TE OGH 2020/7/23 1Ob133/20w

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Veröffentlicht am 23.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Verfahrenshilfesache des Antragstellers C***** H*****, wegen Ablehnung, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 24. Juni 2020, GZ 5 Nc 4/20g-2, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Landesgericht Linz wies den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage (gegen den Bund) ab. Im dagegen erhobenen Rekurs lehnte der Antragsteller „den Senat 4“ des Oberlandesgerichts Linz ab; er vermute, dass diesem sein Rekurs zur Entscheidung zugeteilt werde. Dieser Senat sei „offenkundig befangen“, weil er in einer vorangegangenen Rechtsmittelentscheidung die dort angestrebte Rechtsverfolgung des Antragstellers als offenbar mutwillig angesehen habe.

Die Mitglieder des Senats 4, der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über den Rekurs des Antragstellers zuständig ist, gaben in ihrer Stellungnahme zur Ablehnung an, nicht befangen zu sein. Die beanstandete Formulierung in der Entscheidung laute: „Zu Recht ist das Erstgericht daher davon ausgegangen, dass sich ein verständiger Rechtssuchender auf eigenes Prozesskostenrisiko nicht auf die Führung eines derartigen Verfahrens einlassen würde, was die angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar mutwillig im Sinne des § 63 Abs 1 ZPO erscheinen lässt.“

Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Linz (als Erstgericht) den „Ablehnungsantrag“ zurück. Der Ablehnungswerber mache konkrete, über die Missbilligung der rechtlichen Beurteilung einer Entscheidung der Mitglieder des abgelehnten Senats hinausgehende und auf ihre abstrakte Berechtigung überprüfbare, insbesondere in der Person der einzelnen Senatsmitglieder gelegene Umstände für deren Ablehnung nicht geltend. Er behaupte, die (namentlich nicht genannten) Mitglieder des Senats 4 hätten in einem vorangegangenen Verfahren nicht zu seinen Gunsten entschieden. Eine Befangenheit sei jedoch jeweils in Bezug auf die konkrete Rechtssache und nicht allfällige frühere Verfahren zu prüfen, wobei weder eine angebliche Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter einen Ablehnungsgrund bilde. Eine Befangenheit der Mitglieder des Senats 4 infolge der vom Ablehnungswerber missbilligten früheren Rechtsmittelentscheidung liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs des Antragstellers ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

1. In Ablehnungssachen richten sich das Rekursverfahren (soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen enthalten) und die Frage, ob für die Erhebung eines Rechtsmittels Vertretungszwang besteht, nach den Vorschriften, die für das Hauptverfahren maßgeblich sind (RIS-Justiz RS0006000; RS0035708 [T2]). Dem Ablehnungsverfahren liegt ein Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugrunde, weshalb der selbstverfasste Rekurs des Ablehnungswerbers im Sinn des § 72 Abs 3 ZPO keiner Anwaltsunterfertigung bedarf (vgl RS0035708 [T5]; RS0036113 [T2]).

2. Der mit dem vorliegenden Rekurs verbundene Verfahrenshilfeantrag des Antragstellers (über den gemäß § 65 Abs 2 ZPO stets das Prozessgericht erster Instanz zu entscheiden hätte) hindert die Entscheidung nicht, weil – wie dargelegt – kein Vertretungszwang besteht, im Rechtsmittelverfahren über die Ablehnung das Neuerungsverbot gilt (RS0006000 [T13]) und an der Aussichtslosigkeit des Rekurses mangels Darlegung tauglicher Befangenheitsgründe in erster Instanz auch eine anwaltliche Vertretung nichts ändern könnte (in diesem Sinn 2 Nc 10/19x).

3. Abgesehen davon, dass über die Ablehnung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden wird (§ 24 Abs 1 JN), ist gemäß § 526 Abs 1 ZPO über einen Rekurs ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Entgegen dem darauf abzielenden Antrag des Rechtsmittelwerbers ist der ZPO eine mündliche Verhandlung über den Rekurs fremd (Kodek in Rechberger/Klicka5 § 526 ZPO Rz 1).

4. Zur Frage der behaupteten Befangenheit ist dem Rekurswerber entgegenzuhalten, dass er die Ablehnung mit der behaupteten Unrichtigkeit einer früheren Rechtsmittelentscheidung des auch nunmehr zuständigen Rechtsmittelsenats begründete, und sich auch seine Rechtsrüge im Wesentlichen auf diese Behauptung beschränkt. Weder die Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch einen Richter könnte jedoch einen Ablehnungsgrund bilden. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen, das den Parteien nicht die Möglichkeit bieten soll, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0111290). Vermeintliche Entscheidungsfehler – noch dazu in einem anderen Verfahren – sind in der Regel kein Ablehnungsgrund. Es ist auch nicht Aufgabe des zur Beurteilung einer aus der Entscheidung eines Richters abgeleiteten Ablehnung berufenen gerichtlichen Organs, diese Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RS0046047; RS0111290 [T7]).

Soweit der Rekurswerber eine Befangenheit aus der Diktion der seinerzeitigen Entscheidung – die er als respektlose Unterstellung offenbar voreingenommener Richter qualifiziert – ableiten will, setzt er sich nicht mit dem schon im angefochtenen Beschluss erwähnten Gesichtspunkt auseinander, dass die Formulierung, die angestrebte Rechtsverfolgung erscheine als offenbar mutwillig im Sinne des § 63 Abs 1 ZPO, ihre Basis im Wortlaut der genannten Norm hat. Warum die „Verfahrensergebnisse“ (womit er offenbar die im damaligen Verfahrenshilfeverfahren vorgelegten Unterlagen meint) „genau das exakte Gegenteil beweisen“ sollte, legt er nicht nachvollziehbar dar.

Mit diesen Grundsätzen stimmt der angefochtene Beschluss überein.

5. Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.

Textnummer

E129390

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00133.20W.0723.000

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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