TE Bvwg Beschluss 2020/6/30 L529 2232173-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L529 2232173-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Alexander WIRTH als Abwesenheitskurator, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2020, Zl. XXXX :

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrenshergang

I.1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch "BF") ist türkischer Staatsangehöriger. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 14.10.2014, Zl.: XXXX , wegen Köperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen (zu je ? 5,00) verurteilt. Die Hälfte der Geldstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Mit Bericht des LVT XXXX vom 24.05.2016 wurde der BF wegen Verdacht auf: Terroristische Vereinigung und Übertretung des Waffengesetzes der Staatsanwaltschaft XXXX angezeigt. Das Verfahren [offenbar hinsichtlich terroristischer Vereinigung] wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX im Juli 2016 eingestellt. Hinsichtlich des Vergehens nach dem Waffengesetz bestand bis zum 22.08.2019 eine Aufenthaltsermittlung für das BG XXXX .

I.2. Mit Beschluss des BG XXXX vom 04.06.2019 wurde für den BF im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot als Abwesenheitskurator RA Mag. Alexander WIRTH bestellt.

I.3. Mit Schreiben vom 18.09.2019 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem BF - im Wege des Abwesenheitskurators - die Absicht der Behörde (Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot) mitgeteilt und der BF aufgefordert, einen beigeschlossenen Fragenkatalog zu beantworten. Gleichzeitig wurde ersucht, entsprechende Bescheinigungs- und Beweismittel beizulegen.

Im Wege seines Vertreters nahm der BF dazu mit Schreiben vom 07.10.2019 Stellung.

I.4. Mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde (nachfolgend auch "bB") wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

I.5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

I.6. Mit Schriftsatz des Vertreters vom 28.05.2020 erhob der BF Beschwerde gegen den zitierten Bescheid des BFA vom 17.04.2020.

I.7. Die Beschwerdevorlage langte am 22.06.2020 beim BVwG in Wien und am 23.06.2020 in der Außenstelle Linz ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Der BF ist türkischer Staatsbürger; er wurde am 25.06.1980 in Österreich geboren und war bis 06.03.2019 im Bundesgebiet gemeldet; seine Eltern und Geschwister leben in Österreich.

Der BF reiste mit seiner engeren Familie vor Jahren in die Türkei. Der genaue Zeitpunkt ist nicht feststellbar. Wer von seinen Familienangehörigen in die Türkei mitreiste, wurde nicht festgestellt.

Die Identität des BF steht fest. Er verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU".

II.1.2. Der BF wurde mit Urteil des BG XXXX , vom 14.10.2014, Zl.: XXXX , wegen Köperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen (zu je ? 5,00) verurteilt. Die Hälfte der Geldstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Mit Bericht des LVT XXXX vom 24.05.2016 wurde der BF wegen Verdacht auf: Terroristische Vereinigung und Übertretung des Waffengesetzes der Staatsanwaltschaft XXXX angezeigt. Das Verfahren [offenbar hinsichtlich terroristischer Vereinigung] wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX im Juli 2016 eingestellt. Hinsichtlich des Vergehens nach dem Waffengesetz bestand bis zum 22.08.2019 eine Aufenthaltsermittlung für das BG XXXX .

II.1.3. Mit Schreiben vom 18.09.2019 richtete die bB ein "Parteiengehör" an den BF. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Aufzeichnungen des Bundesamtes bekannt sei, dass der BF seit Frühjahr 2012 Mitglied der Salafistenszene im Bundesland XXXX sei und im Jahr 2016 in die Türkei gereist sei. Ob sich der BF tatsächlich in der Türkei aufhalte oder untergetaucht in Österreich lebe, sei nicht erhebbar. Familienmitglieder und Verwandte würden jegliche Auskunft über den genauen Aufenthaltsort des BF verweigern.

Aufgrund der vorliegenden Informationen des Bundesamtes könne berechtigter Weise davon ausgegangen werden, dass das salafistische Weltbild bzw. die staatsfeindliche Gesinnung vom BF gelebt werde und diese gefestigte Einstellung den Grundwerten der Republik Österreich deutlich widerspreche.

Aufgrund der vom BF gesetzten strafbaren Handlungen und der Tatsache, dass die Annahme gerechtfertigt sei, dass der BF eine erhebliche Gefahr für die nationale als auch die europäische Sicherheit darstelle, sei beabsichtigt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen. Der BF wurde aufgefordert, einen beigeschlossenen Fragenkatalog zu beantworten. Gleichzeitig wurde ersucht, entsprechende Bescheinigungs- und Beweismittel beizulegen.

II.1.4. Im Wege seines Vertreters nahm der BF dazu mit Schreiben vom 07.10.2019 Stellung. Die Voraussetzungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot würden nicht vorliegen.

II.1.5. Ohne weitere Ermittlungsschritte der bB erfolgte mit Datum 17.04.2020 die Erlassung des gegenständlichen Bescheides.

II.1.5.1. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid folgende [auszugsweise angeführten] Feststellungen:

"Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht fest. Sie heißen XXXX . Sie sind am XXXX in Österreich/ XXXX geboren und besitzen die türkische Staatsbürgerschaft.

Ihr genauer Aufenthaltsort ist seit dem 06.03.2019 unbekannt. Sie verfügen jedoch noch über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU".

Sie sind Fremder iS des § 2 FPG und unterliegen Sie somit den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes. Sie sind als erwachsener und gesunder Mann zu qualifizieren.

Zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Es steht fest, dass Sie in Österreich geboren sind und sich seitdem durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben und gemeldet waren.

Es konnte festgestellt werden, dass Sie in Österreich legalen Beschäftigungen nachgegangen sind. Zudem steht auch fest, dass es immer wieder zu Unterbrechungen Ihrer beruflichen Tätigkeit kam und Sie sowohl Arbeitslosengeld als auch Notstandshilfe bekamen.

Es konnte festgestellt werden, dass Sie in Österreich unfall- oder krankenversichert waren.

Fest steht, dass gegen Sie ein rechtskräftiges Waffenverbot von der Bezirkshauptmannschaft XXXX verhängt wurde.

Zudem wurden Sie von der Staatsanwaltschaft XXXX am 22.08.2016 zur Aufenthaltsermittlung wegen einem Vergehen zur Fahndung ausgeschrieben.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind am XXXX in Österreich/ XXXX geboren und hielten sich bis zu Ihrer Ausreise rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Sie besuchten in Österreich die Schule.

Sie beherrschen Deutsch und Türkisch in Wort und Schrift.

Ihre Eltern und Geschwister leben hier in Österreich.

Sie sind seit dem 06.03.2019 nicht mehr amtlich in Österreich gemeldet und sind mit Ihrer Familie bereits im Jahr 2016 in die Türkei gereist.

Festgestellt wird, dass in Ihrem Fall somit kein schützenswerter Familienbezug/Familienleben in Österreich vorliegt. Weiters konnten keine Umstände festgestellt werden, die auf ein schützenswertes Privatleben in Österreich hinweisen.

[....]

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Fest steht, dass Sie im Falle einer Rückkehr keiner Verfolgung oder Bedrohung durch den türkischen Staat ausgesetzt wären.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie im Fall Ihrer Rückkehr in Ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der realen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder der Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt wären.

Fest steht, dass in Ihrem Heimatland ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten vorhanden und Ihnen auch zugänglich sind.

Eine Rückkehr in die Türkei ist Ihnen zumutbar und möglich. So reisten Sie bereits mehrfach in die Türkei und leben dort mit Ihrer Familie seit dem Jahr 2016.

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes:

Die Feststellungen zur Erlassung des gegenständlichen Einreiseverbotes gründen sich auf die Erhebungen der Landespolizeidirektion XXXX sowie die Erhebungen des LVT und BVT sowie Ihren strafrechtlichen Verurteilungen in Österreich.

Fest steht, dass Sie seit dem Frühjahr 2012 als Mitglied der Salafistenszene im Bundesland XXXX bekannt sind.

Fest steht, dass Sie bereits 2015 wegen dem Verdacht sich der Terrororganisation "IS" anschließen zu wollen bei der Staatsanwaltschaft XXXX angezeigt wurden. Das Verfahren wurde von der Staatanwaltschaft XXXX im Juli 2016 jedoch wieder eingestellt.

Bis zu Ihrer Ausreise im Jahr 2016 reisten Sie mehrfach in die Türkei, um dort Kontakte mit der Salafistenszene zu pflegen.

Dem Verein, dem Sie in Österreich angehörten, ist der extremistischen Salafistenszene zuzurechnen.

Fest steht, dass Sie über ein salafistisches Weltbild bzw. staatsfeindliche Gesinnung verfügen und diese verinnerlicht haben.

Fest steht, dass Sie die Taten des "IS" gutheißen und Sie daher eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und nationale Sicherheit darstellen.

Weiters steht fest, dass Sie während Ihres Aufenthalts in Österreich insgesamt 5-mal rechtkräftig von einem Landesgericht oder Bezirksgericht zu Geldstrafen verurteilt wurden.

Zu den Gründen für keine Frist zur freiwilligen Ausreise

Fest steht, dass Ihnen die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde und daher keine Frist zur freiwilligen Ausreise vorgesehen ist, sobald die Entscheidung durchführbar wird.

Zu den Gründen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Fest steht, dass Sie eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen."

II.1.5.2. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid nachangeführte Beweiswürdigung:

"Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Die getroffenen Feststellungen zu Ihrer Person ergeben sich aus dem aufliegenden Akt zur IFA: XXXX , insbesondere aus dem übermittelten Berichten der LPD XXXX und des LVT.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Die Feststellungen zu Ihrem Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus dem aufliegenden Akt zur IFA: XXXX , insbesondere aus dem übermittelten Berichten der LPD und des LVT.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Die getroffenen Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben ergeben sich ebenfalls aus Ihrem unbedenklichen Akteninhalt zur IFA XXXX .

[....]

Betreffend die Feststellungen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt zu IFA XXXX .

Betreffend die Feststellungen für keine Frist zur freiwilligen Ausreise

Diesbezüglich wird auf die Feststellungen und die rechtliche Würdigung verwiesen.

Betreffend die Feststellungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Aufgrund Ihrer Kriminalität stellen Sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Diesbezüglich wird auf die rechtliche Würdigung zum Einreiseverbot verwiesen."

II.1.6. Zu den Feststellungen der belangten Behörde:

Wenn das BFA feststellt, dass der BF bis zu seiner Ausreise im Jahr 2016 mehrfach in die Türkei gereist sei, um dort Kontakte mit der Salafistenszene zu pflegen, so erweist sich das - jedenfalls im Hinblick auf den Teilbereich "um dort Kontakte mit der Salafistenszene zu pflegen", als Spekulationen, finden sich dafür im gesamten Akteninhalt keine belastbaren Aussagen.

Wenn das BFA weiter feststellt, dass der BF über ein salafistisches Weltbild bzw. eine staatsfeindliche Gesinnung verfüge und diese verinnerlicht habe, so finden sich auch dazu in den vorliegenden Verwaltungsakten keine belastbaren Fakten. D.h. auch diese Feststellung ist spekulativ.

Gleiches gilt für die Feststellung, dass der BF die Taten des "IS" gutheiße und er daher eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und nationale Sicherheit darstelle. Auch dazu finden sich in den Verwaltungsakten keine belastbaren Fakten.

Wenn das BFA weiter feststellt, dass der BF während seines Aufenthalts in Österreich insgesamt 5-mal rechtkräftig von einem Landesgericht oder Bezirksgericht zu Geldstrafen verurteilt wurden, so ist diese Feststellung aktenwidrig. Im Strafregister der Republik Österreich scheint hinsichtlich des BF keine Verurteilung auf, das in den Akten einliegende Urteil des BG XXXX , vom 14.10.2014, Zl.: XXXX , wegen Köperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen (zu je ? 5,00) verurteilt (die Hälfte der Geldstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen), ist daher unter der entsprechenden Schwelle liegend anzusehen; es scheint im Strafregisterauszug nicht auf. Gemäß der dazu im Akt einliegenden Verfügung vom 11.12.2014 wurde diese Verurteilung als für die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen zu geringfügig erachtet (vgl. AS 21).

Von welchen strafrechtlichen Verurteilungen (Mehrzahl!!) die bB ausgeht, ist daher unklar.

Wenn das BFA weiter anführt, dass der BF bereits 2015 wegen dem Verdacht sich der Terrororganisation "IS" anschließen zu wollen bei der Staatsanwaltschaft XXXX angezeigt wurde, das Verfahren von der Staatanwaltschaft XXXX im Juli 2016 jedoch wieder eingestellt wurde, so ergibt sich daraus, dass dieser Verdacht nicht einmal zu einer Anklageerhebung ausreichte. Ohne weiterführende Erhebungen und Fakten ist daraus aber nicht ableitbar, dass vom BF ein Bedrohungsszenario ausgeht.

Wenn das BFA feststellt, dass der BF seit dem Frühjahr 2012 als Mitglied der Salafistenszene im Bundesland XXXX bekannt ist, so gründet sich diese Feststellung auf den Bericht des LVT XXXX vom 05.03.2019. Dieser Bericht besteht zu einem Großteil aus Hintergrundinformationen (zu Salafisten) und ist nahezu ident mit dem Bericht des LVT XXXX vom 24.10.2018 zu XXXX . Während die Berichte zu XXXX konkrete Fakten enthalten, fehlen solche im Bericht zum BF.

Wenn der Bericht ausführt, das fünf Besucher des entsprechenden Vereines vom LVT nach § 278b StGB zur Anzeige gebracht wurden und zwei weitere Besucher wegen sonstigem Terrorismus-Verdacht, ein Mitglied der in diesem Verein verkehrenden Salafisten-Szene sei in Syrien bei Kampfhandlungen getötet worden, ebenso eine weitere Person, deren Familienangehörige dieser Szene zuzurechnen seien, so fehlt ein ausdrücklicher Konnex insoweit zum BF.

Dass der BF dem LVT XXXX seit dem Frühjahr 2012 als Mitglied der Salafistenszene im Bundesland XXXX bekannt ist und er bis zur Ausreise in die Türkei regelmäßig ein Vereinslokal in XXXX , das der Salafistenszene zuzurechnen ist, besuchte, wird als gegeben erachtet. Dem Bericht fehlt aber mangels konkret angeführter Fakten (Zeugenaussagen, konkrete Wahrnehmungen konkreter Organe,....) die Nachvollziehbarkeit und damit die für ein derartiges Verfahren notwendige Bestimmtheit.

Weitere konkrete Handlungen des BF sind dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Das vorliegende Substrat ist daher nicht geeignet, darauf eine Rückkehrentscheidung und ein unbefristetes Einreiseverbot zu gründen. Es wären umfangreiche Ermittlungen (bspw. Zeugeneinvernahmen) bzw. die Einvernahme des BF notwendig.

II.1.7. Zielführende Ermittlungen zum Verhalten des BF (insbes. zu konkreten dem BF vorwerfbaren Handlungen) sind aus den vorliegenden Verwaltungsakten aber nicht erkennbar. Die Feststellungen des BFA sind - wie angeführt - spekulativ und gründen sich v.a. auf den Bericht des LVT XXXX , der sich über weite Strecken mit Hintergrundinformationen befasst. Eine persönliche Einvernahme des BF (ersatzweise die Einvernahme von Zeugen) wurde nicht durchgeführt, wäre aber nach Ansicht des erkennenden Richters notwendig gewesen. Da der BF nicht greifbar ist, wurde der Bescheid - ohne Durchführung einer Einvernahme [die Möglichkeit einer solchen ist derzeit nicht gegeben] erlassen, um die Durchführung solcher Ermittlungsschritte [die derzeit nicht möglich sind] auf das BVwG abzuwälzen.

II.1.8. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht nicht fest; das Ermittlungsverfahren ist grob mangelhaft. Eine Sanierung binnen Wochenfrist ist nicht durchführbar.

II.2. Beweiswürdigung:

ie Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und der Beschwerde.

II.3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.2. Zur Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar und soll von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,

- wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

- wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder

- bloß ansatzweise ermittelt hat.

- Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) - bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.

Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der "Unabhängigkeit", die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der "Unparteilichkeit" in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.

Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie - wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat - nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.

Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten, ist das Gericht ermächtigt - wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.

II.3.3. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

II.3.3.1. Dem BF wurde im Wege seiner Vertretung mit Schreiben vom 18.09.2019 zur beabsichtigten Vorgangsweise des BFA Parteiengehör gewährt und ein Katalog von Fragen gestellt. Nähere Feststellungen zu den vom BF "gesetzten strafbaren Handlungen" fehlen. Die Ermittlungen dazu sind daher insgesamt unzureichend.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen und eine Einzelfallprüfung durchzuführen.

Wenn das BFA in der Beweiswürdigung anführt, die Feststellungen im Hinblick auf das Einreiseverbot ergeben sich aus dem Akteninhalt, so ist das insoweit unrichtig, als die Feststellungen - wie oben angeführt - spekulativ sind.

II.3.3.2. Eine Einvernahme des BF wäre wegen Abwesenheit des BF nicht möglich gewesen, stattdessen erging vom BFA ein Schreiben vom 18.09.2019 zur beabsichtigten Vorgangsweise (Parteiengehör) an den Abwesenheitskurator. Weil dieser aber offensichtlich nicht über die notwendigen Informationen verfügt, ist eine solche Vorgangsweise zur Ermittlung des Sachverhaltes untauglich, der Ermittlungsschritt des BFA damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts völlig ungeeignet.

II.3.3.3. Nach § 39 Abs. 2 hat die Behörde das Ermittlungsverfahren amtswegig zu führen. Pflicht der Behörde wäre es daher gewesen, den gegenständlich relevanten Sachverhalt von sich aus zu ermitteln.

Das gegenständliche Vorgehen der belangten Behörde - insbesondere die Unterlassung einer persönlichen Einvernahme des BF; die Ermittlung und Einvernahme von Zeugen - führt aber dazu, dass das gesamte Ermittlungsverfahren auf die Beschwerdeinstanz übergewälzt bzw. delegiert würde.

II.3.3.4. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Bescheide iSd § 58 AVG zu begründen sind. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024, und 21.12.2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

II.3.3.5. Im vorliegenden Fall wurde der maßgebliche Sachverhalt dermaßen qualifiziert mangelhaft ermittelt, dass von einem gänzlichen Ausbleiben der zur Entscheidungsfindung notwendigen Ermittlungen über weite Strecken iSd Erk. d. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 gesprochen werden muss. Daran anknüpfend ist auch nach derzeitigem Stand nicht zu beurteilen, ob das BFA überhaupt rechtlich die richtigen Schlüsse gezogen hat. Das BVwG hätte hier nicht bloß Ergänzungen dazu vorzunehmen, sondern wäre vielmehr die erste Instanz, welche diese Ermittlungen vollinhaltlich vornimmt und kann erst nach dieser eine Beurteilung der Rechtsfrage stattfinden. Das ho. Gericht hätte iSd Urteils des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 somit in einem wesentlichen Teil des Ermittlungsverfahrens "an die Stelle" der zuständigen belangten Behörde zu treten, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts vorzulegen.

Trotz der Einrichtung von Außenstellen des BVwG ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des BVwG und des BFA eine Weiterführung des Verfahrens durch das BVwG im Sinne des § 28 Abs. 2 u 3 VwGVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist bzw. zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens führt. So ergäbe sich etwa für das BVwG, dass die gegenständlichen Ermittlungen nur im Zuge einer Verhandlung durchgeführt werden könnten, dies zudem in einem Mehrparteienverfahren. Schon daraus ergibt sich ein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einem Verfahren vor dem Bundesamt in einem Einparteienverfahren. Das Bundesamt verfügt auch hinsichtlich der Anzahl von Entscheidern über wesentlich höhere personelle Ressourcen als das BVwG.

Eine vorweg per se angenommene Verlängerung des Verfahrens durch die Zurückverweisung und eine nochmalige Beschwerdeerhebung wäre rein spekulativ, zumal die Statistiken zeigen, dass nicht gegen jegliche Entscheidung des BFA Beschwerde erhoben wird. Insbesondere, wenn nunmehr ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und darauf basierend eine nachvollziehbare Beweiswürdigung und rechtsrichtige Beurteilung vorgenommen wird, kann den Erfahrungen nach von einer höheren Akzeptanz durch die Partei ausgegangen werden.

II.3.3.6. Das Vorgehen der belangten Behörde - Durchführung marginaler Ermittlungsschritte (ansatzweise Ermittlungen) innerhalb eines Zeitraumes von 4 Jahren, Verhängung der höchst möglichen Sanktion bei Unterlassung einer persönlichen Einvernahme und die Bescheiderlassung unter Miteinbeziehung spekulativer Annahmen in zentralen Bereichen unter gleichzeitigem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde - kann nur so interpretiert werden, dass damit nicht unerhebliche Ermittlungsschritte auf die Beschwerdeinstanz übergewälzt werden sollten. Angesichts der mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde de facto verbundenen verkürzten Entscheidungsfrist bleibt in erster Linie nur die Behebung und Zurückverweisung als Sanierungsmöglichkeit.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die oben aufgelisteten fehlenden Ermittlungen durchzuführen haben.

II.3.4. Von diesen Überlegungen ausgehend, ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Dass gegebenenfalls die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, ist angesichts des Mehrparteienverfahrens beim BVwG nicht erkennbar.

II.4. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

II.5. Angesichts dieser Entscheidung binnen kurzer Frist sowie der gänzlichen Behebung des angefochtenen Bescheides, erübrigen sich weitere Ausführungen zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aktenwidrigkeit Beweiswürdigung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L529.2232173.1.00

Im RIS seit

19.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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