnet, den - keineswegs undeutlich geschriebenen - Eingangsvermerk auf einem Bescheid, der den Beginn des Laufes der Frist dokumentiert, nur oberflächlich ansieht und wenn dieser Irrtum auch der Kanzleileiterin, die den Eingangsvermerk eigenhändig angefertigt hatte, bei der Ausführung der Weisung des Anwalts nicht auffällt.

4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher mangels der gesetzlichen Voraussetzungen abzuweisen. Dementsprechend war die verspätet eingebrachte Beschwerde zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1648.1995

Dokumentnummer

JFT_10048872_95B01648_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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