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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §58Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des XY, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das am 15. November 2019 mündlich verkündete und am 25. Mai 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I409 2131966 1/38E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus Guinea stammende Revisionswerber stellte am 30. September 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er brachte vor, aufgrund seines Engagements für die Oppositionspartei UFDG (Union des Forces Démocratiques de Guinée) politisch verfolgt zu werden.
2 Mit Bescheid vom 9. Jänner 2013 wies das (damals zuständige) Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005, ohne in die Sache einzutreten, als unzulässig zurück und stellte fest, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Zudem wurde der Revisionswerber aus dem Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30. Jänner 2013 als unbegründet abgewiesen.
3 Am 2. Mai 2014 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und brachte dazu vor, dass seine alten Fluchtgründe weiterhin aufrecht seien.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das aufgrund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Guinea zulässig sei. Es legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
5 Das BVwG verkündete das angefochtene Erkenntnis am 15. November 2019. Der Niederschrift darüber ist zu den Entscheidungsgründen lediglich Folgendes zu entnehmen:
„Die Rl erörtert seine Entscheidungsgründe und erklärt (u.a.), dass das Vorbringen des BF nicht glaubwürdig ist. Es liegen in Bezug auf Guinea weder die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, noch jene für die Gewährung von subsidiären Schutz vor. Auch Grund der aktuellen Sachlage war eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.“
6 Der Revisionswerber beantragte fristgerecht eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG. Das BVwG fertigte daraufhin das Erkenntnis am 25. Mai 2020 schriftlich aus und stellte darin seine Entscheidungsgründe näher dar.
7 Im Anschluss daran brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein. Darin bringt er zu ihrer Zulässigkeit vor, die Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses sei mangelhaft und die Begründung der schriftlichen Ausfertigung gehe unzulässiger Weise darüber hinaus. Auch die schriftliche Ausfertigung leide an Begründungsmängeln, es sei eine mangelhafte Interessenabwägung durchgeführt worden und das BVwG habe seine amtswegige Ermittlungspflicht verletzt.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision zeigt zwar zutreffend auf, dass die Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, wie sie sich aus der Niederschrift ergibt, die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs dazu herausgearbeiteten Anforderungen nicht erfüllt (vgl. zu diesen etwa VwGH 15.12.2014, Ro 2014/04/0068). Allerdings wurden diese Begründungsmängel durch die inzwischen erfolgte Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geheilt. Im Hinblick auf die nunmehr vorliegende Begründung in der schriftlichen Ausfertigung, die nicht in Widerspruch zu den mündlich verkündeten Entscheidungsgründen steht, fehlt es der Mangelhaftigkeit der mündlichen Begründung an einer Relevanz für den Verfahrensausgang, weil der Revisionswerber nicht mehr an der Verfolgung seiner Rechte und der Verwaltungsgerichtshof nicht an der Überprüfung des Erkenntnisses gehindert ist (vgl. eingehend VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0558 bis 0560).
12 Die Revision bringt weiters vor, das BVwG habe - auch in der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses - keine ausreichenden Feststellungen getroffen und nicht begründet, weshalb es den Antrag abgewiesen habe, obwohl die herangezogenen Länderberichte das Vorbringen stützen würden. Überdies seien gebotene amtswegige Ermittlungen zur wesentlichen Situation im Herkunftsstaat unterblieben, die das zentrale Fluchtvorbringen betreffen und daher zur Beurteilung dessen Glaubhaftigkeit mit diesen abzugleichen seien.
13 Das BVwG traf nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Feststellungen zu den persönlichen Umständen des Revisionswerbers, es setzte sich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit den festgestellten Umständen auseinander und begründete in nicht unvertretbarer Weise, weshalb eine drohende asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft sei. Dabei stützte es sich tragend darauf, dass gefälschte Beweismittel vorgelegt worden seien und Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers bestünden. Der Revision gelingt es vor diesem Hintergrund nicht aufzuzeigen, dass die vom BVwG vorgenommene Gesamtbetrachtung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehlerhaftigkeit leiden würde, selbst wenn die vermissten Feststellungen über die Geschehnisse und Situation im Herkunftsstaat im Einklang mit dem Fluchtvorbringen stünden.
14 Soweit die Revision das Ergebnis der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK für unzutreffend erachtet, ist festzuhalten, dass diese nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2020/14/0180, mwN).
15 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 15.4.2020, Ra 2019/14/0420, mwN).
16 Entgegen dem Revisionsvorbringen zog das BVwG sämtliche zu berücksichtigende Umstände in seine Interessenabwägung mit ein. Es ist auch nicht zu sehen, dass das BVwG bei der fallbezogenen Gewichtung dieser Umstände die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.
17 Auch mit dem Vorbringen, das BVwG habe dem vorgelegten Vorarbeitsvertrag fälschlicherweise kein großes Gewicht beigemessen und es in diesem Zusammenhang unterlassen, Vertreter des bisherigen sowie des zukünftigen Arbeitgebers zu vernehmen, welche die Zuverlässigkeit des Revisionswerbers und das Interesse an einer Anstellung bestätigt hätten, vermag die Revision nicht darzulegen, dass das BVwG in relevanter Weise tragende Verfahrensgrundsätze verletzt oder insgesamt eine unvertretbare Interessenabwägung vorgenommen hätte.
18 Die Revision bringt in diesem Zusammenhang schließlich vor, dass das BVwG nicht berücksichtigt habe, dass die lange Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers auf die Verzögerung durch die Behörden zurückzuführen sei, und demnach dem in dieser Zeit entstandenen Privatleben mehr Gewicht beigemessen hätte werden müssen. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass einer überlangen Verfahrensdauer lediglich dann Relevanz für den Verfahrensausgang zukäme, wenn sich während der Verfahrensdauer schützenswerte familiäre oder private Interessen herausgebildet hätten (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0122 und 0123). Derartiges wird in der Revision jedoch nicht dargetan.
19 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140333.L00Im RIS seit
23.11.2020Zuletzt aktualisiert am
23.11.2020