TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/23 97/07/0059

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Veröffentlicht am 23.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §1 Abs1 Z4;
AWG 1990 §1 Abs2 Z3;
AWG 1990 §1 Abs3;
AWG 1990 §12 Abs3;
AWG 1990 §15;
AWG 1990 §17 Abs1;
AWG 1990 §17;
AWG 1990 §2 Abs10;
AWG 1990 §2 Abs11;
AWG 1990 §28;
AWG 1990 §32 Abs1;
AWG 1990 §39 Abs1 lita Z2;
VStG §22;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des B in D, vertreten durch Dr. DK, Rechtsanwalt in G, R-Platz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 3. Dezember 1996, Zl. Senat-GF-95-089, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 10. Oktober 1995 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:

"Sie haben zumindest vom 28. Juli 1993 bis zumindest 22. Dezember 1993 auf dem Grundstück 3/6, KG P., Altautos und Altautoteile, in welchen noch Betriebsmittel enthalten waren, somit gefährliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 AWG außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen abgelagert und teilweise so gelagert, daß eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG nicht vermieden wurde, indem durch den Eintrag von den in den Autowracks noch vorhandenen Treibstoffresten, Schmierstoffen, Batterieflüssigkeiten, etc. bei Regen Auslaufen infolge von Korrosion, von Kaputtwerden der Dichtungen und Auslaufen, von der Schrägstellung der Autowracks in den Boden und in weiterer Folge in das Grundwasser, die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt wurde, insbesondere eine Verunreinigung des unbefestigten Bodens erfolgte."

Als Übertretungsnorm wurde § 17 Abs. 1 AWG und als Strafnorm § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG angeführt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 50.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen (120 Stunden) verhängt.

In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, daß anläßlich einer Wasserrechtsverhandlung der Niederösterreichischen Landesregierung am 28. Juli 1993 ein Autowracklager auf dem obbezeichneten Grundstück wahrgenommen worden sei, auf welchem sich cirka 70 Autowracks auf ungeschütztem, unbefestigtem Boden befunden hätten. Der Boden sei teilweise durch ausgelaufene Betriebsmittel verunreinigt gewesen. Das Grundstück befinde sich innerhalb der Rahmenverfügung für das Marchfeld, der Autowracklagerplatz selbst liege knapp außerhalb der Westgrenze des Schongebietes zum Schutz des Trinkwassers im Marchfeld. Der Beschwerdeführer sei Betreiber dieses Lagerplatzes, eine Sammler- oder Behandlungserlaubnis gemäß § 15 AWG besitze er nicht. Der Beschwerdeführer habe in seiner Einvernahme vor der Strafbehörde erster Instanz angegeben, daß zumindest einige wenige Autos noch einen Motorblock enthalten. Die Autowracks enthielten auch Betriebsmittel, Schmierstoffe, etc., welche auf den unbefestigten Boden gelangt seien. Durch Regen oder Schnee habe es somit kontinuierlich zu einem Eintrag in den Boden und somit auch in das Grundwasser kommen können. Einige Autowracks stellten somit gefährlichen Abfall im Sinne des AWG dar. Gemäß § 17 Abs. 1 AWG hätten diese Autowracks nur in genehmigten Abfallbehandlungsanlagen lagern dürfen, da es durch die festgestellten Bodenverunreinigungen und die festgestellen Verschmutzungen aus Betriebsmitteln zu einer Beeinträchtigung im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG gekommen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer u.a. aus, das gegenständliche Grundstück sei als Autoabstellplatz zugelassen, Schäden seien durch Fremdeinwirkung entstanden, die von ihm sofort beseitigt worden seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Dezember 1996 faßte die belangte Behörde folgenden Bescheidspruch:

"1. Herr (Beschwerdeführer) hat zumindest vom 28. Juli 1993 bis 22. Dezember 1993 auf dem Grundstück 3/6 der KG P und somit außerhalb einer genehmigten Abfallbehandlungsanlage Altautos und Altautoteile (in welchen noch Motor- und Getriebeöl, Bremsflüssigkeit, gebrauchte Luft- und Ölfilter und Bleiakkumulatoren enthalten waren), somit gefährliche Abfälle abgelagert, obwohl das Ablagern von gefährlichen Abfällen außerhalb genehmigter Abfallsbehandlungsanlagen verboten ist.

Übertretungsnorm:

§ 17 Abs. 1 zweiter Satz AWG i.V.m. § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG i.V.m. Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, i.V.m. ÖNorm S 2101 (Schlüsselnummer 54103, 54120, 54928, 35322).

Gemäß § 39 Abs. 1 AWG wird über Herrn (Beschwerdeführer) eine Geldstrafe in Höhe von S 25.000,-- Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt.

2. Herr (Beschwerdeführer) hat zumindest vom 28. Juli 1993 bis zumindest 22. Dezember 1994 auf dem Grundstück 3/6 der KG

P. Altautos und Altautoteile (in welchen noch Motor- und Getriebeöl, Bremsflüssigkeit, gebrauchte Luft- und Ölfilter und Bleiakkumulatoren enthalten waren), somit gefährliche Abfälle entgegen § 17 Abs. 1 gelagert, da durch diese Lagerung die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß verunreinigt werden konnte (§ 1 Abs. 3 AWG), da diese gefährlichen Abfälle nicht so gelagert wurden, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 vermieden werden.

Übertretungsnorm:

§ 17 Abs. 1 erster Satz AWG i.V.m. § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG i.V.m. Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle BGBl. Nr. 49/1991, i.V.m. ÖNorm S 2101 Schlüsselnummer 54103, 54120, 54928, 35322).

Gemäß § 39 Abs. 1 lit. a AWG wird über Herrn (Beschwerdeführer) eine Geldstrafe in Höhe von S 25.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt.

..."

Die belangte ging hiebei von folgendem Sachverhalt aus:

"Herr (Beschwerdeführer) hat zumindest im Zeitraum vom 28. Juli 1993 bis 22. Dezember 1993 auf dem Grundstück 3/6 der KG P. Altautos und Altautoteile (in welchen Betriebsmittel enthalten waren) abgelagert. Dieses Grundstück ist keine genehmigte Abfallbehandlungsanlage. Ebensowenig besaß Herr (Beschwerdeführer) für den angelasteten Tatzeitraum keine gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung für dieses Grundstück als Autoabstellplatz."

Rechtlich folgerte die belangte Behörde aus diesen Feststellungen es bedürfe keiner besonderen Begründung, daß die auf den genannten Grundstück abgelagerten Fahrzeugwracks bzw. Wrackteile nicht nur Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG seien, sondern sogar gefährliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 leg. cit. (Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, iVm der ÖNorm S 2101). Aufgrund des Umstandes, daß das erwähnte Grundstück keine genehmigte Abfallbehandlungsanlage darstelle, sei somit der objektive Tatbestand der nunmehr unter Spruchteil 1 angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt. Durch die Gefahr des Auslaufens von Betriebsflüssigkeiten infolge von Korrosionsschäden, defekten Dichtungen und dergleichen und Eindringen in den Boden und in weiterer Folge in das Grundwasser könne die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden (§ 1 Abs. 3 Z. 3 AWG), weshalb auch der objektive Tatbestand der unter Spruchpunkt 2 angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt sei. Der Beschwerdeführer habe vorsätzlich gehandelt. Verjährung sei nicht eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen in der Beschwerde zufolge in dem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt. Das gegenständliche Grundstück sei als Lagerplatz für Altautos genehmigt worden. Die Lagerung derselben werde nur für private Zwecke durchgeführt; hiefür sei keine gewerbliche Nutzung vorgesehen. Der Beschwerdeführer habe Altautos und Altautoteile auch nicht abgelagert; es handle sich bei den Altautos um eine Oldtimersammlung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen mit Geldstrafe von S 50.000,-- bis 500.000,--, wer gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs. 1 lagert, behandelt oder ablagert.

Gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. sind gefährliche Abfälle und Altöle unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln), daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 vermieden werden. Das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen ist unzulässig.

Das AWG verwendet sowohl den Begriff "Ablagern" und "Ablagerung" als auch "Lagern" und "Lagerung", ohne diese Begriffe näher zu definieren. Im hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 95/07/0113, hat der Verwaltungsgerichtshof hiezu bereits klargelegt, daß sich aus dem Wortsinn wie auch aus dem Zusammenhang, in dem der Begriff "Ablagern" verwendet wird, ableiten läßt, daß eine Ablagerung dann vorliegt, wenn sie nach dem erkennbaren Umständen langfristig oder auf Dauer erfolgt; einer Lagerung ist immanent, daß die betreffenden Stoffe projektgemäß wieder entfernt werden. Eine genaue zeitliche Grenze, die das Lagern vom Ablagern trennt, läßt sich dem AWG nicht entnehmen.

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diese Begriffsunterscheidung im AWG zum Anlaß genommen, den Beschwerdeführer im Grunde des § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG deshalb zu bestrafen, weil er gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs. 1 zweiter Satz AWG abgelagert (Spruchteil 1) und solche entgegen § 17 Abs. 1 erster Satz AWG gelagert (Spruchteil 2) hat. In beiden Spruchteilen werden die abgelagerten bzw. gelagerten Gegenstände mit "Altautos und Altautoteile" - ohne nähere Konkretisierung - bezeichnet und für beide Delikte der Tatort und die Tatzeit ident umschrieben. Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält diesbezüglich keine nähere Aufklärung. Die belangte Behörde ging für beide Delikte (Spruchteil 1 und 2) offenkundig von identen Tathandlungen unter Annahme einer zeitlichen, örtlichen und sachlichen Einheit aus, ohne dies näher zu begründen.

Dieser auch gegen § 44a Z. 1 VStG verstoßende Feststellungsmangel belastet den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes auch deshalb, weil eine Handlung, welche nach dem äußeren Anschein zunächst sowohl dem Begriff Ablagern als auch dem Begriff Lagern zugeordnet werden kann, formal zwar die Erfüllung zweier im § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG genannten Tatbestände zeigt, der Unwert des einen Deliktes von der Strafdrohung gegen das andere Delikt aber jedenfalls dann mitumfaßt ist, wenn dieselben Tathandlungen im selben Tatzeitraum bewertet werden sollen. In einem solchen Fall ist durch die Unterstellung der Taten unter den einen Tatbestand der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes bereits für sich abgegolten, weil durch die Bestrafung wegen des einen Deliktes tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfaßt wird (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 23. September 1970, Zl. 678/68, und vom 16. November 1988, Zl. 88/02/0144).

Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Kostenzuspruch erfolgte im begehrten Umfang.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997070059.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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