TE Vwgh Beschluss 2020/10/5 Ra 2020/01/0347

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
PassGDV 2006 §3
PassGDV 2006 §4 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Mag. N A in W, vertreten durch die Pfletschinger.Renzl Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Weihburggasse 26/4, gegen das am 17. Dezember 2019 verkündete und am 18. Februar 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien , Zl. VGW-103/040/4333/2019-6, betreffend Passgesetz 1992 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache der Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Personalausweises gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 iVm § 19 Abs. 2 Passgesetz 1992 und § 4 Abs. 3 und 4 Passgesetz-Durchführungsverordnung (PassG-DV) abgewiesen (I.) und die Revision für unzulässig erklärt (II.).

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe die Ausstellung eines Personalausweises mit einem Lichtbild beantragt, auf dem er eine Kopfbedeckung in Form eines „Nudelkranzes“ (einen geflochtenen aus Teigwaren bestehenden Kranz; vom Revisionswerber als „Pastakrone“ bezeichnet) trage.

3        Der Revisionswerber habe (nach näher dargestellter Beweiswürdigung) nicht glaubhaft machen können, dass er - wie vorgebracht - aus religiösen Gründen einen „Nudelkranz“ trage. Daher komme § 4 Abs. 4 PassG-DV nicht zum Tragen. Betrachte man den „Nudelkranz“ als Gegenstand, so spreche § 4 Abs. 4 (offenbar gemeint: 3) PassG-DV gegen die Zulässigkeit einer Darstellung am Lichtbild. Die Religionsfreiheit sei nicht berührt, jedenfalls aber nicht verletzt.

4        Ein Personalausweis sei ein österreichisches Identitäts- und Reisedokument und diene dem Inhaber zur Verwendung im Rechtsverkehr. Durch die Ausstellung eines Personalausweises mit einem „Nudelkranz“ werde die ausstellende Behörde bzw. die Republik Österreich der Lächerlichkeit preisgegeben.

5        Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege nicht vor, wenn die Rechtsfrage klar aus dem Gesetz lösbar sei bzw. die Klärung dieser Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

6        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser lehnte die Beschwerde mit Beschluss vom 9. Juni 2020, E 1105/2020-5, ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der VfGH insbesondere aus, dass

„spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen ... zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht ... zu Recht davon ausgeht, dass ein Nudelkranz (‘Pastakrone’) keine religiöse Kopfbedeckung iSd § 4 Abs. 4 Passgesetzdurchführungverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, idF BGBl. II 480/2010 darstelle, nicht anzustellen“

seien.

7        Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, „der gegenständliche Sachverhalt“ werfe die Rechtsfrage auf, ob „die Ernsthaftigkeit der Glaubensausübung überhaupt einer staatlichen Kontrolle unterliegen darf“. Wenn das Verwaltungsgericht darauf abstelle, dass der Revisionswerber nicht glaubhaft habe machen können, den Nudelkranz aus religiöser Überzeugung zu tragen, stelle es auf die Ernsthaftigkeit des Glaubens des Revisionswerbers ab. Dies stehe staatlichen Behörden, welche sich in religiösen Belangen neutral zu verhalten hätten, nicht zu. Diese hätten sich auf die Aussagen des Revisionswerbers „zu verlassen“.

12       Zu diesem Zulässigkeitsvorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass der VfGH bereits festgehalten hat, dass in der vorliegenden Rechtssache spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen sind (vgl. VfGH 9.6.2020, E 1105/2020).

13       Weiter bringt die Revision vor, „der gegenständliche Sachverhalt“ werfe die Rechtsfrage auf, ob der Nudelkranz, „der Ausdruck der religiösen Verbundenheit des Revisionswebers [sic!] zum Fliegenden Spaghettimonster, der Gottheit der Religion der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ist“, eine religiöse Kopfbedeckung iSd § 4 Abs. 4 PassG-DV darstelle und ob es vorliegend darauf ankomme, dass die (religiöse) Kopfbedeckung auch im Alltag getragen werde. Der Revisionswerber trage den Nudelkranz aus religiöser Überzeugung. Es sei rechtlich ohne Relevanz, ob eine derartige Kopfbedeckung als lächerlich zu erachten sei. Auch bei der Frage, wann und wie Glaube öffentlich ausgeübt werde, handle es sich um eine höchstpersönliche Angelegenheit, die keiner staatlichen Anordnung unterliegen dürfe. Auch weibliche Muslimas entschieden höchstpersönlich über den Grad ihrer Verhüllung im Alltag. Dies müsse bei „Pastafaris“ wie dem Revisionswerber auch gelten.

14       Zu diesem Vorbringen ist nochmals darauf hinzuweisen, dass vorliegend spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen sind (vgl. VfGH 9.6.2020, E 1105/2020).

15       Soweit das Zulässigkeitsvorbringen darüber hinaus vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende einfachgesetzliche Rechtsfragen berührt, ist auf § 4 Abs. 3 und 4 PassG-DV, BGBl. II Nr. 223/2006, idF BGBl. II Nr. 480/2010, zu verweisen. Nach diesen Bestimmungen sind Gegenstände im Lichtbild unzulässig. Das Tragen von Kopfbedeckungen ist nur aus medizinischen oder religiösen Gründen zulässig.

16       Ausgehend von dieser Rechtslage hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Einzelfall (nach näher dargestellter Beweiswürdigung) ausgeführt, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, dass er auf dem beigebrachten Lichtbild (vgl. § 3 PassG-DV) einen „Nudelkranz“ aus religiösen Gründen trage.

17       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 8.6.2020, Ra 2019/01/0017, mwN).

18       Eine derart krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf (vgl. im Übrigen VwGH 30.4.2019, Ro 2019/10/0013-0018, mit dem die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. März 2018, Zl. W170 2115136-1/112E, betreffend den Erwerb der Rechtspersönlichkeit für die religiöse Bekenntnisgemeinschaft „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM)“, zurückgewiesen wurde).

19       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010347.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten