TE Bvwg Beschluss 2020/6/22 W212 2216593-2

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Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W212 2216593-2/3E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 12.11.2019, ZI.: Islamabad-OB/KONS/0563/2018, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. SZABO, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 10.10.2019, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 06.06.2018 bei der österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend führte sie an, dass ihr Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, in Österreich seit 14.11.2014 asylberechtigt sei.

Am 05.06.2018 fand eine niederschriftliche Befragung der Beschwerdeführerin vor der ÖB Islamabad statt, in der diese angab, ihren Ehemann vor sieben Jahren, somit mit 18 Jahren geheiratet zu haben. Ihr Ehemann wäre ihr Cousin väterlicherseits und wäre es eine arrangierte Ehe gewesen. Sie habe der Ehe zugestimmt, weil es die Familie so gewollt habe und er eine gute Person sei.

Aus der der Antragstellung beigelegten englischen Übersetzung eines "Marriage-Certificate" ergibt sich, dass die am 01.03.2011 geschlossene traditionelle Ehe am 09.10.2017 vor dem "Supreme Court" registriert wurde.

2. In der Folge übermittelte die ÖB Islamabad den Antrag und Sachverhalt an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten an die Beschwerdeführerin im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.

3. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 13.12.2018 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass betreffend die antragstellende Partei die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die behauptete Gültigkeit der Ehe liege nicht vor, da die Ehe nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden habe.

Die im Jahr 2011 erfolgte traditionelle Eheschließung sei im Nachhinein am 09.10.2017 registriert worden, sohin zu einem Zeitpunkt, an dem die Bezugsperson bereits seit fast drei Jahren in Österreich asylberechtigt gewesen wäre. Die Bezugsperson habe somit zu einem Zeitpunkt Afghanistan verlassen, als noch keine rechtsgültig geschlossene Ehe vorgelegen wäre. Eine "Ferntrauung" würde den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung im Sinne des § 6 IPG entgegenstehen. Selbst bei Bejahung des Familienverhältnisses könne vom dringlichen Wunsch auf Fortsetzung eines gemeinsamen Familienlebens nicht ausgegangen werden, da die Antragstellung zur Erteilung eines Einreisetitels zwecks Familienzusammenführung erst nach dreieinhalb Jahren erfolgt sei.

Da das Erkenntnis der Bezugsperson mit 14.11.2014 in Rechtskraft erwuchs und der gegenständliche Antrag erst am 06.06.2018 bei der ÖB Islamabad eingebracht wurde, wären auch die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Zi. 1 bis 3 zu erbringen, welche mit Vorlage der Lohnzettel, des Mietvertrages und der Kontoauszüge, zudem aus Lohneinkünften angespartem Guthaben der Bezugsperson erfüllt worden wären.

4. Mit Schreiben vom 13.12.2018 wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Dem Schreiben wurde die Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2018 angeschlossen, wonach die behauptete Gültigkeit der Ehe nicht vorliege, da die Ehe bei Einreise der Bezugsperson in Österreich nicht bestanden habe.

5. In der Stellungnahme vom 18.12.2018 wurde seitens der Beschwerdeführerin im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Kopie der Originalbestätigung vorgelegt werde, die vor dem Mullah über die Eheschließung erstellt worden wäre. Auf dieser und auf der Grundlage der Zeugenaussagen wäre die Ehe registriert worden. Es werde auf das Manual für afghanisches Familienrecht des Max-Planck-Institutes für Vergleichendes internationales Zivilrecht, Kapitel: Gültigkeit der Ehe, Registrierung der Ehe, verwiesen und werde der Einreiseantrag aufrechterhalten.

6. Die Stellungnahme wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt, welches am 09.01.2019 mitteilte, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2019, der Beschwerdeführerin zugestellt am selben Tag, verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG iVm §35 AsylG. Im Bescheid der Beschwerdeführerin wurde begründend ausgeführt, dass die Gültigkeit der Ehe nicht vorliege und wurde auf das bisherige Verfahren verwiesen.

8. Gegen den Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher vorgebracht wurde, dass eine vor dem Imam geschlossene Ehe ab Eheschließung gültig sei und die Registrierung lediglich eine Ordnungsvorschrift sei, die der öffentlichen Dokumentation gelte. Die Registrierung müsse nicht höchst persönlich geschehen und liegen somit die Voraussetzungen für die Visaerteilung vor, da die Ehe mängelfrei zustande gekommen sei, bevor die Bezugsperson Afghanistan verlassen habe.

9. Mit Beschluss des BVwG zu W212 2216593-1/2E vom 28.05.2019 wurde der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausgegangen sei, dass die Registrierung der Ehe und damit die Rechtsgültigkeit der Ehe nach afghanischem Recht nach der nachweislichen Einreise der Bezugsperson stattgefunden habe, womit die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG iVm § 35 leg. cit sei und ihr Antrag eines Einreiseantrages zu Recht abgelehnt worden sei.

Die Behörde hätte dabei jedoch völlig die Fragestellung ausgeblendet, ob tatsächlich diese Ehe – wie aus dem Eheschließungszeugnis vordergründig hervorgehe – am 01.03.2011 in traditionell-religiöser Form geschlossen worden und ob dabei möglicherweise eine Verletzung des ordre public erfolgt sei.

Im fortgesetzten Verfahren sei insbesondere abzuklären, ob inhaltliche Vorbehalte gegen die Eheschließung, die eine Verletzung des ordre public begründen könnten (wie etwa eine Verletzung des Verbotes der Kinderehe oder des Ehezwangs), vorliege, ob und wann nach den Formvorschriften des Ortes der Eheschließung eine nachfolgende Registrierung korrekt erfolgt sei und gegebenenfalls, ab wann die Ehe als gültig zu Stande gekommen anzusehen sei.

Insbesondere sei festzustellen, ob die Registrierung einer vormals traditionellen Ehe auch in Abwesenheit eines Ehepartners, wenn dieser vertreten werde, zulässig sei beziehungsweise wer bei der Registrierung anwesend sein müsse. Nachdem die Behörde hinreichende Ermittlungen zum afghanischen Eherecht getätigt haben wird, sei in einem weiteren Schritt überhaupt erst möglich, sich damit auseinanderzusetzen, ob die vorgelegten Dokumente geeignet seien, eine in Afghanistan bestehende Ehe zu bescheinigen.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschluss des BVwG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zugeleitet und dieses ersucht, erneut eine Stellungnahme zum Antrag der Beschwerdeführerin abzugeben.

10. In seiner Stellungnahme vom 23.08.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Das Ermittlungsverfahren, die niederschriftlichen Angaben sowie die vorgelegten Beweismittel hätten ergeben, dass die Eigenschaft als Familienangehörige im Sinne des § 35 AsylG gar nicht bestehe.

Nach Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch, sei für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages dessen Registrierung vorgeschrieben, widrigenfalls die Ehe nach staatlichem Recht ungültig sei. Dies, obgleich ein Großteil der afghanischen Bevölkerung die Eheschließung nicht bei den staatlichen Behörden registrieren ließe, zumal die Form der „Ehe nach islamischen Recht“ für alltägliche Angelegenheiten ausreichend sei. Da die am 01.03.2011 in traditioneller Form geschlossene Ehe erst am 19.11.2017 registriert worden sei, sei eine nach afghanischem Recht gültige Ehe erst nach Einreise der Bezugsperson zustande gekommen. Wobei zu berücksichtigen sei, dass eine Registrierung der Ehe den vermeintlichen Eheleuten bereits vor der Ausreise der Bezugsperson zumutbar gewesen wäre. Bei der in Abwesenheit der Bezugsperson erfolgten Registrierung der Eheschließung handle es sich zudem um eine „Ferntrauung“, die den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung im Sinne des § 6 IPRG entgegenstehe. Folglich könne - trotz des Vorliegens einer entsprechenden Vollmacht und somit der Einhaltung der nationalen afghanischen Formvorschriften zum Zustandekommen der Ehe - die in Abwesenheit der Bezugsperson bezeugte Eheschließung in Österreich keinen Rechtsbestand haben. Darüber hinaus sei auch nicht von einem dringlichen Wunsch auf Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens auszugehen, da die Antragstellung zur Erteilung eines Einreisetitels zwecks Familienzusammenführung erst dreieinhalb Jahre nach Zuspruch des Asylstatus der Bezugsperson erfolgt sei. Aus diesem Grund werde auch bezweifelt, dass ein Familienverhältnis während dieser Zeit aufrecht bestanden hätte. Schließlich werde auf den allgemeinen Umstand verwiesen, wonach es in Afghanistan möglich sei, eine Vielzahl an Dokumenten und Bestätigungen widerrechtlich zu erhalten.

11. Daraus ergab sich für die ÖB Islamabad, dass der Antrag auf Erteilung des Einreistetitels gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen wäre und forderte sie die Beschwerdeführerin diesbezüglich zur Abgabe einer Stellungnahme auf.

12. In einer dazu abgegebenen Stellungnahme vom 24.09.2019 machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass - entgegen der Ansicht der Behörde - nicht von einer Ferntrauung die Rede sein könne. Eine solche würde nämlich nur dann vorliegen, wenn der Ehewille durch Stellvertreter bei der Hochzeit geäußert werde und nicht wie hier vorliegend, wenn Zeugen bei der die Ehe registrierenden Behörde bekräftigen, dass die Eheleute den Ehewillen vor dem Geistlichen bekundet haben. Hierbei sei auf das bereits vorgelegte Gutachten des Max-Plank-Institutes zur Ehe in Afghanistan zu verwiesen. Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vertretene Rechtsmeinung, wonach eine nicht registrierte Ehe nach staatlichem Recht ungültig sei, könne in dieser Form ebenso nicht vertreten werden, was vom VwGH bereits mehrfach ausgesprochen worden sei. Die Behörde habe daher eine aktualisierte Darstellung des afghanischen Eherechts einzuholen, insbesondere zur Frage, ob mit der Registrierung der Ehe ihre Rechtswirkungen ex tunc eintreten.

Dass der Antrag nach § 35 AsylG erst nach drei Jahren gestellt worden sei, habe schließlich den Grund, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin zunächst eine entsprechende Arbeit beziehungsweise eine Wohnung hätte finden müssen und auch die Registrierung der Ehe habe erfolgen müssen. Dies um die Führung des mit der Flucht aus Afghanistan unterbrochenen Ehelebens wieder aufnehmen zu können. Die Ehe stehe jedenfalls unter dem Schutz von Art. 8 EMRK.

Die Stellungnahme wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung weitergeleitet.

13. Am 07.10.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der ÖB Islamabad mit, dass es vollinhaltlich an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose vom 13.12.2018, 09.01.2019 sowie 26.08.2019 festhalte.

14. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 10.10.2019 einen Bescheid mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG abgewiesen werde.

15. Gegen den Bescheid der ÖB Islamabad erhob die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung am 15.10.2019 fristgerecht Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen wie folgt vor:

Obwohl das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 28.05.2019 klar vorgegeben hätte, welche Fragen zur Klärung der Erteilungsvoraussetzungen zu klären seien, sei dies unterlassen beziehungsweise seien die Fragen unrichtig gelöst worden. Aus dem Manual des Max-Plank-Institutes zum Afghanischen Eherecht gehe hervor, dass der Registrierung einer Ehe bloß deklarativer Charakter zukomme. Außerdem müssten demnach bei der Registrierung der Ehe nicht beide Eheleute persönlich anwesend sein. Zumal bei der Trauungszeremonie im Jahr 2011 beide Partner anwesend gewesen seien, könne jedenfalls nicht von einer „Fernehe“ gesprochen werden. Dass der Antrag nach § 35 AsylG erst dreieinhalb Jahre nach der Anerkennung als Flüchtling erfolgt sei, liege nicht an einem mangelnden Familienleben, sondern daran, dass die Bezugsperson nach Anerkennung als Flüchtling sich zunächst einmal eine Existenz hat aufbauen müssen, um für sich und die Ehegattin sorgen zu können. Dass das gemeinsame Familienleben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson schützenswert ist, ergebe sich unter anderem daraus, dass ihre Beziehung all die Jahre der Trennung überdauert habe und die Eheleute regelmäßigen telefonischen Kontakt zueinander pflegen würden.

In weiterer Folge wurde auch eine Heiratsurkunde samt einer Bestätigung der Echtheit von der Afghanischen Botschaft in Wien ergänzend eingebracht und beantragt diese zum Akt zu nehmen.

16. Durch Beschwerdevorentscheidung der ÖB Islamabad vom 12.11.2019 wurde die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung beziehungsweise Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei, weshalb auch für die ÖB Islamabad kein eigener Entscheidungsspielraum bestehe. Jenseits dieser Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach eine traditionelle Eheschließung vor entsprechender staatlicher Registrierung keine Rechtswirkungen zu entfalten vermag.

17. Am selben Tag wurde von der Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

18. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt samt Vorlageantrag am 06.12.2019 übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der oben unter I. dargestellte und sich vollständig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt erschließliche Verfahrensgang wird festgestellt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

2.1. § 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

...

§ 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Im vorliegenden Fall erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Obwohl die Behörde mit Beschluss des BVwG vom 28.05.2019 zu W212 2216593-1 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt zu haben, ob die von den vermeintlichen Eheleuten behauptete Ehe tatsächlich in traditionell-religiöser Form geschlossen worden sei, ob damit eine ordre public Verletzung einhergehe und welche Wirkungen eine allfällige spätere Eintragung in das Personenstandsregister auszulösen vermag, wurden auch im fortgesetzten Verfahren hiezu keine weiteren Feststellungen getroffen.

So ging die Behörde weiterhin davon aus, dass Feststellungen betreffend die islamische Ehe unbeachtlich seien, zumal die für die Gültigkeit einer solchen notwendige Registrierung erst nach der Einreise der Bezugsperson erfolgt sei und somit die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinne des § 35 AsylG darstelle.

Was die Frage der Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung von Drittstaatsangehörigen im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (z.B. VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633). Im Zusammenhang mit der Frage der Gültigkeit einer Eheschließung von (dort:) somalischen Staatsangehörigen in deren Herkunftsstaat hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 27.06.2017 Folgendes näher ausgeführt:

"Gemäß § 3 Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 idF BGBl. I Nr. 87/2015 (IPRG), ist maßgebliches fremdes Recht von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden, wobei es in erster Linie auf die dort von der Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis ankommt (vgl. OGH RIS-Justiz, RS0113594). Nach § 4 Abs. 1 IPRG ist das fremde Recht und die Anwendungspraxis dazu (OGH RIS-Justiz RS0113594 (T2), siehe auch OGH RIS-Justiz RS0109415) von Amts wegen zu ermitteln. Zulässige Hilfsmittel hiefür sind etwa die Mitwirkung der Beteiligten, Sachverständigengutachten und die Inanspruchnahme der Staatendokumentation (§ 5 Abs. 3 BFA-G).

Nach dem IPRG sind die Form einer Eheschließung im Ausland, die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der Ehenichtigkeit und der Aufhebung und die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach dem Personalstatut jedes der Verlobten, sofern sich auf Grund von Rück- und Weiterverweisung kein anderer Anknüpfungspunkt ergibt (vgl. dazu § 5 IPRG), zu beurteilen (vgl. im Näheren insbesondere die §§ 9, 16 ff IPRG).

In Bezug auf ausländisches Recht gilt der Grundsatz "iura novit curia" nicht, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne VwGH vom 19. März 2009, 2007/01/0633)."

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kommt demnach zu dem Schluss, dass für den gegenständlichen Fall afghanisches Recht zur Anwendung gelangt und bezieht sich hinsichtlich seiner Entscheidung auf Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch, wonach für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages dessen Registrierung vorgeschrieben ist, widrigenfalls die Ehe nach staatlichem Recht ungültig sei.

Mit der Fragestellung, ab wann die in traditionell- religiöser Form geschlossene Ehe - nach erfolgter Registrierung – als gültig zustandegekommen anzusehen ist, hat sich die Behörde aber nicht weiter auseinandergesetzt, dies obwohl sie vom BVwG ausdrücklich dazu gehalten war, entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen.

Auch wurde von der Beschwerdeführerin ein Manual für afghanisches Familienrecht des Max-Planck-Institutes vorgelegt, woraus zu entnehmen ist, dass die vor einem Imam geschlossene Ehe ab Eheschließung gültig sei und die Registrierung lediglich eine Ordnungsvorschrift sei. Auf dieses Vorbringen wurde von der Behörde jedoch ebenso wenig eingegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat (in einem Fall, in dem das syrische Recht das maßgebliche ausländische Recht war) bereits ausgesprochen, dass eine die Formvorschriften des Ortes der Eheschließung erfüllende Eheschließung grundsätzlich gültig ist und dass der bloße Umstand, dass das maßgebliche ausländische Recht eine traditionell geschlossene Ehe rückwirkend anerkennt, nicht gegen die Grundwertungen des österreichischen Rechts verstößt (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0094; VwGH 04.10.2018, Ra 2018/18/0149).

Für den gegenständlichen Fall wäre sohin vor allem zu ermitteln gewesen, ob die am 01.03.2011 behauptete Eheschließung durch eine nachträgliche Registrierung rückwirkend in Geltung zu treten vermochte.

Dass die für die Registrierung der Ehe vorgesehenen nationalen afghanischen Formvorschriften eingehalten wurden, wurde von der Behörde bejaht. Sie führte aber gleichzeitig aus, dass selbst wenn es nach afghanischem Recht unproblematisch sei, sich bei der Registrierung der Ehe vertreten zu lassen und trotz des Vorliegens einer entsprechenden Vollmacht, die in Abwesenheit der Bezugsperson bezeugte Eheschließung in Österreich keinen Bestand hätte, zumal es sich hiebei um eine „Ferntrauung“ handle, die den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung im Sinne des § 6 IPRG entgegenstehe.

Hierbei verkennt die belangte Behörde jedoch, dass – sofern die traditionell-religiöse Eheschließung mit erfolgter Registrierung als von Anfang an gültig anzusehen wäre und sohin der nachträglichen Registrierung bloß deklarativen Charakter zukäme - ausschließlich der Zeitpunkt der Eheschließung für die Beurteilung einer ordre public Verletzung heranzuziehen wäre. Zumal hierbei sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Bezugsperson anwesend gewesen sein sollen und ihren Ehewillen vor dem Geistlichen bekundet haben sollen, könnte diesfalls auch von keiner „Ferntrauung“ die Rede sein und folglich – zumindest diesbezüglich - auch kein Verstoß gegen § 6 IPRG vorliegen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin – erneut – abzuklären haben, ob die in traditionell- religiöser Form geschlossene Ehe tatsächlich erfolgt ist und ab wann die Ehe als gültig zu Stande gekommen anzusehen ist beziehungsweise, ob eine islamische Ehe durch ihre spätere Registrierung - in deren Zusammenhang die Einhaltung der hiezu vorgesehenen Formvorschriften des Ortes von der Behörde nicht bemängelt wurden - rückwirkend Gültigkeit erlangt. Sollte es sich demnach um eine nach afghanischem Recht gültige Ehe handeln, die bereits im Jahr 2011 wirksam geschlossen wurde und liegen zudem - zu diesem Zeitpunkt - keine inhaltlichen Vorbehalte gegen die Eheschließung vor, die eine Verletzung des ordre public begründen könnten (wie etwa eine Verletzung des Verbotes der Kinderehe oder des Ehezwangs) so würde die Beschwerdeführerin unter den Begriff der Familienangehörigen gemäß § 35 Abs 5 AsylG 2005 idgF fallen, weil diesfalls die Ehe zur Bezugsperson bereits vor deren Einreise nach Österreich bestanden hätte.

Dass die Registrierung der Ehe nicht bereits vor der Ausreise der Bezugsperson vorgenommen wurde, kann den vermeintlichen Eheleuten jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, zumal die Behörde doch selbst darauf hinweist, dass im alltäglichen Leben in Afghanistan die Ehe nach traditionell-religiöser Form ausreicht, weshalb ein Großteil der Afghanen diese nicht bei den staatlichen Behörden registrieren lassen würde.

Sofern von der Behörde ferner behauptet wird, dass kein schützenswertes Familienleben vorliege, zumal die Antragstellung zur Erteilung eines Einreisetitels zwecks Familienzusammenführung erst dreieinhalb Jahre nach Zuspruch des Asylstatus der Bezugsperson erfolgt sei, so ist Folgendes anzumerken:

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH erlischt bei einer umständehalber – etwa im Zuge der Flucht – erfolgten Trennung das Familienband der Ehegatten nicht automatisch; das Eheband ist daher bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277 u.a.). Nach EGMR 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali v. UK, kann die in der Eheschließung enthaltene Absichtserklärung das faktische Zusammenleben ersetzen, mit der Folge, dass die eheliche Beziehung auch dann, wenn sie noch nicht voll zur Entfaltung gekommen ist, als Familienleben geschützt ist. Wurde das Zusammenleben nämlich durch die Flucht oder ein diese auslösende Ereignis vereitelt, muss dennoch davon ausgegangen werden, dass ein Familienleben existiert. Ansonsten ist eine gewisse Nähe der Angehörigen zueinander nötig. (vgl. Filzwieser/Frank/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht Kommentar, K.18. zu § 34 AsylG).

Für den konkreten Fall hieße dies, dass die Behörde zu ermitteln hätte, ob ein maßgebliches tatsächliches familiäres Verhältnis im Sinne des Art. 8 EMRK vor der fluchtbedingten Trennung bestanden hat und wie sich der Kontakt zwischen den Personen seither gestaltet. Allein der Umstand, dass seitens der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht schon viel eher eine Zusammenführung angestrebt wurde, genügt jedenfalls nicht, um zwanglos vom Nichtbestehen eines im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswerten Familienlebens auszugehen.

Zu beachten ist hierbei insbesondere auch, dass – sofern die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erfolgt, die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG zu erfüllen sind. Somit war es der Beschwerdeführerin – nach Fristversäumung – gar nicht möglich eine Zusammenführung anzustreben, bevor sich die in Österreich lebende Bezugsperson – wie auch vorgebracht - eine Existenz hat aufbauen können.

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde zwar davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen gem. § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nunmehr erfüllt seien, im fortgesetzten Verfahren wäre aber auch dies einer aktuellen Prüfung zu unterziehen, wobei ausdrücklich auf den Nachweis eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes für die Beschwerdeführerin hingewiesen wird.

Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit der Beschwerde vorgelegten Heiratsurkunde samt einer Bestätigung der Echtheit von der Afghanischen Botschaft in Wien ist letztlich anzumerken, dass auch im Beschwerdeverfahren gegen abweisende Entscheidungen nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 PFG 2005 gilt.

Allein die Bedenken der Behörde hinsichtlich der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Ehedokumente, aufgrund der notorisch vorherrschenden Korruption im Herkunftsstaat, vermögen jedoch keine Ablehnung des Antrages der Beschwerdeführerin zu begründen, weshalb sich die Behörde auch mit diesen konkret auseinanderzusetzen haben wird. Ob die vorgelegten Dokumente geeignet sind, eine in Afghanistan rechtsgültig bestehende Ehe zu bescheinigen, wird aber erst dann relevant sein, nachdem die Behörde hinreichende Ermittlungen zum afghanischen Eherecht getätigt haben wird, wobei noch einmal darauf hinzuweisen ist, dass für den gegenständlichen Fall die wesentliche Frage jene ist, ob die in traditionell-religiöser Form geschlossene Ehe tatsächlich erfolgte und wenn ja, ob diese durch ihre spätere Registrierung ex tunc und sohin von Anfang Geltung erlangt hat.

Es war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB Islamabad die Erlassung eines neuen Bescheides aufzutragen. Gemäß § 11a Abs 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ehe Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2216593.2.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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