TE Bvwg Beschluss 2020/6/30 W235 2191955-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W235 2191955-3/2E

beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2020, Zl. 821089202-200241744, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren:

1.1. Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in österreichische Bundesgebiet am 19.09.2012 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Antragsteller einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst angab, dass er am XXXX in XXXX , Afghanistan, geboren und afghanischer Staatsangehöriger sei. Er sei ferner Zugehöriger der Volksgruppe der Pashtunen und bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Wohnsitzadresse sei das Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Jalalabad gewesen. Der Antragsteller sei vor ca. einem Jahr von Jalalabad aus über den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt, wo er sich ca. ein Jahr lang aufgehalten habe. Dann habe er einen afghanischen Schlepper kennen gelernt, der ihn nach Deutschland hätte bringen sollen. Mittels LKWs, einer Fähre und zu Fuß sei der Beschwerdeführer nunmehr nach Österreich gelangt, wo er von der Polizei aufgegriffen worden sei.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass sein Vater mit den Taliban gekämpft habe. Da sich sein Vater im Kampf verletzt habe, hätten die Taliban gewollt, dass der Antragsteller anstelle seines Vaters für sie kämpfen solle. Sonst habe er keine Fluchtgründe.

1.3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.10.2012 brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass sich seine Eltern in Afghanistan befänden. Zu seinem Geburtsdatum könne er nur sagen, dass er 1995 geboren sei. Das wisse er von seinen Eltern. Der Antragsteller habe auch eine Tazkira, die sich zu Hause befände und die er sich auch zukommen lassen könne. Ein Cousin väterlicherseits lebe in London. Nach Aufforderung, sich die Originaltazkira zukommen zu lassen und diese dem Bundesamt vorzulegen, gab der Antragsteller an: „In Ordnung. Mache ich.“.

1.4. Mit Aktenvermerk vom 13.02.2013 wurde das Asylverfahren des Antragstellers gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, da sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt noch sonst leicht feststellbar ist (vgl. § 24 Abs. 1 Z 1 AsylG).

In der Folge wurde der Antragsteller gemäß den Bestimmungen der (damals gültigen) Dublin II-VO am XXXX 2013 aus Großbritannien nach Österreich überstellt. Dem britischen Laissez-Passer vom XXXX .2013 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller in Großbritannien seinen Namen mit „ XXXX “, sein Geburtsdatum mit XXXX und seine Staatsangehörigkeit mit Afghanistan angegeben hat (vgl. AS 179 des Erstaktes).

Am 12.07.2013 wurde das Asylverfahren des Antragstellers gemäß § 24 AsylG erneut eingestellt.

2. Zweites Verfahren:

2.1. Nach Überstellung des Antragstellers aus Großbritannien gemäß den Bestimmungen der (nunmehr gültigen) Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) am XXXX .2016 stellte der Antragsteller am selben Tag einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

Dem anlässlich dieser Überstellung ausgestellten Laissez-Passer vom XXXX .2016 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller XXXX heißt, am XXXX in XXXX (Distrikt) und Jalalabad (Provinz) geboren wurde und afghanischer Staatsangehöriger ist (vgl. AS 21 des Zweitaktes).

2.2. Im Zuge seiner Erstbefragung am 07.03.2016 gab der Antragsteller an, am XXXX in XXXX in der afghanischen Provinz Nangarhar geboren und afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Weiters sei er Pashtune und Sunnit. Sein Wohnsitz im Herkunftsland wurde mit „Nangarhar, XXXX , Afghanistan“ protokolliert. Vor seiner Einreise in Österreich sei er in Pakistan und im Iran auf der Durchreise gewesen und dann über die Türkei nach Griechenland gelangt. Nach einem ca. einjährigen Aufenthalt in Griechenland sei er über Mazedonien, Serbien und weitere, ihm nicht bekannte Länder nach Österreich gereist. In Österreich sei er im Jahr 2012 ca. neun Monate aufhältig gewesen und sei im Jahr 2013 nach Großbritannien gefahren, wo er nach zwei Monaten nach Österreich überstellt worden sei, weil man ihm gesagt habe, dass Österreich für sein Asylverfahren zuständig sei. Nach ca. zwei Monaten sei der Antragsteller wieder nach Großbritannien gefahren, wo er von 2013 bis XXXX .2016 aufhältig gewesen sei.

Weiters gab der Antragsteller zu seinem Fluchtgrund an, dass er Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen habe. Sein Vater habe mit den Taliban gearbeitet und sein Bruder sei bei der afghanischen Nationalarmee gewesen. Sein Vater sei verletzt worden und zur Behandlung nach Pakistan gefahren. Da hätten die Taliban vom Antragsteller verlangt, dass er anstelle seines Vaters für sie kämpfe.

2.3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2017, GZ. XXXX , wurde der Antragsteller wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiten Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß vom 18 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

2.4. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.04.2017 gab der Antragsteller eingangs an, dass er gesund sei und keine Medikamente nehme. Er heiße XXXX und sei am XXXX in der Hauptstadt Jalalabad – XXXX (auch: XXXX ) geboren. Weiters sei der Antragsteller afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und Zugehöriger der Volksgruppe der Pashtunen. Er stamme aus der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX (auch: XXXX ), Dorf XXXX . Dort sei er geboren und aufgewachsen. Bis zum Verlassen des Herkunftsstaates habe der Antragsteller immer an dieser Adresse gelebt. Afghanistan habe er im Jahr 2011 verlassen und sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Serbien, (Nord)mazedonien und Ungarn bis Österreich gelangt. In Pakistan sei er nur auf der Durchreise gewesen. Seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern würden noch in Afghanistan leben. Aktuell habe der Antragsteller keinen Kontakt zu seinen Angehörigen und wisse daher auch nicht, wo genau sie leben würden. Bei seiner Ausreise hätten sie in Isarak gelebt. Der Antragsteller habe lediglich eine Koranschule besucht und als Verkäufer in einem kleinen Geschäft gearbeitet. Seitdem er sich erinnern könne, habe sein Vater für die Taliban gearbeitet und habe nicht schlecht verdient. Auch der Onkel in London, zu dem der Antragsteller Kontakt habe, unterstütze die Familie.

Betreffend seine Fluchtgründe wiederholte der Antragsteller im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen. Ergänzend brachte er vor, dass er mit der Tätigkeit seines Vater für die Taliban nichts zu tun gehabt habe. Auch sein älterer Bruder, der bei der afghanischen Nationalarmee beschäftigt sei, habe mit dem Vater nichts zu tun gehabt. Der Vorfall, bei dem sein Vater verletzt worden sei, habe sich ca. acht Monate vor der Ausreise ereignet. Sein Vater sei in einem Krankenhaus in Pakistan stationär aufhältig gewesen. Wo genau, wisse der Antragsteller nicht, da die Taliban dort ihr eigenes Krankenhaus hätten. Der Vater des Antragstellers sei ca. vier Monate im Krankenhaus gewesen, da er schwer an den Beinen verletzt gewesen sei. Es sei ein Zufall gewesen, dass der Antragsteller in seinem Elternhaus gewesen sei als ihn die Taliban aufgefordert hätten, für sie zu arbeiten. Nachdem er von den Taliban zur Mitarbeit aufgefordert worden sei, sei der Antragsteller noch ca. vier Monate in seiner Heimat aufhältig gewesen bis er ausgereist sei. Danach sei er noch ein paarmal aufgefordert worden, für sie zu arbeiten, aber er habe immer wieder Ausreden gehabt, dass er noch Schulden begleichen und daher die Arbeit in dem Geschäft fortführen müsse. In der Zwischenzeit habe sein Onkel in London die Ausreise organisiert. Auch sein Vater habe gewollt, dass sich der Antragsteller den Taliban anschließe. Daher hätten sich die Taliban auch vertrösten lassen.

Der Antragsteller sei im Jahr 2012 nach Österreich gekommen. Nach einem Jahr sei er zu seinem Onkel nach London geflogen. Nachdem er nach Österreich überstellt worden sei, sei er ca. 20 Tage später wieder nach Großbritannien zu seinem Onkel gereist. Am XXXX .2016 sei er wieder nach Österreich rücküberstellt worden. Ca. drei Jahre lang sei er in Großbritannien aufhältig gewesen und habe dort illegal bei seinem Onkel gelebt. Erst in den letzten drei Monaten habe sich der Antragsteller bei den [britischen] Behörden gemeldet und einen Asylantrag gestellt. Identitätsbezeugende Dokumente habe er nicht. Der Antragsteller habe zwar eine Tazkira gehabt, habe diese jedoch in Österreich in der Unterkunft verloren. Er habe keinen offiziellen Deutschkurs besucht. Eine Lehrerin komme in die Unterkunft und unterrichte Deutsch zweimal pro Woche. Auf Vorhalt seiner strafrechtlichen Verurteilung vom XXXX 2017 gab der Antragsteller an, dass ihm dies leid täte. Er habe einmal mit Drogen gehandelt.

Aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung sei der Antragsteller persönlich in Afghanistan niemals bedroht oder verfolgt worden. Sein Leben wäre durch seinen Vater und durch die Taliban in Gefahr. Zu den vom Dolmetscher zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan gab der Antragsteller an, dass er über die Situation in Afghanistan Bescheid wisse und auf eine vollständige Übersetzung verzichte.

2.5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Antragsteller unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde unter Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt (Spruchpunkt VI.)

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der Antragsteller afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Pashtunen angehöre und sunnitischer Moslem sei. Er stamme aus der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX und habe bis zu seiner Ausreise immer in der Heimatprovinz gelebt. Seine Angehörigen würden alle in Afghanistan leben. Die letzten drei Jahre habe sich der Antragsteller illegal bei einem Onkel in London aufgehalten. In Österreich habe er keine Verwandten und keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Der Antragsteller leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme auch keine Medikamente. Er habe keine Probleme mit den Behörden seines Heimatsstaates gehabt. Der Antragsteller lebe von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, habe sich in Österreich nicht weiter- bzw. fortgebildet und sei auch nicht ehrenamtlich tätig. Er sei strafrechtlich zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten wegen § 28a Abs. 1 SMG verurteilt worden, wobei 15 Monate auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden seien. Sein Vorbringen zu den Fluchtgründen werde den Feststellungen nicht zugrunde gelegt. Ferner habe weder eine wirtschaftlich noch eine finanziell ausweglose Lage im Fall der Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden können.

Zu diesen Feststellungen führte das Bundesamt beweiswürdigend im Wesentlichen aus, dass sich Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Antragstellers im Verfahren stützen würden. Dass sich der Antragsteller in Grundversorgung befinde, sei einer Abfrage der GVS-Steiermark zu entnehmen. Die Feststellung zur rechtskräftigen Verurteilung in Österreich ergebe sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters sowie aus dem Urteil. Die restlichen Feststellungen betreffend die Person des Antragstellers hätten sich aufgrund der Aktenlage ergeben. Mit näherer Begründung führte das Bundesamt zu den vorgebrachten Fluchtgründen des Antragstellers aus, dass seine behauptete Zwangsrekrutierung als lebensfremd und nicht nachvollziehbar angesehen werde, da die vorgebrachte Vorgehensweise der Taliban („vertrösten lassen“) nicht plausibel scheine. Ferner wurde darauf verwiesen, dass der Antragsteller eine staatliche Verfolgung immer verneint habe. Es sei daher nicht glaubhaft, dass er im Heimatland wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen hätte. Dem Antragsteller drohe im Herkunftsstaat keine Verfolgung, er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte und leide an keiner lebensbedrohenden Erkrankung. Daher gehe die Behörde davon aus, dass ihm auch keine Gefahr drohe, die die Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Die Heimatprovinz Nangarhar zähle zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans. Die Sicherheitslage in Kabul werde als zufriedenstellend bezeichnet und sei die Einreise über Kabul möglich. Vom Flughafen Kabul aus sei auch die Weiterreise nach Mazar-e Sharif problemlos zu bewerkstelligen. Auch sei die Provinz Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif ein Vorzeigeprojekt Afghanistans für ausländische Gäste. Balkh sei die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Ebenso könne die Provinzhauptstadt Herat sowohl von Kabul als auch von Mazar-e Sharif aus über den Luftweg erreicht werden. Der Antragsteller sei jung, arbeitsfähig, eigenständig und gesund. Daher stehe fest, dass er sich in Kabul oder auch in den Provinzen Balkh oder Herat relativ rasch eine Existenz aufbauen könne, was ihm auch zumutbar sei. Die Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben hätten sich aus dem Ermittlungsverfahren und aus den glaubhaften Angaben des Antragstellers ergeben.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt zunächst, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die eine Verfolgung des Antragstellers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Es sei nicht glaubhaft, dass er in Afghanistan in irgendeiner Form der Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sein könnte. Auch sei davon auszugehen, dass es ihm möglich sein werde, die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu erfüllen. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen werde ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Der Antragsteller habe keine Verwandten in Österreich und könne das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden. Der Antragsteller sei im März 2016 aus dem Vereinigten Königreich überstellt worden. Eine besondere Integration sei im Hinblick auf diesen Zeitraum nicht erkennbar. Er befinde sich in der Grundversorgung und sei lediglich aufgrund des anhängigen Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Ferner sei er strafrechtlich wegen § 28a Abs. 1 SMG verurteilt worden. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens sei daher als gering einzustufen und sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen sei die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan zulässig.

2.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller im Wege seiner nunmehr bevollmächtigten Vertretung fristgerecht am 05.04.2018 Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass sich die Situation in seiner Heimatregion weiterhin verschlechtert habe. Es komme auch von privaten Personen oder Gruppierungen ausgehender Verfolgung asylrechtliche Relevanz zu. Der Antragsteller sei in seiner Heimat in sehr großer Gefahr gewesen und wenn er zurückkehren würde, werde er wieder dieser sehr großen Gefahr ausgesetzt sein. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen würden, seien Berichten zufolge gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Im vorliegenden Fall bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller gezwungen werde, für die Taliban arbeiten zu müssen. In Afghanistan bestehe derzeit kein funktionierender Polizei- oder Justizapparat und sei daher davon auszugehen, dass der Antragsteller angesichts des Verfolgungsrisikos keinen ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden könne. Seine Heimatprovinz Nangarhar zähle zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans und sei ihm auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar. Es sei zu beachten, dass er keine Verwandtschaft in Kabul habe. Auch sei Kabul aufgrund der hohen Anzahl von erzwungenen Rückkehrern aus Pakistan und dem Iran stark gewachsen.

2.7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018, GZ. XXXX , wurde der Antragsteller zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG verurteilt. Weiters wurde die mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2017 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

2.8. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2018 wurde die Beschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen.

Den Entscheidungsgründen ist verfahrenswesentlich betreffend den Antragsteller (dort: Beschwerdeführer) Folgendes zu entnehmen:

„ XXXX , im Weiteren: Beschwerdeführer, ist ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger und stammt aus einem Ort im Distrikt XXXX der Provinz Nangahar. Er ist Paschtune und bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Richtung. Er ist ledig; als er aus Afghanistan im Jahr 2011 ausreiste, lebten in Afghanistan seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern. Er hat auch einen Onkel in London, der ihn finanziell unterstützte bzw. immer noch unterstützt. Es kann nicht festgestellt werden, ob er über Schulbildung verfügt. Er hat jedoch Erfahrung als Händler und Verkäufer. Er spricht zumindest die afghanische Landessprache Paschto und ist mit den afghanischen Lebensgebräuchen vertraut. Er hat in Österreich keine Verwandten und spricht nur sehr mäßig die deutsche Sprache.

Ob der Beschwerdeführer mit in Afghanistan lebenden Familienmitgliedern in Kontakt steht, kann nicht festgestellt werden.

In Österreich wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des LG XXXX n vom XXXX 2017, AZ XXXX , wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels und des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe mit einem Ausmaß von 18 Monaten verurteilt, wobei drei Monate unbedingt und 15 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Die unbedingte Haftstrafe wurde absolviert.

[…]

Mit Urteil des Landegerichtes XXXX vom XXXX .2018, XXXX wurde die bedingte Nachsicht der Strafe widerrufen und eine weitere Strafe von 15 Monaten verhängt. Der BF verbüßt derzeit seine Freiheitsstrafe.

Der Beschwerdeführer stellte bereits am 19.08.2012 erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei dieses Verfahren jedoch gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt wurde, weil sich der BF unberechtigt über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren entfernte. Bereits damals behauptete der BF, dass die Taliban ihn anstelle seines verwundeten Vaters hätten zwingen wollen, für sie zu kämpfen, wobei er befürchte bei Kampfhandlungen getötet zu werden.

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am 07.03.2016 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.

Am 14.04.2018 führte er bei der Einvernahme vor dem BFA gleichbleibend aus, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte, dass die Taliban ihn anstelle seines verwundeten Vaters hätten zwingen wollen, für sie zu kämpfen, wobei er befürchte bei Kampfhandlungen getötet zu werden.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 16.10.2018 ausgeführt, dass er über keinen Kontakt zu Familienmitgliedern in Afghanistan verfüge. Er hat jedoch in Afghanistan auch einen älteren Bruder, der – entgegen dem Willen seines Vaters – für die afghanische Regierung arbeitet. Darüber hinaus hat er einen Onkel in London, zu dem er Kontakt hat und der ihn bereits in der Vergangenheit mehrmals finanziell unterstützt hat und nach eigenen Angaben weiterhin unterstützen kann.

Das erkennende Gericht gelangt zur Auffassung, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht von einer asylrelevanten Verfolgung bedroht wäre. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit asylrelevanter maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Taliban zwangsrekrutiert werden würde und für diese an Stelle seines Vaters kämpfen müsste und dabei Gefahr laufen würde, verletzt oder getötet zu werden.“

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht der Beweiswürdigung des Bundesamtes anschließe und das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen weder für nachvollziehbar noch für glaubwürdig betrachte. Für diese Auffassung spreche auch der lange Zeitraum, seit dem der Antragsteller Afghanistan verlassen habe. Selbst bei Wahrunterstellung stünde ihm mit Herat oder Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen gesunden, jungen und erwerbsfähigen Mann, der Berufserfahrung habe und auch mit seinem Onkel in Großbritannien bzw. mit seinem Bruder, der in Afghanistan für die Regierung arbeite, über familiäre Anknüpfung verfüge, die ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch unterstützen könnten.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus GFK-Gründen nicht glaubhaft gemacht worden sei und sich eine Verletzung der für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblichen Rechte (Art. 2, Art. 3 EMRK), insbesondere bei einer Rückkehr in ein von der afghanischen Regierung kontrolliertes Gebiet wie etwa Herat oder Mazar-e Sharif, nicht erkennen lasse. Eine Unverhältnismäßigkeit des mit der Rückkehrentscheidung bewirkten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers bestehe angesichts der mangelnden Integration in Österreich nicht.

Dieses Erkenntnis erwuchs am 16.10.2018 in Rechtskraft.

2.9. Am 18.07.2019 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Mit Bescheid vom 02.10.2019, Zl. XXXX , erließ das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 1 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Antragsteller ein Einreiseverbot auf die Dauer von zehn Jahren erlassen und wurde ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2019, Zl. XXXX , abgewiesen.

3. Gegenständliches Verfahren:

3.1. Am 03.03.2020 stellte der Antragsteller den nunmehr gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

3.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung „Folgeantrag Asyl“ vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag begründete der Antragsteller seinen Folgeantrag dahingehend, dass seine alten, „damals“ angegebenen Fluchtgründe nicht mehr gültig seien. Er habe damals bezüglich „allem“ falsche Angaben gemacht. Auch bezogen auf seinen Namen und auf seine Herkunft. Der Antragsteller habe deshalb gelogen, weil ihm gesagt worden sei, dass er als afghanischer Staatsbürger bessere Chancen auf Asyl habe. Eigentlich sei er Pakistaner. Er stelle deshalb einen neuen Asylantrag, weil er nun die Wahrheit über sich erzählen wolle. Er wolle nur nach Hause nach Pakistan. Dies jedoch unter seinem richtigen Namen. Er heiße XXXX und sei am XXXX in Peshawar in Pakistan geboren. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe am 10.08.2020 wolle der Antragsteller einfach nur nach Hause. Vor ca. fünf Monaten habe er eine Benachrichtigung der afghanischen Botschaft in Österreich bekommen, dass er nach Afghanistan abgeschoben werde. Das wolle der Antragsteller jedoch nicht, da er kein afghanischer Staatsbürger sei. Er sei Pakistaner und wolle nach Pakistan und nicht nach Afghanistan. Nunmehr wolle er als pakistanischer Asylwerber einen Asylantrag stellen. Er könne belegen, dass er pakistanischer Staatsbürger sei und befinde sich sein Personalausweis bei ihm zu Hause in Pakistan. Seine Adresse laute: XXXX , Stadtteil XXXX in Pakistan.

Seine richtigen Fluchtgründe seien, dass er im Jahr 2008 von seinem Vater schlecht behandelt worden sei. Er sei geschlagen und beschimpft worden, da sein Vater gewollt habe, dass er den Koran lese bzw. lerne. Da dieser jedoch in arabischer Sprache geschrieben sei, habe der Antragsteller den Koran nicht lernen können, weil er kein Arabisch könne. Deshalb habe er flüchten müssen. Andere Fluchtgründe habe er nicht. Wenn er nach Pakistan abgeschoben werde, habe er nichts zu befürchten. In Afghanistan hätte er Angst eingesperrt zu werden, weil er Pakistaner sei und kein Afghane. Mit Sanktionen habe er bei einer Rückkehr nicht zu rechnen. Seine wahren Fluchtgründe seien immer dieselben gewesen.

3.3. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG wurde dem Antragsteller gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da die Behörde davon ausgeht, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt. Gemäß § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG wurde dem Antragsteller weiters mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (vgl. AS 59). Diese Verfahrensanordnung wurde dem Antragsteller nachweislich am 09.03.2020 übergeben und hat dieser die Übernahme bestätigt (vgl. AS 71).

3.4. Am 08.06.2020 wurde der Antragsteller nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren und unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Pashtu vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs seiner Befragung gab er an, dass er keine identitätsbezeugende Dokumente habe. Er leide an keinen Krankheiten und nehme keine Medikamente. Er sei gesund. Der Antragsteller habe keine Angehörigen in Österreich. Seine Eltern und Geschwister würden in Pakistan leben. Zu ihnen habe er Kontakt und es gehe ihnen gut. Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär in seinem Heimatland habe der Antragsteller niemals gehabt. Er fühle sich auch nicht anderen Mitgliedern seiner Volks- bzw. Religionsgruppe gegenüber benachteiligt. In die Schule sei er nie gegangen. In Großbritannien habe der Antragsteller in einer Pizzeria und in einem Garten gearbeitet.

Deutschkurse habe er nicht besucht, aber der Antragsteller habe Deutsch mit österreichischen Freunden gelernt. In der Steiermark habe er ehrenamtlich als Dolmetscher gearbeitet und habe Asylwerber zu Arztbesuchen begleitet. Am XXXX .08.2020 werde der Antragsteller aus der Strafhaft entlassen.

Die Frage, ob seine Gründe aus dem Erstverfahren noch bestünden, verneinte der Antragsteller und brachte vor, dass er keine Fluchtgründe habe. Seine sämtlichen Angaben aus dem Erstverfahren seien falsch. Er sei nach Europa gekommen, weil er Probleme mit seiner Familie gehabt habe. Diese Probleme seien nun gelöst. Zuhause habe er einen Nachweis, dass er Pakistaner sei. Er wolle nur nach Hause. Auf Vorhalt, er habe zwischenzeitig mehr als zweieinhalb Monate Zeit gehabt und weder das Dokument besorgt noch um Vorführung zur pakistanischen Botschaft zwecks Feststellung, dass er pakistanischer Staatsangehöriger sei, ersucht, gab der Antragsteller an, er habe mit seiner Familie telefoniert und die Telefonnummer der Familie der Rechtsberatung gegeben, damit diese die Familie kontaktieren könne und die Dokumente beschafft werden könnten. Auch habe er mit einer Sozialarbeiterin gesprochen, die gesagt habe, wegen Corona könne sie nichts machen. Auf weiteren Vorhalt, das sei unglaubwürdig, da man die Familie anrufen und das Dokument mit DHL schicken hätte können, brachte der Antragsteller vor, in Pakistan sei noch immer starke Quarantäne und die Familie könne das Haus nicht verlassen. Nachdem dem Antragsteller vorgehalten wurde, dass das zweieinhalb Monate her sei und damals keine derart starke Quarantäne gewesen sei, gab er an, dass er damals nicht vorgehabt habe, nachhause zurückzukehren. Das habe er seit ca. drei Monaten vor. Auf weiteren Vorhalt, er habe nichts unternommen, obwohl der erste Anstieg von CoVid-19 Erkrankten in Pakistan erst Ende März 2020 begonnen habe und er sohin genug Zeit gehabt hätte, die Dokumente zu besorgen, gab der Antragsteller an, er habe schon vor der Quarantäne mit seiner Familie telefoniert und hätten sie gemeint, sie würden „es“ ihm schicken. Wahrscheinlich hätten sie es nicht geschafft und sei dann die Quarantäne gekommen. Ferner wurde dem Antragsteller vorgehalten, dass nicht glaubhaft sei, dass er tatsächlich aus Pakistan sei und er auch durch die afghanische Botschaft bereits identifiziert worden sei. Diese habe zugesagt, dass ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde. Die Behörde gehe daher davon aus, dass der Antragsteller afghanischer Staatsangehöriger sei, der jedoch nach Pakistan wolle, da sich dort seine Familie aufhalte. Hierauf stellte der Antragsteller die Frage, wie die afghanische Botschaft feststellen habe können, dass er aus Afghanistan sei. Auf Vorhalt, dass sein Verhalten nicht logisch und nicht nachvollziehbar sei, da er sich an die pakistanische Botschaft hätte wenden können, wenn er freiwillig in das Herkunftsland Pakistan zurückkehren wolle, gab er an, er werde versuchen, seine Dokumente aus Pakistan zu holen.

Der während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberater hat von der Möglichkeit Fragen oder Anträge zu stellen keinen Gebrauch gemacht.

3.5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verkündete gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 1 AVG mündlich den Bescheid, dass der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wird.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Identität des Antragstellers feststehe. Er sei jung, gesund und in einem arbeitsfähigen Alter. Laut seinen Angaben habe er keinen Familienbezug im Bundesgebiet. Er sei in Österreich nicht integriert. Er spreche zwar Deutsch, aber die Einvernahme wäre ohne Dolmetscher nicht möglich gewesen. In Österreich sei der Antragsteller nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Er sei illegal nach Großbritannien weitergereist und habe aussichtslose Asylanträge gestellt. Seiner Ausreiseverpflichtung sei er nicht nachgekommen. In Österreich sei er strafrechtlich verurteilt worden und verbüße zurzeit eine Haftstrafe. Der Antragsteller sei 25 Jahre alt und nicht immungeschwächt. Derzeit herrsche die als CoVid-19 bezeichnete Pandemie, die durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht werde. In Afghanistan seien bisher 20.917 Fälle von infizierten Personen nachgewiesen und 369 Todesfälle bestätigt worden. Im gegenständlichen Verfahren habe der Antragsteller vorgebracht, dass er nicht aus Afghanistan, sondern aus Pakistan stamme. Er würde freiwillig nach Pakistan ausreisen wollen und habe keine Fluchtgründe. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 EMRK erkannt werden. Die Lage im Herkunftsstaat sei seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert bzw. habe sich sogar gebessert.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Antragstellers aufgrund der Identifizierung durch die afghanische Botschaft feststehe. Der Ausstellung eines Heimreisezertifikats sei bereits zugestimmt worden. Es habe sich keine schwere körperliche Krankheit oder schwere psychische Störung ergeben und habe der Antragsteller diesbezüglich auch nichts erwähnt. Er sei gesund und arbeitsfähig und habe den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Heimatland verbracht. Da der Antragsteller jung und gesund sei, zähle er zu keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit der CoVid-19 Pandemie. Die diesbezüglichen Feststellungen hätten sich aus dem Amtswissen sowie aus veröffentlichten Informationen ergeben. Die Verurteilungen in Österreich würden sich aus dem Strafregister ergeben. Aus dem nunmehrigen Vorbringen ergebe sich kein neuer Sachverhalt. Im ersten inhaltlichen Verfahren habe nicht festgestellt werden können, dass der Antragsteller in Afghanistan tatsächlich etwas zu befürchten hätte. Verfolgung von staatlicher Seite habe er zu keinem Zeitpunkt angegeben. Im gegenständlichen Verfahren habe er vorgebracht, dass er nicht afghanischer, sondern pakistanischer Staatsangehöriger sei. Weiters habe er angegeben, dass er keine Fluchtgründe habe und freiwillig nach Pakistan ausreisen wolle. Mit näherer Begründung wurde ausgeführt, dass es der Antragsteller nicht der Mühe wert gefunden habe, sich um dementsprechende Dokumente zu kümmern und wurde erneut darauf verwiesen, dass der Antragsteller durch die afghanische Botschaft in Wien bereits als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert worden sei. Es sei auch nicht logisch, dass er sich acht Jahre als afghanischer Staatsangehöriger ausgegeben habe. Im Zuge der Überstellung aus Großbritannien sei ebenfalls festgestellt worden, dass sich der Antragsteller auch dort als afghanischer Staatsangehöriger ausgegeben habe, was völlig unlogisch sei, wenn dort Verwandte von ihm leben würden, die dann ja ebenso aus Pakistan stammen würden. In einer Gesamtschau sei die Behörde überzeugt, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr keine unmenschliche Behandlung drohe. Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen des Antragstellers drohe ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Zur Zulässigkeit der Abschiebung wurde ausgeführt, dass ausgeschlossen werden könne, dass der Antragsteller einer für CoVid-19 relevanten Risikogruppe angehöre, sodass diesbezüglich keine Hindernisgründe für eine Abschiebung vorlägen. Es würden auch keine außergewöhnlichen Umstände, aufgrund derer auf ein reales Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu schließen wäre, fallbezogen nicht vorliegen. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens sei für die Behörde keine positive Zukunftsprognose erkennbar und sei der Antragsteller auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Bundesamt zunächst darauf, dass ein Folgeantrag vorliege. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und verfüge der Antragsteller nicht über ein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung – insbesondere die Ausstellung eines Heimreisezertifikates – seien bereits gegeben. Da sich die allgemeine Lage wie auch die persönlichen Verhältnisse und der körperliche Zustand des Antragstellers seit der letzten Entscheidung nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung zu keiner Bedrohung der Menschenrechte führen werde. Es lägen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor.

Im Verwaltungsakt finden sich ferner folgende Unterlagen:

?        Screenshot mit einem Auszug aus der COVID-19 Map der John Hopkins University (undatiert), dem zu entnehmen ist, dass es 369 Todesfälle in Afghanistan aufgrund der CoVid-19 Pandemie gab;

?        Laissez-Passer der Islamischen Republik Afghanistan vom XXXX .02.2019, ausgestellt von der afghanischen Botschaft in Wien, dem zu entnehmen ist, es dass XXXX , geb. XXXX in Nangarhar, Afghanistan, erlaubt ist, nach Afghanistan zurückzukehren und

?        Wiederaufnahmegesuch der britischen Dublinbehörde, dem zu entnehmen ist, dass der Antragsteller in Großbritannien als afghanischer Staatsangehöriger aufgetreten ist samt diesbezüglichem Eurodac-Treffer (vgl. Person Nationality Code: AFG – AFGHANISTAN; AS 133)

4. Am 12.06.2020 wurde der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W235 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Zugehöriger der Volksgruppe der Pashtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stammt aus dem Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Nangarhar, wo er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2011 gemeinsam mit seiner Familie (Eltern und Geschwister) gelebt hat. Der Antragsteller ist ledig, kinderlos und ohne Obsorgeverpflichtungen. Er hat keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstünden, ist erwerbsfähig, verfügt über Berufserfahrung als Händler bzw. Verkäufer, spricht die Sprache Pashtu und ist mit den afghanischen Lebensgebräuchen vertraut.

Der Antragsteller hat Afghanistan im Jahr 2011 verlassen, ist nach einem ca. einjährigen Aufenthalt in Griechenland unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und hat am 19.09.2012 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieses Asylverfahren wurde am 13.02.2013 eingestellt, da der Aufenthaltsort des Antragstellers weder bekannt noch leicht feststellbar war. Am XXXX 2013 wurde der Antragsteller nach den Bestimmungen der Dublin II-VO aus Großbritannien nach Österreich überstellt und wurde das Asylverfahren am 12.07.2013 erneut eingestellt.

Nach neuerlicher Überstellung aus Großbritannien gemäß den Bestimmungen der Dublin III-VO am XXXX .2016, stellte er am selben Tag seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen wurde. Mit dieser Entscheidung wurde auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018, Zl. XXXX , rechtskräftig am selben Tag, abgewiesen.

Weiters wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.10.2019 eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem zehnjährigen Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2019, Zl. XXXX ebenso abgewiesen.

1.2. Am 03.03.2020 stellte der Antragsteller den nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, den ausschließlich damit begründete, dass er in seinen bisherigen Verfahren gänzlich falsche Angaben gemacht habe. Nunmehr brachte er vor, sein Name sei XXXX und er sei am XXXX in XXXX in Pakistan geboren. Ferner sei er Staatsangehöriger von Pakistan. Der Antragsteller wolle nach Pakistan, wo sich seine Familie befinde, abgeschoben werden. Nicht festgestellt wird, dass der Antragsteller pakistanischer Staatsangehöriger ist. Festgestellt wird, dass der Antragsteller keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan vorgebracht hat. Es wird nicht festgestellt, dass der Antragsteller einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist, die dem afghanischen Staat zurechenbar ist. Seine Familienangehörigen, zu denen Kontakt besteht, leben aktuell in Pakistan. Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht. Selbst unter Berücksichtigung der volatilen Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar steht dem Antragsteller eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder in Mazar-e Sharif zur Verfügung. Daher kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine ausweglose Lage bzw. in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist zu entnehmen, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den letzten Antrag auf internationalen Schutz bzw. Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert blieb bzw. sich sogar verbessert hat. Der Beschwerdeführer gehört keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit CoVid-19 an. Die CoVid-19 Pandemie stellt für den Beschwerdeführer kein „real risk“ im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dar.

1.4. Festgestellt wird, dass der Antragsteller mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2017, GZ. XXXX , wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurde.

Weiters wird festgestellt, dass der Antragsteller am XXXX .2018 mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , GZ. XXXX , zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG verurteilt wurde. Die mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom XXXX .2017 gewährte bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen.

Aktuell befindet sich der Antragsteller voraussichtlich bis zum XXXX .08.2020 in Strafhaft in der Justizanstalt XXXX .

Darüber hinaus sind hinsichtlich der privaten und familiären Beziehungen des Antragstellers in Österreich gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit sowie zum religiösen Bekenntnis des Antragstellers, zu seinem Familienstand, zu seinem Gesundheitszustand sowie zu seiner Berufserfahrung und zu seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus dem bezüglich dieser Feststellungen übereinstimmenden Angaben des Antragstellers sowohl im Erst- als auch im Zweit- sowie im gegenständlichen Verfahren. Da der Antragsteller angegeben hat, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen (vgl. AS 98), war auch die Feststellung zu treffen, dass der Antragsteller erwerbsfähig ist.

Die weiteren Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, zu seiner Herkunft, zu seinem Leben in Afghanistan sowie zur Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2011 und zum darauf folgenden, ca. einjährigen Aufenthalt in Griechenland gründen auf den Angaben des Antragstellers sowohl im Zuge der beiden Vorverfahren als auch gegenüber den britischen Behörden und sind auch aufgrund des sonstigen Akteninhalts nicht anzuzweifeln (vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Punkt II.2.2. des gegenständlichen Beschlusses).

Darüber hinaus ergeben sich die Feststellungen zur unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet, zur ersten Antragstellung sowie zum ersten Asylverfahren samt Überstellung aus Großbritannien aus dem unbedenklichen Akteninhalt des Erstverfahrens zur AIS Zahl XXXX , insbesondere aus den Aktenvermerken „Einstellung des Asylverfahrens“ vom 13.02.2013 und vom 12.07.2013 sowie aus dem britischen Laissez-Passer vom XXXX .2013.

Die weiteren Feststellungen zur neuerlichen Überstellung aus Großbritannien, zur zweiten Antragstellung sowie zum zweiten Asylverfahren basieren im Wesentlichen auf dem (zweiten) britischen Laissez-Passer vom XXXX .2016, auf dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018, Zl. XXXX , und auf dem mündlich verkündetem rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018, Zl. XXXX .

Ferner ergibt sich die Feststellung zur Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot aus dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2019, Zl. XXXX und aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2019, Zl. XXXX .

2.2. Dass der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 03.03.2020 stellte, gründet auf dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Begründung des gegenständlichen Antrags ergeben sich im Wesentlichen aus den eigenen Angaben des Antragstellers in seiner Erstbefragung am 03.03.2020 sowie in seiner Einvernahme vom 08.06.2020. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme brachte der Antragsteller erstmals vor, dass er in seinen beiden ersten Verfahren durchwegs falsche Angaben – auch in Bezug auf seine Herkunft und seine Identität – gemacht habe. Er sei nicht afghanischer, sondern pakistanischer Staatsangehöriger. Da ihm gesagt worden sei, er habe als afghanischer Staatsbürger bessere Chancen auf Asyl, habe er gelogen. Der Antragsteller habe keine Fluchtgründe, sondern wolle nach seiner Haftentlassung „nach Hause“ nach Pakistan abgeschoben werden. Dieses Vorbringen beinhaltet jedenfalls keinen glaubhaften Kern und war daher die (Negativ)feststellung zu treffen, dass nicht festgestellt wird, dass der Antragsteller pakistanischer Staatsangehöriger ist. Dies aus folgenden Gründen:

Zunächst ist auf die gesamten, bisherigen Angaben des Antragstellers (hier angeführt in chronologischer Reihenfolge) zu verweisen. So gab er im Rahmen der Erstbefragung in seinem Erstverfahren am 19.09.2012 an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein und aus dem Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Jalalabad zu stammen [Anm.: Jalalabad ist keine eigene Provinz, sondern die Hauptstadt der afghanischen Provinz Nangarhar]. In der folgenden Einvernahme am 17.10.2012 wurde der Antragsteller zwar nicht zu seiner Staatsangehörigkeit befragt, gab jedoch zum Aufenthaltsort seiner Eltern an, dass sich diese in Afghanistan befänden. Dem im Zuge der ersten Überstellung des Antragstellers aus Großbritannien ausgestellten Laissez-Passer vom XXXX .2013 ist als „Nationality“ „AFG“ zu entnehmen, was wohl eindeutig „Afghanistan“ bedeutet. Etwas detaillierte Angaben enthält der im Zuge der zweiten Überstellung des Antragstellers aus dem Vereinigten Königreich am XXXX .2016 ausgestellte Laissez-Passer. Hieraus ist nicht nur als „Nationality“ „AFG“ ersichtlich, sondern auch als „Place of Birth“ „ XXXX (d) Jalalabad (p), Afghanistan“. Wie erwähnt handelt es sich bei Jalalabad nicht um eine Provinz, sondern um die Hauptstadt der afghanischen Provinz Nangarhar, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer irrtümlich Jalalabad als eigene Provinz angenommen und dies daher bei zwei Gelegenheiten – einmal gegenüber den österreichischen und einmal gegenüber den britischen Behörden – übereinstimmend angegeben hat. Ebenso stimmt der angeführte Herkunftsdistrikt überein; XXXX und XXXX sind lediglich unterschiedliche Schreibweisen, die wohl auf die Übersetzung bzw. Transkription zurückzuführen sind. In weiterer Folge brachte der Antragsteller in seinem zweiten österreichischen Asylverfahren im Rahmen der Erstbefragung vor, er sei in der afghanischen Provinz Nangarhar geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Der Protokollierung der Erstbefragung ist weiters zu entnehmen, dass der Wohnsitz mit „Nangarhar, XXXX , Afghanistan“ festgehalten wurde. Ebenso bezog sich der Antragsteller in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 14.04.2017 auf seine Herkunft aus der Provinz Nangarhar sowie aus dem Distrikt XXXX , wo er – seinen damaligen Angaben zufolge – aufgewachsen sei und sich bis zu seiner Ausreise im Jahr 2011 aufgehalten habe. Ferner erwähnte er in diesem Zusammenhang auch die Provinzhauptstadt Jalalabad und gab zur seiner Person an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei. Im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018 wurde betreffend die Person des Antragstellers (unter anderem) festgestellt, dass dieser afghanischer Staatsangehöriger sei und aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar stamme. Ebenso ist den eigenen Angaben des Antragstellers in der diesem Erkenntnis vorangegangenen mündlichen Beschwerdeverhandlung mehrmals zu entnehmen, dass der Antragsteller aus Afghanistan stammt. Alleine aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller seit 2012 – weder in Österreich noch in Großbritannien – auch nur ansatzweise erwähnt hat, dass er aus Pakistan stammt sowie aufgrund des Umstandes, dass er seine afghanische Herkunftsprovinz bzw. seinen Herkunftsdistrikt durchwegs gleichbleibend genannt hat, ist nicht glaubhaft, dass der Antragsteller pakistanischer Staatsbürger ist. Fallgegenständlich kommt allerdings noch hinzu, dass die afghanische Botschaft in Wien den Antragsteller identifiziert und zugesagt hat, ihm ein Heimreisezertifikat auszustellen, was durch das im Akt erliegende Laissez-Passer der Islamischen Republik Afghanistan vom XXXX .02.2019 belegt ist (vgl. AS 123).

Betreffend sein Vorbringen, auch sein Name sei falsch und er heiße XXXX , ist ebenfalls darauf zu verweisen, dass der Antragsteller in den bisherigen Verfahren (ebenso in Großbritannien) seinen Namen mit XXXX bzw. XXXX bzw. XXXX angegeben hat, wobei die unterschiedliche Schreibweise des eindeutig gleichen Namens wohl auch in diesem Zusammenhang auf die Übersetzungen bzw. Transkriptionen zurückzuführen ist. Weiters ist betreffend die persönliche Glaubwürdigkeit des Antragstellers darauf zu verweisen, dass dieser in den jeweiligen Verfahren vier unterschiedliche Geburtsdaten genannt hat. So gab er in Österreich in den ersten beiden Verfahren durchgehend an, am XXXX geboren zu sein (was im Übrigen auch von der afghanischen Botschaft in ihrem Laissez-Passer bestätigt wurde). Hingegen nannte er im Zuge seines ersten Aufenthalts in Großbritannien den XXXX als Geburtsdatum (vgl. Laissez-Passer vom XXXX .2013). Ein wiederum anderes Geburtsdatum des Antragstellers – nämlich der XXXX – ist dem britischen Laissez-Passer vom XXXX .2016 zu entnehmen. Wenn der Antragsteller nunmehr vorbringt, am XXXX in Peshawar in Pakistan geboren zu sein, kann dies keineswegs als glaubhaft gewertet werden.

Darüber hinaus verstrickte sich der Antragsteller betreffend seine Identitätsdokumente mehrfach in Widersprüche. In seinem ersten Verfahren brachte er noch vor, er habe eine (afghanische) Tazkira, die sich zu Hause (in Afghanistan) befinde und die er sich zukommen lassen könne. Eine Tazkira wurde bis dato – trotz damaliger Zusage des Antragstellers - nicht vorgelegt. Widersprüchlich hierzu gab er in seinem zweiten Asylverfahren an, dass er keine identitätsbezeugende Dokumente habe. Er habe zwar eine Tazkira gehabt, habe diese jedoch in Österreich in der Unterkunft verloren. Im gegenständlichen Verfahren brachte der Antragsteller im Rahmen der Erstbefragung – nunmehr bezogen auf die behauptete pakistanische Staatsangehörigkeit – vor, dass er belegen könne pakistanischer Staatsbürger zu sein, da sich sein (pakistanischer) Personalausweis bei sich „zu Hause“ in Pakistan befinde. Wiederum widersprüchlich hierzu gab er eingangs der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er keine identitätsbezeugenden Dokumente habe. Wenn der Antragsteller im weiteren Verlauf dieser Einvernahme vom 08.06.2020 ausführt, dass er „zu Hause“ einen Nachweis habe, dass er Pakistaner sei, ist dem Bundesamt dahingehend Recht zu geben, dass der Antragsteller mehr als zweieinhalb Monate Zeit hatte, diese Dokumente vorzulegen und/oder um Vorführung zur pakistanischen Botschaft zwecks Feststellung seiner Staatsangehörigkeit zu ersuchen. Ebenso ist die diesbezügliche Rechtfertigung des Antragstellers, seine Familie habe aufgrund der Corona-Quarantäne das Haus nicht verlassen und sohin die Dokumente nicht schicken können, nicht nachvollziehbar, da - wie dem unwidersprochen gebliebenen Vorhalt des Bundesamtes zu entnehmen ist -, der Anstieg von CoVid-19 Erkrankten in Pakistan erst Ende März 2020 begonnen habe und sohin genug Zeit gewesen wäre, die Dokumente zu schicken. Ferner hätte der Antragsteller auch ohne Dokumente um Vorführung bei der pakistanischen Botschaft zwecks Feststellung seiner Staatsangehörigkeit ersuchen können, was er jedoch bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt nicht getan hat. Hinzu kommt, dass das weitere Vorbringen des Antragstellers, er habe die Telefonnummer seiner Familie der Rechtsberatung gegeben, damit diese die Familie kontaktieren und die Dokumente beschafft werden könnten, von dem während der gesamten Einvernahme anwesenden Rechtsberater nicht bestätigt wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt sohin – ebenso wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – zu der Überzeugung, dass der Antragstellers nicht pakistanischer, sondern afghanischer Staatsangehöriger ist, der allerdings nach Pakistan abgeschoben werden will, da sich dort seine Familie aufhält. Dass sich die Familienangehörigen des Antragstellers in Pakistan aufhalten und er zu diesen Kontakt hat, lässt sich seinen eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.06.2020 entnehmen. Für das Bundesverwaltungsgericht besteht kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln, zumal der Antragsteller nach Verbüßung seiner Haftstrafe unbedingt nach Pakistan abgeschoben werden will. Offenbar handelt es sich bei der von ihm in der Erstbefragung angegebenen Adresse in Peshawar um den aktuellen Wohnsitz seiner Familienangehörigen in Pakistan.

Dass der Antragsteller keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht hat bzw. keiner asylrelevanten Gefährdung, die dem afghanischen Staat zugerechnet werden kann, ausgesetzt ist, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren. So brachte er vor, dass seine alten, damals angegebenen (auf Afghanistan bezogenen) Fluchtgründe falsch gewesen seien (vgl. AS 34) sowie, dass er keine Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär in seinem Heimatland gehabe habe und sich der Antragsteller auch nicht gegenüber anderen Mitgliedern seiner Volks- bzw. Religionsgruppe benachteiligt fühle (vgl. AS 99).

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist es dem Antragsteller nicht gelungen, das Bundesverwaltungsgericht (wie auch das Bundesamt) davon zu überzeugen, dass er pakistanischer Staatsangehöriger ist. Da dieses Vorbringen keinen glaubhaften Kern beinhaltet und er darüber hinaus eine asylrelevante Verfolgung dezidiert verneint hat, war auch die Feststellung zu treffen, dass der Folgeantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

2.3. Die (Negativ)feststellung, dass nicht festgestellt werden kann, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan ernsthafter Schaden droht, gründet auf den Ausführungen im mündlich verkündeten Bescheid, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den letzten Antrag auf internationalen Schutz bzw. Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert blieb bzw. sich sogar verbessert hat. Festzuhalten ist sohin, dass die Länderberichte keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen des letzten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen. Wie bereits im rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2018 ausgeführt wurde, steht dem Antragsteller eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung, wobei darauf zu verweisen ist, dass der Antragsteller während des gesamten gegenständlichen Verfahrens kein Vorbringen zu Afghanistan erstattet hat, da er – wie erwähnt – auf seiner unglaubhaften Behauptung, er sei Staatsangehöriger von Pakistan, bestanden hat. Der Antragsteller ist weder den Feststellungen im Erkenntnis vom 16.10.2018 substanziiert entgegengetreten noch hat er ein Vorbringen betreffend seine Rückkehr nach Afghanistan im gegenständlichen Verfahren erstattet. Dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in keine ausweglose Lage bzw. in keine existenzbedrohende Situation geraten würde, gründet auf den Umständen, dass es sich beim Antragsteller um einen gesunden und erwerbsfähigen jungen Mann handelt, der die Sprache Pashtu beherrscht, mit den Lebensgebräuchen in Afghanistan vertraut ist und über Berufserfahrung als Händler bzw. Verkäufer verfügt. Letztlich gründet die Feststellung, dass der Antragsteller keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit CoVid-19 angehört, zum einen aus de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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