TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 W102 2148748-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2020
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Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W102 2148748-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 26.01.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2019 zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1., 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 02.06.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 02.06.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er sei mit seiner Verlobten auf dem Wege in die Stadt Ghazni von den Taliban entführt worden. Sie hätten sie gefesselt, geschlagen, beschimpft und gefragt, warum sie sich für das Christentum bewerben würden. Er habe dies verneint und sich zum Islam bekannt. Sie seien eine Woche gefoltert und mit dem Tode bedroht worden, weil sie sich für das Christentum einsetzen würden. Die Verlobte habe den Beschwerdeführer schließlich von den Fesseln befreit und er sei allein geflohen. Er habe den Vater der Verlobten angerufen und ihm gesagt, er müsse seine Tochter retten. Dieser habe seinen Einfluss genutzt, sei zu den Taliban gegangen und habe seine Tochter gerettet.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.10.2015 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er sei mit seiner Frau im Taxi nach Ghazni unterwegs gewesen und die Taliban hätten das Taxi gestoppt und sie mitgenommen. Sie hätten seiner Frau nichts angetan, den Beschwerdeführer hätten sie gefoltert und beschuldigt, Christ zu sein. Er sei dann geflüchtet und habe seine Frau zurückgelassen. Er habe sich um zwei oder drei in der Früh von seinen Fesseln befreien können und sei zu Fuß unterwegs gewesen. Kurz vor Sonnenaufgang habe er sich in einem kleinen Garten versteckt und sei weitergelaufen, als es wieder dunkel gewesen sei. Irgendwann habe ihn ein Auto mit nach Kandahar genommen. Von dort habe er seinen Cousin angerufen und ihm erzählt, was passiert sei. Dieser habe ihm Geld geschickt und er sei damit ausgereist. Außerdem habe er von Kandahar seinen Schwiegervater angerufen, dieser habe die Freilassung der Frau des Beschwerdeführers bewirkt.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.01.2017, zugestellt am 06.02.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Es gebe Widersprüche zwischen Erstbefragung und Einvernahme, einige Details seien nicht nachvollziehbar. Die Sicherheitslage in Ghazni sei relativ volatil, in Kabul sei sie jedoch relativ gut und habe der Beschwerdeführer dort Verwandte. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich würden von den öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens überwogen.

3.       Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.01.2017 richtet sich die am 21.02.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, das Vorbringen sei glaubhaft und nachvollziehbar. Die Beweiswürdigung sei widersprüchlich. Der Beschwerdeführer besuche seit er in Österreich sei einen Gebetskreis und wolle zum Christentum konvertieren. Die Sicherheitslage sei schlecht. Die Rückkehrentscheidung sei unzulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 05.08.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er sei von den Taliban entführt worden, im Wesentlichen aufrecht. Zudem ergänzte der Beschwerdeführer, für eine Konversion zum Christentum habe er sich noch nicht entschieden. Ihm drohe Verfolgung wegen seiner unterstellten politisch-religiösen Gesinnung, er werde der Verbreitung des christlichen Glaubens bezichtigt. Zudem wurden zwei schriftliche Stellungnahmen vorgelegt.

Mit Schreiben vom 08.04.2020 und vom 29.05.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht jeweils aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführers und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Italienisches Zugticket

?        Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote

?        Diverse Fotos

?        Mehrere Empfehlungsschreiben

?        Bestätigung über Mitgliedschaft in einem Boxclub

?        Beschäftigungsbewilligungsbescheide des AMS

?        Angebot für Hörgerätversorgung

?        Prüfungsergebnis hinsichtlich mehrere Antritte bei der Integrationsprüfung A2, lautend auf „nicht bestanden“

?        A1 Prüfungszertifikat des ÖIF

?        Arbeitszeugnis

?        Wiederaufnahmebestätigung des Arbeitgebers

?        Lohn/Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum 2017 bis 2019

?        Bestätigungen über gemeinnützige Tätigkeit

?        Bestätigung über Gebetskreisteilnahme

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt Qarabagh, Provinz Ghazni und wuchs auch in XXXX auf.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule besucht und abgeschlossen. Nebenher hat der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft des Vaters mitgearbeitet. Nach dem Studienabschluss hat der Beschwerdeführer zwei Jahre studiert und als Lehrer gearbeitet.

Der Vater des Beschwerdeführers ist vor Jahren an einem Herzinfakt verstorben.

Die Frau des Beschwerdeführers und seine Mutter leben in Ghazni (Stadt). Der Bruder des Beschwerdeführers und seine Schwester leben in Kabul. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Frau.

Im Herkunftsstaat sind zudem ein Onkel väterlicherseits, ein Cousin und der Schweigervater (und Onkel mütterlicherseits) des Beschwerdeführers aufhältig.

Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und andere Bildungsangebote wahrgenommen. Er verfügt über nachgewiesene Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Seit Juni 2017 arbeitet der Beschwerdeführer mit Unterbrechungen als Saisonarbeiter in einer Baumschule. Dazwischen bezog er immer wieder Grundversorgung. Aktuell bezieht der Beschwerdeführer keine Grundversorgung. Er hat in seiner Wohnsitzgemeinde im Bundesgebiet auch gemeinnützige Arbeit geleistet und ist seit dem Jahr 2016 Mitglied in einem Boxclub, wo er regelmäßig am Training teilnimmt. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Dass der Beschwerdeführer und seine Frau als sie in einem Taxi auf dem Weg nach Ghazni (Stadt) unterwegs waren, von Taliban angehalten und entführt wurden, wird nicht festgestellt. Es wird auch nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer von den Taliban beschuldigt wurde, zum Christentum konvertiert zu sein und andere Menschen in Afghanistan missionieren zu wollen.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe der Taliban oder durch andere Personen, weil ihm die Konversion zum Christentum oder dessen Verbreitung vorgeworfen würden.

Dass die Familie des Beschwerdeführers das Heimatdorf verlassen hat, weil sie dort diskriminiert und belästigt wurde, weil dem Beschwerdeführer eine Konversion zum Christentum unterstellt wird, wird nicht festgestellt.

Ein die Ausreise des Beschwerdeführers unmittelbar auslösender Vorfall kann nicht festgestellt werden.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr keine Übergriffe wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer besucht regelmäßig einen Gebetskreis und Interessiert sich für das Christentum. Einen Entschluss, zu konvertieren, hat der Beschwerdeführer nicht gefasst.

1.3.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni hat sich zuletzt verschlechtert, die Provinz zählt zu den besonders volatilen Provinzen des Herkunftsstaates. Im Jahr 2018 kam es zu einem Anstieg der zivilen Opfer um 84 % gegenüber 2018, ebenso 2018 kam es zu heftigen Kämpfen zwischen Taliban und afghanischen Streitkräften. Im November 2019 starteten die Taliban eine Großoffensive gegen die Hazara-Gebiete in Jaghuri und Malistan und wurden gegen Ende November wieder vertrieben. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 gehörte Ghazni ebenso zu den aktivsten Konfliktgebieten. Qarabagh ist umkämpft. Insbesondere die Straßen in Ghazni sind unsicher, eine Anreise von Kabul aus über den Highway 1 ist aufgrund der Präsenz der Taliban entlang der Straße in Ghazni gefährlich.

Die Hauptstadt Kabul steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung. Es kommt allerdings in der Hauptstadtregion weiterhin zu Anschlägen Aufständischer auf hochrangige Ziele. Hauptursache für Opfer sind Selbstmord- und komplexe Angriffe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen.

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Kabul im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird.

Afghanistan ist stark von der COVID-19-Pandemie betroffen. Die afghanische Regierung hat zu ihrer Bekämpfung eine Reihe von Maßnahmen erlassen, was auch in Kabul zur Schließung ganzer Stadtteile und Bewegungseinschränkungen führt. Insbesondere Tagelöhner können aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Kabul ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr nach Kabul ist gewährleistet.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinen Lebensumständen und seinem Lebenswandel (Schulbesuch, Berufstätigkeit, etc.) im Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde hegte keine Zweifel an den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers.

Zur Feststellung hinsichtlich der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam wird auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen unter 2.2. verwiesen.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht darauf, dass anderslautende Vorbringen im Lauf des Verfahrens nicht erstattet wurden und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden. Zudem bestätigte der Beschwerdeführer auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2019, er sei gesund, nehme keine Medikamente und befinde sich nicht in medizinischer Behandlung (Verhandlungsprotokoll, OZ 10, S. 2).

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Dass der Vater an einem Herzinfarkt verstorben ist, hat der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.10.2015 angegeben (AS 36). Auch in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.06.2015 gab der Beschwerdeführer bereits an, sein Vater sei verstorben (AS 5).

Dass Frau und Mutter Qarabagh verlassen haben und nach Ghazni (Stadt) gezogen sind, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2018 angegeben (Verhandlungsprotokoll, OZ 10, S. 6). Diesbezüglich wird zudem auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verwiesen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.10.2015 hat der Beschwerdeführer angegeben, der Bruder seines Onkels sei im Herkunftsdorf aufhältig und lebe von der Landwirtschaft (AS 39). Dass auch Cousin und Schwiegervater (Onkel mütterlicherseits) im Herkunftsstaat aufhältig sind, geht ebenso aus den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hervor. Diesbezügliche Änderungen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2019 nicht angegeben.

Zu seinen Kursbesuchen hat der Beschwerdeführer Bestätigungen vorgelegt (Beilagen zum Verhandlungsprotokoll OZ 10), ebenso sein Prüfungszeugnis A1 mit Prüfungsdatum 14.12.2017 (Beilagen zum Verhandlungsprotokoll, OZ 10). Zu seiner Berufstätigkeit hat der Beschwerdeführer Bewilligungsbescheide des AMS (etwa OZ 6, OZ 15), ein Konvolut an Lohn/Gehaltsabrechnungen (OZ 13, OZ 17, Beilagen zum Verhandlungsprotokoll OZ 10), sowie ein Arbeitszeugnis und eine Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers (Beilagen zum Verhandlungsprotokoll OZ 10) vorgelegt. Dass der Beschwerdeführer dazwischen immer wieder Grundversorgung bezogen hat, geht aus dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem hervor. Diesem zufolge bezieht der Beschwerdeführer allerdings aktuell keine Grundversorgung. Vom Beschwerdeführer geleistete gemeinnützige Tätigkeit geht etwa aus der vorgelegten Bestätigung des XXXX hervor (OZ 18), wobei der Beschwerdeführer dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2019 auch Fotos vorgelegt hat (Beilagen zum Verhandlungsprotokoll OZ 10). Zu seiner Mitgliedschaft im Boxclub hat der Beschwerdeführer ebenso eine Bestätigung eingebracht (OZ 2) und in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er nach wie vor zwei bis drei Mal im Monat das Training besucht (Verhandlungsprotokoll OZ 10, S. 3). Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen hat, geht etwa aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben (AS 191, Beilagen zum Verhandlungsprotokoll OZ 10) hervor und erscheint plausibel.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen einer Entführung durch Taliban sowie der Unterstellung einer Konversion zum Christentum teilt die belangte Behörde im Wesentlichen die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass dieses nicht glaubhaft ist. So sind die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich, auch wenn die vom Beschwerdeführer geschilderte Handlung im Grunde mit den Länderberichten übereinstimmt.

So berichten die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.04.2020 (OZ 22) in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) im Hinblick auf Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, dass ich seit den letzten Jahren die Fälle von Schikanen, Einschüchterung, Entführung und Tötung durch die Taliban, den Islamischen Staat und andere regierungsfeindliche Kräfte mehren würden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara, S. 106-107). Auch die ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.04.2020 (OZ 22) in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) berichtet von Angriffen Aufständischer auf Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, wobei hier insbesondere berichtet wird, dass reisende Angehörige der Hazara ausgesondert und getötet oder entführt würden (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious monorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69). Hinsichtlich der Provinz Ghazni kann zudem dem EASO COI Report, Afghansitan, Security situation – ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.04.2020 (OZ 22) in das Verfahren eingebracht – entnommen werden, dass die Taliban insbesondere an den Straßen in Ghazni präsent sind (Kapitel 1.6 Mobility, S. 64). Auch aus den Feststellungen der belangten Behörde zur Lage im Herkunftsstaat im Wortlaut des Länderinformationsblattes (AS 85 ff.) ergibt sich bereits, dass es insbesondere in Ghazni zu Entführungen kommt (AS 96). Derartige Vorfälle gehen auch aus dem aktuellen, vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 29.05.2020 (OZ 23) in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt) hervor. Dieses berichtet, dass die Taliban (weiterhin) entlang der Straßen stark präsent sind (Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.10. Ghazni).

Der Beschwerdeführer verknüpft die behauptetet Entführung in seinem Fluchtvorbringen mit seiner Tätigkeit als Lehrer. Hinsichtlich Mitarbeitern von Bildungseinrichtungen kann der EASO Country Guidance entnommen werden, dass diese Ziel von Angriffen der Taliban werden können (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 7. Educational personnel, S. 54-55). Zwar wird berichtet, Lehrer würde allenfalls eine politische Gesinnung unterstellt und seien diese auch allenfalls gefährdet, wenn sie einem Lehrplan folgen würden, den Aufständische als von ihrer Interpretation des Islam abweichend einstufen würden. Keine Erwähnung findet an dieser Stelle, dass die Taliban Lehrern vorwerfen würden, sie seien zum Christentum konvertiert und würden missionieren. Diesen behaupteten Vorwurf begründet der Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar, sondern gibt lediglich an, er habe als Lehrer gearbeitet und seien viele Afghanen in Jaghuri Christen geworden. Dies scheint allerdings mit Blick auf die Lage von Konvertiten in Afghanistan nicht wahrscheinlich (etwa Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit, Unterkapitel 15.2. Christentum und Konversion zum Christentum) und sind gegenteilige Informationen im Hinblick auf vermehrte Konversionen in Jaghori auch nicht amtsbekannt. Auch hier finden sich zudem keine Hinweise darauf, dass es der Vorgehensweise der Taliban entsprechen würde, Lehrern Konversion und Missionierung vorzuwerfen.

Die Schilderungen des Beschwerdeführers weichen zudem in wesentlichen Aspekten des Fluchtvorbringens voneinander ab, weswegen von einem im Kern gleichbleibenden Fluchtvorbringen nicht gesprochen werden kann.

So schilderte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2019, es habe in dem Raum, in dem er und seine Frau festgehalten worden seien, ein kleines Fenster gegeben, durch das er geflüchtet sei. Er habe das Holzgitter des Fensters aufgebrochen (OZ 10, S. 4). In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.10.2015 hatte der Beschwerdeführer dagegen angegeben, es sei ein kleines Loch in der Mauer gewesen, dieses habe er mit einem Holz etwas größer gemacht und dann habe er rausspringen können (AS 41). Damit schildert der Beschwerdeführer die Weise, auf die er sich befreit haben will, allerdings völlig abweichend. Weiter führt bereits die belangte Behörde beweiswürdigen aus (AS 118), der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.06.2015 noch angegeben, seine „Verlobte“ habe ihn von seinen Handfesseln befreit (AS 11), während er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.10.2015 dann angab, er habe seine Fesseln selbst gelöst (AS 41). Auch die Gründe für die Fahrt nach Ghazni stellt der Beschwerdeführer stets anders dar. So gab er in der Erstbefragung an, er habe sich in der Stadt bei einer Schule als Lehrer bewerben wollen (AS 11), schildert in der niederschriftlichen Einvernahme schließlich an, er habe mit seiner Frau einkaufen wollen (AS 6) und begründet die Fahrt nach Ghazni in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schließlich damit, dass er eine Prüfung dort habe machen wollen (OZ 10, S. 4).

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). § 19 Abs. 1 AsylG verwehrt es der Behörde bzw. dem Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht generell, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen. Dies bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (VwGH 23.06.2020, Ra 2020/20/0188). Gegenständlich wurden im Zuge der Erstbefragung ungewöhnlich umfassende und detaillierte Angaben zum Fluchtvorbringen aufgenommen und vermag der Beschwerdeführer die Abweichungen nicht plausibel zu erklären. So gibt er im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme hinsichtlich der Abweichungen zur Erstbefragung lediglich an, er sei psychisch nicht in der Lage gewesen, Fragen zu beantworten. Er sei müde gewesen und habe nicht gewusst, was er sage (AS 43). Dies erscheint insbesondere aufgrund der umfassenden Angaben, die der Beschwerdeführer zu den Fluchtgründen gemacht hat, als unplausibel. Weiter begründet der Beschwerdeführer widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, warum er seine Frau in Händen der Taliban zurückgelassen hat und allein geflüchtet ist. Hierzu gibt er in der Erstbefragung an, er sei allein geflohen, weil die Zeit knapp gewesen sei. Die Taliban seien beim Gebet gewesen (AS 11). In der niederschriftlichen Einvernahme dagegen schildert der Beschwerdeführer, er habe flüchten können, weil in dieser Nacht keine Aufpasser draußen gewesen seien (AS 41) und begründet, dass er seine Frau zurückgelassen habe, damit, dass die Taliban einer Frau nichts antun würden und sie als Frau nicht so schnell gehen könne (AS 40). Auch diese Beweggründe und Umstände legt der Beschwerdeführer damit abweichend dar.

Insgesamt ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers kein konsistentes, im Kern gleichbleibendes Fluchtvorbringen und beurteilt das Bundesverwaltungsgericht dieses, auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Beschwerdeführer die Vorkommnisse während des behaupteten mindestens einwöchigen Aufenthaltes bei den Taliban lediglich sehr oberflächlich und vage schildert, als nicht plausibel.

Nachdem der Beschwerdeführer die behaupteten ausreiseauslösenden Vorfälle nicht glaubhaft machen konnte, waren auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe durch die Taliban oder durch andere Personen drohen, weil ihm die Konversion zum Christentum oder dessen Verbreitung vorgeworfen würden. Gleiches gilt im Übrigen für die Behauptung des Beschwerdeführers, Frau und Mutter hätten das Heimatdorf verlassen, weil sie diskriminiert und belästigt worden wären. Dass diese dennoch in die Stadt umgezogen sind, erscheint unter Berücksichtigung der jüngsten Angriffe der Taliban auf die Hazara-Gebiete in Ghazni sowie die allgemein unsichere Lage in Ghazni (Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.10. Ghazni) allerdings als plausibel, auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem Zusammenhang mit dem nicht glaubhaften Fluchtvorbringen ausgeht.

Hinsichtlich der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers zählt dem Länderinformationsblatt zufolge die schiitische Religionszugehörigkeit wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.3. Hazara). Bedingt durch die nach der Berichtslage untrennbare Verbundenheit von Ethnie und Religionszugehörigkeit kann den UNHCR-Richtlinien zufolge oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69-70). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.

Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 15. Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.1. Schiiten sowie Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.3. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Unterabschnitt Schiiten [S 69 f.] und Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch und verbreitet zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen einzelnen Übergriffen ist jedoch nicht ersichtlich und wurde auch nicht konkret und substantiiert dargetan. So gibt der Beschwerdeführer lediglich an, Hazara würden von den Taliban verfolgt, das wüsste jeder. Ihnen gehe es in Afghanistan nicht gut (AS 44). Entsprechend wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe drohen, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört oder sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.

Dass er einen Gebetskreis besucht, hat der Beschwerdeführer erstmals in seiner Beschwerde angegeben (AS 173) und hierzu eine Bestätigung vorgelegt. Am 21.08.2019 brachte der Beschwerdeführer außerdem erneut eine Bestätigung über seine Teilnahme am Gebetskreis in Vorlage (OZ 11). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.08.2019 legte der Beschwerdeführer zu einer allfällig im Raum stehenden Konversion zum Christentum befragt dar, er besuche regelmäßig die Kirche und könne dadurch Kontakte zu anderen Leuten pflegen. Er bete in der Kirche und werde meist auch über ein religiöses Thema gesprochen. Er habe sich jedoch nicht zu 100 % entschieden, Christ zu werden (OZ 10, S. 3). Damit behauptet der Beschwerdeführer nicht, einen Entschluss zur Konversion gefasst zu haben, sondern legt lediglich ein gewisses Interesse am Christentum dar. Zudem hat der Beschwerdeführer, trotzdem er seither wiederholt Dokumente in Vorlage gebracht hat, kein weiteres Vorbringen im Hinblick auf eine Konversion erstattet und auch keine weiteren diesbezüglichen Nachweise (etwa Taufschein etc.) in Vorlage gebracht. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher im Hinblick auf die religiöse Zugehörigkeit des Beschwerdeführers von der Aktualität des am 05.08.2019 verhandelten Sachverhaltes aus und hat entsprechende Feststellungen – auch unter 1.1. hinsichtlich der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers – getroffen.

2.3.    Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance: und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Ghazni beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.10. Ghazni. Diese Informationen decken sich auch mit der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indisriminate violance, Abschnitt Ghazni, S. 96. EASO stuft Ghazni im Hinblick auf das „real risk of serious ham under Article 15(c) QD nunmehr – im Gegensatz zur EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2018 (Kapitel III. subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe b. Indisriminate violance, Abschnitt Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, Unterabschnitt Ghazni, S. 81) – in der zweithöchsten und nicht mehr in der dritthöchsten Kategorie ein. Qarabagh weist der EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 als umkämpft aus. Die Präsenz der Taliban an den Straßen Ghaznis geht ebenso aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 hervor (Kapitel 1.6 Mobility, S. 64).

Aus den eben dargestellten Berichten hinsichtlich der Sicherheitslage entlang der Straßen, über die der Beschwerdeführer sein Herkunftsdorf allenfalls erreichen könnte, wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsdorf nicht auf sicherem Weg erreichen kann und ihm die Gefahr droht, auf dem Weg dorthin auf der Straße im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt zu werden bzw. zu Tode zu kommen. Die Feststellung zu den zu erwartenden Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in das Herkunftsdorf beruhen ebenso auf den eben zitierten Berichten zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz. Auch die EASO Country Guidance geht im Hinblick auf die Herkunftsprovinz als Ganzes bereits von einem hohen Gewaltniveau aus (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indisriminate violance, Abschnitt Ghazni, S. 97).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen auf den übereinstimmenden Informationen des Länderinformationsblattes, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul, und der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Kabul, S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: Kabul City, S. 102.

Die Feststellung zum internationalen Flughafen in Kabul beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan. Die EASO Country Guidance berichten, dass für den Flughafen von Kabul, fünf km vom Stadtzentrum entfernt im Stadtgebiet gelegen, zwar Zwischenfälle bekannt sind, die Erreichbarkeit sei jedoch über den Flughafen im Allgemeinen sicher gegeben (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130).

Zur Feststellung, dass es im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul nicht wahrscheinlich ist, dass er im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird, ist auszuführen, die UNHCR-Richtlinien zwar hinsichtlich der Provinz Kabul berichten, dass diese wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer, die hauptsächlich auf willkürlich Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen seien, verzeichnet habe (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedelungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative S. 127-128). Auch der EASO Country Guidance zufolge ist Kabul zwar von Gewalt betroffen. Ziel sind jedoch insbesondere die zivile Administration der Regierung, religiöse Kultstätten, Bildungseinrichtungen, im Zusammenhang mit Wahlen stehende Einrichtungen, etc. (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Kabul, S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: Kabul City, S. 102), wie auch aus den UNHCR-Richtlinien hervorgeht. Die konkrete Gefährdung hängt nach der Einschätzung von EASO stark von individuellen Faktoren ab. In der Person des Beschwerdeführers sind jedoch keine individuellen Elemente ersichtlich, die ein erhöhtes Risiko erwarten lassen (z.B. z.B. Behinderung, Erkrankung, Betroffenheit von Strafverfolgung oder Verhaftung, extreme Armut, Vgl. EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, S. 26-30). Zudem verfügt der Beschwerdeführer über soziale Anknüpfungspunkte in Kabul (Bruder und Schwester), die ihm allenfalls erforderliche Kenntnisse vermitteln können.

Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Abschnitt Länderspezifische Anmerkungen COVID-19.

Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig und spricht mit Dari eine im Herkunftsstaat verbreitete Sprache. Zudem verfügt er über einen im Herkunftsstaat erworbenen Schulabschluss und hat zwei Jahre an der Universität studiert. Damit verfügt der Beschwerdeführer über eine für afghanische Verhältnisse sehr gute Ausbildung. Auch ist der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aufgewachsen und daher zweifellos mit Sitten und Gebräuchen des Herkunftsstaates vertraut. Weiter verfügt der Beschwerdeführer über im Herkunftsstaat erworbene Berufserfahrung als Landwirt und Lehrer und konnte zudem auch im Bundesgebiet weitere Berufserfahrung als Saisonarbeiter einer Baumschule erwerben. Als Angehöriger der schiitischen Glaubensrichtung und der Volksgruppe der Hazara gehört der Beschwerdeführer zwar zu einer Minderheit, hinsichtlich Kabul wird jedoch berichtet, die Stadt sei ethnisch divers und Kenntnisse von Dari oder Paschtu würden ausreichen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, S. 135-136). Auch aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass Hazara in den Städten stark vertreten sind (Kapitel 17. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 17.3. Hazara). Hinweise darauf, dass Hazara in Kabul spezifisch gefährdet wären, sind den Berichten allerdings nicht zu entnehmen (siehe etwa Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul).

Weiter ist die Gesundheitsversorgung in Kabul den vorliegenden Informationen zufolge grundsätzlich gewährleistet. So ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt ist. Für Kabul wird von einigen Krankenhäusern berichtet (Kapitel 21. Medizinische Versorgung). Zwar ist im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie wohl mit einer erheblichen Zusatzbelastung der bereits zuvor mangelhaften medizinischen Versorgung in Afghanistan zu rechnen. Nachdem aber der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt – gesund ist, ist für ihn eine spezifische medizinische Problemstellung im Fall der Rückkehr nicht zu erwarten. Zur COVID-19 Pandemie ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer mit Anfang 30 und ohne Vorerkrankungen nicht zur Risikogruppe gehört und folglich in seinem Fall ein schwerer Krankheitsverlauf mit Behandlungsbedarf im Krankenhaus im Fall einer Ansteckung im Herkunftsstaat nicht wahrscheinlich ist. Entsprechend wurde festgestellt, dass seine medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Der Beschwerdeführer verfügt zudem mit Bruder und Schwester in Kabul über familiäre Anknüpfungspunkte vor Ort und damit über ein soziales Netzwerk, das dem Länderinformationsblatt zufolge für das Überleben in Afghanistan wichtig und für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan besonders ausschlaggebend ist. Insbesondere stelle ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 22. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk per se als essentiell für die Ansiedelung ein (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136). Aktuell ist das wirtschaftliche Leben in Kabul zwar bedingt durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt, insbesondere Tagelöhner sind hiervon betroffen. Der Beschwerdeführer kann aber an den bestehenden Haushalten seiner Geschwister anknüpfen und auf deren Unterstützung zurückgreifen. Damit wäre er im Fall der Rückkehr nicht von Obdachlosigkeit bedroht und könnte – angesichts des vorübergehenden Charakters der Maßnahmen – von seinen Angehörigen mitversorgt werden, bis ihm Arbeits- und Unterkunftssuche wieder möglich ist. Zusätzlich könnte der Beschwerdeführer – wenngleich temporär und kurzfristig – auf Rückkehrunterstützung zurückgreifen (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr). In einer Zusammenschau der zu erwartenden individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers in Kabul ist daher im Hinblick auf Unterkunft, grundlegende Versorgung und Lebensgrundlage (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedelungsalternative in Kabul, Buchstabe b) Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative, S. 128-129) davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten wird ansiedeln und eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Entsprechende Feststellungen wurden getroffen.

Die Feststellung zur Rückkehrhilfe beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

3.1.1.  Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen unterstellter Apostasie

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Asylrelevanz gegeben sein kann, wenn die Ursache der Verfolgung auf der dem Verfolgten (bloß) unterstellten Ablehnung der religiösen Überzeugung der Verfolger beruht. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber tatsächlich konvertiert oder auf sonstige Weise vom Islam abgefallen ist, sondern darauf, ob dem Asylwerber ein Wandel seiner religiösen Überzeugung unterstellt wird und ob ihm aufgrund dieser Unterstellung Verfolgung droht (VwGH vom 24.02.2015, Ra 2014/18/0086).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, in der Vergangenheit von den Taliban entführt worden zu sein, sowie, dass ihm diese Konversion zum Christentum sowie dessen Verbreitung vorgeworfen hätten. Auch für den Fall der Rückkehr konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer von Seiten der Taliban oder anderer Personen die Konversion zum Christentum oder dessen Verbreitung vorgeworfen würden und er deshalb von Übergriffen bedroht wäre. Folglich konnte der Beschwerdeführer für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht glaubhaft machen.

3.1.2.  Zum Nichtvorliegen einer Verfolgungsgefahr wegen der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400 mwN).

Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara glaubhaft machen.

Der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara – unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit – nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).

Da eine Gruppenverfolgung – in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit – von Hazara und Schiiten in Afghanistan wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich hieraus eine asylrelevante Verfolgung nicht ableiten.

3.1.3.  Zum „Interesse am Christentum“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum zwar nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits – durch die Taufe – erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist aber, ob der Fremde bei der weiteren Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität der Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Die bloße Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum allerdings nicht aus (VwGH 25.03.2020, Ra 2020/14/0130).

Zwar besucht der Beschwerdeführer einen Gebetskreis und konnte ein „Interesse am Christentum“ glaubhaft machen. Dass er den Entschluss gefasst hätte zu konvertieren, hat er jedoch nicht behauptet. Daher konnte er eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht glaubhaft machen und war insbesondere eine Auseinandersetzung mit den allfälligen Folgen einer tatsächlichen Konversion im Fall der Rückkehr nicht erforderlich.

Die Beschwerde war daher im Ergebnis spruchgemäß hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).

3.2.1.  Zu einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt droht dem Beschwerdeführer bereits auf dem Weg in den Herkunftsdistrikt die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt zu werden bzw. zu Tode zu kommen. Zudem wurde auch für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, dass die Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt wird bzw. zu Tode zu kommt.

Demnach droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur.

3.2.2.  Zur Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem kl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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