TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 W109 2203630-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W109 2203630-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 24.07.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.11.2019 zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, 46 und 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1.       Am 08.10.2016 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 08.10.2016 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und in Panjsher geboren, wo er auch die Schule besucht habe. Er sei als Offizier ausgebildet und zuletzt Arbeiter gewesen. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er sei geflüchtet, weil er Offizier gewesen sei. Sein letzter Dienstort sei Ghazni gewesen und sei er öfters telefonisch bedroht worden und habe Anweisungen vom Militär bekommen, weil sein Leben in Gefahr sei.

Am 26.04.2018 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er sei im Herkunftsdorf mit einem Mädchen befreundet gewesen, das er habe heiraten wollen. Ihr Vater habe dies nicht erlaubt. Er habe sie besucht und ihre Eltern hätten sie dabei erwischt. Der Vater der Freundin habe dann in ihrem Namen einen Brief geschrieben und den Beschwerdeführer aufgefordert, in den Keller seines Hauses zu kommen. Dort habe er den Beschwerdeführer mit einer Schaufel bewusstlos geschlagen und ihn auch an Händen und Füßen gefesselt. Er habe sich dann befreien und flüchten können. Um in Sicherheit zu sein, habe er 1388 beim Militär angefangen. Sie hätten bis 1392 mit der Nato zusammengearbeitet. Er habe für das Militär in der Provinz Ghazni Sachen organisiert, die Taliban hätten die Provinz unter ihre Kontrolle bringen wollen, doch sie hätten gekämpft. 1392 sei er von den Taliban bedroht worden, einer seiner Männer habe sie verraten und auch geplante Operationen an die Taliban preisgegeben. Sie hätten ihn angerufen und gesagt, er solle bei den Angriffen wo anders hin schießen lassen, um so keine Taliban mehr zu treffen. Am 16.07.1394 seien sie mit etwa 100 Fahrzeugen unterwegs gewesen und die Taliban hätten nur sein Auto angegriffen, sie hätten aus zwei bis drei Kilometer Entfernung geschossen. Sie hätten aber weiterfahren können und seien in der Stadt Ghazni wieder von den Taliban angegriffen worden. Am 02.11.1394 sei er in der Stadt Ghazni erneut von den Taliban angegriffen worden, sein Fahrer sei dabei verletzt worden. Dann habe er entschieden, er könne nicht mehr in Afghanistan bleiben. Seine Feinde seien überall und hätten die notwendige Information, um ihn umzubringen. Er habe eine Woche vor seiner Flucht aufgehört, für das Militär zu arbeiten. Der Vater seiner Freundin würde ihn sofort umbringen, wenn er ihn auf der Straße träfe. Er würde ins Gefängnis müssen, weil er die Waffen seiner Untergeben nicht zurückgegeben habe.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.07.2018, zugestellt am 26.07.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung und der Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterschiedliche Angaben unter anderem bezüglich des Dienstortes gemacht. In der Erstbefragung habe er angegeben, sein Dienstort sei Ghazni gewesen, in der Einvernahme, er sei in Kabul gewesen. Auch habe er bei der Erstbefragung ausschließlich davon gesprochen, wegen seiner Arbeit beim Militär bedroht zu sein und auch nur deshalb geflüchtet zu sein. Auch seinen die Angaben kurz, vage und emotionslos dargestellt worden. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal versucht, sich unter den Schutz des Staates zu stellen. Es sei auch unglaubwürdig, dass man sich einer Bestrafung durch Eintritt in die Armee entziehen könne. Der afghanische Staat sei schutzwillig und -fähig, die Forderung nach lückenlosem Schutz gehe an einer wirklichkeitsnahen Einschätzung der Effizienz staatlicher Schutzmöglichkeiten vorbei. Schutz würde nicht verweigert werden. Ein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, sei nicht hervorgekommen und stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul zur Verfügung. Zudem könne er sich in jeder unter Regierungskontrolle stehenden Provinz niederlassen. Es gebe Rückkehr- und Reintegrationsunterstützung.

3.       Am 10.08.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die Erstbefragung habe sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Das Vorbringen sei substantiiert und habe der Beschwerdeführer sich in wesentlichen Aussagen nicht widersprochen. Es stimme mit den Länderfeststellungen zu Afghanistan überein.

Am 12.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat verfolgt, weil er heimlich ein Mädchen getroffen habe sowie von Seiten der Taliban wegen seiner Tätigkeit für die afghanische Nationalarmee, aufrecht.

Mit Schreiben vom 04.06.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht nochmals aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeführer gab keine weitere Stellungnahme ab.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

–        Tazkira des Beschwerdeführers

–        Diverse Fotos

–        Dienstausweis der ANA in Kopie

–        Diverse Zertifikate der ANA in Kopie

–        Prüfungsergebnis für Integrationsprüfung A1 „Nicht bestanden“

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX in Panjsher geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Paschtu.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in Panjsher, Distrikt Anaba, geboren, wo er auch lebte. Nach dem Tod seiner Eltern lebte der Beschwerdeführer mit seinen Geschwistern bei seinem Onkel väterlicherseits im Herkunftsdorf.

Der Beschwerdeführer besuchte in Panjsher zwölf Jahre die Schule. Nach seinem Schulabschluss ging der Beschwerdeführer zum Militär, wo er einige Ausbildungen absolvierte und zuletzt als Hauptmann Dienst versah.

Der Beschwerdeführer ist mit seiner Cousine väterlicherseits verlobt, sie lebt in Kabul im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Schwester und drei Brüdern, einer von ihnen arbeitet bei der Polizei. Ein weiterer ihrer Brüder lebt in Kanada. Der Vater der Verlobten (und Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers) lebt ebenso in Kabul. Zur Verlobten besteht regelmäßiger Kontakt.

Ein Bruder des Beschwerdeführers wurde bei Kämpfen in Helmand getötet. Der zweite Bruder lebt in Kabul.

Die Schwestern des Beschwerdeführers leben mit ihren Ehemännern in Kabul.

Die Familie des Beschwerdeführers besitzt ein Haus und Grundstücke im Herkunftsdorf, es ist aktuell unbewohnt.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 08.10.2016 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer hat einige soziale Kontakte geknüpft. In seiner Freizeit macht er Sport und versucht mithilfe von Youtube-Videos Deutsch zu lernen. Er hat an einer Integrationsprüfung A1 teilgenommen, diese jedoch nicht bestanden. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig und bezieht Grundversorgung.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer etwa im Jahr 2007 in der Herkunftsprovinz eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt hat, wird nicht festgestellt. Es wird auch nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer von Seiten des Vaters dieses Mädchens Misshandlungen und Übergriffe bis hin zur Tötung drohen, falls er ins Herkunftsdorf zurückkehrt.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit für das Militär bereits von den Taliban bedroht oder persönlich angegriffen wurde.

Im Fall der Rückkehr in das Herkunftsdorf ist nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer Übergriffen der Taliban ausgesetzt wäre, weil er für das Militär gearbeitet hat.

Die Herkunftsprovinz kann der Beschwerdeführer vom Flughafen Kabul im Norden der Stadt aus über eine Straße durch die Distrikte Dehsabz und Qarabagh in der Provinz Kabul, sowie Distrikt Bagram in der Provinz Parwan zu erreichen.

Die Distrikte Dehsabz und Qarabagh stehen unter Regierungskontrolle und sind nicht von Kämpfen und militärischen Operationen betroffen.

Die Provinz Parwan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen des Herkunftsstaates, der Distrikt Bagram steht unter Regierungskontrolle und ist nicht von Kämpfen oder Zwischenfällen betroffen. Die Präsenz der Taliban ist dort gering.

Es ist nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer auf dem Weg von Kabul Stadt in das Herkunftsdorf von den Taliban gefasst wird.

1. 3.   Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Panjsher gilt als friedlich und sicher. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind in der Provinz einsatzfähig, um sie gegen Aufständische zu verteidigen. Die Provinz steht unter Regierungskontrolle, es finden keine bewaffneten Konflikte statt. Sie ist vom Flughafen Kabul aus sicher zu erreichen.

Im Fall der Rückkehr in die Herkunftsprovinz ist nicht zu erwarten, dass dem Beschwerdeführer die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Auch während der Anreise in sein Herkunftsdorf hat der Beschwerdeführer nicht damit zu rechnen, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Afghanistan ist stark von der COVID-19-Pandemie betroffen. Die afghanische Regierung hat zu ihrer Bekämpfung eine Reihe von Maßnahmen erlassen, was auch in Kabul zur Schließung ganzer Stadtteile und Bewegungseinschränkungen führt. Insbesondere Tagelöhner können aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen.

Im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer sich eine Lebensgrundlage erwirtschaften kann. Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers ist im Herkunftsstaat gewährleistet.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität, Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenangehörigkeit und Muttersprache des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden plausiblen Angaben, wobei der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Identität eine Tazkira in Vorlage gebracht hat, an deren Echtheit auch die belangte Behörde keine Zweifel hegte und auf ihrer Grundlage die Identität des Beschwerdeführers feststellte.

Zu den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer gesundheitlichen Beeinträchtigung im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer hierzu keinerlei medizinische Unterlagen vorlegen konnte. Befragt darüber, ob er deshalb beim Arzt gewesen sei, bejahte er und gab an, er sei mehrmals beim Arzt gewesen und die Ärzte hätten gesagt, er habe keine Probleme. Er wisse, dass er Probleme habe (Verhandlungsprotokoll S.4). Somit bestätigt der Beschwerdeführer selbst, dass seine Behauptung nicht auf der Grundlage medizinischer Fakten beruht. Zudem machte der Beschwerdeführer diese Angaben erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, obgleich er auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gefragt wurde, ob er gesund sei. Dies beantwortete er dahingehend, dass er ein wenig Gastritis habe und keine Medikamente nehme (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 116). Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe vor der Behörde die gleichen Angaben gemacht, findet sohin im vom Beschwerdeführer unterschriebenen Einvernahmeprotokoll keinen Niederschlag. Folglich wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gesund ist.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

Der Beschwerdeführer hat gleichbleibend angegeben, aus Panjsher zu stammen, wobei auch in der Tazkira des Beschwerdeführers, die er bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 26.04.2018 in Vorlage brachte, das im Zuge der mündlichen Verhandlung genannte Dorf, sowie der Distrikt (Verhandlungsprotokoll S. 6) eingetragen sind (Kurzübersetzung der Tazkira im Einvernahmeprotokoll S. 3, AS 61). Ebenso gleichbleiben hat der Beschwerdeführer angegeben, in der Provinz Panjsher zwölf Jahre die Schule besucht zu haben.

Die Feststellung, dass die Eltern des Beschwerdeführers verstorben sind, sowie, dass er anschließend mit seinen Geschwistern beim Onkel väterlicherseits aufgewachsen ist, beruht auf den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass der Beschwerdeführer nach der Schule begann, für das Militär zu arbeiten, hat er durchgehend angegeben. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer auch seinen Militärausweis und Zertifikate und Kursbestätigungen für den Zeitraum 2008 bis 2015 vorgelegt, zudem einige Fotos, die auch den Beschwerdeführer in Uniform zeigen. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 26.04.2018 gab der Beschwerdeführer überdies an, während seines Dienstes in Kabul gelebt zu haben (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 62). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, bis zur zwölften Klasse in Panjsher gelebt zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 6). Zwar stellt er seinen Umzug in den Kontext des Fluchtvorbringens (hierzu noch unten), der Umzug erscheint aber unter Berücksichtigung der Berufswahl des Beschwerdeführers dennoch plausibel.

Zur Feststellung einer Verlobung des Beschwerdeführers mit seiner Cousine väterlicherseits ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer erstmals im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 angibt, bereits verheiratet zu sein und behauptet, sie hätten die Ringe getauscht und auch die Eheschließung vollzogen. Lediglich das Hochzeitsfest hätten sie nicht gefeiert (Verhandlungsprotokoll S. 5). Im bisherigen Verfahren hatte der Beschwerdeführer angegeben, er sei lediglich verlobt. So hat der Beschwerdeführer bereits in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.10.2016 angegeben, er sei verlobt (Erstbefragungsprotokoll S. 1, AS 1) und dies nochmals in der niederschriftlichen Einvernahme am 26.04.2018 bestätigt, wo der Beschwerdeführer sogar auf die ausdrückliche Frage „Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?“ mit „Nein, ich bin nur verlobt.“ Antwortet (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 62). Im Zuge der mündlichen Verhandlung zu dieser plötzlichen Änderung seiner Angaben befragt kann der Beschwerdeführer keine plausible Erklärung liefern, sondern behauptet lediglich, auf dem Verlobungsfest seien die Ringe getauscht und auch die Eheschließung vollzogen worden. Ein Mullah habe die Trauung vollzogen (Verhandlungsprotokoll S. 5). Folglich kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer lediglich verlobt ist und mit seiner nunmehrigen Angabenänderung seiner künftigen Frau lediglich den Weg einer allfälligen späteren Einreise im Wege des Familiennachzuges ebnen wollte. Damit erweist sich das Aussageverhalten des Beschwerdeführers bereits hinsichtlich seiner familiären Verhältnisse als widersprüchlich, was erste Rückschlüsse auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und die Realitätstreue seiner Angaben zulässt.

Die Feststellungen zum Verbleib der Brüder der Verlobten des Beschwerdeführers beruht auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zum behaupteten Tod von deren Vater (dem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers) ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sich in diesem Zusammenhang völlig widerspricht. So gibt er zunächst an, dieser Onkel sei während der „Dr.-Najibullah-Regierung“ verschollen und dann getötet worden (Verhandlungsprotokoll S. 8). In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer überdies dazu befragt, warum der Onkel der Heirat (bzw. Verlobung) seiner Tochter mit dem Beschwerdeführer zugestimmt habe, obwohl der andere Onkel den Beschwerdeführer verstoßen hat. Nunmehr gibt der Beschwerdeführer an, der Onkel habe von dem Problem gewusst, er wisse nicht, warum er letztlich mit der Verlobung einverstanden gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 11). Zur Verlobung hatte der Beschwerdeführer bereits zuvor angegeben, sie sei vor etwa sechs Jahren erfolgt (Verhandlungsprotokoll S. 5). Zu diesem Zeitpunkt muss aber der Onkel des Beschwerdeführers bereits seit langem verstorben gewesen sein, nachdem die vom Beschwerdeführer angeführte „Dr.-Najibullah-Regierung“ zeitlich etwa an den Beginn der 90er Jahre fällt. Zudem gab der Beschwerdeführer das Alter seiner Verlobten im Zuge der Erstbefragung mit etwa 21 Jahre an (Erstbefragungsprotokoll S. 2, AS 3). Demnach wurde diese Ende der 90er-Jahre geboren und war ihr Vater in diesem Zeitraum den Angaben des Beschwerdeführers zufolge bereits mehrere Jahre tot. Somit erweist sich die Angabe des Beschwerdeführers, der zufolge sein Onkel verstorben sei, als widersprüchlich und nicht glaubhaft. Entsprechend wurde festgestellt, dass der Onkel des Beschwerdeführers weiterhin in Kabul lebt.

Dass zur Verlobten Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 angegeben (Verhandlungsprotokoll S. 8).

Hinsichtlich der Behauptung des Beschwerdeführers, sein Bruder sei seit zwei Jahren verschollen (Verhandlungsprotokoll S. 7) ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer dies in der Einvernahme vor der belangten Behörde etwa eineinhalb Jahre zuvor noch nicht angegeben hat. Hier gibt er lediglich an, seine Geschwister würden in Kabul leben (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 62). Sohin erweist sich auch als nicht glaubhaft, dass der Bruder des Beschwerdeführers verschollen sein soll, insbesondere gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Eltern von sich aus an, diese seien verstorben (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 62), wodurch noch weniger nachvollziehbar ist, dass unerwähnt bleibt, dass der Bruder (insbesondere erst seit kurzem) verschollen ist. Damit nährt sich die Vermutung, dass der Beschwerdeführer seine Angaben hinsichtlich in Afghanistan aufhältiger Angehöriger dergestalt anpasst, dass er einen möglichen Rückgriff auf ein soziales Netzwerk in Kabul im Fall der Rückkehr verneinen kann.

Dass der zweite Bruder in Helmand im Zuge von Kämpfen getötet wurde, beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers. Aus deren Übersetzung gehen jene Namen hervor, die der Beschwerdeführer zu seinem jüngsten Bruder und seinem Vater bereits in der Erstbefragung am 08.10.2016 nannte (Erstbefragungsprotokoll S. 2, AS 3). Auch Herkunftsdorf und Distrikt auf den beiden diesbezüglich in Vorlage gebrachten Dokumenten stimmen mit den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsdorf und Distrikt im Lauf des Verfahrens überein und stimmt auch der auf den Dokumenten ersichtliche Todeszeitpunkt mit den zeitlichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Tod seines Bruder überein, so gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung im November an, der Beschwerdeführer sei etwas acht Monate zuvor getötet worden, dies entspricht etwa dem in den Dokumenten ersichtlichen Datum.

Zum Verbleib der Schwestern ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich einer Schwester angegeben hat, dass diese in Kabul lebt und verheiratet ist (Verhandlungsprotokoll S. 7). Hinsichtlich der anderen Schwester behauptet der Beschwerdeführer, diese sei in die Herkunftsprovinz zurückgekehrt, nachdem ihr Ehemann acht Monate vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 bei einem Selbstmordanschlag ums Leben gekommen sei. Diesbezüglich ist zwar dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 27.11.2019 eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020, (in der Folge: Länderinformationsblatt) zu entnehmen, dass es in Kabul im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weitere Anschläge auf hochrangige Ziele gegeben habe (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul). Nachdem aber die übrigen Angaben des Beschwerdeführers zum Verbleib seiner Angehörigen sich als widersprüchlich, nicht glaubhaft und auf das Ziel, die Existenz eines sozialen Netzwerkes in Kabul zu verneinen, hingerichtet erwiesen haben, ist auch diese Angaben des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu bewerten.

Zu den vom Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos und Screenshots aus einer Facebook-Gruppe, ist auszuführen, dass diese den vom Beschwerdeführer gewonnene persönlichen Eindruck sowie die oben bereits dargelegten Widersprüche und Inkonsistenzen nicht entkräften können. Es lässt sich nicht verifizieren, wer auf diesen Fotos abgebildet ist und ob diese Personen überhaupt im vom Beschwerdeführer behaupteten Verwandtschaftsverhältnis zu ihm stehen. Zudem ist eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „Märtyrer von Panjshir“, die Bilder von Personen mit Informationstexten versehen postet, keine hinreichend zuverlässige Quelle für die vom Beschwerdeführer behaupteten Schicksale.

Die Feststellung zu Haus und Grundstück beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 (Verhandlungsprotokoll S. 7).

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus seinen Angaben und den im Akt einliegenden Bestätigungen. Zur Aufenthaltsdauer in Österreich ist auszuführen, dass das Datum der Asylantragstellung aktenkundig ist und Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig verlassen hätte, nicht hervorgekommen sind. Dass er im Bundesgebiet Kontakte geknüpft hat, in seiner Freizeit Sport macht und mithilfe von Youtube-Videos versucht, Deutsch zu lernen, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 angegeben. Zur Teilnahem an der Integrationsprüfung hat der Beschwerdeführer eine Bestätigung vorgelegt. Dass er im Bundesgebiet erwerbstätig war, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Dies Feststellung zum Grundversorgungsbezug ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich des Fluchtvorbringens teilt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen die Einschätzung der belangten Behörde, dass sich dieses als nicht glaubhaft erweist, wobei sich diese Einschätzung auch aus dem Eindruck persönlicher Unglaubwürdigkeit speist, den der Beschwerdeführer mit seinem Aussageverhalten zum Verbleib seiner Angehörigen und im Zusammenhang mit seiner Verlobten hervorgerufen hat.

Die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 27.11.2019 in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) berichtet zwar, dass Mitglieder unter anderem der ANA („Afghan National Army“) im oder außer Dienst häufiges Ziel von Angriffen Aufständischer sind. So würden Militärstützpunkte oder Polizeistationen angegriffen. Auch von gezielten Tötungen und Entführungen im ländlichen Gebiet wird berichtet. Auch würden die Taliban Sicherheitspersonal an ihren Straßen-Checkpoints unter den Reisenden gezielt herausfiltern und entführen oder töten. Auch ehemalige Mitglieder der Streitkräfte seien ermordet worden (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49-50). Aus dieser abstrakten Übereinstimmung der vom Beschwerdeführer genutzten Rahmenhandlung mit der EASO Country Guindance lässt sich jedoch noch nicht ableiten, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft ist.

Anzumerken ist, dass die vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Schreiben vom 27.11.2019 in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 kein Risikoprofil enthalten, dass sich auf Soldaten der ANA bezieht. So wird davon berichtet, dass zivile Staatsbedienstete und Bürogebäude der zivilen Regierung Angriffsziele Aufständischer sind (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe a) Regierungsbeamte und Staatsbedienstete, S. 46 f.). Zwar wird auch berichtet, dass es zu gezielten Angriffen auf afghanische Sicherheitskräfte kommt, insbesondere die afghanische nationale Polizei (ANP) und afghanische lokale Polizei (ALP), sowie auf ehemalige Angehörige der ANDSF. All dies erfolgt jedoch unter dem Profil „Zivile Polizeikräfte“ (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe b) Zivile Polizeikräfte (einschließlich Angehörigen der ANP und ALP) sowie ehemalige Angehörige der ANDSF, S. 47 f.). Als Soldat der nationalen Armee gehört der Beschwerdeführer jedoch nicht zu den zivilen Polizeikräften und ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer alle von Seiten der Taliban gegen ihn gerichteten (behaupteten) Handlungen so darstellt, dass er sich in diesem Zeitpunkt im Dienst befunden hat, zu diesem Themenkreis jedoch nochmals später.

Zur vom Beschwerdeführer ebenso behaupteten vom Vater des Mädchens, das er heimlich getroffen haben will, ausgehenden Gefahr lässt sich den UNHCR-Richtlinien entnehmen, dass Männer, die vermeintlich gegen die vorherrschenden Gebräuche verstoßen, einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt sein können, insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, 8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen, S. 90). Ähnlich berichtet auch die EASO Country Guidance von moralischen Verbrechen („Zina“) und nennt ebenso außerehelichen und vorehelichen Geschlechtsverkehr, wobei insbesondere auch Erwähnung findet, dass dies ein sehr weiters Konzept für jedes Verhalten außerhalb der Norm. Moralische Verbrechen könnten zu Todesdrohungen, Gewalt und Ehrenmorden führen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 12. Individuals perceived to have transgressed moral codes, S. 64 f.). Auch diese Informationen erlauben jedoch noch keinen Schluss auf die Glaubhaftigkeit der Schilderungen des Beschwerdeführers.

Zunächst ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie beweiswürdigend ausführt, dass der Beschwerdeführer die erstmals im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 26.04.2018 angesprochene Streitigkeit um das im Akt namentlich genannte Mädchen in der Erstbefragung nicht angegeben hat (angefochtener Bescheid, S. 139, AS 251). Zwar dient die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. So hat auch der Verwaltungsgerichtshof aus diesem Grund bereits wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben. Es ist allerdings nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (etwa VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). Eine solche Steigerung liegt gegenständlich nicht nur darin, dass der Beschwerdeführer eine allfällige vom Vater des Mädchens ausgehende Verfolgungsgefahr völlig unerwähnt lässt, sondern auch darin, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung lediglich angibt, er sei öfters von den Taliban telefonisch bedroht worden. Später gab der Beschwerdeführer dagegen an, einer seiner Soldaten habe sie verraten, die Taliban hätten konkret auf ihn geschossen.

Weiter tätigt der Beschwerdeführer keine gleichbleibenden Angaben, wobei sich seine Abweichungen nicht auf Details seines Fluchtvorbringens beziehen, sondern auf die wesentlichen Eckpunkte der Rahmenhandlung.

So ließ der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde unerwähnt, dass er – nachdem er von den Eltern des Mädchens erwischt worden sein will – eine Woche im Distriktszentrum aufhältig war. Genauso wenig erwähnte er vor der Behörde, dass sein Dorf nach seiner Flucht von Dorfbewohnern vom Dorf des Mädchens angegriffen wurde und diese ins Haus des Onkels gekommen seien, dass eine einwöchige Jirga stattgefunden haben soll und dass sie zur Wiedergutmachung ein Mädchen verlangt hätten. Auch dass der Onkel väterlicherseits den Beschwerdeführer verstoßen haben soll, weil er seine Tochter nicht zur Wiedergutmachung habe geben wollen, erwähnt der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde nicht. Neu ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch, dass der Onkel mütterlicherseits mehrmals mit den Ältesten versucht hat, die Familie zu versöhnen.

Der Beschwerdeführer versucht dies im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 damit zu begründen, dass der Referent es eilig gehabt habe und ihn aufgefordert habe, kurz und bündig über das Thema zu sprechen (Verhandlungsprotokoll, S. 11), er habe während der Einvernahme alles genau schildern wollen, ihm sei jedoch immer wieder gesagt worden, er solle kurz über das Thema sprechen und er sei immer wieder unterbrochen worden (Verhandlungsprotokoll S. 12). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers weist auch darauf hin, dass sich im Protokoll Hinweise finden, der Beschwerdeführer solle nicht so detailliert schildern und auf den eigentlichen Fluchtgrund zurückkommen (Verhandlungsprotokoll S. 12). Im Einvernahmeprotokoll findet sich auch tatsächlich zwei Mal der Vermerk: „Der AW schildert so detailliert, dass er darauf hingewiesen wird, auf den eigentlichen Fluchtgrund zurückzukommen.“ (Einvernahmeprotokoll, S. 6, AS 64). Allerdings ist hieraus und aus der Aufforderung, bündig über das Thema zu sprechen, nicht erklärt, warum der Beschwerdeführer die oben aufgezählten, wesentlichen Eckpunkte der Geschichte gar nicht erwähnt hat.

Auch stellt der Beschwerdeführer den Ablauf seiner Gefangennahme sowie die dabei anwesenden Personen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anders dar, als vor der Behörde. So erwähnt er vor der Behörde mit keinem Wort die Gegenwart seiner Freundin während der Misshandlungen durch den Vater, sondern gibt lediglich an, da Vater habe in ihrem Namen einen Brief geschrieben (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 63). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schildert der Beschwerdeführer dagegen, seine Freundin habe ihm die Tür aufgemacht und sei die ganze Zeit anwesend gewesen (Verhandlungsprotokoll S. 9). Zudem ist in der Erzählung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch die Mutter der Freundin die ganze Zeit zugegen, so gibt der Beschwerdeführer an, Vater und Mutter hätten ihn in den Keller begleitet und die Tür von der Innenseite zugesperrt (Verhandlungsprotokoll S. 9). In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gibt der Beschwerdeführer dagegen an, die Mutter sei mit der Laterne in den Keller gekommen, während der Vater den Beschwerdeführer bereits gefesselt hatte und schlug und habe geschrien und ihm gesagt, er solle ihn nicht umbringen (Einvernahmeprotokoll, S- 5, AS 63). Zudem gibt der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der Behörde noch an, er sei durch die Schläge bewusstlos geworden (Einvernahmeprotokoll, S. 5, AS 63). Dies wiederum erwähnt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

Im Wesentlichen kann der Beschwerdeführer auch nicht angeben, wie ihm die Flucht aus dem Keller tatsächlich gelungen sein soll. So schildert er, ihm seien Hände und Füße gefesselt worden, zudem hätten sie die Kellertür von innen abgesperrt. Hierbei handelt es sich um zwei wesentliche Hürden, zu deren Überwindung der Beschwerdeführer keine plausiblen Angaben machen kann. Er gibt lediglich an, er habe Hände und Füße wieder befreit (Verhandlungsprotokoll, S. 9) und nochmals dazu befragt, gibt er an, das Seil sei nicht fest gewesen und er habe die Hände mit voller Kraft bewegt (Verhandlungsprotokoll S. 12). Wie er die versperrte Kellertür in der Finsternis überwunden haben will, gibt der Beschwerdeführer dagegen gar nicht an.

Die Erklärung des Beschwerdeführers, er wisse, es gebe Widersprüche, aber er habe keine gemacht, erweist sich dagegen – auch vor dem Hintergrund der bereits aufgezeigten Widersprüche – als nicht plausibel. Auch hat der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift das Einvernahmeprotokoll als richtig bestätigt und geht aus diesem ebenso hervor, dass dem Beschwerdeführer die Niederschrift rückübersetzt wurde. Die Erklärung des Beschwerdeführers, es sei ihm psychisch und mit dem Bauch schlecht gegangen und habe er sich nicht richtig konzentrieren können, stellt sich angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer keinerlei medizinische Beeinträchtigung nachweisen konnte – siehe dazu bereits oben – als nicht plausibel dar.

Damit stellt der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen allerdings nicht im Kern gleichbleibend dar und erweist sich dieses damit als nicht glaubhaft.

Hinsichtlich der behaupteten Verfolgung durch die Taliban wegen der Tätigkeit des Beschwerdeführers für das Militär ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer auch diese Bedrohung nicht gleichbleibend und plausibel schildert. Weiter bringt der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der aus der Tätigkeit resultierenden Bedrohung seinen Fluchtgrund nicht aus eigenem in freier Erzählung vor, sondern beschränkt sich zunächst auf einen Vorfall im Zusammenhang mit dem Verrat eines Rekruten, der sich den Taliban angeschlossen und eine Mission vereitelt haben soll, wodurch auch zwei weitere Militärangehörige ums Leben gekommen sein sollen. Erst nach mehrmaliger Nachfrage Beschwerdeführer gibt der Beschwerdeführer weitere Ereignisse preis, schildert aber insgesamt keinen stringenten Ereignisablauf. Auch am Schluss der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2019 reicht der Beschwerdeführer nochmals plötzlich ein Detail hinsichtlich des Fluchtgrundes nach, obwohl er zuvor bereits mehrmals aufgefordert worden war, seine Fluchtgeschichte zu erzählen (Verhandlungsprotokoll, S. 16). Zudem hat der Beschwerdeführer dieses im letzten Moment nachgereichte Detail, nämlich wie die Taliban zu seiner mehrmals gewechselten Telefonnummer gekommen sein sollen, vor der Behörde nie erwähnt. Dies gilt im Übrigen auch für die Behauptung, dieser Rekrut hätte Videos und Fotos von ihm gemacht und diese den Taliban gegeben.

Widersprüchlich gibt der Beschwerdeführer zum Angriff auf seine Person in einem Konvoi von 100 Fahrzeugen in der niederschriftlichen Einvernahme an, die Taliban hätten von zwei bis drei Kilometern Entfernung auf sein Auto geschossen, sie hätten aber weiterfahren können (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 64). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gibt der Beschwerdeführer zu diesem behaupteten Vorfall an, die Taliban hätten vor ihm eine Miene explodieren lassen, dabei sei der Stellvertreter der Kompanie getötet worden (Verhandlungsprotokoll, S. 15). Unerwähnt ließ der Beschwerdeführer vor der Behörde auch, dass die Taliban ihn im Zusammenhang mit jedem der behaupteten Anschläge nochmals angerufen und bedroht haben sollen. Zudem gibt es auch Abweichungen hinsichtlich der Aufforderung, mit der die Taliban an den Beschwerdeführer herangetreten sein sollen. Vor der Behörde gibt der Beschwerdeführer hierzu an, sie hätten gesagt, er solle bei den Angriffen wo anders hin schießen lassen, um so keine Taliban mehr zu treffen (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 64). Keine Erwähnung findet hier, dass die Taliban dem Beschwerdeführer telefonisch – wie später in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben – Geld und eine höhere Position angeboten haben sollen (Verhandlungsprotokoll, S. 14) bzw. dass sie ihn aufgefordert hätten, sich zu stellen (Verhandlungsprotokoll, S. 13).

Zudem stellt der Beschwerdeführer seinen letztendlichen Entschluss für die Ausreise in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und in der niederschriftlichen Einvernahme vor der Behörde jeweils anders dar. So gibt der Beschwerdeführer an, er habe nach dem Angriff auf ihn, bei dem sein Soldat verletzt worden sei (Einvernahmeprotokoll, S. 6, AS 64) den Entschluss zur Ausreise gefasst. In der mündlichen Verhandlung dagegen schildert der Beschwerdeführer zwar den gleichen Angriff, gibt aber nunmehr an, die Taliban hätten ihn anschließend kontaktiert und bedroht (Verhandlungsprotokoll, S. 15). Anschließend sei er nochmals kontaktiert worden, als er in der Stadt gewesen sei und hätten ihm die Taliban erzählt, sie wüssten, wo er sich befinde (Verhandlungsprotokoll, S. 15). Seinen Ausreiseentschluss verknüpft er schließlich aber mit dem am Ende behaupteten Tod eines Generales (Verhandlungsprotokoll, S. 17).

In der niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, der „Landeshauptmann“ von Ghazni habe die Taliban unterstützt (Einvernahmeprotokoll S. 12, AS 64). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer dagegen an, der „Gouverneur“ von Ghazni habe ihn unter Druck gesetzt (Verhandlungsprotokoll, S. 13). Als dem Beschwerdeführer dieser Widerspruch vorgehalten wurde, gibt er an, er habe ein Problem mit der Schilderung, er könne nicht chronologisch schildern (Verhandlungsprotokoll S. 14). Hiermit erklärt der Beschwerdeführer jedoch diesen Widerspruch nicht.

Damit erweist sich das Fluchtvorbringen auch hinsichtlich der behaupteten von den Taliban ausgehenden Gefahr als widersprüchlich und nicht im Kern gleichbleibend. In Zusammenschau mit dem bereits unter 2.1. dargelegten Eindruck persönlicher Unglaubwürdigkeit, der im Übrigen von den bereits aufgezeigten Widersprüchen im anderen Teil des Fluchtvorbringens und der Vortragsart des Beschwerdeführers, regelmäßig unerwähnte Details zum Fluchtvorbringen überraschend nachzuliefern, noch verstärkt wird, kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass auch dieser Teil des Fluchtvorbringens nicht glaubhaft ist.

Hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr – nachdem er (zunächst) als ehemaliger Angehöriger der Sicherheitskräfte und damit als Zivilperson zurückkehrt – ist auszuführen, dass die bereits oben zitieren UNHCR-Richtlinien (Abschnitt Internationaler Schutz, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe b) Zivile Polizeikräfte (einschließlich Angehörigen der ANP und ALP) sowie ehemalige Angehörige der ANDSF, S. 47 f.) und auch die EASO Country Guidance (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49-50) von Ermordung ehemaliger Angehöriger der afghanischen Sicherheitskräfte berichten. Allerdings ergibt sich hieraus noch keine konkrete und individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr in das Herkunftsdorf.

So stammt der Beschwerdeführer aus der Provinz Panjsher, die als friedlich und sicher gilt. Das Länderinformationsblatt berichtet, dass die afghanischen Sicherheitskräfte in der Provinz einsatzfähig sind, um die Provinz gegen Aufständische zu verteidigen (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.27. Panjsher/Panjshir). Auch dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 27.11.2019 in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 ist zu entnehmen, dass die Provinz Panjsher unter Regierungskontrolle steht (Kapitel 2.28. Panjsher, Unterkapitel2.28.2 Conflict background and actors in Panjsher, S. 245 f., siehe insbesondere Tabelle auf S. 246). Von Talibanaktivitäten wird der EASO Country Guidance zufolge nicht berichtet und kommt diese zu dem Schluss, dass in der Provinz kein bewaffneter Konflikt stattfindet. Folglich ist nicht zu erwarten, dass die Taliban den Beschwerdeführer in der Provinz Panjsher erreichen können und wurde folglich festgestellt, dass dem Beschwerdeführer in der Herkunftsprovinz Übergriffe durch die Taliban nicht drohen.

Zur Anreise in die Herkunftsprovinz ist dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 zu entnehmen, dass die Distrikthauptstadt von Kabul aus über eine Straße erreichbar ist, die durch den Distrikt Bagram in der Provinz Parwan führt. Die Distanz zwischen Kabul und Bazarak betrage 150 km (Kapitel 2.28. Panjsher, Unterkapitel 2.28.1. General description of the province, S. 244). Die Straße zwischen Kabul und Bagram führt dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 zufolge durch die Distrikte Dehsabz und Quarabagh in Kabul (Kapitel 2.15. Kabul Province, Unterkapitel 2.15.1 General description of the province, S. 162). Hinsichtlich der Distrikte Dehsabz und Qarabagh ist dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 zu entnehmen, dass beide Distrikte unter Regierungskontrolle stehen (Kapitel 2.15. Kabul Province, Unterkapitel 2.15.2 Conflict background and actors in Kabul province, S. 163 ff., siehe insbesondere Tabelle auf S. 164). Von Kämpfen und militärischen Operationen in diesen beiden Distrikten wird nicht berichtet (vgl. auch Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, insbesondere Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung).

Die Provinz Parwan zählt den vorliegenden Berichten zufolge zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.28. Parwan). Hinsichtlich der Provinz berichtet der EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 zwar etwa von Kämpfen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften (Kapitel 2.29 Parwan, Unterkapitel 2.29.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 250 ff.), der Distrikt Bagram gehört jedoch nicht zu den spezifisch betroffenen Distrikten, sondern steht unter Kontrolle der Regierung, die Präsenz der Taliban ist gering (Unterkapitel 2.29.2 Conflict background and actors in Parwan, S. 249 f., insbesondere Tabelle, S. 250). Die EASO Country Guidance berichtet ebenso hinsichtlich des Distriktes Bagram nicht von Kämpfen oder Zwischenfällen. Hinsichtlich der Autobahn im Destrikt Shekhali werden Entführungen von Reisenden erwähnt, jedoch nicht hinsichtlich der Straße durch Bagram, die letztlich in die Herkunftsprovinz führt. Kabul Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, der nach der Einschätzung von EASO sicher ist und die Einreise nach Kabul Stadt gewährleistet (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Travel and admittance, S. 130). Demnach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich vom Flughafen im Norden der Stadt aus auch direkt auf den Weg nach Norden in seine Herkunftsprovinz machen kann, ohne in der Stadt zu verweilen.

Hinsichtlich Kabuls ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass die Stadt insbesondere von Angriffen auf hochrangige Ziele betroffen ist (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul). Der EASO Country Guidance zufolge ist der Konflikt in Kabul insbesondere von asymmetrischer Kriegsführung mit Selbstmordanschlägen, unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und bewaffneten Angriffen gekennzeichnet. Ziel seien insbesondere die zivile Administration der Regierung, religiöse Kultstätten, Bildungseinrichtungen, im Zusammenhang mit Wahlen stehende Einrichtungen, etc. (EASO Country Guidance, EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Kabul, S. 101 f.). Nach der Einschätzung von EASO hängt die konkrete Gefährdung stark von individuellen Faktoren ab. Der Beschwerdeführer verfügt über Ortskenntnisse in Kabul und muss sich allenfalls einen sehr kurzen Zeitraum auf der Durchreise in der Stadt aufhalten. Zudem muss er nur kleine Teile der Stadt durchqueren, um vom Flughafen aus in die Herkunftsprovinz zu gelangen. Weiter ist nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Militärangehöriger in Kabul intentional von den Taliban angegriffen wird. So konnte er nicht glaubhaft machen, dass er bereits in der Vergangenheit in ihr Visier geraten ist und ist damit nicht ersichtlich, warum die Taliban ihre Zugriffsmöglichkeiten in Kabul – die sie dem Länderinformationsblatt insbesondere für medienwirksame Angriffe auf hochrangige Ziele nutzen (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1 Kabul) – ausgerechnet für einen Angriff auf den Beschwerdeführer einsetzen sollten. Zwar stand der Beschwerdeführer seinen vorgelegten Unterlagen zufolge zuletzt als Hauptmann im Dienst der Armee und hatte seinen eigenen Angaben zufolge 140 Soldaten zu befehligen (Verhandlungsprotokoll, S. 13). Dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation zufolge besteht die ANA aus etwa 190 000 bzw. 230 000 Mann, etwa 80 000 davon Soldaten, etwa 70 000 davon Unteroffizieren und etwa 30 000 davon Offiziere. Damit ist der Beschwerdeführer in Augen der Taliban wohl nicht als hochrangiges Ziel einzustufen. Weiter ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer seine zügige Weiterreise vom Flughafen Kabul bereits vom Bundesgebiet aus organisieren und dafür auch auf sein soziales Netzwerk in Kabul zurückgreifen kann. Damit erscheint das Risiko einer zufälligen Verwicklung des Beschwerdeführers in einen Angriff Aufständischer als gering, ebenso wie die Gefahr, dass er – trotzdem dies als unwahrscheinlich zu betrachten ist – Opfer eines gezielten Angriffes würde.

Folglich wurde festgestellt, dass nicht zu erwarten ist, dass der Beschwerdeführer auf dem Weg von Kabul Stadt in das Herkunftsdorf von den Taliban gefasst wird.

2.3.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf den UNHCR-Richtlinien (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel 2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Hinsichtlich der Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Panjsher wird auf die bereits unter 2.2. diesbezüglich zitierten Berichte und Ausführungen verwiesen, gleiches gilt auch für die sichere Erreichbarkeit der Provinz. Auf diesen Berichten beruht auch die Feststellung, dass nicht zu erwarten ist, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in die Herkunftsprovinz, die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Diese Feststellung deckt sich im Übrigen auch mit der Einschätzung von EASO hinsichtlich der Provinz Panjsher (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Parwan, S. 114). Zudem wird auf die Beweiswürdigung zur sicheren Niederlassung im Herkunftsdorf unter 2.2. verwiesen. Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht damit zu rechnen hat, während der Anreise in sein Herkunftsdorf im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden wird ebenso auf die Beweiswürdigung unter 2.2. zur sicheren Anreise in das Herkunftsdorf des Beschwerdeführers verwiesen.

Zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf eine Lebensgrundlage erwirtschaften kann, ist auszuführen, dass die Familie des Beschwerdeführers dort über ein Haus, Bäume und Grundstücke verfügt, in dem aktuell niemand lebt, wie der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat (Verhandlungsprotokoll, S. 7). In dieses Haus kann der Beschwerdeführer zurückkehren und sich aus der Bewirtschaftung der Grundstücke eine Lebensgrundlage erwirtschaften. Aus dieser Einkommensquelle wird der Beschwerdeführer auch seine Verlobte nach einer allfälligen Hochzeit mitversorgen können. Zudem verfügt der Beschwerdeführer noch über Angehörige in Kabul und der Herkunftsprovinz, auf deren Unterstützung er zurückgreifen kann, bis er seine Landwirtschaft reorganisiert hat. Hinsichtlich allfälliger Ausgangsbeschränkungen oder -sperren im Herkunftsstaat aufgrund der notorischen COVID-19-Pandemie ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer über Wohnraum verfügt, zu dem er zurückkehren kann und zudem ein soziales Netzwerk hat, dass ihn – angesichts des vorrübergehenden Charakters dieser Maßnahmen – bei der Überbrückung finanziell Unterstützen kann, bis er bei der Reorganisation seiner Landwirtschaft oder der Arbeitssuche nicht mehr an die Schranken von Pandemiebekämpfungsmaßnahmen stößt.

Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Abschnitt Länderspezifische Anmerkungen COVID-19 in Zusammenschau mit der vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.06.2020 eingebrachten Stellungnahme von Friederike Stahlmann, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener vom 27.03.2020, sowie dem ebenso vom vom Beschwerdeführer eingebrachten UNOCHA, Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report von 13.05.2020. Aus dessen aktuellerer Fassung vom 24.09.2020 ergibt sich zudem, dass die im Report vom 13.05.2020 beschreibene Situation nach wie vor aufrecht ist und es zu einer Entspannung der Lage nicht gekommen ist.

Zur medizinischen Versorgung im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass dem Länderinformationsblatt zu entnehmen ist, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat in großen Städten und auf Provinzlevel sichergestellt ist, auf Distriktsebene seien nur erste Hilfe und kleinere Operationen möglich. In Distrikten mit guter Sicherheitslage würden in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten. Damit ist davon auszugehen, nachdem die Herkunftsprovinz wie schon ausgeführt als friedlich und sicher gilt, dass die Gesundheitsversorgung dort im Grunde sichergestellt ist (Kapitel 22. Medizinische Versorgung). Nachdem der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt – gesund ist, ist für ihn eine spezifische medizinische Problemstellung im Fall der Rückkehr nicht zu erwarten. Zur notorischen COVID-19-Pandemie ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer mit Anfang 30 und ohne Vorerkrankungen nicht zur Risikogruppe gehört und folglich in seinem Fall ein schwerer Krankheitsverlauf mit Behandlungsbedarf im Krankenhaus im Fall einer Ansteckung im Herkunftsstaat nicht wahrscheinlich ist. Entsprechend wurde entsprechend festgestellt, dass seine medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl):

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

3.1.1.  Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen einer außerehelichen Beziehung:

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur grundsätzlich im Fall einer drohenden Ermordung durch Familienangehörige der „Geliebten“ bzw. von im Herkunftsstaat drohenden schweren gerichtlichen Strafen wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr („Zina“) bzw. einer außerehelichen Beziehung bei Vorliegen einer religiösen Motivation der Verfolger davon aus, dass ein Asylgrund im Sinne der GFK gegeben ist (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0141).

Nachdem der Beschwerdeführer wie beweiswürdigend ausgeführt nicht glaubhaft machen konnte, dass er in der Herkunftsprovinz eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt hat und auch nicht, dass ihm von deren Vater Misshandlungen und Übergriffe bis hin zur Tötung drohen, falls er in den Herkunftsstaat zurückkehrt, konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung nicht glaubhaft machen.

3.1.2.  Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Tätigkeit für das Militär:

Nach dem gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG unmittelbar anwendbaren Art. 10 Abs. 1 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staaten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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