Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ABGB §6Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der T Inc. in V (Seychellen), vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juli 2020, Zl. L521 2230762-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Linz vom 26. Februar 2020, mit dem der Revisionswerberin restliche Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG samt Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in Höhe von insgesamt 8.121 € vorgeschrieben worden war, ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig.
2 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe in der am 20. Februar 2018 eingebrachten und gegen den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der I-GmbH gerichteten Klage auf Feststellung einer Forderung im Insolvenzverfahren folgendes Urteil begehrt:
„1. Es wird festgestellt, dass die im Insolvenzverfahren [...] des Landesgerichtes Linz am 15.06.2016 angemeldete Forderung der klagenden Partei in Höhe von insgesamt € 447.352,05 brutto, wie angemeldet, als Insolvenzforderung dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht besteht.
2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.“
3 Die Revisionswerberin habe das Feststellungsbegehren (sowohl auf der ersten Seite der Klage, als auch im Kostenverzeichnis) mit 30.285,73 € bewertet. Dem bezughabenden Vorbringen der Revisionswerberin zufolge entspreche dieser Betrag bei einer voraussichtlichen Quote im Insolvenzverfahren von ca. 6,77% und einem erwartbaren Massevermögen von 130.000 € dem der Revisionswerberin voraussichtlich zukommenden Betrag.
4 Für die Einbringung der Klage habe die Revisionswerberin ausgehend von dem in der Klage als Streitwert angegebenen Betrag von 30.285,73 € zunächst nur eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG iHv 743 € entrichtet.
5 Nach § 2 Z 1 lit. a GGG entstehe der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Bemessungsgrundlage sei gemäß § 14 GGG der Wert des Streitgegenstands nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN, soweit im GGG nicht etwas anderes bestimmt werde. Sei ein Geldbetrag in anderer Weise als in einem Leistungsbegehren, etwa durch ein Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren, Gegenstand einer Klage, so bilde - ungeachtet einer Bewertung durch den Kläger nach § 56 Abs. 2 JN - dieser Geldbetrag gemäß § 15 Abs. 3a GGG die Bemessungsgrundlage. § 15 Abs. 3a GGG treffe keine Unterscheidung nach der Art der Forderung. Auch wenn das Bestehen einer ziffernmäßig bestimmten Insolvenzforderung festgestellt werden solle, sei die Höhe der Forderung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Eine Ermäßigung der Pauschalgebühr sei für die Vereinbarung „ewigen Ruhens“ zwischen den Vertragsparteien nach Anmerkung 3 zu TP 1 GGG nicht vorgesehen. Für die Einbringung der Klage gemäß § 110 IO falle ausgehend von einer (gemäß § 6 Abs. 2 GGG gerundeten) Bemessungsgrundlage von 447.353 € eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG iHv 8.856,23 € an. Abzüglich der geleisteten Zahlung von 743 € sei daher die restliche Pauschalgebühr rechnerisch richtig ermittelt worden.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
9 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
10 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, es bestehe divergierende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bewertung des Streitgegenstands bei Prüfungsprozessen gemäß § 110 IO.
11 Soweit die Revisionswerberin dafür die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1990, 89/16/0022, sowie ältere Judikatur ins Treffen führt, genügt der Hinweis, dass § 15 Abs. 3a GGG, der durch die Zivilverfahrens-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 128/2004, in das GGG eingefügt wurde, nun ausdrücklich normiert, dass ein Geldbetrag, der in anderer Weise als in einem Leistungsbegehren, etwa durch ein Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren, Gegenstand einer Klage ist, die Bemessungsgrundlage bildet, ungeachtet einer Bewertung durch den Kläger nach § 56 Abs. 2 JN.
12 Zu dieser - auch im Revisionsfall maßgeblichen - Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof aber, worauf das Bundesverwaltungsgericht zu Recht hinweist, bereits ausgesprochen, dass § 15 Abs. 3a GGG keine Unterscheidung nach der Art der Forderung trifft, sodass auch dann, wenn das Bestehen einer ziffernmäßig bestimmten Insolvenzforderung festgestellt werden soll, die Höhe der Forderung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist (vgl. VwGH 29.4.2013, 2012/16/0173).
13 Eine Judikaturdivergenz liegt aber, wie die Revisionswerberin vermeint, nicht schon deshalb vor, weil ein noch zu einer älteren Rechtslage ergangenes Erkenntnis weiterhin im RIS abrufbar ist.
14 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits seit dem Erkenntnis vom 6. Dezember 1994, 93/16/0091, in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass die Bewertungsvorschrift des § 56 Abs. 2 JN auf Klagen betreffend die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer ziffernmäßig bestimmten Geldforderung keine Anwendung findet (vgl. die bei Dokalik, Gerichtsgebühren13, § 14 E 20 angeführte hg. Judikatur) und sich daher bei Prüfungsprozessen nach §§ 110f KO (nunmehr: §§ 110f IO) die Bemessungsgrundlage nach der Höhe der Forderung richtet, deren Feststellung begehrt wird (vgl. nochmals die bei Dokalik, aaO, § 14 E 23 und E 24 angeführte hg. Judikatur).
15 In der Revision wird zur Zulässigkeit weiters vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der analogen Anwendung der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG auf Fälle der Vereinbarung des „ewigen Ruhens“ noch bevor die vorbereitende Tagsatzung stattgefunden habe.
16 Die Revisionswerberin behauptet gar nicht, dass die Vereinbarung des „ewigen Ruhens“ vom Wortlaut der Anmerkungen 2 oder 3 zu TP 1 GGG, die eine Ermäßigung der Pauschalgebühr unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen, erfasst sei. So liegt im revisionsgegenständlichen Fall weder ein (vor Klagseinbringung geschlossener) prätorischer Vergleich iSd § 433 ZPO (Anmerkung 2 zu TP 1 GGG) vor, noch wurde die Klage vor der Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen (Anmerkung 3 zu TP 1 GGG). Im revisionsgegenständlichen Fall wurde erst nach der Klagebeantwortung durch den Insolvenzverwalter „ewiges Ruhen“ vereinbart.
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft die Gebührenpflicht bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon anknüpft, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. die bei Dokalik, aaO, § 1 E 13 angeführte hg. Judikatur).
18 Daher kommt eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG nicht in Betracht, wenn erst nach der Klagszustellung Ruhen des Verfahrens eintritt (vgl. in diesem Sinne bereits VwGH 4.11.1994, 94/16/0231; 19.5.1988, 87/16/0163; 10.3.1988, 87/16/0106).
19 Zu der von der Revisionswerberin angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG sieht sich der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht veranlasst, weil selbst eine erfolgreiche Anfechtung dieser Bestimmungen der Revisionswerberin nicht zum Vorteil gereichen könnte.
20 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
21 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 6. Oktober 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160126.L00Im RIS seit
04.01.2022Zuletzt aktualisiert am
04.01.2022