TE Bvwg Beschluss 2020/6/16 L525 2217522-3

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L525 2217522-3/2E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , am XXXX alias XXXX geb., laut belangter Behörde nunmehr StA. ungeklärt, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen vom 30.4.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gem. § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich des Verfahrensganges auf den hg Beschluss vom 4.12.2019, Zl. L515 2217522-2/5E verwiesen, mit welchem der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 21.10.2019 behoben wurde. Zur auch hier relevanten Frage der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers führte das Bundesverwaltungsgericht aus, das fortgesetzte Ermittlungsverfahren (Anm.: mit dem hg Beschluss vom 30.4.2019, Zl. L515 2217522-1 wurde bereits einmal ein Bescheid der belangten Behörde wegen groben Ermittlungsfehlern und einer nicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung behoben) stelle sich als "sehr überschaubar - um nicht zu sagen rudimentär" dar und erschöpfe sich in einem selektiven schriftlichen Vorhalt des bisherigen Ermittlungsergebnisses, in welchem dem Beschwerdeführer vorgehalten worden sei, dass die Identität seiner Mutter, welche von der georgischen Botschaft identifiziert worden sei, nicht feststehe und der Aufforderung zum Nachweis der Staatsbürgerschaft der hierzu eingehalten Stellungnahme. Für das Bundesverwaltungsgericht stelle sich der Mehrwert der nunmehrigen Ermittlungen im Vergleich zum Ermittlungsverfahren, welches bereits durchgeführt worden sei, als nicht erkennbar dar. Die belangte Behörde im Verfahren die Elternschaft jener Menschen, die im Verfahren als die Eltern des Beschwerdeführers aufgetreten seien, nicht an und habe die belangte Behörde die Identität der Mutter des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen. Ob sie die Identität des Vaters als erwiesen annehme, könne dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Fakt sei, dass der Beschwerdeführer eine Geburtsurkunde vorgelegt habe und vorgebracht habe, dass sie die in der Urkunde genannte Person sei und sei von der belangten Behörde auch wiederholt von diesem Umstand ausgegangen worden, andererseits sei er auch in Zweifel gezogen worden. In der hier vorliegenden Fallkonstellation könne der bloße Hinweis, dass der Beschwerdeführer keine personenbezogenen Dokumente (gemeint sei wohl: keine Dokumente mit biometrischen Merkmalen) vorgelegt habe, nicht als schlüssige Begründung, dass die Identität nicht feststehe, herangezogen werden und stelle sich die Beweiswürdigung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als nicht schlüssig dar. So wäre es beispielsweise möglich gewesen die Mutter des Beschwerdeführers zeugenschaftlich einzuvernehmen. Auch - so das Bundesverwaltungsgericht weiter - sei seitens der belangten Behörde der bisherige Lebensweg des Beschwerdeführers nicht angezweifelt worden, woraus sich ergebe, dass der Beschwerdeführer zu Sowjetzeiten in Georgien geboren worden sei, später in Armenien und bis zur Ausreise in der Ukraine gelebt habe. Falls die belangte Behörde tatsächlich Zweifel am Aufenthalt in der Ukraine hegen würde, stünde ihr die Möglichkeit offen, zu diesem Beweisthema etwa eine Sprach- und Herkunftsanalyse einzuholen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar erschient dem Bundesverwaltungsgericht, dass die belangte Behörde es als unreflektiert angenommen habe, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine über kein Aufenthaltsrecht verfügt habe, zumal zumindest der Vater dort zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei und der Eigentümer von Liegenschaften gewesen sein soll. Es erscheine zumindest hinterfragenswert, ob es sich hierbei nicht lediglich um eine Schutzbehauptung handle. Letzlich sei darauf verwiesen, dass die belangte Behörde ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Entscheidungsfindung nicht herangezogen habe, nämlich die französische Asylakte und die Angaben des Beschwerdeführers vor den französischen Asylbehörden. Rechtlich führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe die ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Die bisherigen Erwägungen der belangten Behörde seien nicht schlüssig und würden wesentliche Elemente des maßgeblichen Sachverhaltes nicht einem solchen Umfang nicht ermittelt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Staatsangehörigkeit nicht feststehe. Bereits der hg Beschluss vom 30.4.2019, Zl. L515 2217522-1/7E sei in Rechtskraft erwachsen und sei damit Teil der Rechtsordnung. Es obliege nicht dem Belieben der belangten Behörde bei gleicher Sach- und Rechtslage Ermittlungsaufträgen nicht zu entsprechen, sondern stellen sich diese Aufträge als verbindlich dar.

Die belangte Behörde gab in weiterer Folge abermals einen Rechercheauftrag an einen näher genannten Sachverständigen mit dem Auftrag folgende Fragen zu beantworten:

* Ob der Beschwerdeführer in der Ukraine gelebt habe und dort ein Aufenthaltsrecht innehatte bzw. dort gemeldet gewesen sei

* Ob der Vater des Beschwerdeführers in einer näher bezeichneten Siedlung in Donezk eine Landwirtschaft mit mehreren Hektaren Grund- und Pachtgrundstücke sowie Viehbestand gehabt habe

* Ob der Beschwerdeführer die Schule in der Ukraine besucht habe

Mit Stellungnahme vom 5.3.2020 führte der Sachverständige unter Punkt 3. (Gutachten) aus, die Befundaufnahme hätte ergeben, dass weder der Beschwerdeführer noch dessen Vater als Staatsangehöriger, noch als Ausländer mit gültigem Aufenthaltstitel, noch als Staatenlose jemals registriert gewesen seien. Diese Auskunft sei sowohl von den Migrationsbehörden als auch vom Innenministerium der Ukraine als auch vom Innenministerium der Volksrepublik Donezk übereinstimmend erteilt worden. Hinsichtlich der Wohnadresse in Donezk hätte die Befundaufnahme vor Ort ergeben, dass unter dieser Adresse seit den 80er Jahren eine Familie mit einem anderen (näher angeführten) Namen wohnen würde. Dieser sowie den befragten Nachbarn sei der Name des Beschwerdeführers unbekannt. Hinsichtlich des Schulbesuches des Beschwerdeführers hätte eine Überprüfung bei näher angeführten Schulen ergeben, dass der Schulbesuch des Beschwerdeführers nicht bestätigt werden habe können. Eine Einheit bzw. Siedlung mit dem Namen Universalnaya existiere darüber hinaus auch nicht. Erhebungen bei der Agrarbehörde der Stadt Donezk hätten ergeben, dass auf den Vater des Beschwerdeführers keine landwirtschaftlichen Flächen registriert seien bzw. gewesen seien.

Die belangte Behörde übermittelte die Rechercheergebnisse an den Beschwerdeführer und replizierte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8.4.2020 dahingehend, als dass ab 1993 in der Ukraine ohne Aufenthaltspapiere oder Dokumente gelebt habe. Gegen Geldleistungen sei sein Aufenthalt allerdings von den Behörden toleriert worden. Jene Familie, die seit den 80er Jahren an der Adresse wohnen soll, sei ihm nicht bekannt. Hinsichtlich des Schulbesuches könne er nur sagen, dass er zwischen 1993 und 1998 die Schule besucht habe, das Abschlusszeugnis habe er gegen Entgelt erhalten. Dieses habe er allerdings nicht mehr. Sein Vater könne genauere Angaben machen, jedoch habe er keinen Kontakt zu ihm.

Mit dem nunmehr gegenständlichen Bescheid des BFA vom 30.4.2020 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 6 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest, er sei volljährig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer bekenne sich zur Volksgruppe der Jeziden und spreche Russisch, Armenisch, Ukrainisch und Jezidisch. Seine Staatsangehörigkeit stehe nicht fest. Der Beschwerdeführer verfüge über geringe Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer sei im September 2015 widerrechtlich in das Bundesgebiet eingereist, er habe bis Februar 2014 in der Ukraine gearbeitet und habe sich dort widerrechtlich aufgehalten. Der Beschwerdeführer habe die Ukraine im Dezember 2014 Richtung Frankreich verlassen. Nachdem die Asylanträge des Beschwerdeführers und der Lebensgefährtin dort negativ entschieden worden seien, sei der Beschwerdeführer nach Österreich gelangt. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Verfolgungsgründe vorgebracht. Der Beschwerdeführer sei 25 Jahre alt und nicht immungeschwächt. Zum Gesundheitszustand hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer leide an Problemen mit der Schilddrüse und leide an Problemen mit dem Herzen. Er habe im Juni/Juli 2015 einen Stent eingesetzt bekommen. Er sei am 23.2.2018 am Auge operiert worden. Der Beschwerdeführer nehme eine Reihe an Medikamenten ein. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sich der Beschwerdeführer jemals in der Ukraine aufgehalten habe, dort gelebt hätte oder die Schule dort besucht hätte. Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Der Vater des Beschwerdeführers sei seit dem 14.6.2017 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet, seine Mutter habe einen Asylantrag eingebracht, welcher negativ entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit der Mutter. Die frühere Lebensgefährtin lebe ebenso im Bundesgebiet und habe der Beschwerdeführer zwei Kinder mit ihr. Der Beschwerdeführer lebe von der Familie getrennt, komme nicht für den Unterhalt auf und pflege auch sonst keinerlei Kontakte. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zur Identität des Beschwerdeführers aus, der Vater des Beschwerdeführers sei armenischer Staatsangehöriger, die Mutter sei georgische Staatsangehörige. Die ergebe sich aus den Angaben des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe in Georgien, Armenien und (widerrechtlich) in der Ukraine gelebt. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine weder als Staatsbürger, noch als Ausländer mit einem gültigen Aufenthaltsrecht gelebt habe. Dies hätten die Vor-Ort-Recherchen gezeigt. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass er sich zuletzt in Donezk aufgehalten habe, hätten durch das Gutachten nicht bestätigt werden können.

Mit Schriftsatz vom 28.5.2020 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Akten des Verfahrens vor und wurde mit Mail vom 8.6.2020 bestätigt, dass die Beschwerdevorlage am 5.6.2020 in Wien und am 8.6.2020 in Linz eingelangt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzbestimmungen im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Identität steht nicht fest.

Seit dem hg Beschluss vom 4.12.2019 gab die belangte Behörde ergänzende Ermittlungen in Auftrag. Die Anfragebeantwortung kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine unbekannt sei und nie über die ukrainische Staatsbürgerschaft bzw. ein Aufenthaltsrecht verfügte. Ebenso habe nicht verifiziert werden können, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine jemals die Schule besucht habe bzw. dass sein Vater über eine Landwirtschaft verfügt habe. Die Anfragebeantwortung besteht insgesamt aus fünf Seiten (Deckblatt mitberücksichtigt), davon besteht die zweite Seite grob aus der Beschreibung des Auftrages, die nächsten eineinhalb Seiten bestehen aus der Befundaufnahme und das Gutachten besteht aus grob einer Seite. Unter der Überschrift "2. Befundaufnahme" wird dargelegt, welche Ermittlungsschritte gesetzt wurden, unter anderem "Erhebungen im Innenministerium der Russischen Föderation sowie dem Innenministerium der Republik Ukraine und dem dzt. defacto zuständigen Innenministerium der DNR (Donezkaja Narodnaja Respublika)", "Erhebungen vor Ort in Donezk (DNR) betr. die Adresse Donezk, ul. Timur 7 sowie bei den Schulen des Mikrorayons Donezk 71", "Erhebungen bei der Agrarbehörde der Stadt Donezk betr. die behaupteten landwirtschaftlichen genutzten Flächen", "Erhebungen eines als Ermittlungshelfer betrauten und in den GUS-Staaten tätigen konzessionierten Detektivbüros mit Zentrale in MD-2001 Chisinau/MD. Dieser Ermittlungshelfer wurde vom SV in die besonderen Anforderungen und die Vorgehensweise eingewiesen. Der Grund der Recherche wurde diesem nicht bekannt gegeben. Außerdem wurde dieser angehalten bei sämtlichen Recherchen unter strikter Wahrung der Anonymität des bzw. der ASt gegenüber allen möglichen bzw. angegebenen Verfolgern, unberechtigten Dritten und insbesondere gegenüber staatlichen Stellen von sich aus keine Verbindung der ASt zu österreichischen Behörden oder ihrem von jenen möglicherweise vermuteten derzeitigen Aufenthalt oder dem Auftraggeber herzustellen. Er stammt nicht weder aus der RF noch aus der UA oder der DNR und hat dort weder Wohn- noch Unternehmenssitz, wodurch die Vertraulichkeit der Ermittlungen zusätzlich erhöht wird. Der SV verbürgt sich ferner für alle ermittelten Rechercheergebnisse und deren Nachvollziehbarkeit, sowie auch für den eingesetzten Ermittlungshelfer, insbesondere für dessen besondere Integrität und Vertrauenswürdigkeit. Auch der Ermittlungshelfer zeichnet sich durch besondere Landeskenntnis und Sorgfalt aus und weiß abzuwägen, wie Ermittlungen geführt werden müssen, um die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Durchführung zu wahren (Anonymität, Amtsgeheimnis, berufliche Verschwiegenheitspflicht). Die Daten des Ermittlungshelfers werden dem BFA bekannt gegeben, unterliegen jedoch dann dem Ausschluss von der Akteneinsicht, wenn die Gefahr von Druckausübung seitens des ermittelten Umfelds aufgrund der Rechercheergebnisse besteht. Sofern es durch das BFA ausdrücklich gewünscht wird können auch Auskünfte von Behörde beigeschafft werden die geeignet sind, die ermittelte Sachlage zu bestätigen" (Anm.: Fehler im Original).

Die Anfragebeantwortung besteht darüber hinaus aus keinerlei Bilder, es wird nicht konkret dargelegt, wo und wann die Ermittlungen durchgeführt wurden und wird auch nicht festgehalten, mit wem konkret gesprochen wurde.

Der hg. Beschluss vom 4.12.2019, Zl. L515 2217522-2/5E erwuchs in Rechtskraft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF lautet:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt."

Die Beschwerde argumentiert zunächst damit, dass die belangte Behörde den Aufträgen des Bundesverwaltungsgerichtes im Beschluss vom 4.12.2019 nur unzureichend nachgekommen ist. Bereits damit zeigt sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Das Bundesverwaltungsgericht führte im hg Beschluss vom 4.12.2019, Zl. L515 2217522-2/5E aus, dass die Feststellung, dass die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nicht feststeht nur dann zulässig ist, wenn die belangte Behörde nach Ausschöpfung sämtlicher ihr möglichen und als Spezialbehörde zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung zum Schluss kommt, dass der Beschwerdeführer keine Staatsbürgerschaft besitzt und sich im Falle der Staatenlosigkeit auch kein Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes feststellen lässt. Dazu trug das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde unter anderem auf, dass die behauptete Mutter des Beschwerdeführers, die ohnehin in Österreich aufhältig ist, einvernommen werden soll und - falls Zweifel am Verwandtschaftsverhältnis bestehen, etwa eine DNA-Analyse vorgenommen werden könnte. Falls Zweifel am Aufenthalt in der Ukraine bestehen, solle eine Sprach- und Herkunftsanalyse eingeholt werden. Darüber hinaus trug das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde ausdrücklich die Herbeischaffung des französischen Asylaktes (unter Betonung, dass es sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes um ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Entscheidungsfindung handelt) auf. Nun kann dem vorgelegten Akt weder entnommen werden, dass die Mutter zeugenschaftlich einvernommen wurde, noch ist ersichtlich, dass sich die belangte Behörde um den französischen Asylakt bemüht hätte, geschweige denn, dass die belangte Behörde ein Sprachgutachten einholte. Das erkennende Gericht sieht sich bemüht die belangte Behörde nochmals darauf zu stoßen, dass es nicht im Ermessen der Behörde liegt bei gleicher Sach- und Rechtslage aufgetragenen Ermittlungsaufträgen zu entsprechen oder nicht zu entsprechen, sondern stellen sich diese Aufträge als rechtsverbindlich dar.

Da nach den einschlägigen Bestimmungen der Dublin III Durchführungsverordnung insbesondere der französische Asylakt ohnehin über die belangte Behörde angefordert werden müsste, ist auch nicht erkennbar, dass - sollte das erkennende Gericht dies selbst vornehmen - dies zu einer Beschleunigung des Verfahrens führt. Ebenso hätte die belangte Behörde bereits den Aufträgen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen müssen, weswegen auch hier nicht erkennbar ist, in wie fern eine eigene Vornahme der Ermittlungsschritte, an welche die belangte Behörde ohnehin schon gebunden war, zu einer Beschleunigung des Verfahrens führt.

Soweit die belangte Behörde Vorort-Recherchen vornahm, ist festzuhalten, dass das Rechercheergebnis zumindest ergänzungsbedürftig ist. Weder wird im Gutachten dargelegt, welche Qualifikationen die Ermittler vor Ort haben, noch werden die konkreten Ermittlungsschritte nachvollziehbar dargelegt. Beispielhaft wird angeführt, dass die Anfragebeantwortung zwar davon spricht, dass eine Befragung von Nachbarn ergeben hätte, dass der Beschwerdeführer nie an der angegebenen Adresse in der Ukraine gelebt habe, weder werden aber die Namen dieser angeblichen Nachbarn in der Beantwortung angeführt, noch werden andere Identitätsmerkmale (wie zB ein Geburtsdatum, etc) angeführt. Ebenso wird nicht einmal ansatzweise dargelegt, welche konkreten Erhebungen denn in den diversen Innenministerien gemacht wurden, noch wird für das erkennende Gericht das Ermittlungsergebnis nachvollziehbar dargelegt. Soweit der beauftragte Ermittler anführt, sämtliche Ermittlungsschritte könnten dargelegt werden, so stellt sich für das erkennende Gericht die Frage, weswegen dies nicht bereits in der eigentlichen Anfragebeantwortung durchgeführt wurde, sondern dies erst gemacht wird, wenn es "gewünscht" ist. Darüber hinaus ist auch nicht nachvollziehbar, über welche Qualifikationen das beauftragte Detektivunternehmen nun tatsächlich verfügt. Soweit in der Anfragebeantwortung darüber hinaus darauf hingewiesen wird, dass die Daten nur unter Ausschluss von der Akteneinsicht bekannt gegeben werden, ist darauf hinzuweisen, dass es wohl nicht im Ermessen des Beauftragten liegt vorzuschreiben wie der Akt bzw. das Verfahren zu führen sein wird. Das erkennende Gericht hält auf alle Fälle fest, dass die Ermittlungsergebnisse nicht nachvollziehbar dargelegt wurden und ergänzenden Ausführungen bedürfen.

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG ausschloss, sieht sich das erkennende Gericht abermals - vgl. dazu bereits die hg Ausführungen im Beschluss vom 22.11.2019, Zl. L515 2217522-2/4Z - dazu angehalten, festzuhalten, dass die Darlegung im angefochtenen Bescheid nicht ausreicht, um die aufschiebende Wirkung auszuschließen. So führte das Bundesverwaltungsgericht im oben angeführten Beschluss aus: "Abschließend erlaubt sich das ho. Gericht ungeachtet der im Vorabsatz dargelegten Ausführungen darauf hinzuweisen, dass § 18 BFA-VG dazu dienen soll, ein beschleunigtes Verfahren zu führen und es sich bei Abs. 1 leg. cit. um eine Ermessensentscheidung, das Vorliegen einer Voraussetzung der leg. cit. nicht in einem Automatismus zur Aberkennung der aufschiebenen Wirkung zu führen hat und die Behörde bei der Ausübung Ihres Ermessens stets die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat (siehe hierzu etwa RV 582 XXV GP) und ist im Rahmen der Ermessensausübung eine individuelle Interessensabwägung durchzuführen, zumal es sich bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung um mehr als ein beschleunigtes Verfahren handelt (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K4 und K5 zu § 18 BFA-VG). Im Lichte dieser Ausführungen erschließt es sich für das ho. Gericht nicht, inwieweit durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im gegenständlichen Fall (der Herkunftsstaat steht nicht fest, ein Reisedokument bzw. ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung liegt nicht vor und bestehen auch keine Hinweise, dass ein solches sehr zeitnahe zu Tage treten wird) die Führung eines beschleunigten Verfahrens im öffentlichen Interesse liegt, bzw. durch die Führung eines beschleunigten Verfahrens der rechtskonforme Zustand rascher als bei der Führung keines beschleunigten Verfahrens hergestellt werden kann und liegen die -im angefochtenen Bescheid nicht genannten- Motive, welche die Behörde im Rahmen ihres Ermessens dazu veranlasste, der Beschwerde im konkreten Einzelfall Abweichend von der allgemeinen Regelung des § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung abzuerkannen, im Dunkeln und sind für das ho. Gericht nicht nachvollziehbar." Zunächst hält das erkennende Gericht fest, dass die belangte Behörde die exakt gleiche "Argumentation" im gegenständlichen Bescheid anstellt, obwohl diese bereits im oben angeführten hg Beschluss vom 22.11.2019 massiv kritisiert wurde. Darüber stellen sich die Ausführungen als reine Stehsätze dar, ohne ein einziges Mal konkret auf das gegenständliche Verfahren einzugehen. Vielmehr rezitiert die belangte Behörde in erster Linie gesetzliche Bestimmungen und kommt dann zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe dargelegt hat. Konkrete auf den Fall bezogene Ausführungen sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Soweit darüber hinaus die belangte Behörde in der Beschwerdevorlage vorbringt es werde "auf die besondere Dringlichkeit im Hinblick auf weitere Maßnahmen" hingewiesen, ist dem entgegenzuhalten, dass die besondere Dringlichkeit nicht einmal ansatzweise dargelegt wird. Es erscheint dem erkennenden Gericht geradezu widersinnig, die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn im angefochtenen Bescheid keine Ausweisung in ein bestimmtes Land verfügt wird. Worin die besondere Dringlichkeit im Hinblick auf weitere Maßnahmen liegen soll, erschließt sich nicht und ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG im gegenständlichen Fall nicht mit dem Gesetzeszweck der Bestimmung in Einklang zu bringen.

Der belangten Behörde wird daher abermals aufgetragen, ihrer Ermittlungspflicht nachzukommen und die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes aufgetragenen Ermittlungsschritte vorzunehmen bzw. darzulegen, weswegen diese nicht durchführbar sind.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Auftrag an die belangte Behörde Beweiswürdigung Ermittlungspflicht Identität Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Staatsangehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L525.2217522.3.00

Im RIS seit

19.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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