TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 L504 2121938-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L504 2121938-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2016, Zl. 1047451209-140256221, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als Spruchpunkt III. 1. Satz zu lauten hat: Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gem. § 57 AsylG nicht erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 05.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen ersten Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit muslimischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Kurden angehört und aus XXXX /Autonome Region Kurdistan stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP am 06.12.2014 zu ihrer Ausreisemotivation an, dass sie wegen der allgemeinen Lage den Irak verlassen habe. Es herrsche Krieg wegen der Terroristen. Sie habe einfach Angst um ihr Leben. Sonst habe sie keine Fluchtgründe.

Bei der Einvernahme am 06.05.2015 brachte sie beim Bundesamt im Wesentlichen als ausreisekausal vor, dass sie mittels Schreiben vom IS durch diesen bedroht worden sei. Diesen habe sie vor dem Geschäft gefunden in dem sie gearbeitet habe. Zusammen mit dem Vater habe sie entschieden, dass sie den Irak verlässt.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt mit Bescheid vom 29.01.2016gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Mit Schriftsatz vom 11.02.2016 hat die bP mit Unterstützung des VMÖ Beschwerde erhoben.

Da die bP folglich unbekannten Aufenthaltes war, wurde das Beschwerdeverfahren vom BVwG mit Beschluss vom 31.05.2016 eingestellt.

Im Rahmen des Dublin-III Abkommens wurde die bP am 11.08.2016 von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt.

Am 29.08.2016 hat sie in Österreich beim BVwG einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt und hat das VwG das Beschwerdeverfahren weitergeführt.

Am 26.09.2016 wurde vom Land Steiermark, Grundversorgung, mitgeteilt, dass die bP wegen unbekannten Aufenthaltes per 26.09.2016 abgemeldet werde.

Ab 28.10.2016 schien die bP wieder mit einer Anmeldung im ZMR auf.

Mit Schriftsatz vom 25.09.2019 wurde die bP vom BVwG im Rahmen ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht aufgefordert Fragen zum aktuellen Stand ihres Privat- und Familienlebens in Österreich zu beantworten und Angaben zu machen, ob sich seit Einbringung der Beschwerde in Bezug auf ihr Problemlage im Herkunftsstaat eine Änderung ergeben hat.

Gleichzeitig wurde sie aufgefordert allfällige Behauptungen zu diesen Punkten, soweit als möglich, durch Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen.

Mit Schreiben vom 16.10.2019 übermittelte die bP durch den sie vertretenden VMÖ Integrationsnachweise, Empfehlungsschreiben, Bestätigungen der Evang. Kirche und Fotos. In einem Schreiben vom 09.10.2019 wird seitens der Kurators und Pfarrers der Evang. Kirche in XXXX bestätigt, dass die beschwerdeführende Partei den Taufvorbereitungskurs der Pfarrgemeinde in Übereinstimmung mit der Handreichung der Evangelischen Kirche A. B. Österreich absolviert habe. Damit und im Zusammenhang mit der Erforschung seines Gewissens, dem Verhalten im Kurs und im Gottesdienst, wurde ihm am 5. März 2017 das heilige Sakrament der Taufe gespendet, sodass er seit diesem Datum mit allen Rechten und Pflichten, die sich aus der Mitgliedschafft ergeben, im Matrikelbuch der Kirche eingetragen ist. Bereits vor der Taufe noch vielmehr jetzt habe sich die beschwerdeführende Partei im Gemeindeleben eingebracht. Sie habe geholfen wo sie nur konnte. Seit einiger Zeit sei sie auch als Stellvertreter des Schatzmeisters tätig und kümmere sich um die wöchentliche Kollekte. Seit kurzem sei sie auch im Bewirtungsteam der Gemeinde, das sich unter anderem für den wöchentlichen Kaffee nach der Kirche und den monatlichen Kirchencafé (Kaffee mit Kuchen) verantwortlich zeichnet. Er biete stets seine tatkräftige Hilfe an. Dies alles habe zu einer hohen Integration in der Gemeinde und zu sehr engen Kontakten zu Gemeindemitgliedern geführt. Bei einigen zähle er fast schon zur Familie. Die beschwerdeführende Partei sei als sehr strebsam, liebenswürdig, sanft demütig, freundlich, empathisch und sensibel kennengelernt worden, der sprichwörtlich selig ist, endlich seinen Glauben gefunden und ihn ohne die Angst ständiger Verfolgung ausleben zu dürfen. Sie sei ein fixer und gleichberechtigter Teil der Gemeinde und besuche jeden Sonntag den Gottesdienst.

Neu wurde in der von der Vertretung eingebrachten Stellungnahme unbescheinigt geblieben behauptet, dass die Familie der bP vom Glaubenswechsel erfahren habe und dieser Umstand sei beim Vater auf großes Empören gestoßen. Der Vater habe gedroht die bP im Falle der Rückkehr deshalb zu töten. Es liege somit nun der Nachfluchtgrund der Konversion vor.

Mit Schriftsatz vom 10.04.2020 wurden den Parteien vom BVwG im Rahmen des Parteiengehörs Berichte übermittelt, die das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage zugrunde legt und zur Stellungnahme binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert.

Die Verfahrensparteien brachten dazu keine schriftliche Stellungnahme ein.

Am 29.05.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP, ihrer Vertreterin sowie eines Behördenvertreters eine Verhandlung durch. Die bP legte in der Verhandlung weitere Integrationsunterlagen vor.

Am Ende der Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren durch Beschluss gem. § 39 Abs 3 AVG für geschlossen erklärt. Seither langten keine Äußerungen der Parteien mehr ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde, der eingebrachten Stellungnahmen sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden amtswegigen Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat

Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen lt. Bundesamt fest. Sie hat beim Bundesamt einen irakischen Personalausweis vorgelegt. Da dem BVwG selbst keine nationalen, mit Lichtbild versehenen Identitätsdokumente im Original vorlagen, kann mangels Überprüfbarkeit und unter Berücksichtigung der notorisch hohen Fälschungsrate von derartigen Identitätsdokumenten aus dem Irak, seitens des BVwG dazu keine eigene Feststellung getroffen werden.

Die bP ist der Volksgruppe der Kurden angehörig.

Zum Zeitpunkt der Ausreise war sie muslimischen Glaubens, jedoch wenig praktizierend. Religion spielte für sie eine geringe Rolle. Am 05.03.2017 wurde sie in Österreich von der Evangelischen Kirche getauft.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Irak.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise

Die bP ist in XXXX /Autonome Region Kurdistan, westlich von Erbil, geboren und absolvierte dort ihre Schulbildung.

Sie wohnte vor ihrer Ausreise im Haus der Eltern in XXXX

Sie arbeitete zuletzt mit ihrem Vater als Glaser und bestritt dadurch ihren Lebensunterhalt. Weiters hat sie als Dachdecker und Verkäufer Berufserfahrung.

1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Die Eltern leben nach wie vor in XXXX in einem gemieteten Haus. Die Mutter ist als Schneiderin, der Vater als Glaser erwerbstätig und finanzieren sie dadurch ihr Leben. Eine verheiratete Schwester lebt ebenfalls im Irak. Die bP steht seit der Ausreise mit Familienangehörigen telefonisch regelmäßig in Kontakt.

Die Behauptung der bP, dass sie zu ihrem Vater kein gutes Verhältnis habe und dieser gedroht habe sie umzubringen, weil sie ihm erzählt hat, dass sie zum Christentum konvertiert ist, ist nicht glaubhaft.

Zu den übrigen Familienangehörigen hat sie ein gutes Verhältnis.

Die bP gehört im Irak dem Clan der "Gerdi" (phonetisch) an. Die Mitglieder leben überwiegend in Erbil, Suleymania und in XXXX . Genauere Informationen über die im Stamm vertretenen Konfessionen und die Anzahl der Mitglieder konnte die bP nicht angeben.

Es gibt keine konkreten Hinweise bzw. Nachweise, dass die bP vom Stamm/Clan ausgeschlossen wurde.

1.4. Ausreisemodalitäten

Die bP hat gemeinsam mit dem Vater entschieden, dass sie den Irak verlässt. Der Vater war mit der Weiterreise nach Europa einverstanden und hat die bP bei den Schlepperkosten finanziell unterstützt.

Sie reiste sodann am 20.11.2014 oder 22.11.2014 illegal mit einem Lkw in die Türkei. Nach 3 Tagen reiste sie schlepperunterstützt bis nach Österreich wo sie am 05.12.2014 gegenständlichen Antrag stellte.

Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht behauptet, dass ihr dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder, dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.

1.5. Aktueller Gesundheitszustand

Bei der bP besteht aktuell keine behandlungsbedürftige gesundheitliche Beeinträchtigung.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes

Die bP begab sich mit Unterstützung einer kriminellen Schlepperorganisation und ohne Vorhandensein eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 05.12.2014 in das Bundesgebiet.

Mit der am gleichen Tag erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Ausreise während des Beschwerdeverfahrens und Asylverfahren in der Schweiz:

Nach Einbringung der Beschwerde vom 11.02.2016 hat die bP unter Missachtung fremdenrechtlicher Ein- bzw. Ausreisebestimmungen und unter Verletzung der Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren Österreich verlassen und ist in die Schweiz gereist um dort abermals einen Asylantrag zu stellen. Auf Anraten eines Freundes hat sie in der Schweiz den Antrag mit einer anderen, auf falschen Tatsachen beruhenden "Geschichte" begründet. Demnach hat sie in der Schweiz behauptet, dass sie in Österreich ein kurdisches Mädchen liebe und ihre Familie sei gegen die Heirat.

Im Rahmen des Dublin-III Abkommens wurde die bP am 11.08.2016 von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. Sie hat sich in der Schweiz ca. 6 Monate aufgehalten.

Das Beschwerdeverfahren war vom 31.05.2016 bis 29.08.2016 wegen unbekannten Aufenthaltes der bP eingestellt.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:

Die bP hat in Österreich keine als Familienleben zu wertenden Umstände dargelegt oder nachgewiesen.

Grad der Integration

Die bP hat Deutschkenntnisse durch ÖSD Zertifikat nachgewiesenermaßen auf Niveau A2. Sie hat im Februar 2019 die Pflichtschulabschluss-Prüfung bestanden. Nachweise wurden weiters erbracht hinsichtlich Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs im Mai 2017, Teilnahme an freiwilligen Tätigkeiten, guter Integration in der Wohnortgemeinde, Taufschein der Evangelischen Kirche vom 05.03.2017 sowie Ausführungen über ihre Beteiligung am Leben der evangelischen Religionsgemeinschaft.

Seit 02.03.2020 - voraussichtlich bis Juli 2022 macht sie bei der Caritas eine Ausbildung zum Fach-Sozialbetreuer.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) oder Abhängigkeit von staatlichen Leistungen:

Seit der Einreise bezieht die bP Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist auf diese wirtschaftlich angewiesen. Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber zum Selbsterhalt war bei der bP nicht gegeben.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienleben; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren:

Die bP hat diese privaten Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war. Die überwiegenden Anknüpfungspunkte wurden nach der Abweisung des Antrages durch das Bundesamt begründet.

Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, hat dort von 1993 bis Ende 2014 in der Heimatgemeinde mit ihren Eltern gelebt, absolvierte dort ihre Schulzeit und kann sich im Herkunftsstaat problemlos verständigen. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens. Sie hat nach wie vor Kontakt zu Familienangehörigen im Irak und informiert sich auch insbesondere über Facebook über die laufende Lageentwicklung im Herkunftsstaat.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

2016 wurde sie nach einer verbalen Auseinandersetzung in einer Diskothek mit einer Geldstrafe von 100 Euro belegt.

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 7 FPG).

Entgegen bestehender Ein- und Ausreisebstimmungen verließ sie nach Einbringung der Beschwerde Österreich und reiste in die Schweiz um dort einen Asylantrag unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu stellen.

Durch diese Abwesenheit in Österreich - ohne dem BVwG ihren Aufenthaltsort bekannt zu geben - über rd. 6 Monate verletzte sie die asylrechtliche Mitwirkungsverpflichtung.

Nach der Rücküberstellung nach Österreich war sie abermals unter Verletzung ihrer Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren unbekannten Aufenthaltes. Diesbezüglich wurde sie am 26.09.2016 vom Land Steiermark aus der Grundversorgung abgemeldet. Erst am 27.10.2016 schien sie wieder mit einer Adresse im ZMR auf.

Die beschwerdeführende Partei verletzte - trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren. Sie versuchte dadurch die entscheidenden Instanzen zur Erlangung von internationalen Schutz zu täuschen.

Verfahrensdauer:

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 05.12.2014 gestellt und erging der Bescheid vom Bundesamt am 29.01.2016. Nach eingebrachter Beschwerde und durchgeführter Verhandlung erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

Die Dauer des Beschwerdeverfahrens liegt auch an der mangelnden Mitwirkung im Beschwerdeverfahren durch ihre längeren unbekannten Aufenthalte und dem Umstand, dass die bP zu einer Zeit des unvorhersehbaren Massenzustromes von Fremden einreiste, der zu einer Überlastung der Behörden/des BVwG führte.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet

a) Betreffend ihrer aktuellen persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Die bP behauptet, dass sie im Falle der Rückkehr, aus maßgeblicher aktueller Sicht, befürchtet, dass sie ihr Vater wegen der bei der Evangelischen Kirche vollzogenen Konversion töten würde. Weiters fürchte sie Probleme wegen der allgemeine Lage im Irak, die seit 20 Jahren vorherrsche. Weitere Rückkehrprobleme äußerte sie nicht (VHS S8).

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP wegen der Konversion im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung bzw. realen Gefährdung von Leib und/oder Leben durch den Vater oder anderen nichtstaatlichen oder staatlichen Akteuren unterliegt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP ihren nunmehrigen Glauben nicht auch in ihrer Herkunftsregion offen praktizieren könnte, sofern sie dies möchte.

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde.

b) Betreffend ihrer aktuellen, persönlichen Versorgungssituation mit Lebensnotwendigem (insb. Lebensmittel, Unterkunft) im Herkunftsstaat:

Die bP hat hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr zuletzt in der Verhandlung keine Probleme vorgebracht (VHS S 8).

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln auch vor der Ausreise schon in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern.

Die bP ist ihren Angaben nach über die aktuelle Lage im Irak informiert, da sie diese via Facebook beobachtet.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Aus nachfolgend genannten Quellen ergeben sich folgende Feststellungen bzw. Einschätzungen/Schlussfolgerungen über die relevante Lage, wobei zur Beurteilung der aktuellen und entscheidungsrelevanten Situation jeweils die jüngsten Erkenntnisquellen herangezogen werden und ältere im Wesentlichen der Übersicht über die Lageentwicklung dienen.

Quellen:

* ACCORD - Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, v. 11.12.2019

* Joel Wing - Overview oft he State of Iraq - spring 2019, vom 28.03.2019

* Musings on Iraq - Security in Iraq, Oct 1 -14, 2019

* Internetbericht Die Welt vom 08.11.2019 "Tränengas, Detonationen - ...."

* ACCORD -Themendossier zu Irak: Aktuelle polit. Entwicklungen - Protestlage v. 04.03.2020

* Länderinformationsblatt Irak Stand 30.10.2019 u. 17.03.2020

* Erbil - Ereignisrecherche via Google Suche v. 10.03.2020 u. 27.05.2020

* ACLED Regional Overview: Middle East 9-15 February 2020

* ACLED 3. Quartal 2019 Kurzübersicht über Vorfälle aus dem ACLED

* UK Home Office: Country Information and Guidance Iraq: Religious minorities, Oktober 2019

https://www.ecoi.net/en/file/local/2018421/Iraq_-_Religious_Minorities_-_CPIN_-_v2.0__October_2019__-_EXT.odt (Zugriff am 27. Mai 2020)

Politik allgemein

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten.

Ethnisch- religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung

Der Irak hat ca. 40 Millionen Einwohner. Etwa 75-80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15-20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.

Etwa 95-98 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 % sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten.

Der Irak hat eine junge Bevölkerungsstruktur. 0-14 Jahre: 37.02% (M 7,349,868/F 7,041,405), 15-24 Jahre: 19.83% (M 3,918,433/F 3,788,157), 25-54 Jahre: 35.59% (M 6,919,569/F 6,914,856), 55-64 years: 4.23% (M 805,397/F 839,137), 65 Jahre und älter: 3.33% (M 576,593/F 719,240). (https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html).

Sicherheitskräfte - Rechtschutz

Die irakischen Sicherheitskräfte ISF:

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen.

Volksmobilsierungseinheiten (PMF):

Der Name bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes.

Die kurdischen Sicherheitskräfte (Peshmerga)

Sie unterstehen formal der kurdischen Regionalregierung und sind bislang nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Sie bilden allerdings keine homogene Einheit, sondern unterstehen faktisch voneinander getrennt den beiden großen Parteien, der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), in ihren jeweiligen Einflussgebieten (AA 12.2.2018). Die Peshmerga sind eine komplexe und vielschichtige Kraft, ihre Loyalität geteilt zwischen dem irakischen Staat, der autonomen Region Kurdistan, verschiedenen politischen Parteien und mächtigen Persönlichkeiten. Zu verschiedenen Zeitpunkten, manchmal auch gleichzeitig, können die Peshmerga als nationale Sicherheitskräfte, regionale Sicherheitskräfte, Partei-Kräfte und persönliche Sicherheitskräfte bezeichnet werden (Clingendael 3.2018).

Im Kampf gegen den IS hatten die Peshmerga Gebiete über die ursprünglichen Grenzen von 2003 der Region Kurdistan-Irak hinaus befreit. Aus diesen zwischen Bagdad und Erbil seit jeher umstrittenen Gebieten hat die irakische Armee die Peshmerga nach Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums im September 2017 größtenteils zurückgedrängt. In weiten Teilen haben die Peshmerga sich kampflos zurückgezogen, es gab jedoch auch teils schwere bewaffnete Auseinandersetzungen mit Opfern auf beiden Seiten (AA 12.2.2018).

Nach der irakischen Verfassung hat die kurdische Autonomieregion das Recht, ihre eigenen Sicherheitskräfte zu unterhalten, finanziell unterstützt von der irakischen Bundesregierung, aber unter der operativen Kontrolle der kurdischen Autonomieregierung. Dementsprechend beaufsichtigt das Ministerium für Peshmerga-Angelegenheiten der kurdischen Autonomieregion 14 Infanteriebrigaden und zwei Unterstützungsbrigaden. Die PUK und die KDP kontrollieren zehntausende Mann zusätzliches Militärpersonal, einschließlich Milizen, die allgemein als die 70er und 80er Peshmerga-Brigaden bezeichnet werden (USDOS 20.4.2018).

KDP und PUK unterhalten getrennte Sicherheits- und Nachrichtendienste, einerseits Asayish und Parastin (KDP), und andererseits Asayish und Zanyari (PUK) (USDOS 20.4.2018; vgl. Chapman 2009). Die Unabhängige Menschenrechtskommission der kurdischen Autonomieregion informiert das kurdische Innenministerium regelmäßig, wenn ihr glaubwürdige Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte zukommen (USDOS 20.4.2018).

Rechtschutz

Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz. Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen und Einflussnahmen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Personal- und Kompetenzmangel wird zuweilen beklagt.

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte vereinzelt, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, gibt es diesbezüglich Mängel im Verfahren. Urteile ergehen vereinzelt mit überschießend hohen Strafen.

Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich Iraker vereinzelt auch an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.

Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt.

Autonome Region Kurdistan

Die Autonome Region Kurdistan umfasst die Provinzen Arbil, Dohuk, Halabdscha und Sulaimaniya und Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Ninawa.

Die Gesamteinwohnerzahl der autonomen Region Kurdistan lag im Jahr 2015 bei etwa 5,5 Millionen Menschen. Etwa 36 % der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre und 60 % zwischen 15 und 64 Jahren. Nur 4 % der Bevölkerung ist 65 Jahre oder älter.

Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Kurden. Minderheiten bilden Chaldäer, Assyrer, Turkmenen, Armenier und Araber. Die kurdischen Sprachen sind in der Region Amtssprache und werden intensiv in den Medien und als Schriftsprachen verwendet. Die arabische Sprache ist formell ebenfalls eine Amtssprache, wird jedoch nur selten gesprochen. In den Distrikten Sulaimaniyya und Erbil wird überwiegend das kurdische Sorani gesprochen, in Dahuk das Kurmandschi. Durch den intensiveren Gebrauch von Medien und die erhöhte Mobilität der Bevölkerung beherrschen inzwischen nahezu alle Einwohner Kurdistans beide kurdischen Sprachen.

Die Mehrheit der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Islam an.] Daneben gibt es bedeutende Minderheiten der Jesiden, Juden, Christen und Yarsan. Diese Minderheiten können in der Region ihre Religion weitgehend frei ausleben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Autonome_Region_Kurdistan#Bevölkerung

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: "Operation Will of Victory"; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).

Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).

Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019). .

Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019).

Die Höhe der Opferzahlen und die Gefahr für den Einzelnen relativiert sich, wenn man sie in Relation zur hohen Gesamtbevölkerungszahl von rd 40 Millionen Einwohnern setzt.

In Erbil bzw. Sulaymaniyah und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation

vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings kommt es immer wieder zu

militärischen Zusammenstößen, in die auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) verwickelt sind, weshalb sich die Lage jederzeit ändern kann. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen

Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 19.2.2020).

Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaymaniyah attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von

Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Kurdischen Region im Irak (KRI)] bemannt war. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurde in Sulaymaniyah ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019). Im November 2019 wurde ein weiterer Angriff im Gouvernement Sulaymaniyah verzeichnet. Der Vorfall ereignete sich im südlichen Sulaymaniyah, an der Grenze zu Diyala. Asayesh-Einheiten, die einen Mörserbeschuss untersuchten, wurden von Heckenschützen beschossen. Drei Personen, darunter ein Kommandant, starben, acht Personen, fünf Asayesh und drei Zivilisten wurden verletzt (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Ekurd 30.11.2019).

Im Gouvernement Erbil wurde im Jänner 2020 ein sicherheitsrelevanter Vorfall ohne Opfer verzeichnet. Als Vergeltung für die Tötung des iranischen Generalmajors Qassem Soleimani und des stellvertretenden Leiters der Volksmobilisierungskräfte (PMF)-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis durch die USA feuerte der Iran Raketen auf die US-Militärbasis nahe dem Internationalen Flughafen Erbil ab (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Al Monitor 8.1.2020). Im Februar 2020 wurden drei Vorfälle mit sieben Verletzten im südlichen Distrikt Makhmour verzeichnet. Dabei handelte es sich um einen Raketenangriff pro-iranischer PMF auf einen US-Militärstützpunkt (Joel Wing 5.3.2020), um die Detonation zweier IEDs in einem Dorf mit sechs Verletzten (Joel Wing 5.3.2020; vgl. BasNews 26.2.2020) und um einen Angriff des IS auf ein IDP Lager, mit einem verletzten Zivilisten (Joel Wing 5.3.2020; vgl. BasNews 2.2.2020).

Apostasie - Allgemein

UNHCR fasste in seinen im Mai 2019 veröffentlichten "Internationalen Schutzüberlegungen in Bezug auf Menschen, die aus der Republik Irak fliehen" allgemein Folgendes zusammen:

"Das Strafgesetz verbietet nicht die Konversion vom Islam zum Christentum (oder einer anderen Religion). Das Gesetz sieht jedoch nicht die rechtliche Anerkennung einer Änderung des religiösen Status vor. Infolgedessen würde der nationale Personalausweis eines Konvertiten seinen Inhaber immer noch als "Muslim" identifizieren. Fälle offener Konversion vom Islam zum Christentum im Irak werden sehr selten gemeldet. Es wird berichtet, dass Konvertiten ihren Glauben geheim halten, angesichts der weit verbreiteten Feindseligkeit gegenüber Konvertiten aus dem Islam in der irakischen Gesellschaft und der Tatsache, dass Familien und Stämme die Konvertierung durch eines ihrer Mitglieder wahrscheinlich als Affront gegen ihre kollektive "Ehre" interpretieren würden. Eine offene Bekehrung würde wahrscheinlich zu Ausgrenzung und / oder Gewalt durch die Gemeinschaft, den Stamm oder die Familie des Einzelnen sowie durch islamistische bewaffnete Gruppen führen. "

Die Einschätzung der Lage von UNHCR im Positionspapier vom Mai 2019 bezieht sich auf Berichte die überwiegend aus den Jahren 2015 bis 2017 stammen. Ein jüngerer Bericht vom 14.03.2018 bezieht sich im Wesentlichen auf im Jahr 2017 in Schweden bei iranischen und irakischen Asylwerbern durchgeführter Befragung. Soweit ein Bericht von Open Doors vom 19.01.2019, 2019 World Watch List, zitiert wird, so ist diesem im Wesentlichen nur statistisches Zahlenmaterial zu entnehmen ohne nähere Hintergrundinfo. Als konkreten sicherheitsrelevanten Vorfall eines Konvertiten wird von UNHCR jener vom September 2018 angeführt, bei der ein Konvertit deshalb von seinem Schwiegervater ermordet worden sein soll.

In den EASO-Leitlinien zum Irak vom Juni 2019 heißt es:

"Abfall vom Glauben ist im Irak ungewöhnlich und wird allgemein als unnatürlich angesehen. Trotz der Anerkennung der religiösen Vielfalt verbieten die Gesetze und Vorschriften zum persönlichen Status die Konversion von Muslimen zu anderen Religionen. Während Zivilgesetze einen einfachen Prozess für einen Nichtmuslim zur Konversion zum Islam vorsehen, ist die Konvertierung eines Muslims zu einer anderen Religion gesetzlich verboten. Artikel 26 des Nationalen Personalausweisgesetzes bekräftigt das Recht von Nicht-Muslimen, zum Islam zu konvertieren, gewährt Muslimen jedoch nicht die gleichen Rechte. Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen können ihre Religion nach der Konvertierung nicht auf ihren Ausweisen ändern und müssen weiterhin als Muslime registriert sein. Kinder, die von muslimischen und nicht-muslimischen Eltern geboren wurden, gelten gesetzlich als Muslime.

Laut COI-Quellen besteht die Gefahr, dass Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, im Irak getötet werden. Während Konvertiten auf Schwierigkeiten mit den Behörden stoßen können, ist die Hauptursache für Probleme in der Regel die Gemeinde und die Familie, wobei die Reaktionen von Familie zu Familie unterschiedlich sind. In einigen Fällen sind Familienmitglieder aufgeschlossen und reagieren in keiner Weise auf die Bekehrung. In anderen Fällen kann der Konvertit verstoßen werden, Morddrohungen erhalten oder sogar getötet werden. Nach einigen Quellen treten Probleme typischerweise innerhalb der Großfamilie auf. Die Behandlung von weiblichen Konvertiten ist Berichten zufolge viel schlechter als die Behandlung von Männern.

Apostasie und Konversion von Kurden aus der autonomen Region Kurdistan

"Die Situation des Konvertiten kann je nach sozialem Status und Stammeshintergrund der Person auch etwas variieren. Kurdische Stämme könnten gegenüber Konvertiten im Vergleich zu arabischen Stämmen freizügiger sein. Es gibt auch regionale Unterschiede, wobei die Reaktionen auf dem Land im Allgemeinen härter sind. Berichten zufolge ist die Situation für Konvertiten in anderen Teilen des Irak im Vergleich zum KRI schlechter. 2015 hat die KRG ein Gesetz zum Schutz der Rechte verschiedener religiöser Gruppen verabschiedet.

Es gibt keine gemeldeten Fälle, in denen jemand im KRI wegen Religionswechsels vor Gericht gestellt wurde. Obwohl die KRG die im KRI lebenden christlichen Konvertiten unterstützt, können die staatlichen Behörden den Konvertiten keinen ständigen Schutz vor der möglichen Bedrohung durch ihre eigenen bieten Stamm. Die kurdischen Behörden sind ziemlich tolerant gegenüber den christlichen Konvertiten, aber es war nicht möglich, dass Konvertiten z. den offiziellen Status der Religion für ihre Kinder ändern. Vor einigen Jahren registrierten die kurdischen Behörden jedoch eine kurdisch-christliche Gruppe, die vom Islam konvertiert war. Die Zahl der christlichen Konvertiten im KRI wird allgemein auf einige Hundert geschätzt. "

"... Die KRG bot weiterhin Unterstützung und Finanzierung für einige nicht-muslimische Minderheiten an, aber andere Minderheiten in der IKR, einschließlich evangelikaler Christen, sagten, sie hätten weiterhin Schwierigkeiten, ihre Registrierung von Muslimen zu Christen zu ändern, wenn sie konvertiert oder engagiert wären beim Proselytisieren. '

Aus der von der bP eingebrachten Anfragebeantwortung von Accord vom Juli 2019 zu "Rechtliche Folgen bei Konversion eines Sunniten zu christlicher Gemeinschaft; Verhalten schiitischer Milizen oder anderer Personengruppen gegenüber zum Christentum konvertierten Personen; Auswirkungen einer Konversion zum Christentum auf den Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt" findet sich im Wesentlich lediglich ein konkreter sicherheitsrelevanter Vorfall, wonach im September 2018 ein Konvertit zum Christentum von seinem Schwiegervater getötet worden sein soll, nachdem dieser von seiner Konversion Kenntnis erlangt habe.

Das BVwG konnte bei vor der Verhandlung durchgeführten Internetrecherchen über www.ecoi.net sowie google News keine Referenzfälle finden, die darauf hindeuten würden, dass seit dem Erscheinen des Positionspapieres von UNHCR im Mai 2019 es zu konkreten sicherheitsrelevanten Vorfällen von konvertierten Kurden gekommen wäre. Auch seitens der bP wurde diesbezüglich keine Quelle genannt.

Dass es für kurdische Konvertiten infolge der Konversion bzw. Abfalles vom Islam in der autonomen Region Kurdistan zu relevanten Problemen bei der Arbeits- oder Wohnungssuche kommen würde, wurden von Accord anlässlich obiger Recherche keine Berichte gefunden.

Lage von Christen

Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch etwa 200.000 bis 400.000 Christen im Irak leben (zum Vergleich 2003: 1,5 Mio.) (AA 12.1.2019). Nach Angaben christlicher Führer sind weniger als 250.000 Christen im Irak verblieben (USCIRF 4.2019; vgl. USDOS 21.6.2019). Kernland der christlichen Gemeinschaften im Irak ist der Nordwesten des Landes, die Ninewa-Ebene (USCIRF 4.2019). Ca. 67% der irakischen Christen sind chaldäische Katholiken, fast 20% Mitglieder der Assyrischen Kirche des Ostens. Der Rest sind syrisch-orthodoxe, syrisch-katholische, armenischkatholische, armenisch-apostolische, anglikanische Christen und andere Protestanten. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) gibt es etwa 3.000 evangelikale Christen (Angehörige protestantischer Freikirchen) (USDOS 21.6.2019).

Das Christentum ist per Personenstandsgesetz anerkannt und kann auf den nationalen Identitätsausweisen ausgewiesen werden. Religiöse Angelegenheiten der Christen werden durch das Amt (Diwan) für Religiöse Stiftungen für Christen, Jesiden und Mandäer/Sabäer verwaltet (USDOS 21.6.2019).

In der KRI haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Viele Christen haben bereits seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein in der KRI Zuflucht gefunden. Es gibt christliche Städte oder auch große christliche Viertel in Großstädten wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen Christen in Frieden leben können (AA 12.1.2019). Die kurdischen Regionalregierung (KRG) hat zusätzlich zu den durch die Zentralregierung anerkannten Religionsgemeinschaften elf evangelikale und andere protestantische Kirchen registriert: die Nahda al-Qadassa Kirche in Erbil und Dohuk, die evangelische Nasari Kirche in Dohuk, die kurdisch-zamanische Kirche in Erbil, die evangelische Ashti Kirche in Sulaymaniyah, die evangelische Freikirche in Dohuk, die Baptistenkirche des Guten Hirten in Erbil, die internationale evangelische al-Tasbih Kirche in Dohuk, die Rasolia Kirche in Erbil, die Vereinigte evangelische Kirche in Erbil, die Assemblies of God in Erbil und die Kirche der Siebenten-Tages-Adventisten in Erbil. Die KRG gestattet die Registrierung neuer christlicher Kirchen ab mindestens 50 Gläubigen. Außerdem können sich christliche Gruppen beim Rat der irakischen

christlichen Kirchenführer registrieren, was ihnen Zugang zu Leistungen des kurdischen

Ministeriums für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA) und christlichen Stiftung gewährt (USDOS 21.6.2019).

In der KRI sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.1.2019; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der KRI durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017). Es gibt auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Schabak und Christen) durch KRI-Behörden in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 13.3.2019). Darüber hinaus empfinden dort Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.1.2019).

Die Kurdische Region im Irak (KRI) war für viele religiöse und ethnische Minderheiten im Nordirak ein wichtiger Zufluchtsort, während der Phase der konfessionellen Gewalt nach 2003 und während .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 76 von 156

der IS-Krise (USCIRF4.2019). Einige jesidische und christliche Führer berichten über Schikanen und Misshandlungen durch Peshmerga und Asayesh im von der kurdischen Regionalregierung (KRG) kontrollierten Teil von Ninewa, jedoch sagen einige dieser Führer, dass die Mehrheit dieser Fälle eher politisch als religiös motiviert seien (USDOS 21.6.2019).

In den EASO-Leitlinien zum Irak vom Juni 2019 heißt es:

"Nach dem Ausbruch der Gewalt in den Jahren nach der US-Invasion wurden Christen sowohl wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit als auch wegen ihrer wahrgenommenen Verbundenheit mit dem Westen ins Visier genommen.

Unter ISIL erlitten Christen Morde, Entführungen, Vergewaltigungen, Versklavungen, Zwangsheirat und sexuelle Gewalt. ISIL setzte Christen in den von ihm kontrollierten Gebieten einem hohen Maß an Gewalt und Diskriminierung aus und zwang Christen, zum Islam zu konvertieren, Jizya zu zahlen oder dem Tod oder der Vertreibung zu begegnen.

"Gewalt gegen Christen in der KRI ist weniger verbreitet, aber Christen in der Region sind weiterhin Diskriminierungen in Form von Einschüchterung und Verweigerung des Zugangs zu Dienstleistungen ausgesetzt. Christliche NGOs haben berichtet, dass einige Muslime Frauen und Mädchen drohen und belästigen, weil sie sich weigern, den Hijab zu tragen, oder weil sie sich nicht an strenge Interpretationen islamischer Normen in Bezug auf öffentliches Verhalten halten. "

Der 25. Dezember gilt seit Dezember 2018 nicht mehr nur für die Christen im Land als Feiertag, sondern auch für alle anderen Bürger. Im Irak ist das von Christen gefeierte Weihnachten nunmehr auch ein nationaler Feiertag. Internationalen Medienberichten zufolge griff die Regierung in Bagdad eine entsprechende Bitte des chaldäischen Patriarchen Raphael Louis Sako I. auf. https://www.diepresse.com/5551445/irak-macht-weihnachten-zu-offiziellem-feiertag

Sicherheitslage - Allgemein

Zwischen 2014 und 2017 führte der Irak eine Militärkampagne gegen den Islamischen Staat Irak und Ash-Sham (ISIS) durch, um das im westlichen und nördlichen Teil des Landes verlorene Territorium zurückzuerobern. Die irakischen und alliierten Streitkräfte eroberten 2017 Mosul, die zweitgrößte Stadt des Landes, zurück und vertrieben den IS aus seinen anderen städtischen Hochburgen. Im Dezember 2017 erklärte der damalige Premierminister Haydar al-ABADI öffentlich den Sieg gegen ISIS, während er seine Operationen gegen vereinzelte Zellen der Gruppe in ländlichen Gebieten fortsetzte.

Wenngleich es zum Teil erhebliche Mängel im Sicherheits- und Rechtschutzsystem gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass für die Bevölkerung generell keine wirksamen Schutzmechanismen vorhanden wären oder, dass dazu kein Zugang möglich wäre. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt.

Vereinzelte, untergetauchte IS-Kämpfer sind in manchen Gebieten für Verbrechen verantwortlich, wobei sich die Straftaten im Wesentlichen gegen staatliche Akteure und deren Einrichtungen richten. Ebenso werden vereinzelt Übergriffe seitens schiitischer Milizen verzeichnet. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist hoch.

Es ergibt sich auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht, dass in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei oder im gesamten Irak aktuell eine Lage herrschen würde, die für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit (infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes) mit sich bringen würde.

Es kann auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht festgestellt werden, dass derzeit quasi jede Person mit dem Persönlichkeitsprofil der beschwerdeführenden Partei (insbes. ethnische, konfessionelle Zugehörigkeit) im Irak bzw. in der Herkunftsregion einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung aus asylrelevanten Motiven unterliegen würde.

Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass aktuell für diese Personen im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, wonach sie einer realen Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären

Demonstrationen

Die Protestbewegung, die am 1. Oktober 2019 in Bagdad und in den südlichen irakischen Provinzen ihren Anfang nahm, setzt sich aus Personen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Religionszugehörigkeit zusammen. Die DemonstrantInnen drücken auf der Straße ihre Frustration über hohe Jugendarbeitslosigkeit, mangelhafte öffentliche Dienste und chronische Korruption im Land aus. Insbesondere Studenten entwickelten sich laut Al Jazeera zum Rückgrat der Protestbewegung. Laut UNAMI versammelten sich rund 3.000 Menschen am 1. Oktober 2019 auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Bagdads. Die Demonstrationen breiteten sich in Provinzen im Süd- und Zentralirak aus, darunter Babil, Dhi-Qar, Diyala, Karbala, Maysan, Muthana, Nadschaf, Qadisiya und Wasit. Die kurdischen Regionen im Norden, sowie die sunnitischen Mehrheitsgebiete im Westen blieben größtenteils ruhig. Die erste Phase der Protestbewegung dauerte vom 1. bis zum 9. Oktober an. Laut eines Sprechers des Innenministeriums, Saad Maan, hatten DemonstrantInnen 51 öffentliche Gebäude und acht Parteizentralen während dieser ersten Protestphase in Brand gesetzt.

Eine zweite Protestwelle brach am 24. Oktober in Bagdad und Provinzen Süd- und Zentraliraks aus. Die Protestbewegung, die eine Revision des politischen Systems im Irak forderte, setzte sich im Jänner fort.

Es kam bei den zeitlich und örtlich begrenzten Auseinandersetzungen zwischen gewalttätigen Demonstranten zu zahlreichen Todesopfern, überwiegend unter den Demonstranten. https://www.ecoi.net/de/laender/irak/themendossiers/politische-entwicklungen-und-proteste/

Stammeszugehörigkeit

Im Irak gibt es ungefähr 150 Stämme, die unterschiedlich groß und einflussreich sind. Die traditionellen Stammesstrukturen im Irak sind grds. durch gesellschaftliche und politische Loyalitäten bestimmt. Irakische Stämme sind soziale Institutionen, die ihren Mitgliedern helfen können Arbeit zu finden, sich staatliche Dienstleistungen zu sichern, und sie vor externen Bedrohungen schützen. Solidarität, Loyalität und Schutz gehen jedoch auch mit Verpflichtungen gegenüber dem Stamm einher. Stämme haben ihre eigenen Mechanismen der Konfliktregelung (innerhalb des Stammes und zwischen zwei oder mehreren Stämmen) und eigene Konzepte von Ehre, Versöhnung und Reintegration.

(BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Stammeszugehörigkeit, Stammesausschluss, Strafe wegen Alkoholverkauf, 7. November 2018

https://www.ecoi.net/en/file/local/1450510/5818_1542179189_irak-mr-min-stammeszugehoerigkeit-stammesausschluss-strafe-wegen-alkoholverkaufs-2018-11-07-ke.doc)

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert.

COVID-19

Bis zum 15.6.2020 gab es im Irak mit seinen rd. 40 Millionen Einwohnern 20.209 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 607 Todesfällen (WHO 15.6.2020B). Seit dem Ausbruch der Krankheit wurden 369.870 Tests durchgeführt

(Xinhua 15.6.2020).

Die irakische Regierung verordnete am 20.5.2020 eine zweiwöchige Ausgangssperre für

sechs Bagdader Bezirke - al-Sadr, Habiba, Kamaliya, Hurriya, Shua'la und al-Amiriya

(Anadolu 18.5.2020). Am 31.5.2020 wurde eine neuerliche landesweite Ausgangssperre bis

zum 6. Juni verkündet (Al Monitor 1.6.2020), die am 8. Juni bis zum 13. Juni verlängert

wurde (NA 9.6.2020; vgl. IBN 8.6.2020).

Seit 14. Juni gilt eine teilweise Ausgangssperre für die Zeit zwischen 18.00 Uhr und 5.00 Uhr,

eine ganztägige Ausgangssperre bleibt für Donnerstag bis Samstag aufrecht, ebenso wie die

Verbote von Versammlungen und Reisen zwischen den Gouvernements (IBN 8.6.2020).

Gemäß den Richtlinien dürfen während der Ausgangssperre nur Lebensmittelgeschäfte,

Bäckereien und Apotheken öffnen, mit Zugangsbeschränkungen und Maskenpflicht.

Restaurants dürfen Essen ausliefern (Al Monitor 1.6.2020; vgl. GoI 31.5.2020; IBN 8.6.2020).

Das Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit bleibt obligatorisch, mit Geldstrafen für

diejenigen, die sich nicht daran halten (Al Monitor 1.6.2020; vgl. GoI 31.5.2020). Die

Sicherheitskräfte sind angewiesen, diese Maßnahmen strikt durchzusetzen (GoI 31.5.2020).

Der Personenverkehr innerhalb des Irak ist nur mit einer Sondergenehmigung möglich

(BMEIA 15.6.2020). Der internationale Reiseverkehr in das Land und aus dem Land sowie

zwischen den Provinzen ist weiterhin ausgesetzt (NA 9.6.2020). Der gesamte Flugverkehr,

sowohl innerhalb des Landes, als auch ins Ausland bleibt weiterhin ausgesetzt (BMEIA

15.6.2020; vgl. GoI 31.5.2020). Grenzübergänge sind für den Personenverkehr weiterhin

geschlossen (BMEIA 15.6.2020).

Am 1.6.2020 wurde in der Kurdischen Region im Irak (KRI) eine vollständige

Ausgangssperre bis zum 6.6.2020 verordnet (Al Monitor 1.6.2020; vgl. Gov.KRD 14.6.2020;

Kurdistan24 1.6.2020), die jedoch wegen Protesten bereits nach einem Tag wieder

aufgehoben wurde (Al Monitor 2.6.2020). Es wurde keine neue Ausgangssperre verordnet.

Aktuelle Maßnahmen umfassen ein Reiseverbot zwischen den Gouvernements Erbil,

Sulaymaniyah, Dohuk und Halabja vom 31.5.2020 bis zum 15.6.2020 um Mitternacht, für das

in dringenden Fällen/Notfällen oder auch zum Zweck der Arbeitsaufnahme

Ausnahmegenehmigungen beantragt werden können (Gov.KRD 14.6.2020).

Die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich im Irak nicht wesentlich verändert; bei

bestimmten Gütern kam es jedoch zu standortspezifischen Preisschwankungen. In einer

offiziellen Erklärung erklärte das Handelsministerium, dass der Mangel an finanziellen

Zuweisungen die Fähigkeit des Ministeriums in Frage stelle, PDS-Güter (Public Distribution

System) konsequent zu beschaffen (WFP 2.6.2020).

Kurzinformation der Staatendokumentation, Naher Osten, COVID-19 - aktuelle Lage, v. 16.06.2020

Bewegungsfreiheit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten