TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/25 L516 1432255-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
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Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 1432255-3/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX auch XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2015, Zahl 821887506-150210016, nach mündlicher Verhandlung am 03.06.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und es wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos aufgehoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 25.02.2015 den verfahrensgegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 19.11.2015 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG", erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache am 03.06.2020 eine mündliche Verhandlung durch.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA; VA1=Verwaltungsakt des BFA zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Punjabi, sowie der christlichen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. (NS 30.12.2012, S 1; NS 25.02.2015, S 1; VS 03.06.2020, Beilage)

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX , nahe XXXX in der Provinz Punjab und wuchs dort auch auf. Er hat in Pakistan fünf Jahre die Schule besucht und arbeitete auf Baustellen. (NS 05.01.2013, S 3; NS 25.02.2015, S 1; VS 03.06.2020, S 6)

Die Eltern, die Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor im ursprünglichen Heimatort des Beschwerdeführers und dort im selben Haus. Drei weitere Schwestern leben ebenfalls in Pakistan (in XXXX , XXXX XXXX XXXX ). Einer der Brüder ist Tischler, der zweite hat die Highschool absolviert und hilft den Eltern in der Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie in Pakistan. (VS 03.06.2020, S 6/12)

Der Beschwerdeführer verließ sein Heimatdorf im November 2012 und reiste über den Iran und Griechenland weiter nach Österreich. (NS 30.12.2012, S 3/4)

1.2 Zu seiner Lebenssituation in Österreich

1.2.1 Ende Dezember 2012 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, wo er sich seither - bis auf zwei Aufenthalte in Deutschland von 18.01.2013 bis 24.01.2013 und von 12.03.2013 bis 16.04.2013 - ununterbrochen aufhält. (VA1, AS 261, 361, 375)

1.2.2 Am 29.12.2012 stellte er einen ersten Antrag auf internationalen Schutz (VA1, AS 15ff), welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis zur GZ L505 1432255-2/6E vom 09.09.2014 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde. Die Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht an das BFA zurückverwiesen. Daran anschließend erließ das BFA jedoch keine Rückkehrentscheidung (VA1, AS 423ff; IZR)

Der Beschwerdeführer begründete jenen ersten Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst damit, dass er sich Geld ausgeliehen habe, er dieses jedoch nicht mehr habe zurückzahlen können und er deshalb gezwungen worden sei, Alkohol und andere Drogen zwischen Indien und Pakistan zu schmuggeln. Nachdem er sich geweigert habe, dies weiter zu tun, sei er bedroht worden, weshalb er ausgereist sei.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das damalige Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen Ausreisegründen mit näherer Begründung für nicht glaubhaft. (BVwG 09.09.2014, L505 1432255-2/6E)

1.2.3 Seit Mai 2013 ist der Beschwerdeführer durchgehend nicht mehr auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Er ist gesund. Seit 09.12.2015 verfügt der Beschwerdeführer über die Gewerbeberechtigung zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern. Seit etwa drei Jahren arbeitet der Beschwerdeführer selbständig als Zeitungszusteller und verdient aktuell knapp EUR 1000 netto monatlich. Der Beschwerdeführer arbeitet an sieben Tagen der Woche. Der Beschwerdeführer verfügt über einen österreichischen Mopedführerschein. Er ist sohin arbeitswillig, arbeitsfähig und selbsterhaltungsfähig. (GVS 02.06.2020; GISA 05.06.2020; VS 03.06.2020, S 5; VS 03.06.2020, Beilagen)

Er hat mittlerweile auch seinen Lebensmittelpunkt, seine Freunde, seine Bekannte und sein soziales Netz in Österreich, was die zahlreichen sehr persönlich gehaltenen Unterstützungsschreiben von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern unterschiedlichen Alters und Herkunft belegen, in denen überwiegend mehrjährig bestehende Freundschaften zum Beschwerdeführer, dessen Vorzüge und seine bereits gelungene Integration in die österreichische Gesellschaft bezeugt werden. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der Zeugen Jehovas und besucht zweimal wöchentlich deren Sitzungen. (VS 03.06.2020, S 8; VS 03.06.2020, Beilage)

Der Beschwerdeführer hat bisher zwar keine zertifizierte Deutschprüfung abgelegt, kann sich jedoch dennoch bereits sehr gut in deutscher Sprache verständigen. Er konnte die ihm in der mündlichen Verhandlung in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort verstehen und darauf spontan auf Deutsch flüssig und verständlich, wenn auch manchmal mit Satzstellungsfehlern, antworten. (VS 03.06.2020, S 5)

Er ist strafrechtlich unbescholten. (Strafregister der Republik Österreich 02.06.2020)

1.3 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz zusammengefasst im Wesentlichen vor:

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 04.11.2015, die in der Sprache Punjabi durchgeführt wurde, führte er dazu - zusammengefasst - aus, er sei Christ und habe deshalb in Pakistan keine Rechte. Wenn im Dorf etwas passiere, würden die Christen dafür verantwortlich gemacht. Es habe Anzeigen gegen den Beschwerdeführer gegeben wegen eines Diebstahles im Dorf. Vor vier Monaten habe er diese Anzeigen von seiner Familie geschickt bekommen und er habe sie zu Hause in Wien. Aufgrund der christlichen Religion sei auch mehrmals gedroht worden, dass das Haus der Familie angezündet werde. Es sei auch jener Fluchtgrund noch aufrecht, den er bei seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz dargetan habe, wonach er in eine Schmugglerbande involviert worden sei, da er ein Darlehen mittels Arbeit für diese Bande begleichen habe sollen. Da er dies nicht machen habe wollen, sei er erpresst worden und es sei ihm mit dem Tod gedroht worden. Die Familie in Pakistan sei sehr arm, er wolle sie unterstützen. (NS 04.11.2015, S 4, 6, 8, 10)

In der mündlichen Verhandlung am 03.06.2020 zu seiner aktuellen Rückkehrbefürchtung befragt, gab der Beschwerdeführer dann - zusammengefasst - an: Es habe viele Probleme und Streit gegeben und er habe mit den falschen Leuten in Pakistan Kontakt gehabt. Er wolle nicht zurückkehren und in dieses "schmutzige Netz" hineinfallen. Er habe sich damals von Leuten Geld ausgeliehen und diese sagten, er brauche es nicht zurückzahlen, wenn er für sie arbeite. Diese Leute hätten Sachen von Pakistan nach Indien geschmuggelt, Raubüberfälle begangen, eine Waffe getragen und Sachen gestohlen haben. Er sei dann immer mehr mit diesen Leuten in Kontakt gekommen und habe nicht mehr von ihnen weggekonnt. Mit der Zeit habe sich die Lage immer verschlechtert und so habe er sich entschieden, Pakistan zu verlassen. Es habe viele Sachen gegeben, die er schon vergessen habe und er wolle über diese Sachen nicht viel sprechen. Jene Anzeige, von welcher er bei der Befragung am 04.11.2015 gesprochen habe, liege bei ihm zuhause. (VS 03.06.2020, S 9ff)

1.4 Zur Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Antragsgründe und Rückkehrbefürchtung

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren zu seiner seit jeher bestehenden Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft ist glaubhaft. Nicht glaubhaft ist hingegen das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er vor seiner Ausreise aus Pakistan aufgrund seines Glaubens einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt gewesen sei oder er bei einer Rückkehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer solchen Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Es ist schießlich nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahscheinlichkeit eine Verfolgung durch eine kriminelle Bande droht.

1.5. Zur Lage in Pakistan

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Sicherheitslage allgemein

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiöskonfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt XXXX leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie XXXX und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in XXXX am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in XXXX statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt 16.5

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab.

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019). Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).

Religionsfreiheit

Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch, 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten ("scheduled castes") und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 5.2.2019); USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Zoroastrier, Bahai, Sikh, Buddhisten, und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Anhängerzahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Menschen (USDOS 29.5.2018).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islam konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973/2016; vgl. USDOS 29.5.2018). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 29.5.2018). Am 28.11.2018 wurde Pakistan vom USAmerikanischen Außenministerium in Bezug auf Religionsfreiheit als besonders besorgniserregendes Land ("Country of Particular Concern under the International Religious Freedom Act of 1998") eingestuft, da systematische, ständige und schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit von staatlicher Seite durchgeführt oder toleriert werden (USDOS 11.12.2018).

Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden -, ist weiterhin schwierig. Viele sind Zwangsarbeit ausgesetzt und leben in Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten und Muslime, die nicht einer konservativen Islam-Auslegung folgen, wie die Sufis, aus (AA 1.2.2019). Das Antreten von extremistischen religiösen Parteien im Wahlkampf 2018 führte zu vermehrten Bedrohungen und verhetzender Sprache gegenüber religiösen Minderheiten (USCIRF 4.2019). [Anmerkung: Für eine detaillierte Lagebeschreibung der unterschiedlichen religiösen Gruppen siehe die Abschnitte 16.1, 16.2, 16.3, 16.4]

Laut PIPS wurden im Jahr 2018 bei insgesamt 16 religiös oder konfessionell motivierten Terroranschlägen 59 Menschen getötet (PIPS 1.2019 S 53, 59); im Jahr 2017 gab es 26 religiös oder konfessionell motivierte Terroranschläge mit insgesamt 87 Toten (PIPS 7.1.2018 S 60, 68).

Die umstrittene Blasphemie-Gesetzgebung sieht für Gotteslästerung die Todesstrafe vor, die allerdings im Zusammenhang mit diesem Delikt noch nie vollstreckt wurde (AA 21.8.2018). Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 13.3.2019) und gemäß Interessenvertretungen sind Mitglieder religiöser Minderheiten überproportional von der Anwendung der Blasphemiegesetze betroffen (USDOS 29.5.2018). [Anmerkung: Für mehr Informationen zur Blasphemiegesetzgebung siehe Abschnitt 16.5]

Christen

Laut Ergebnis der pakistanischen Volkszählung 2017 sind 1,59 % der ca. 207 Millionen Einwohner Christen [Anm.: ca. 3,3 Millionen]. Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung ist in Punjab (2,31 %) und in Islamabad (4,07 %) am höchsten (PBS 2017b). Etwa 60 % von ihnen sind Katholiken und 40 % gehören protestantische Konfessionen an (AA 21.8.2018). Etwa 90 % der Christen leben im Punjab, davon ca. zwei Millionen im Raum XXXX -Faisalabad und eine halbe Million im übrigen Punjab. Große christliche Gemeinden gibt es u.A. auch in Karatschi (UKHO 9.2018).

Es gibt keine speziellen Gesetze, die Christen diskriminieren (UKHO 9.2018). Im Unterschied zu den Ahmadis sind Christen in der Regel frei in der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens, insoweit aber verwundbarer, als sie fast ausschließlich der wirtschaftlichen Unterschicht angehören. Es gibt so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten leben in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen. Auf dem Lande befindet sich die Mehrzahl der Christen als einfache Pächter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern; kleine Landbesitzer leben häufig in rein oder überwiegend christlichen Siedlungen. Während die Mehrzahl der pakistanischen Christen aus der Armut nicht herauskommt, versucht die kleine christliche Oberschicht vielfach, das Land zu verlassen (AA 21.8.2018).

Das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit ist nicht konfliktfrei. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist verbreitet (AA 21.8.2018). Christen aus unteren sozioökonomischen Schichten sind größerer Diskriminierung ausgesetzt als jene aus höheren (UKHO 9.2018).

Auch infolge zunehmender radikalislamischer Strömungen besteht ein wachsender Druck auf christliche Gemeinden. Christen werden immer wieder Opfer radikalislamischer Gewalt (AA 21.8.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Jahr 2018 kam es insgesamt zu zwei terroristischen Anschlägen auf Christen, bei denen sechs Menschen ums Leben kamen. Beide Anschläge fanden im April in Quetta statt und wurden vom Islamischen Staat begangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018).

Die Polizei versagt oft darin, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, vor Angriffen zu schützen aber es gibt auch Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, dass lokale Behörden Minderheitenangehörige auch unter großem persönlichen Risiko vor Diskriminierung und Gewalt schützen konnten (USDOS 13.3.2019). Zu speziellen Anlässen wie Versammlungen und Prozessionen werden seit 2013 von der Polizei präventive Schutzmaßnahmen ergriffen, was das Risiko von Gewalt zwar nicht eliminiert, aber reduziert hat. Die Polizei schützt auch christliche Enklaven in den Großstädten. Insgesamt erscheint der Staat sowohl willig als auch fähig, Christen effektiv zu schützen (UKHO 9.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)

Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Grundversorgung

Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine - trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 - teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).

Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a). Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten.

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Sozialbeihilfen

Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.). Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen - inklusive Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 13.3.2019).

In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).

Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji et al 2016). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

(Beweisquelle:www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/)

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan (1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Die Identität steht aufgrund des vorgelegten österreichischen Führerscheines (VS 03.06.2020, VS Beilage) fest (zur Identitätsfeststellung mittels eines österreichischen Führerscheins siehe VwGH 16.11.1988, 88/02/0113).

Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, zu seiner beruflichen Tätigkeit, zu seinen Familienangehörigen in Pakistan sowie zu seinem Aufenthalt in seinem Heimatdorf und seiner Ausreise und Reisebewegung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.

2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)

Seine Angaben zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich, zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu seiner aktuellen Lebenssituation, seiner erlaubten Erwerbstätigkeit und zu seinen sozialen Kontakten erwiesen sich als widerspruchsfrei, sie wurden durch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen zum Nachweis seiner bereits gesetzten Integrationsschritte (Einkommensbestätigung, GISA Auszug, Unterstützungsschreiben) belegt und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern. Der Beschwerdeführer konnte sich auch ohne abgelegte Deutschprüfung bereits sehr gut in deutscher Sprache verständigen, wie sich in der Verhandlung zeigte, wo er in der Lage war, die ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort zu verstehen und darauf spontan auf Deutsch flüssig und verständlich, wenn auch manchmal mit Satzstellungsfehlern, zu antworten. Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem unverdächtigen Strafregisterauszug.

2.3 Zur Begründung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz und zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit (oben 1.3 und 1.4)

2.3.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahme vor dem BFA (AS 77-97) sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Protokoll OZ 11), die beide in der Sprache Punjabi durchgeführt wurden.

2.3.2 Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er Christ ist, wurde bereits im Verfahren zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt (L505 1432255-2/6E, S 7) und auch das BFA ging im gegenständlichen Verfahren davon aus, dass der Beschwerdeführer Christ ist (Bescheid, S 10). Auch nunmehr ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer kein Christ sei.

2.3.3 Die Feststellungen, wonach es nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Pakistan aufgrund seines Glaubens einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt gewesen sei oder er bei einer Rückkehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer solchen Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre, war aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen:

Der Beschwerdeführer begründete den gegenständlichen Antrag vor dem BFA, dass es für Christen keine Rechte gebe, seine Familie sehr arm sei und man Christen verantwortlich mache, wenn im Dorf etwas passiere. Es habe einen Diebstahl gegeben, seine Familie sei verantwortlich gemacht worden und es habe auch eine Anzeige gegeben und es sei gedroht worden, ihr Haus anzuzünden (NS 04.11.2015, S 4, 10). In der mündlichen Verhandlung dazu befragt und aufgefordert, alle seine Gründe möglichst genau vorzubringen, die gegen eine Rückkehr seiner Person nach Pakistan sprechen würden, verwies der Beschwerdeführer zunächst in einem Satz auf "viele Probleme", Streit und Kontakt "mit den falschen Leuten". Auch in weiterer Folge schilderte er nur das Vorbringen, dass er bereits in seinem ersten Asylverfahren als Fluchtgrund genannt hat, nämlich Probleme, weil er sich Geld ausgeborgt habe und deshalb gezwungen worden sei, für kriminelle Schmuggler zu arbeiten. (VS 03.06.2020, S 9) Probleme wegen seine christlichen Glaubens brachte er in der mündlichen Verhandlung von sich aus nicht vor, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, hätte es solche in relevantem Ausmaß tatsächlich gegeben. Als er aufgefordert wurde, genauere Angaben zu seiner Bedrohung durch die Schmuggler zu machen, gab er an, er habe bereits Beweise dazu vorgelegt. Zu diesen befragt, brachte er vor, er sei angezeigt worden, dass er Christ sei, ohne dazu näheres auszuführen. (VS 03.06.2020, S 10). Bereits vor dem BFA am 04.11.2015 hatte er angegeben, dass es eine solche Anzeige gebe und er eine solche in Österreich an seinem Wohnort habe. Über einen Zeitraum von rund fünfeinhalb Jahren bis zur gegenständlichen Entscheidung hat der Beschwerdeführer keine Anzeige im Verfahren vorgelegt, sodass davon auszugehen ist, dass es eine solche Anzeige nicht gibt oder der Beschwerdeführer dieser Anzeige selbst keine relevante Bedeutung beimisst, andernfalls er sie wohl aus eigenem Antrieb vorgelegt hat, zumal er auch im Verfahren rechtsfreundlich vertreten wurde. Darüber hinaus schilderte er in der mündlichen Verhandlung keine konkreten Probleme oder Befürchtungen aufgrund seine christlichen Glaubens. Zwar zeigen die Länderfeststellungen, dass die Situation für Christen in Pakistan als schwierig gilt und viele in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen leben und damit verwundbarer sind, doch liegt im Falle des Beschwerdeführers eine solche Konstellation gegenwärtig nicht vor. So lebt seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge seine gesamte Familie, die wie der Beschwerdeführer christlichen Glaubens ist, nach wie vor in Pakistan; seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester im ursprünglichen Elternhaus des Beschwerdeführers; sein dritter Bruder ebenso im Heimatdorf in seinem eigenen Haus, eine verheiratete Schwester in XXXX , eine in " XXXX " und eine in XXXX . Die Familie hat ein eigenes Grundstück, dass von den Eltern und einem Bruder bewirtschaftet wird und ein Bruder hat führt eine eigene Tischlerei. Allen Familienmitgliedern geht es "gut", die Tischlerei bzw das Geschäft jenes Bruders der Tischler ist, "geht gut", ein Bruder besuchte die Highschool und hilft nun in der elterlichen Landwirtschaft. Auch den verheirateten Schwestern des Beschwerdeführers die nicht mehr bei den Eltern wohnen "geht es gut". Die Familie des Beschwerdeführers ist Eigentümerin eines Grundstückes und die von ihr betriebene Landwirtschaft "geht gut" (VS 03.06.2020, S 6/7). Die individuelle Lage der Familie des Beschwerdeführers ist - trotz ihres christlichen Glaubens - nicht als schwierig zu bezeichnen. Er gab auch an, dass er nach wie vor mit seinen Angehörigen in Pakistan in Kontakt stehe (VS 03.06.2020, S 6). Er brachte jedoch nicht vor, dass seine Angehörige irgendwelche Probleme hätten oder Übergriffen ausgesetzt wären, was er wohl getan hätte, hätte es solche gegeben.

Es daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr zu seinen Familienangehörigen zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund seines christlichen Glaubens mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sein wird, da nicht erkennbar ist, dass in seinem Fall die Gefahr entscheidend größer ist, als im Fall seiner in Pakistan lebenden Familienangehörigen.

2.3.4 Insofern der Beschwerdeführer eine Bedrohung durch eine kriminelle Bande vorbrachte, da er in die Fänge deren Netzwerkes geraten wäre, so ist zunächst darauf zu verweisen, dass dieses Vorbringen bereits einmal im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig als nicht glaubhaft erachtet wurde. (BVwG 09.09.2014, L505 1432255-2/6E).

Der Beschwerdeführer gab zu jenem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung an, dass es viele Konflikte und Streitereien gegeben habe und er auch Beweise vorgelegt habe. Tatsächlich legte er dazu keine Beweise vor. Er gab auch an, dass er einen falschen Weg eingeschlagen habe, seine Zukunft ruiniert gewesen sei, er nie wieder so leben wolle, es sehr schwierig für ihn gewesen sei, sein vergangenes Leben vergessen zu können und es sehr wohl möglich sei, dass er wieder in das kriminelle Netzwerk "hineinfalle". Als der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, konkret zu erzählen, was passiert sei bzw woran er sich noch erinnern könne, gab der Beschwerdeführer an, dass er über diese Sache nicht sprechen wolle. Auch nach Belehrung darüber, dass diese Angelegenheit nicht berücksichtigt werden könne, wenn er nicht darüber sprechen wolle, gab der Beschwerdeführer nichts Konkreteres mehr an. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verhandlung, welches er nach einer nochmaligen Aufforderung durch seinen eigenen Rechtsvertreter erstattete, überzeugte selbst seinen Vertreter nicht (VS 03.06.2020, S 12).

Dass der Beschwerdeführer somit im Falle einer Rückkehr nach Pakistan unvermeidbar und unweigerlich erneut in das Netzwerk jener kriminellen Bande geraten würde und seine Zukunft in Pakistan aufgrund dieser Bande unwiderruflich zerstört wäre und er einer Bedrohung durch solche Personen ausgesetzt wäre, wurde somit vom Beschwerdeführer nicht konkret und nachvollziehbar geschildert, weshalb dieses Vorbringen auch nicht glaubhaft gemacht wurde.

Der Beschwerdeführer konnte damit nicht glaubhaft machen, dass er vor seiner Ausreise aus Pakistan einer Bedrohung und Verfolgung von erheblicher Intensität ausgesetzt war und er einer solchen Gefahr bei einer Rückkehr nach Pakistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

2.4. Zur Lage in Pakistan (oben 1.5)

Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Pakistan vom Mai 2019. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist diesen ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 31.03.2020 zur Kenntnis gebrachten Länderinformationen nicht entgegengetreten. Die Feststellungen betreffend die Lage zur Pandemie aufgrund des Coronavirus basieren auf den Informationen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, des Sozialministeriums und der Weltgesundheitsorganisation.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist, dass der Asylwerber im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2 Fallbezogen gehört der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Punjabi und der christlichen Glaubensgemeinschaft an. Er kommt aus einem Dorf in der Nähe von XXXX in der Provinz Punjab und er verließ Pakistan im Jahr 2012.

3.2.1 Ausgehend von der festgestellten Ländersituation in Pakistan betreffend religiöse Minderheiten im Allgemeinen und Christen im Speziellen (siehe im Detail bereits oben) unterliegen Angehörige dieser beiden Gruppen einem gewissen Gefährdungspotential, ausgebeutet zu werden und in unterdrückten Verhältnissen (Abhängigkeitsverhältnisse, Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft) leben zu müssen. Sie gehören fast ausschließlich der wirtschaftlichen Unterschicht an. Eine Bedrohung geht vor allem von militanten Organisationen, wie den Sufis, aus. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt 16 religiös oder konfessionell motivierten Terroranschlägen 59 Menschen getötet, im Jahr 2017 gab es 87 Tote bei 26 solchen Anschlägen. Gerichte und Polizei versagen oft darin, religiöse Minderheiten zu schützen, allerdings hat grundsätzlich jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit ist nicht konfliktfrei. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist verbreitet. Etwa 3,3 Millionen Einwohner Pakistans sind Christen. Im Punjab, der Heimatregion des Beschwerdeführers, stellen sie etwa 2,3 % der Bevölkerung (eine halbe Million) dar. Im Raum XXXX , von wo auch der Beschwerdeführer stammt, leben allein zwei Millionen Christen.

3.2.2 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sind Christen in der Regel frei in der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens, sie sind jedoch insoweit aber verwundbarer, als sie fast ausschließlich der wirtschaftlichen Unterschicht angehören und in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen leben. Während die Mehrzahl der pakistanischen Christen aus der Armut nicht herauskommt, versucht die kleine christliche Oberschicht vielfach, das Land zu verlassen.

Im Falle des Beschwerdeführers bewirtschaftet seine Familie ein eigenes Grundstück und ein Bruder des Beschwerdeführers ist selbstständig als Tischler erwerbstätig. Sie gehört damit nicht jener Gruppe von Christen an, die in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen leben muss.

Es ergibt sich daher zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zu seinen Familienangehörigen nach Pakistan allein schon aufgrund seiner bloßen Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt sein wird.

3.2.3 Etwaige aktuelle persönliche Gefährdungsmerkmale ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht: sein Vorbringen, bei einer Rückkehr individuell bedroht und verfolgt zu sein, wurde im Rahmen der Beweiswürdigung als nicht glaubhaft erachtet. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

3.3 Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.

3.4 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)

3.5 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH - zum Vorliegen eines reales Risikos iSd Art 3 MRK ausgesprochen, dass diese Voraussetzung nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") erfüllt ist. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert sich der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs 1 Z 2 Asyl 2005 an Art 15 lit c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der EuGH erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068)

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Pakistan als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.5). Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es ist daher nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört zu keiner Risikogruppe; es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan kein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.

3.7 Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers befindet sich auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes - derartiges kann trotz der in manchen Landesteilen regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Es kann daher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).

Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der nach Pakistan oder in den Punjab abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, sodass die Abschiebung im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig erschiene (vgl VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196). Etwaige persönliche Gefährdungsmerkmale sind im gegenständlichen Verfahren nicht glaubhaft hervorgekommen.

3.8 Zusammenfassend finden sich somit keine Anhaltspunkte dafür,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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