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98 WohnbauNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des StadterneuerungsG und einer Assanierungsverordnung der Wiener Langesregierung mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen bzw mangels unmittelbarer Betroffenheit des antragstellenden Grundeigentümers angesichts des vorliegenden, ebenfalls bekämpften Feststellungsbescheides betreffend die Ausnahme der Liegenschaft von Assanierungsmaßnahmen; Ablehnung der BeschwerdebehandlungSpruch
I. Die Anträge auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung werden zurückgewiesen.
II. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
Begründung
Begründung:
I. 1. Nach §1 Abs1 StadterneuerungsG, BGBl. 287/1974 idF BGBl. 421/1992 (StEG), kann die Landesregierung durch Verordnung ein Gemeindegebiet oder einen Teil eines Gemeindegebietes, das städtebauliche Mißstände aufweist, die nur durch Assanierungsmaßnahmen beseitigt werden können, zum Assanierungsgebiet erklären. Das Grundbuchsgericht hat hinsichtlich aller Grundstücke, die in Assanierungsgebieten liegen, diese Tatsache auf Antrag der Gemeinde im Grundbuch ersichtlich zu machen (§7 Abs4 erster Satz StEG).
Die Assanierungsmaßnahmen (d.s. eine Anbotsverpflichtung, die Genehmigungspflicht bestimmter Rechtsgeschäfte, die Möglichkeit zur Grundstücksenteignung und die Vorschriften über Erneuerungsgemeinschaften) erstrecken sich gemäß §7 Abs2 StEG
"auf alle im Assanierungsgebiet gelegenen Grundflächen, unabhängig davon, ob sie bebaut sind oder nicht. Von den Assanierungsmaßnahmen nach diesem Bundesgesetz sind ausgenommen
a) Grundstücke, die im §2 Abs1 lita und b angeführt sind, oder
b) Grundstücke, sofern sie die Assanierung nicht erschweren, die im Eigentum des Bundes oder eines Landes oder einer Gemeinde stehen, wenn die Gebietskörperschaft bestätigt, daß diese Grundstücke für von ihr zu besorgende öffentliche Zwecke benötigt werden, oder
c) Baulichkeiten, für welche die behördliche Baubewilligung für das ganze Objekt nach dem 1. Juli 1948 erteilt worden ist, sofern sie die Assanierung nicht erschweren, oder
d) einzelne bebaute Grundstücke, die keiner Assanierung bedürfen, jedoch nur, wenn sie die Assanierung nicht erschweren."
Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat auf Antrag gemäß §7 Abs3 leg.cit. die Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden. Grundstücke, hinsichtlich derer ein entsprechender Feststellungsbescheid erlassen ist, sind von den Assanierungsmaßnahmen des StEG ausgenommen.
2. Der Einschreiter ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 1154, Grundstücksnummer 651/18, KG Leopoldstadt, mit der Liegenschaftsadresse 1020 Wien, Hochstettergasse 3.
Mit Verordnung der Wiener Landesregierung LGBl. für Wien 24/1991 wurde ein Teil des 2. Wiener Gemeindebezirks, in dem sich auch die dem Beschwerdeführer gehörende Liegenschaft befindet, zum Assanierungsgebiet erklärt.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer, die in Rede stehende Liegenschaft vom Assanierungsgebiet auszunehmen, weil das darauf befindliche Mietobjekt in den letzten Jahren aus Eigenmitteln generalsaniert worden sei. Mit Bescheid vom 28. Februar 1994 stellte der Magistrat der Stadt Wien fest, daß "hinsichtlich der auf der Liegenschaft Wien 2., Hochstettergasse 3, errichteten Baulichkeit die Voraussetzungen nach §7 Abs2 litd für die Ausnahme von Assanierungsmaßnahmen vorliegen." Im Anschluß an die Bescheidbegründung und die Rechtsmittelbelehrung findet sich im genannten Bescheid sodann ein "Hinweis" mit folgendem Wortlaut:
"Ungeachtet dieses Bescheides ist im Falle eines beabsichtigten Verkaufs des Grundstückes oder Teile desselben dieses gemäß §8 StEG vorher der Gemeinde zum Kauf anzubieten und bedarf die Übertragung des Eigentums, die Einräumung eines Baurechtes und eines Fruchtnießungsrechtes durch Rechtsgeschäft unter Lebenden gemäß §9 StEG der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde."
Gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die Auffassung vertrat, die Behörde habe nicht nur festzustellen, daß die Voraussetzungen für die Ausnahme von Assanierungsmaßnahmen vorliegen, sondern die Liegenschaft vom Assanierungsgebiet auszunehmen, was zur Löschung der Ersichtlichmachung im Grundbuch führen müßte.
Dieser Berufung gab die Wiener Landesregierung mit Bescheid vom 14. September 1994 keine Folge.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.
Mit dem gleichen Schriftsatz begehrt der Einschreiter - gestützt auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG - die Aufhebung des StEG und - gestützt auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG - die Aufhebung der ("für den gegenständlichen Bereich erlassenen") Verordnung der Wiener Landesregierung LGBl. für Wien 24/1991.
II. 1. Seine Legitimation zur Erhebung der (Individual-)Anträge auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung stützt der Einschreiter auf sein Liegenschaftseigentum. Durch die Erklärung eines auch sein Grundstück mitumfassenden Gebietes zum Assanierungsgebiet durch die bekämpfte Verordnung sei er in seiner Grundrechtssphäre betroffen. Die Rechtswirkungen seien bereits eingetreten und an diesem Umstand ändere sich nichts, "selbst wenn durch einen Bescheid diese Rechtswirkungen hätten beseitigt werden können."
Durch das StEG sei er deshalb unmittelbar betroffen, weil die Verordnung auf dieses Gesetz gestützt sei.
2. Der Antrag, mit dem die Aufhebung des gesamten StEG (so die Antragsbehauptung und der Antrag; in der Begründung ist freilich ein (sprachlich unverständlicher) Satz enthalten, der möglicherweise aussagen will, daß die Aufhebung mit Ausnahme der Verfassungsbestimmung in §9 Abs1 StEG) begehrt wird, ist unzulässig.
Gemäß §62 Abs1 VerfGG hat der Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Der Antragsteller tut jedoch nicht dar, weshalb ausnahmslos jede Bestimmung des StEG verfassungswidrig sei. Der Individualantrag auf Gesetzesprüfung war sohin schon deshalb wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen (vgl. auch VfSlg. 13266/1992), was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren beschlossen werden konnte.
3. Zur Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsantrages hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
a) Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 11726/1988, VfGH 28.11.1994, V125/94).
b) Da für die gegenständliche Liegenschaft - wie der mit demselben Schriftsatz bekämpfte, zu B2285/94 protokollierte Bescheid festgestellt hat - die Voraussetzungen des §7 Abs2 litd StEG zutreffen, ist diese ex lege von den Assanierungsmaßnahmen nach dem StEG ausgenommen. Diese Ausnahmen beziehen sich - entgegen dem rechtsirrigen Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid - auf alle ansonsten in Stadterneuerungsgebieten zulässigen Zwangsmittel.
Angesichts dieses Feststellungsbescheides greift somit die Verordnung - soweit sie die Liegenschaft betrifft, die im Eigentum des Einschreiters steht und die Gegenstand des angeführten Feststellungsbescheides ist - nicht unmittelbar in dessen Rechtssphäre ein.
Auch der Individualantrag auf Verordnungsprüfung war somit wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren beschlossen werden konnte.
III. Der Verfassungsgerichtshof kann
die Behandlung einer Beschwerde in einer Angelegenheit, die nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgeblichen Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht erforderlich. Die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage ist angesichts der unter Pkt. I.1. und II.3.b) dargestellten Rechtslage von der Entscheidung nicht zu erwarten.
Da die Angelegenheit auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, sieht der Verfassungsgerichtshof von einer Behandlung der Beschwerde ab (§19 Abs3 Z1 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Formerfordernisse, Stadterneuerung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B2285.1994Dokumentnummer
JFT_10048872_94B02285_00