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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §7;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/15/0235 E 23. Oktober 1997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dkfm. F P, vertreten durch Dr. Karl Hochhaltinger, Rechtsanwalt in Wien I, Stallburggasse 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 26. September 1996, Zlen. GA-17-94/4227/12 und GA 17-96/4118/12, betreffend Einkommensteuer 1993 und 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1993 und 1994 führte er neben Einkünften, die in Österreich zu besteuern sind, solche Einkünfte an, "für die das Besteuerungsrecht aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen einem anderen Staat zusteht". Die letztgenannten Einkünfte resultieren aus einer von der deutschen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin gewährten Altersrente. Aus den Beilagen zu den Steuererklärungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer nur den "Ertragsanteil" dieser Rente (22 % bzw. 23 % des Bruttobezuges) für die Berechnung des Progressionsvorbehaltes einbezogen wissen wollte.
Bei Erlassung der Einkommenssteuerbescheide zog das Finanzamt die deutschen Rentenbezüge in voller Höhe zur Berechnung des Progressionsvorbehaltes heran. In der Bescheidbegründung verwies es darauf, gemäß Art. 10 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Deutschland, BGBl. Nr. 221/1955 (im folgenden DBA), stehe das Besteuerungsrecht für die in Rede stehenden Rentenbezüge der Bundesrepublik Deutschland zu; Art. 15 des DBA bestimme, daß der Wohnsitzstaat die Steuer von dem ihm zur Besteuerung überlassenen Einkünften nach dem Satz erheben könne, der dem Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen entspreche. Dabei sei für die Ermittlung des Gesamteinkommens das österreichische Steuerrecht anzuwenden. Die Rentenbezüge seien daher in der tatsächlich erzielten Höhe (1993: 48.572,-- S; 1994:
147.770,-- S) für die Ermittlung des Progressionssatzes heranzuziehen.
In den Berufungen gegen diese Bescheide brachte der Beschwerdeführer vor: Für die Rente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin stehe nach dem DBA das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat zu; Österreich könne als Wohnsitzstaat den Progressionsvorbehalt ausüben. Es sei aber zu beachten, daß der Rentenbezug sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Einkommenssteuerrecht nur teilweise steuerpflichtig sei. Die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 3 des österreichischen EStG 1972 habe sich ursprünglich nicht auf Pensionen (Renten) aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung bezogen; ausländische Sozialversicherungspensionen seien daher nur als wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 EStG zu erfassen gewesen. Erst durch das Abgabenänderungsgesetz 1987 seien Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspreche, den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet worden. Im gegebenen Zusammenhang sei auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1984, G 101/84, von Bedeutung; mit diesem Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, in der vollen steuerlichen Erfassung der auf die Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung zurückzuführenden Steigerungsbeträge sei eine Verfassungswidrigkeit begründet, weil die Beiträge für eine freiwillige Weiter- bzw. Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung nur im Ausmaß der Sonderausgabenhöchstbeträge einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten. Der Gesetzgeber habe in der Folge mit BG BGBl. 251/1985, § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 dahingehend geändert, daß Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung in der Pensionsversicherung bzw. Höherversicherungspensionen nur zu einem Viertel steuerlich zu erfassen seien. Die Besonderheit des deutschen Sozialversicherungssystems bestehe darin, daß die vom Steuerpflichtigen geleisteten Beträge nur im Rahmen der - wie in Österreich lediglich innerhalb bestimmter Grenzen absetzbaren - Sonderausgaben geltend gemacht werden könnten. Diesem Umstand werde in Deutschland dadurch Rechnung getragen, daß nur der "Ertragswert" der Rente der Besteuerung unterzogen werde. In Österreich sei eine analoge Behandlung geboten. Es werde daher beantragt, die deutsche Sozialversicherungsrente, hinsichtlich derer das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zustehe (Art. 10 des DBA) in Österreich für Zwecke des Progressionsvorbehaltes nur mit dem "Ertragsanteil" anzusetzen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Das DBA regle lediglich die Aufteilung der Einkunftsquellen auf die beiden Vertragsstaaten. Nicht vom DBA berührt werde jedoch die Einordnung in eine bestimmte Einkunftsart und die Ermittlung der Einkünfte. Bei der Besteuerung in Österreich seien für Zwecke des Progressionsvorbehaltes auch die in Deutschland erzielten Einkünfte ausschließlich nach österreichischem Recht zu ermitteln. Gemäß § 25 Abs. 1 Z.3 lit. c EStG 1988 begründeten Pensionsansprüche aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspreche, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Ermittlung dieser Einkünfte erfolge durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Werbungskosten. Die nicht zu den "Ertragsanteilen" gehörenden Teile der Rente seien weder durchlaufende Posten oder nicht steuerbare Einnahmen im Sinn des § 26 EStG noch steuerfreie Einkünfte oder gar Werbungskosten. Daraus folge aber, daß auch die über die "Ertragsteile" hinausgehenden Rentenbezüge zu Einkünften führten. Daran ändere nichts, wenn es zutreffen sollte, daß der Beschwerdeführer nicht sämtliche der von ihm geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung steuerlich habe geltend machen können. Die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1988 betreffend die Erfassung bestimmter Pensionsteile mit lediglich 25 % sei ausschließlich auf Pensionen aus inländischen Sozialversicherungen anwendbar.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, die in Rede stehenden Bezüge der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin seien Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Z. 1 des DBA, sodaß das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat zukomme. Aus Art. 15 Abs. 1 DBA folge sodann, daß Österreich als Wohnsitzstaat für diese Bezüge kein Besteuerungsrecht zukomme. Zufolge Art. 15 Abs. 3 DBA seien die von Österreich zu erfassenden Einkünfte mit dem Satz zu besteuern, der dem Gesamteinkommen des Beschwerdeführers entspreche (Progressionsvorbehalt). Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken gegen diese Auffassung.
Bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das (Gesamt)Einkommen nach den Vorschriften des österreichischen EStG ermittelt, die auf dieses Einkommen entfallende österreichische Einkommenssteuer eruiert, und sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser wird auf jenen Einkommensteil angewandt, welcher von Österreich besteuert werden darf (vgl. Hofstätter/Reichel, § 33 EStG 1988 Tz 18; Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich, Art. 15 Rz 51).
Gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1988 gehören Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; besondere Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung in der Pensionsversicherung und Höherversicherungspensionen sind allerdings nur mit 25 % zu erfassen.
Gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1988 gehören Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. April 1981, 2299/79, ausgesprochen, daß Altersrenten aus einer ausländischen Sozialversicherung wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 EStG darstellen können. Sie können auch im Sinne des § 29 Z. 1 EStG die Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern bilden - diesfalls sind sie erst nach Übersteigen des kapitalisierten Wertes steuerlich zu erfassen -, wenn sie auf Beitragsleistungen (Übertragung von Wirtschaftsgütern) beruhen und eine wechselseitige Leistungsbeziehung nach Art eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes vorliegt. In einem solchen Fall kann der Erwerb eines Rentenanspruches einerseits und die Hingabe von Wirtschaftsgütern durch die Beitragszahlung andererseits in dem vom Gesetz geforderten Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen.
Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung sind gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1988 dann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sieht das Gesetz nicht vor, daß derartige Pensionseinkünfte nur mit einem bestimmten Anteil zu erfassen wären. Nach dem Beschwerdevorbringen sei aber die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1988 im "Analogieschluß" auch auf ausländische Sozialversicherungspensionen anzuwenden.
Gesetzesanalogie hat zur Voraussetzung, daß ein zu beurteilender Sachverhalt nicht ausdrücklich von einem bestimmten Tatbestand erfaßt wird, aufgrund der weitgehenden Ähnlichkeit mit dem unter den gesetzlichen Tatbestand fallenden Sachverhalt und im Hinblick auf die ratio legis aber von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ausgegangen werden muß (vgl. Werndl, Zur Analogie im Steuerrecht, ÖJZ 1997, 298). In diesem Zusammenhang kommt für den vorliegenden Fall der Interpretation des § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1988, insbesondere des Tatbestandsmerkmales "die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht", besondere Bedeutung zu.
Die Pensionsversicherung im Rahmen der österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung ist grundsätzlich ein System der Pflichtversicherung mit Pflichtbeiträgen, auch wenn einzelne Elemente der Freiwilligkeit im Bereich der Höher- und Weiterversicherung gegeben sind. Eine ausländische Sozialversicherung entspricht daher jedenfalls nur dann einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung, wenn zumindest grundsätzlich eine Pflichtversicherung mit Pflichtbeiträgen vorliegt. Der Inhalt des Tatbestandsmerkmales ist aber im Auslegungsweg noch weiter einzuschränken:
Der Regelung des § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1988 betreffend die nur quotenmäßige Erfassung von Höherversicherungspensionen und dem durch § 18 Abs. 3 Z. 2 lit. a EStG 1988 ohne Begrenzung eingeräumten Abzug von Beiträgen für eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung liegt die Wertungsentscheidung des Gesetzgebers zugrunde, daß Sozialversicherungspensionen, die auf nur beschränkt abzugsfähige Pensionsbeiträge zurückgehen, nicht zur Gänze steuerpflichtiges Einkommen darstellen sollen (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 25 Tz 22). Dieser Wertungsentscheidung widerspricht § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1988 dann nicht, wenn der Bestimmung die Bedeutung beigemessen wird, daß sie nur solche Pensionen aus einer ausländischen Sozialversicherung erfaßt, die auf Pflichtbeiträge zurückzuführen sind. Ausgaben für Pflichtbeiträge sind nämlich gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. f EStG 1988 als Werbungskosten abzugsfähig (vgl. Hofstätter/Reichel, § 16 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988, Tz 7). Bei auf freiwillige Beiträge zurückzuführenden Pensionen stellt aber die Besteuerung nach § 29 Z. 1 dritter Satz EStG 1988 sicher, daß ein Steuerpflichtiger im Rahmen des Pensionsbezuges nicht den Rückfluß jener Beträge als Einkommen zu versteuern hat, die er ohne Möglichkeit auf entsprechende einkommensmindernde Berücksichtigung in die Pensionsversicherung eingezahlt hat. Aus diesem Grunde hält der Verwaltungsgerichtshof die in der Literatur (vgl. Doralt, EStG3, § 25 Tz 64; Quantschnigg/Schuch, Einkommenssteuerhandbuch, § 25 Tz 24) vertretene Auffassung, Pensionseinkünfte aufgrund freiwillig entrichteter Beiträge zu einer ausländischen Sozialversicherung würden vom Tatbestand des § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1988 nicht erfaßt, für zutreffend. Wird der genannten Gesetzesbestimmung dieser Inhalt beigemessen, ist eine planwidrige Lücke nicht aufzufinden und besteht sohin kein Anwendungsbereich für eine Gesetzesanalogie.
Im gegenständlichen Fall kommt sohin entscheidende Bedeutung der Frage zu, ob Einkünfte im Sinne des § 29 Z. 1 (dritter Satz) EStG 1988 oder solche im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c leg. cit. vorliegen. Von dieser Zuordnung hängt es ab, ob bzw. in welchem Ausmaß die Rentenbezüge aus der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (für Zwecke des Progressionsvorbehaltes) einkommenserhöhend anzusetzen sind.
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid offenkundig davon ausgegangen, daß eine ausländische gesetzliche Sozialversicherung stets einer inländischen vergleichbar ist. Sie hat damit die Rechtslage verkannt. Aufgrund dieses Rechtsirrtumes hat sie es unterlassen, Erhebungen darüber anzustellen, ob im gegenständlichen Fall das im § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1988 geforderte Entsprechen einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung gegeben ist. Diese Beurteilung erfordert Feststellungen in der Richtung, ob die geleisteten ausländischen Versicherungsbeiträge ihrer Art nach aufgrund der in den Streitjahren geltenden Rechtslage (EStG 1988) in voller Höhe einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten (§ 16 Abs. 1 Z. 4 lit. f EStG). Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die Beiträge in den Jahren der Beitragszahlung tatsächlich einkommensmindernd zu berücksichtigen waren oder berücksichtigt worden sind.
Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996150234.X00Im RIS seit
11.07.2001