TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W279 1424585-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

W279 1424585-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weber, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2020, Zahl 561438908/180165730, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste spätestens am 05.08.2011 ins Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Mit Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) zur Zahl 11 08.410-BAG vom 27.01.2012 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen und ihm gem. § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Dem BF wurde auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.01.2013 erteilt.

3.       Nach Antrag vom 08.01.2013 wurde dem BF am 22.01.2013 die Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 26.01.2014 verlängert.

4.       Mit Urteil des LG F. STRAFS. XXXX vom 29.05.2013 RK 04.06.2013 wurden der BF wegen §§ 142 (1), 142 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monate, davon Freiheitsstrafe sieben Monate bedingt, verurteilt.

5.       Mit Bescheid vom 17.09.2013 zur Zahl 11 08.410-BAG wurde dem BF gem. § 9 Abs. 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und seine befristete Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem Bundesgebiet wurde gem. § 9 Abs. 2 AsylG für unzulässig erklärt.

6.       Mit Urteil des LG F. STRAFS. XXXX vom 20.12.2013 RK 24.12.2013 wurde der BF wegen §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 28 (1) 2. Fall SMG und § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monate verurteilt.

7.       Dem BF wurde am 31.03.2014 eine Karte für Geduldete ausgestellt.

8.       Mit Urteil des LG F. STRAFS. XXXX vom 26.02.2014 RK 26.02.2014 wurde der BF wegen § 142 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monate verurteilt.

9.       Mit Beschluss des BVwG zur Zahl W202 1424585-1/10E vom 11.09.2014 wurde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des BAA vom 27.01.2012 gem. § 24 AsylG 2005 eingestellt.

10.      Mit Beschluss des BVwG zur Zahl W202 1424585-1/13Z wurde das Verfahren des BF gem. § 24 AsylG 2005 fortgesetzt.

11.      Mit Urteil des LG F. STRAFS. XXXX vom 12.11.2015 RK 17.11.2015 wurde der BF wegen §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG § 28a (1) 5. Fall SMG und § 91 (2) 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

12.      Mit Erkenntnis des BVwG zur Zahl W202 1424585-1/21E vom 24.05.2016 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.01.2012 als unbegründet abgewiesen.

13.      Dem BF wurde am 02.10.2017 erneut eine Karte für Geduldete ausgestellt. Diese wurde dem BF am 15.11.2017 übergeben.

14.      Am 30.11.2017 stellte der bevollmächtigte Vertreter des BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG. Dem Antrag wurden die Kopie eines Therapieabschlussberichtes vom 09.10.2017, ein Abschlussbericht der Bewährungshilfe vom 25.10.2017, eine Bestätigung vom 06.11.2017 über die Einhaltung der Besuchstermine des BF bei seinem Sohn, ein Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung einer Neuen Mittelschule vom 09.10.2017, ein Teilprüfungszeugnis vom 08.05.2017, eine Bestätigung vom 16.05.2017 über die Teilnahme an einem Projekt vom 09.01.2017 bis zum 16.05.2017, ein Ausbildungsplan vom 19.10.2017 über ein Grundmodul vom 27.11.2017 bis zum 02.03.2018 und ein Lebenslauf des BF angeschlossen.

15.      Am 09.01.2018 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG). Dem Antrag wurden ein Mietvertrag vom 29.08.2017, eine Neubemessung der Leistungsansprüche des AMS vom 15.12.2017 und eine Vereinbarung einer Bezirkshauptmannschaft über den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung vom 16.10.2017 angeschlossen.

16.      Am 22.10.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung einer Duldungskarte nach § 46a Abs. 5 FPG.

17.      Dem BF wurde am 01.02.2019 eine Duldungskarte ausgestellt.

18.      Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme führte der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 04.09.2019 aus, dass er im Bundesgebiet bei der Firma „ XXXX “ beschäftigt sei. Er habe in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte in Form eines Sohnes, der bei einer Pflegefamilie lebe. Er wohne mit einem Freund und seiner Freundin in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Befragt, ob er in Österreich Kurse oder Ausbildungen absolviere, entgegnete der BF, dass er eine Lehre begonnen habe, aber die dazugehörigen Prüfungen nicht geschafft habe und nunmehr berufstätig sei. Er sei Tadschike und sunnitischer Moslem.

Im Herkunftsstaat sei der BF in der Provinz Parwan aufgewachsen, sei dort sieben Jahre in die Grundschule gegangen und sei bereits seit 2011 in Österreich. Auf Nachfrage, wie er und seine Familie in Afghanistan den Lebensunterhalt bestritten hätten, erklärte der BF, dass sein Vater gearbeitet und er eine Schule besucht habe. Die wirtschaftliche Situation seiner Familie sei insgesamt gut gewesen.

Auf Aufforderung, zu beschreiben, wieso er ein schützenswertes Privat-bzw. Familienleben in Österreich habe, entgegnete der BF, dass sein Kind in seinem Leben oberste Priorität habe und auch seine Freundin sehr wichtig sei. Die Beziehung zu seinem Kind habe sich gebessert, da er nunmehr seinen Sohn regelmäßiger sehe und dieser sich bei ihm wohlfühle. Zudem sei er mit der Pflegefamilie seines Kindes zufrieden. Aufgrund seiner nunmehrigen Erwerbstätigkeit habe er sich insgesamt stark gebessert.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Zeugnis von „ XXXX “ vom 03.09.2019 in Vorlage gebracht.

19.      Am 05.12.2019 langte bei der Behörde die Verständigung ein, dass sich der BF seit 04.12.2019 in Untersuchungshaft befinde. Mit Urteil des LG XXXX vom 21.02.2020 GZ: 16 XXXX wurde der BF wegen § 28a Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das errechnete Strafende sei der 06.09.2022.

20.      Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wies die belangte Behörde den Antrag des BF vom 09.01.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.) ab, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters wurde "gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Feststellung, dass der BF über kein schützenswertes Privat-Familienleben verfüge, einerseits aus der Tatsache ergebe, dass er sich seit dem 04.12.2019 in Untersuchungshaft bzw. in Strafhaft befinde und sein frühestes Entlassungstermin für den 21.04.2021 geplant sei. Darüber hinaus habe ein etwaig bestehendes Familienleben zu dem in Österreich aufhältigen Sohn nicht erkannt werden. Sein Sohn lebe bei einer Pflegefamilie und der BF habe lediglich über Besuche im Abstand von ein bis zwei Monaten, in der Länge von ein bis zwei Stunden, Kontakt mit seinem Sohn halten. Aufgrund der Tatsache, dass er sich zurzeit in Strafhaft befinde, könne nicht erkannt werden, dass diese Besuche weiterhin stattfinden würden. Ein intaktes Familienleben mit seinem Sohn könne auch mangels gemeinsamen Wohnsitzes nicht erkannt werden. Aufgrund der Straffälligkeit des BF, insbesondere im Hinblick auf die massive Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sei gegenständliches Verfahren in Verbindung mit einem Einreiseverbot eingeleitet worden. Die persönlichen, sozialen und privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet seien vor allem wegen der Gewerbsmäßigkeit der begangenen Straftaten (Suchtgifthandel) einem geordneten Fremdenwesen unterzuordnen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sei zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten. Der BF sei wegen Suchtgifthandels verurteilt worden, wonach anzumerken sei, dass die Suchtgiftkriminalität in höchstem Maße sozialschädlich sei, da durch sie eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß entstehen könne, wobei zu bemerken sei, dass sie vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährde. Der BF sei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zudem könne auch von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden, da seine Vorstrafe den BF nicht von der Begehung derartiger massiver Straftaten abhalten habe können. Von den gesetzlichen Sanktionen zeige er sich gänzlich unbeeindruckt, da er weder Respekt vor österreichischen Gesetzen noch der Unversehrtheit seiner Mitmenschen habe. Durch sein massives Fehlverhalten beeinträchtige er die Grundinteressen der Gesellschaft.

21.      Gegen diesen Bescheid brachte der BF durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 28.05.2020 eingelangt, fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde vorgebracht, dass der BF die ihm zur Last gelegten und verurteilten Straftaten zum Teil als Jugendlicher begangen habe und die Straftaten vor allem im Zusammenhang mit seiner Sucht stehen würden. Der BF lebe seit nahezu 10 Jahren in Österreich, habe hier eine Freundin, mit der er einen Sohn habe, der allerdings nicht bei ihm wohne, sondern bei einer Pflegefamilie. Der BF habe den Kontakt zu diesem jedoch aufrechterhalten und bis zu seiner Verhaftung auch regelmäßig gesehen. Der BF spreche sehr gut Deutsch, sei in Österreich integriert und seine Familie lebe in Österreich. In Afghanistan habe der BF keine Verwandten und keine Existenzgrundlage.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des BF:

Zur Person des BF:

Der BF, ein afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Dem Verfahren wird zugrunde gelegt, dass der BF unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und am 05.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, welcher mit Bescheid des BAA vom 27.01.2012, 11 08.410-BAG, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und ihm bis zum 26.01.2013 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.

Mit Bescheid des BAA vom 22.01.2013 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.02.2014 erteilt.

Mit Bescheid des BAA vom 17.09.2013 wurde dem BF der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt und die erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen. Es wurde ausgesprochen, dass seine Zurückweisung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.06.2016 wurde die gegen Spruchpunkt I des Bescheides vom 27.01.2012 erhobene Beschwerde gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Dem BF wurde vom BFA eine Karte für Geduldete ausgestellt, die regelmäßig verlängert wurde.

Am 09.01.2018 stellte der BF den nunmehrigen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Der BF ist in Österreich nicht strafgerichtlich unbescholten.

1. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 29.05.2013, GZ. XXXX , vom 29.05.2013 wegen des Verbrechens des Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 142 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß sieben Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 20.12.2013, GZ. XXXX , wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2, §§ 27 Abs. 3, 28 Abs. 1 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß sechs Monaten bedingt verurteilt.

3. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 26.02.2014, GZ. XXXX , wegen des Verbrechens des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß acht Monaten bedingt verurteilt.

4. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 12.11.2015, GZ. XXXX , wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2, §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 28a Abs. 1 5. Fall SMG sowie § 91 Abs. 2 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren verurteilt.

5. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 21.02.2020, GZ. XXXX , wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 5. Fall SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Der BF befindet sich seit 04.12.2019 durchgehend in Untersuchungs- bzw. Strafhaft, errechnetes Strafende ist der 06.09.2022.

Dem Verfahren wird zugrunde gelegt, dass der BF gesund ist.

Dem Verfahren wird nicht zugrunde gelegt, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der BF hat in Österreich einen Sohn, der jedoch bei einer Pflegefamilie wohnhaft ist und mit dem BF nie im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Der BF war vor seiner Inhaftierung in Österreich seit dem 03.04.2019 bei „ XXXX “ als Handelsarbeiter beschäftigt. Dem Verfahren wird daher zugrunde gelegt, dass der BF erwerbsfähig ist und im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten wird.

Dem Verfahren wird nicht zugrunde gelegt, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration des BF in Österreich vorliegt. Der Aufenthalt in Österreich wurde nach Aberkennung des subsidiären Schutzes am Bescheid des BAA vom 17.09.2013 lediglich geduldet und hält sich der BF somit seit der Rechtskraft dieses Bescheides nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Im gegenständlichen Verfahren kann jedenfalls keine ausgeprägte und verfestigte Integration des BF in Österreich festgestellt werden. Ein sonstiges Aufenthaltsrecht des BF ist nicht ersichtlich. Der BF hat in Österreich die Pflichtschulabschlussprüfung einer Neuen Mittelschule absolviert und an einem Projekt im Rahmen des Pflichtschulabschlusses teilgenommen.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2.    Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan / Gesamtaktualisierung am 13.11.2019
0.         Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) – bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) – mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als “Marionette“ des Westens betrachten – auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

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1.         Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison – was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt – dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten – als Reaktion auf einen Anschlag – absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit – insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle – eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle – ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet – 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) – dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September – im Gegensatz zu 2019 – von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl – Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) – 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten „Geldbußen“ und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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