TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/16 W123 2201011-1

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W123 2201011-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2018, 1096080706-151837793, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vor, dass der Mullah aus dem Dorf des Beschwerdeführers gewollt habe, den Beschwerdeführer zu rekrutieren und zu einem Selbstmordattentäter auszubilden. Der Beschwerdeführer habe dies auch seinem Vater gesagt. Der Beschwerdeführer habe keine andere Möglichkeit (als die Flucht) gehabt, da er sich diesem nicht anschließen habe wollen.

3.       Am 19.12.2017 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„[…]

FLUCHTGRUND

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie bitte Ihre Fluchtgründe! (Vergleich Erstbefragung auf Widersprüche)

A: In Afghanistan war mein Leben in Gefahr, die Taliban wollten dass ich ein Selbstmordattentat verübe. Ich konnte nicht einmal zur Schule gehen oder eine Moschee besuchen. Unser Mullah in der Moschee war auch ein Taleb, er wollte dass ich einen Anschlag verübe, das habe ich meinen Eltern erzählt, deswegen haben Sie mich weggeschickt. Dieser Mullah hat mir gesagt, ich muss einen Selbstmordanschlag verüben, dann gehe ich ins Paradies. Nachdem ich mit meinen Eltern gesprochen habe, haben Sie mich weggeschickt. Der Mullah hat mir gesagt, dass ich nach dem Gebet warten soll und er gerne mit mir spazieren gehen möchte und mir Kekse und Saft kaufen möchte. Ich bin aber geblieben und nach Haus gegangen. Ich bin dann nicht mehr zur Schule gegangen und auch nicht mehr in die Moschee.

F: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F. Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

[…]“

4.       Mit Schriftsatz vom 02.01.2018 erstattete der Beschwerdeführer ein ergänzendes Vorbringen sowie eine Stellungnahme zu den Länderberichten. Einleitend wurde auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers hingewiesen, die bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit berücksichtigt werden müsse. Es bestehe eine begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund der dem Beschwerdeführer zumindest unterstellten politischen sowie der damit einhergehenden religiösen Gesinnung. Diesbezüglich wurde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen.

5.       Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.06.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

6.       Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 12.07.2018, in welcher einleitend wiederum auf das junge Alter des Beschwerdeführers hingewiesen wurde. Entgegen den Ausführungen im belangten Bescheid habe der Beschwerdeführer durchaus mit dem Mullah gesprochen. Daher würden sich die Rückkehrbefürchtungen auch nicht auf „reine Spekulationen“ beziehen. Ferner übersehe die belangte Behörde das Zusammenspiel zwischen dem örtlichen Mullah und den Taliban. Der Beschwerdeführer habe eine radikal-islamische Koranschule besucht. Ziel des Mullahs sei es gewesen, den Beschwerdeführer für den Kampf der Taliban zu rekrutieren.

7.       Am 03.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt.

8.       Mit Schriftsatz vom 10.06.2020 erstattete der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme, in welcher zusammenfassend vorgebrach wurde, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei und an einer geistigen Beeinträchtigung leide. Der Beschwerdeführer habe vor der Zwangsrekrutierung in Afghanistan flüchten müssen und wäre im Falle seiner Rückkehr auf sich allein gestellt, da der Kontakt zur Familie abgebrochen sei. Als Rückkehrer aus Europa, Minderjähriger ohne familiärem Netz und Rekrutierungsverweigerer der Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht von asylrelevanter Verfolgung bedroht. Der Verwaltungsgerichtshof habe am 15.03.2016, Ra 20156/19/0180, ausgesprochen, dass genau diese Kumulation an Fluchtgründen zu einem Asylstatus führen könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer nennt sich XXXX und Staatsangehöriger Afghanistans. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an.

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Laghman geboren und aufgewachsen und hat bis zu seiner Flucht nach Europa im Heimatdorf der Provinz Laghman gelebt. Der Beschwerdeführer ist minderjährig und ledig. Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan drei Jahre die staatliche Schule und verfügt über keine Berufserfahrung.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seinen Eltern, drei Brüdern und fünf Schwestern. Der Beschwerdeführer ist der älteste Bruder; der nächstälteste Bruder ist derzeit ca. 11 Jahre alt. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer verfügt ferner über Onkeln, Tanten und Cousins, die ebenfalls im Heimatdorf leben. Die Cousins des Beschwerdeführers sind teilweise älter, teilweise jünger als der Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 2017 in psychotherapeutischer Betreuung. Seit 12.03.2019 ist der Beschwerdeführer wegen Durchschlafstörungen Patient in der Praxis von Dr. XXXX , Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Ergebnisse des klinisch-psychologischen Befundes vom 25.05.2020 (Kinder- und Jugendpsychiatrisches Ambulatorium) zeigen beim Beschwerdeführer eine leichte Intelligenzminderung. Dem Befund ist zu entnehmen, dass die festgestellten Defizite beim Beschwerdeführer den Schluss zulassen, dass es sich dabei um angeborene kognitive Leistungsdefizite handelt. Über individuelle Stärken verfügt der Beschwerdeführer in den Bereichen Verarbeitungsgeschwindigkeit und Exekutive Funktionen.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Sprachkenntnissen und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die belangte Behörde ging in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen konnte. Dies aufgrund nachfolgender Erwägungen:

2.2.1. Bereits die Ausführungen des Beschwerdeführers im Zuge der Befragung durch die belangte Behörde gestalteten sich als unschlüssig bzw. (in einem Punkt) sogar als eklatant widersprüchlich: Im Rahmen der freien Erzählung zum Fluchtgrund behauptete der Beschwerdeführer zunächst, dass die Taliban (Mehrzahl!) vom Beschwerdeführer gewollt hätten, dass er ein Selbstmordattentat verübe. Im selben Absatz war jedoch „nur mehr“ von einem Mullah die Rede, welcher dem Beschwerdeführer gesagt haben soll, dass er einen Selbstmordanschlag verüben müsse (vgl. AS 63). An späterer Stelle der Einvernahme stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zwei präzise (Nach)Fragen zum Vorbringen betreffend Selbstmordanschlag. Die erste Frage, woher der Beschwerdeführer wisse, dass der Mullah ihn für einen Selbstmordanschlag verwenden hätte wollen, beantwortete der Beschwerdeführer – ausweichend – dahingehend, dass dem Freund eines Freundes dasselbe passiert sei (vgl. AS 64, arg. „F: Woher wissen Sie, dass der Mullah Sie für einen Selbstmordanschlag verwenden wollte? A: Weil dem Freund meines Freund dasselbe passiert ist. Sonst habe ich keine Informationen darüber.“). Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich aufgefordert worden, einen Selbstmordanschlag auszuüben, dann hätte die Antwort des Beschwerdeführers auf diese Frage wohl anders ausfallen müssen. Noch deutlicher tritt der Widerspruch im Vergleich zur freien Erzählung durch die zweite Frage der belangten Behörde zutage: „F: Hat Ihnen der Mullah jemals persönlich gesagt, dass Sie für einen Selbstmordanschlag verwendet werden? A: Nein.“ (vgl. AS 65).

2.2.2. Bei den Aussagen des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fällt zunächst auf, dass der Beschwerdeführer nicht von sich aus den „Freund seines Freundes“ erwähnte. Vergleiche dagegen die entsprechenden Angaben in der Einvernahme durch die belangte Behörde, in welcher der Beschwerdeführer insgesamt dreimal auf diesen Umstand hinwies (vgl. AS 64, arg. “Ich hatte einen Freund dessen Freund hat der Mullah einmal das gleiche gesagt und er musste dann eine Selbstmordanschlag verüben.“ bzw. „F: Woher wissen Sie, dass der Mullah Sie für einen Selbstmordanschlag verwenden wollte? A: Weil dem Freund meines Freund dasselbe passiert ist. Sonst habe ich keine Informationen darüber.“ sowie AS 65, arg. „F: Ihre Annahmen basieren auf Vermutungen? A: Dem anderen ist genau dasselbe passiert.“). Im Gegenteil, hatte es zunächst den Anschein, als ob ausschließlich der Beschwerdeführer für das Vorhaben des Mullahs herangezogen werden sollte (vgl. Seite 9 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wollte der Mullah, dass ausgerechnet Sie für seine Vorhaben mitzugehen haben oder hätte er auch auf andere Mitschüler zurückgreifen können? BF: Andere Schüler wollte er nicht mitnehmen. […]“), wobei auch an dieser Stelle ein Widerspruch hervortrat, da der Beschwerdeführer zuerst aussagte, dass der Mullah andere Schüler nicht mitnehmen wollte, hingegen auf Nachfrage es nicht ausschließen konnte (vgl. Seite 10 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Sie wissen nicht, ob der Mullah andere Schüler der Madrassa auch angesprochen hat und eventuell diesen ebenfalls gesagt hat, dass sie einen Anschlag verüben sollen? BF: Davon weiß ich nichts. Der Mullah hat heimlich mit mir darüber gesprochen. Es kann aber auch sein, dass er mit einem anderen Schüler auch darüber gesprochen hatte.“).

Auf die Behauptung vor der belangten Behörde hingewiesen (vgl. Seite 10 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: In der Einvernahme vor dem BFA haben Sie noch von einem Freund erzählt. Dessen Freund hätte der Mullah das gleiche gesagt und er musste dann einen Selbstmordanschlag verüben. Was sagen Sie dazu?“), bejahte der Beschwerdeführer zwar diesen Umstand, konnte jedoch zunächst überhaupt keine zeitlichen Angaben machen (vgl. Seite 10 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wann genau wurde dieser von dem Mullah angesprochen? BF: Das weiß ich nicht. Ich habe mich nie mit ihm unterhalten.“), um auf die nächste Frage zu antworten, dass es kurz vor der Flucht gewesen sei (vgl. Seite 10 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Aber Sie haben es ja von Ihrem Freund erfahren. Wann war das ungefähr. War das lange bevor Sie von dem Mullah aufgefordert wurden oder kurz davor? BF: Der Mullah hat begonnen mit mir darüber zu sprechen, dann hat auch mein Freund von seinem Freund erzählt, dass er plötzlich verschwunden ist und wenig später bin ich dann aus Afghanistan geflüchtet. Ich wusste dann, dass er mich auch bestimmt mitnehmen wird und dieser Freund des Freundes ist ja auch plötzlich verschwunden. R: Sie haben die Frage nicht wirklich beantwortet. Die Frage wird wiederholt. BF: Es war kurz vor meiner Flucht. Genau kann ich mich nicht erinnern, aber ich weiß, dass es kurz davor war.“) Diese Aussage steht aber im offenkundigen Widerspruch zu jenen Angaben, die der Beschwerdeführer noch vor der belangten Behörde tätigte: Aufgrund der Formulierung des Beschwerdeführers in der Einvernahme am 19.12.2017 (vgl. AS 64, arg. “Ich hatte einen Freund dessen Freund hat der Mullah einmal das gleiche gesagt und er musste dann eine Selbstmordanschlag verüben.“) ist vielmehr davon auszugehen, dass der Freund dieses Freundes zeitlich deutlich länger vor der tatsächlichen Flucht des Beschwerdeführers von diesem Mullah angesprochen wurde und im Zeitpunkt, als der Freund des Beschwerdeführers diesem davon erzählt, bereits tot sein musste.

2.2.3. Für das Bundesverwaltungsgericht stellt sich aber das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vor allem deshalb als nicht glaubhaft dar, da es nahezu auszuschließen ist, dass der Mullah den Beschwerdeführer in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten („jedes Mal wenn er mich gesehen hat“, vgl. Seite 8 Verhandlungsprotokoll) aufgefordert haben soll, mit ihm mitzukommen und den Beschwerdeführer in diesen zwei bis drei Monaten ferner gedroht haben soll, dass er ihn auch „unter Zwang“ (vgl. Seite 7 Verhandlungsprotokoll) mitnehmen würde, diese Drohungen schließlich nie umgesetzt hätte. Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers hätte sich dieser jedes Mal den Aufforderungen des Mullahs insofern widersetzt, als er mit ihm nicht mitgegangen, sondern nach Hause gegangen wäre. Wenn aber der Beschwerdeführer für den Mullah tatsächlich eine derart wichtige Zielperson für eine Ausbildung bei den Taliban bzw. für einen geplanten Selbstmordanschlag gewesen wäre, wie vom Beschwerdeführer behauptet (vgl. Seite 9 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wollte der Mullah, dass ausgerechnet Sie für seine Vorhaben mitzugehen haben oder hätte er auch auf andere Mitschüler zurückgreifen können? BF: Andere Schüler wollte er nicht mitnehmen. Ich bin der älteste Sohn meines Vaters und mein Vater ist ein einfacher Mann. Er kann auch nicht so gut reden und auch hören kann er nicht so gut. Der Mullah dachte, da mein Vater ein sehr einfacher Mann ist, könne er mich mitnehmen und er könnte auch meinen Vater davon überzeugen.“), dann hätte (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) die faktische Weigerung des Beschwerdeführers, sich dem Mullah anzuschließen, zu Sanktionen geführt, wie etwa die Ausübung von Gewalt bzw. die zwangsweise Mitnahme des Beschwerdeführers durch den Mullah bzw. den Taliban. Zu solchen „Sanktionen“ ist es jedoch nie gekommen (vgl. auch Seite 9 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Sie haben gesagt, dass das ungefähr 2-3 Monate vor ihrer Flucht alles passiert ist. In diesem Zeitrahmen sind Sie aber nie mit Gewalt von diesem Mullah mitgenommen worden. Ist das richtig? BF: Ja. […]“). Wenngleich es durchaus vorstellbar ist, dass der Mullah dem Beschwerdeführer zunächst sehr freundlich begegnet sein könnte, erscheint es letztlich doch als nahezu ausgeschlossen, dass der Mullah seine Drohungen dem Beschwerdeführer gegenüber nie umgesetzt hätte, insbesondere vor dem Hintergrund des langen Zeitraumes von zwei bis drei Monaten.

Völlig unplausibel waren auch die Angaben des Beschwerdeführers auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts, ob er jemals zwangsweise vom Mullah mitgenommen worden sei (vgl. Seite 9 Verhandlungsprotokoll, arg „R: […] In diesem Zeitrahmen sind Sie aber nie mit Gewalt von diesem Mullah mitgenommen worden. Ist das richtig?“). Der Beschwerdeführer führte dazu plötzlich aus, dass er nie alleine unterwegs gewesen bzw. nie alleine aus dem Haus gegangen sei und immer seinen Vater oder seine Mutter darum gebeten hätte, ihn zu begleiten (vgl. Seite 9 Verhandlungsprotokoll, arg. „BF: Ja. Ich war auch nie alleine unterwegs. Ich hatte immer Angst davor, dass dieser Mann, damit meine ich den Mullah, mich mitnehmen würde. Ich habe nie freiwillig mit ihm gesprochen. R: Das verstehe ich nicht ganz. Was heißt, dass Sie nie alleine unterwegs waren. Wer war immer mit Ihnen? BF: Ich bin nie alleine aus dem Haus gegangen. Aber, wenn ich aus dem Haus hinausgehen musste, habe ich immer meinen Vater oder meine Mutter darum gebeten, mich zu begleiten.“). Dieses Vorbringen steht zunächst im offenkundigen Widerspruch zum gesamten bisherigen, wonach (insbesondere aufgrund der freien Erzählung des Beschwerdeführers) davon ausgegangen werden musste, dass der Beschwerdeführer stets alleine von dem Mullah angesprochen worden sei (vgl. AS 64, arg. „F: Wie oft das Mullah mit Ihnen gesprochen? A: Er hat mich mehrere Male aufgefordert auf ihn nach dem Gebet zu warten. F: In welchem Zeitraum? A: Es war ungefähr in einem Zeitraum von zwei Monaten. F: Und Sie nie auf eine Mullah gewartet? A: Nein, ich bin immer nach Hause gegangen.“ bzw. Seite 6 Verhandlungsprotokoll, arg. „BF: […] Dann sagte er mir, wenn ich mit ihm nicht mitkommen sollte, dann wird er mich unter Zwang mitnehmen. Er würde mich mitnehmen ohne, dass meine Eltern es merken. Nach dem der Mullah mir gesagt hat, dass ich mit ihm mitkommen soll und er mich ins Paradies schicken wird, erzählte ich davon meiner Mutter.“). Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. „R: Das heißt der Mullah hat Sie immer unter Anwesenheit Ihres Vaters oder Mutter angesprochen und gesagt, dass sie einen Selbstmordanschlag verüben sollen?“) behauptete der Beschwerdeführer dann wiederum, dass er (offenbar) doch alleine gewesen sei (vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls, arg. „BF: Nein, in Anwesenheit meiner Eltern hat der Mullah nie mit mir darüber gesprochen. Er hat immer nur dann mit mir darüber gesprochen, wenn ich alleine war, wenn ich in der Moschee war.“). Auch aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben ist das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu qualifizieren.

2.2.4. Schließlich war aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den tatsächlichen Verhältnissen über seine im Heimatdorf (nach wie vor) lebenden Familienangehörigen nicht nachvollziehbar und widersprüchlich: Zunächst gab der Beschwerdeführer an, dass es seinen Eltern und der Familie gut gehe (vgl. Seite 3 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Haben Sie Kontakt mit den Familienangehörigen? Wie geht es den genannten Familienangehörigen derzeit? BF: Zuvor hatte ich Kontakt zu meiner Familie. Damals ging es ihnen gut. […] sowie „R: Haben Sie Ihre Eltern auch gefragt, wie es den anderen Familienangehörigen geht? BF: Einmal habe ich meine Eltern gefragt, wie es ihnen geht. Sie sagten, dass es ihnen gut geht. Danach habe ich sie nicht mehr gefragt. Ich habe nur mit meinen Eltern gesprochen. Nachgefragt: Gemeint war, wie es den Cousins geht.“). Auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichtes, ob die Familie nach der Flucht des Beschwerdeführers irgendwann Probleme mit den Taliban bekommen habe, führte der Beschwerdeführer plötzlich aus, dass ihm sein Vater gesagt habe, dass es ein Problem gebe und es sein könnte, dass er nicht mehr länger im Dorf bleiben könne (vgl. Seite 4 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Hat Ihre Familie nach Ihrer Flucht irgendwann Probleme mit den Taliban bekommen? BF: Ja, mein Vater sagte mir, dass es ein Problem gibt und es könnte sein, dass er nicht mehr länger im Dorf bleiben könne.“). Diese Auskunft hätte ihm sein Vater aber bereits vor einem Jahr erteilt (vgl. Seite 4 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wann hat Ihnen das Ihr Vater gesagt? BF: Vor etwa einem Jahr.“), womit aber – selbst bei Zutreffen dieser Behauptungen – jedenfalls davon auszugehen ist, dass die Familie des Beschwerdeführers nach dieser Drohung mindestens noch drei Monate im Heimatdorf (offenbar unbehelligt) leben konnte. Diese Annahme stützt sich auf die eigenen Aussagen des Beschwerdeführers über den letzten Kontakt mit seiner Familie (vgl. Seite 4 f Verhandlungsprotokoll, arg. „BF: […] Seit langem habe ich keinen Kontakt, da die Telefone dort nicht mehr funktionieren, […]“ bzw. „BF: […] Seit 6 oder 7 Monaten habe ich überhaupt keinen Kontakt zu meinen Eltern.“). Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Was ist jetzt das genaue Problem Ihres Vaters?“), machte der Beschwerdeführer zunächst unkonkrete Angaben über die Probleme seines Vaters (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll, arg. „BF: Das Leben meines Vaters ist in Gefahr. Das Leben der gesamten Familie ist gefährdet. Sie können dort nicht friedlich leben.“), um schließlich anzugeben, dass die Probleme aufgrund seiner Weigerung, einen Selbstmordanschlag auszuführen, entstanden seien (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Warum haben sie wegen der Taliban Probleme? BF: Die Taliban wollten, dass ich einen Selbstmordanschlag verübe.“). Des Weiteren behauptete der Beschwerdeführer, dass die Taliban nach seiner Flucht immer wieder seine Familie aufgesucht und bedroht hätten (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Das heißt nach Ihrer Flucht haben die Taliban immer wieder Ihre Familie aufgesucht und sie bedroht? BF: Ja, als ich hierhergekommen bin, sagte mir mein Vater einmal, dass die Taliban bei uns Zuhause waren und nach mir gefragt haben. Es war der Mullah, der bei meinem Vater war und nach mir gefragt hat.“), um auf Nachfrage zu ergänzen, dass dies 6 Monate oder ein Jahr nach seiner Ausreise passiert sein soll (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wie lange war das nach Ihrer Ausreise? BF: 6 Monate oder ein Jahr.“). Abgesehen davon, dass es nur schwer vorstellbar erscheint, dass der Mullah (bzw. die Taliban) erst nach sechs Monaten (oder gar erst nach einem Jahr) nach der Flucht des Beschwerdeführers die Familie des Beschwerdeführers aufgesucht hätten, um sie zu bedrohen, konnte der Beschwerdeführer in weiterer Folge keine substantiierten Angaben zu den behaupteten Bedrohungen gegenüber seiner Familie tätigen (vgl. Seite 5 f Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Was hat Ihr Vater den Mullah geantwortet? BF: Mein Vater sagte den Mullah, dass er nicht wüsste, wo sein Sohn ist und wohin er gegangen ist. R: Wie war die Reaktion vom Mullah? BF: Das weiß ich nicht, denn der Mullah hat mit meinem Vater gesprochen. Der Mullah hat auf jeden Fall meinen Vater und die Familie bedroht. Ich bin mir aber sicher, dass der Mullah meine Familie bedroht hat. Er hat bestimmt meinem Vater gesagt, wenn mein Vater mich den Taliban nicht übergibt, dann werden sie meinen jüngeren Bruder mitnehmen.“).

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einem „gesteigerten Vorbringen“ des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Bedrohung der Taliban (bzw. des Mullahs) gegenüber seiner Familie aus. Hätten die Taliban bzw. der Mullah tatsächlich noch immer ein derart hohes Interesse, dass ein Jugendlicher sich ihnen zwecks Verübung eines Selbstmordanschlags anschließen soll, dann hätten die Taliban bereits den zweitältesten Bruder des Beschwerdeführers, der derzeit im selben Alter ist, wie der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Flucht aus Afghanistan (11 Jahre), bedroht bzw. zwangsweise mitnehmen können. Diesfalls wäre aber der zweitälteste Bruder des Beschwerdeführers in mindestens so großer Gefahr wie der Beschwerdeführer Ende 2015 und hätte der Vater den zweitältesten Bruder des Beschwerdeführers ebenfalls aus Afghanistan weggeschickt. Selbst die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach seine Brüder nunmehr „ständig“ zu Hause wären (vgl. Seite 6 Verhandlungsprotokoll, arg. „BF: Mein Vater lässt meine Brüder nicht aus dem Haus. Sie gehen auch nicht zur Schule. In unserem Dorf gibt es nur diesen einzigen Mullah und auch die Amerikaner halten sich manchmal dort auf. Meine Brüder sind ständig immer im Haus.“), hielte einen einflussreichen Mullah nicht davon ab, den zweitältesten Bruder mit Gewalt mitzunehmen, ungeachtet des Umstandes, dass sich dieser im Hause „verstecken würde“. Der Beschwerdeführer brachte auf die Frage seiner gesetzlichen Vertreterin selbst vor, dass sein Vater ein sehr einfacher Mann gewesen sei, vor dem keiner Respekt gehabt hätte und jeder ihm etwas sagen hätte können (vgl. Seite 11 Verhandlungsprotokoll, arg. „GV: Warum hat der Mullah genau Sie ausgewählt? BF: Ich habe es auch zuvor schon gesagt. Mein Vater war ein sehr einfacher Mann. Keiner hatte Respekt vor ihm und keiner hat sich auch vor ihm geschämt und jeder hat ihm etwas sagen können.“). Hätte der Mullah daher weiterhin ein Interesse an der Familie des Beschwerdeführers, dann wäre es für ihn aber ein „Leichtes“ gewesen, den zweitältesten Bruder des Beschwerdeführers ebenfalls (allenfalls unter Zwang) mitzunehmen, zumal nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers dieser Mullah Kontakte zu den Taliban gepflegt haben soll (vgl. Seite 7 Verhandlungsprotokoll, arg. „BF: […] Dieser Mullah hatte Kontakte zu den Taliban. Er war ein Spion. Niemand im Dorf wusste, dass er ein Spion ist. Keiner im Dorf wusste, dass er zu den Taliban Kontakte hat.“)

2.2.5. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im gegenständlichen Fall nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einvernahme vor der belangten Behörde erst 13 Jahre war und derzeit noch immer minderjährig ist. Ferner verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass im Verfahren mit unbegleiteten Minderjährigen „das jugendliche Alter, die Abhängigkeit und eine allfällige relative Unreife sowie Bildung und kultureller Hintergrund zu berücksichtigen sind“ (vgl. Seite 10 Beschwerdeschriftsatz). Schließlich verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund insofern gleichbleibend vorbrachte, als er ausführte, von einem Mullah bedroht worden zu sein und insbesondere den Selbstmordanschlag erwähnte. Jedoch geht das Bundesverwaltungsgericht (aufgrund der unter 2.2.1. bis 2.2.4. dargelegten Erwägungen) davon aus, dass sich das Fluchtvorbringen nicht in derartiger Weise abgespielt haben kann, wie vom Beschwerdeführer behauptet, da teilweise grobe Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers festzustellen waren. Daran vermag auch das vergleichsweise jugendliche Alter des Beschwerdeführers nicht zu ändern.

2.2.6. Schließlich ist zum klinisch-psychologischen Befund des Beschwerdeführers bzw. zur jüngsten Stellungnahme des Beschwerdeführers anzumerken, dass auch eine diagnostizierte „leichte Intelligenzminderung“ des Beschwerdeführers nichts am obigen Ergebnis zu ändern vermag. Folgte man hingegen den Ausführungen in den Stellungnahmen der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, dann hätte dies letztlich die (rechtlich nicht tragbare) Konsequenz, einem Beschwerdeführer, bei dem eine unterdurchschnittliche Intelligenz festgestellt wurde und der zudem ein noch jugendliches Alter aufweist, im Zweifel den Asylstatus zu gewähren, womit aber § 3 Abs. 1 AsylG 2005, wonach der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund glaubhaft zu machen hat, de facto ausgehebelt würde.

Weitere Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer niemals persönlich von den Taliban bedroht (vgl. Seite 7 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Wurden Sie, außer von diesem Mullah, jemals von anderen Taliban bedroht? BF: Von den anderen Taliban wurde ich nicht persönlich bedroht.“). Der Beschwerdeführer brachte zudem selbst vor, dass sein Vater ein sehr einfacher Mann sei und weder politisch oder für die Regierung tätig gewesen sei, noch sich jemals mit den Taliban „angelegt“ oder sich gar öffentlich gegen diese ausgesprochen hätte (vgl. Seite 6 Verhandlungsprotokoll, arg. „R: Ist oder war Ihr Vater jemals politisch oder für die Regierung tätig? BF: Nein. R: Hat sich Ihr Vater jemals mit den Taliban angelegt als auch gegen sie gesprochen? BF: Nein.“). Es ist daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer – auch unter Beachtung einer Zeitspanne von fast fünf Jahren nach seiner Flucht – aktuell einer unmittelbaren und individuell ausgehenden Verfolgungsgefahr in Afghanistan ausgesetzt wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).

§ 28 VwGVG („Erkenntnisse“) regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[…]“

Zu Spruchpunkt A)

3.2.    Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

3.3.    Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die „Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

„Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 13.09.2016, Ra 2016/01/0054). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233; VwSlg. 16.084 A/2003; VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0220). Es ist für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass in der Vergangenheit eine Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens zur Verfolgungsgefahr aufgrund der Bedrohung durch einen Mullah keine Glaubwürdigkeit zu. Zudem konnte entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser nach einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohungssituationen ausgesetzt wäre.

3.4.    Folglich sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Glaubwürdigkeit mangelnde Asylrelevanz terroristische Tat Verfolgungsgefahr Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W123.2201011.1.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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