TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/23 96/18/0103

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Veröffentlicht am 23.10.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995 Art1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M in Wien, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in Wien I, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Jänner 1996, Zl. SD 1205/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe sich erstmals am 20. November 1989 in Wien angemeldet. In der Folge habe er sich - offenbar, um der Sichtvermerkspflicht zu entgehen - immer wieder nach drei oder vier Monaten in sein Heimatland abgemeldet, um einige Tage oder Wochen später neuerlich in Wien eine Anmeldung durchzuführen. Nach Ansicht der belangten Behörde vermöge das kurzfristige Verlassen des Bundesgebietes, und zwar augenscheinlich zwecks Umgehung der Sichtvermerkspflicht, den illegalen Aufenthalt eines Fremden nicht zu unterbrechen. Auch zuletzt habe sich der Beschwerdeführer am 17. Jänner 1995 von seiner Wiener Anschrift abgemeldet, sei dort jedoch seit 7. September 1995 wieder aufrecht gemeldet. Für die belangte Behörde stehe demnach fest, daß sich der Beschwerdeführer, der bereits dreimal wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes rechtskräftig bestraft worden sei, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, sei festzuhalten, daß sich lediglich eine Schwester des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte, diese aber mit dem Beschwerdeführer nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe; sie sei somit nicht vom Schutzbereich des § 19 leg. cit. erfaßt. Auf einen allfälligen Eingriff in sein Privatleben könne sich der Beschwerdeführer schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er nach seinen eigenen Angaben das Bundesgebiet immer wieder verlassen habe und in sein Heimatland zurückgekehrt sei. Selbst wenn man einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers annähme, wäre diese Maßnahme zum Schutz der öffentliche Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe bisher über keine Bewilligung zum Aufenthalt in Österreich verfügt und sei bereits mehrmals wegen illegalen Aufenthaltes rechtskräftig bestraft worden. Dieses Verhalten dokumentiere sehr augenfällig, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken habe, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenrechtlichen Bestimmungen hinwegzusetzen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, "aber auch" wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde wird - wie im wesentlichen bereits in der Berufung - vorgebracht, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 8. August 1995 nicht mehr in Österreich aufhältig gewesen sei, da er bereits "im Jahr 1995" bzw. "Mitte 1995" das Bundesgebiet verlassen habe. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt erscheine die Ausweisung "als nicht gerechtfertigt".

1.2. Damit vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Denn auch unter der Annahme, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Ausweisungs-Bescheides (nach Ausweis der Akten: am 17. August 1995) außerhalb Österreichs aufgehalten hat, bewirkt dies nicht mehr, als daß der genannte Bescheid der Erstbehörde ins Leere gegangen ist. Wesentlich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit/Rechtswidrigkeit des hier angefochtenen Berufungsbescheides vom 12. Jänner 1996 ist vielmehr die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt von dessen Erlassung (am 18. Jänner 1996) im Bundesgebiet, und zwar unrechtmäßig, aufgehalten hat oder nicht.

2.1. Die belangte Behörde hat in dieser Hinsicht ihrer Entscheidung die - auf einer aktenkundigen Auskunft der Bundespolizeidirektion Wien, Zentralmeldeamt, beruhende - Feststellung zugrunde gelegt, daß der Beschwerdeführer seit 7. September 1995 wieder an seiner (näher bezeichneten) Wiener Anschrift "aufrecht gemeldet" sei, was von ihr - wie aus dem Zusammenhang der Bescheidbegründung klar zu erkennen ist - dahin verstanden wurde, daß sich der Beschwerdeführer seit diesem Tag auch tatsächlich (wieder) an dieser Adresse aufgehalten habe.

2.2. Träfe letzteres zu, dann hätte sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Zulässigkeit eines dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthaltes nach dem Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht (BGBl. Nr. 487/1995) - daß der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde meint, dieses Abkommen infolge Umgehungsabsicht nicht zu seinen Gunsten ins Treffen zu führen vermöge, läßt sich angesichts mehrerer, jeweils viele Monate dauernder Aufenthalte außerhalb Österreichs seit 30. März 1992 ohne nähere Begründung nicht aufrechterhalten - im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht (mehr) rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

2.3. Die Feststellung allein, daß der Beschwerdeführer ab 7. September 1995 (wieder) in Wien polizeilich gemeldet gewesen sei, läßt allerdings - wenngleich dieser Umstand insoweit ein starkes Indiz darstellt - keinen verläßlichen Schluß auf einen mit diesem Tag beginnenden und zumindest bis 18. Jänner 1996 dauernden (somit die zulässige Zeitspanne von drei Monaten überschreitenden) tatsächlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers an dieser (oder an einer anderen inländischen) Anschrift zu. Um zu einer Feststellung dieses Inhaltes gelangen zu können, hätte es weiterer Ermittlungen, allenfalls unter Beiziehung (Mitwirkung) des Beschwerdeführers, bedurft. Ausgehend davon, daß dem Beschwerdeführer zu dieser Frage kein Parteiengehör eingeräumt wurde, unterliegt das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, daß der Beschwerdeführer "im Jahr 1996" wieder in das Bundesgebiet eingereist sei, nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

3. Da nach dem Gesagten der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig und als Folge dessen die Begründung des angefochtenen Bescheides in relevantem Ausmaß mangelhaft geblieben ist, war dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996180103.X00

Im RIS seit

13.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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