Entscheidungsdatum
03.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2221273-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Bangladesch alias staatenlos, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2019, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 16.11.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an, er habe sich vor drei bis vier Jahren entschlossen, Bangladesch zu verlassen.
Da er Bihari sei habe man in Bangladesch keine Rechte Er sei immer geschlagen worden. Es sei sehr schwierig gewesen, Arbeit zu haben. Seine Eltern seien vor ca 10 bis dreizehn Jahren getötet worden. Es würden alle sagen, dass sie Pakistani seien und die derzeitige Regierung sei gegen die Biharis. Es gäbe keine Sicherheit oder Garantie für das Leben.
Darüber hinaus gehende Fluchtgründe habe er nicht.
Er selbst zähle sich zur Volksgruppe der Bihari, sei dem Islam zugehörig und habe eine Schulausbildung bis zur 5. bzw. 6. Klasse. Sein letzter ausgeübter Beruf sei im Restaurant gewesen bzw wäre er Straßenreiniger.
I.2. Am 21.03.2019 erfolgte die Einvernahme des BF durch das BFA.
Eingangs erwähnte der BF, dass er an Gicht und Rheuma leide.
Er habe keine Angehörigen, zumindest nicht in Bangladesch; seine Eltern wurden umgebracht, Verwandte väterlicherseits würden in Pakistan leben, aber er habe keinen Kontakt zu ihnen.
Seine Eltern waren Pakistani, der BF sei jedoch in Bangladesch geboren. Er sei Bihari und würde in Bangladesch nur geschlagen; wenn er als Tagelöhner arbeite, würde man ihm das Geld am Abend rauben. Es gäbe für Bihari keine Möglichkeit, in Bangladesch zu leben, deshalb habe er sich entschieden, Bangladesch zu verlassen.
Dies seien seine Fluchtgründe; schriftliche Beweise habe er keine.
Nachgefragt bestätigte der BF, dass er keine Dokumente besitze, weil er staatenlos sei und sei dies das Problem.
Es habe körperliche Übergriffe gegeben, ca. eineinhalb Jahre, bevor er Bangladesch verlassen habe. Er sei angegriffen worden, wisse jedoch nicht, von wem. Er habe sich Medikamente geholt, weil er als Bihari nicht in ein Spital käme. Er habe während der letzten fünf Jahre vor seiner Ausreise kleiner Vorfälle, wie Beschimpfungen und Ohrfeigen, erleben müssen. Selbst als er in Dhaka gewesen sei, hätten dies die Leute erfahren, dass er Bihari sei. Es sei ihm auch nicht möglich, sich als Bihari an die Behörden zu wenden, um Hilfe zu erfahren.
Zu dem Vorhalt, dass der oberste Gerichtshof mit Urteil im Jahr 2008 festgestellt habe, dass in Bangladesch geborene Bihari bangladeschische Angehörige seien, sie Anspruch auf Ausstellung von Identitätspapieren haben und ihnen das Wahlrecht zustehe, somit Staatsbürger von Bangladesch seien, meinte der BF, dass er das nicht wisse.
Er sei. als seine Eltern umgebracht wurden, ein Straßenkind gewesen. Er habe erfahren, dass in den Bihari-Lagern es Auseinandersetzungen gegeben habe. Deshalb sei er in kein Bihari-Lager gegangen.
Er sei im Februar 2018 illegal aus Bangladesch ausgereist. Sein Zielland sei Österreich gewesen. Er habe seine gesamten Ersparnisse an die Schlepper gegeben. In Österreich kenne er niemanden und habe auch keine Angehörige. Er habe auch keine Freunde in Österreich und sei in keinen Vereinen aktiv, besuche jedoch ein Fitnessstudio. Er besuche Deutschkurse auf dem Niveau A1.
Er sei in keiner Schule gewesen, habe aber 2 bis drei Klassen auf der Straße gelernt.
Er sei Tagelöhner gewesen, Straßenarbeiter und habe in Restaurants gearbeitet.
Weitere Fluchtgründe habe der BF nicht.
I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.06.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der geschilderten Situation der BF keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht habe. Dies insbesondere deswegen, weil das einzige Vorbringen, nämlich die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bihari und der sich daraus angeblich ergebenden Staatenlosigkeit, kein asylrelevantes Vorbringen sei.
Dem Vorbringen der Staatenlosigkeit sei entgegenzuhalten, dass in Bangladesch geborene Bihari als Angehörige von Bangladesch gelten. Eine Staatenlosigkeit liege somit nicht vor.
Auch die behauptete Gefahr einer Inhaftierung allein wegen der Zugehörigkeit zu den Biharis fänden keine Deckung in den Länderberichten und hat der BF auch keine konkrete persönliche Bedrohung durch den Staat oder deren Autoritäten dargelegt. Es seien keine Verfolgungshandlungen gegen der BF gesetzt worden.
Dass der BF im Fall einer Abschiebung in eine ausweglose Lage geraten würde, sei nicht feststellbar, weil der BF den größten Teil sein gesamtes bisheriges Leben in Bangladesch verbrachte, dort arbeitete und sein Leben erhalten konnte. Es sei ihm zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung auch künftig in Bangladesch den Lebensunterhalt zu sichern.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.4. Mit Schriftsatz vom 02.07.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des – von der XXXX vertretenen – BF zur Gänze angefochten.
Nach kursorischer Darstellung des Lebenslaufes, welcher im Wesentlichen dem Ergebnis der Einvernahme durch das BFA entspricht, vermeinte der BF, dass er rechtswidriger Weise nicht befragt worden sei, weshalb er 18 Monate benötigt habe, um seine Flucht vorzubereiten und wieso er keine Unterstützung bei den Behörden erfahren habe. Es habe die Behörde auch die Länderfeststellungen zu wenig beachtet. Der BF habe in Bangladesch keine Verwandten, damit auch kein soziales Auffangnetz. Unter Hinweis auf die Länderfeststellungen sei der BF nicht vor Übergriffen geschützt, insbesondere, weil sie keinen Zugang zu Ausweisen erlangen würden. Der Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus 2008, demzufolge in Bangladesch geborene Bihari Staatsangehörige von Bangladesch seien und ihnen auch alle Rechte zukämen, würde in der Realität nicht umgesetzt sein. Es sei klar erkennbar, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Bihari asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.
I.5. Am 11.07.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.6. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem BVwG wurde dem BF das neueste Länderinformationsblatt (Stand April 2020) übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme, spätestens im Rahmen der mündlichen Verhandlung, eingeräumt.
I.7. Am 01.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.
Der BF gab, zusammengefasst, an er Rheuma habe, eine nach seinem Wissen „unheilbare Krankheit“. Er habe diese Krankheit seit fünf, sechs Jahren und nehme regelmäßig diverse Medikamente. Ansonsten sei er körperlich fit und gehe regelmäßig in ein Fitnessstudio, etwa drei, viermal pro Woche. Wenn es zu viel schmerze, müsse er sich erholen. Er plane „dass ich Bodybuilding mache und Geld dadurch einnehme“. Nachgefragt gab der BF zu Protokoll, dass er mit Bodybuilding genug Geld machen könne, um sich selbst zu erhalten. Das Erscheinen des BF in einem sportlichen Unterleiberl vor Gericht unterstrich diese Absicht.
Derzeit lebe er von der Grundversorgung.
Er habe jedoch schon als „Dolmetsch“ für eine Ärztin (ehrenamtlich) sowie für die Landespolizeidirektion XXXX gearbeitet (Abrechnungsbescheid der LP XXXX vom 20.08.2019 über €°102,30); der BF legte dafür in der Verhandlung Bestätigungen vor.
Der BF befindet sich seit November 2018 im Bundesgebiet. Seine Deutschkenntnisse, über deren Umfang sich der VR im Rahmen der Verhandlung ein Bild machen konnte, waren, gemessen am relativ kurzen Aufenthalt in Österreich, überraschend gut, der Sprachwortschatz vielfältig, die Antworten zumeist in vollen Sätzen. Der BF führte seine Sprachkenntnisse darauf zurück, dass er sechs bis sieben Stunden pro Tag Filme, Dokumentationen und Diskussionen im Fernsehen schaue.
Er hätte viele Freunde, auch Österreicher, die Bestätigungen darüber geschrieben hätten, welche er vorlegte. Er würde mit diesen viel unternehmen und sich jeden Tag auf Deutsch mit ihnen unterhalten.
Familienangehörige habe er keine, auch nicht in Bangladesch. Er sei ein Bihari, ein Onkel, den er aber nicht kenne, wohne in Pakistan. Kinder habe er keine, auch keine Beziehung in Österreich.
In Bangladesch sei er zwei Jahre „in die Straßen-Schule“ der Bihari gegangen. Er habe viel gearbeitet, zumeist als Kellner, und habe dabei relativ gut verdient, auch wenn er oft geschlagen worden sei. Manchmal habe er auch bei der Straßenreinigung gearbeitet. Als Bihari habe man in Bangladesch keine Rechte, man könne nicht ins Spital gehen und bekäme auch keine Ausweise. Man habe als Bihari keine Garantie und keine Sicherheit.
Er sei bei keiner politischen Partei gewesen, er sei Muslim, aber kein strenggläubiger.
Er habe in XXXX , in XXXX in XXXX und in XXXX gelebt. Nachgefragt gab der BF an, dass er sonst nirgends in Bangladesch gewesen sei.
Bemerkenswert war, dass der BF, in der Aufzählung der Städte, in denen er gelebt habe, nach Dhaka gleich an zweiter Stelle die Stadt „ XXXX “ spontan nannte, um sich sogleich zu korrigieren. Nachgefragt, ob er sich sicher sei, dass er nicht auch schon in Deutschland gewesen sei, meinte der BF, dies nicht gewesen zu sein, er habe „ XXXX “ gemeint und „ XXXX “ gesagt. In XXXX habe er in Restaurants gearbeitet.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er vier-, fünfmal angegriffen worden sei. Das erste Mal sei es nach der Arbeit gewesen, als er auf die Straße ging und jemand Geld von ihm verlangte, weil er sonst geschlagen werde. Das letzte Mal seien es drei bis vier Personen gewesen, einer habe ihn mit einem Messer am Bauch verletzt. Er habe sich gewehrt, indem er sagte: „hör auf, hör auf, nimm mit was ich habe, aber lass mich bloß“. Es sei ihm niemand zu Hilfe gekommen, eine Anzeige habe er nicht gemacht, weil die Bihari keine Rechte haben.
Dies sei der Zeitpunkt gewesen, als er sich entschloss, Bangladesch zu verlassen. Er habe gehört, dass man in Österreich Schutz gäbe und dass es ein menschenrechtliches Land sei. Nachgefragt gab der BF an, dass er zuerst Italien im Visier hatte, aber dort gäbe es Rassismus. Er habe dann von Österreich gehört. Nachgefragt, ob er auch von XXXX gehört habe, meinte der BF, gehört ja, aber wenig. Er hätte „kein dings dafür, keine Idee dafür“ gehabt.
Andere Fluchtgründe habe der BF nicht.
Im Zusammenhang mit der Erörterung des Länderinformationsblattes wurde auch die aktuelle Situation in Bangladesch zur Corona-Pandemie besprochen. Der BF führte insgesamt dazu aus, dass man als Bihari in Bangladesch nicht menschenwürdig leben könne, dass er absichtlich in kein Bihari Lager gehen wolle, weil man dort seine Eltern wegen des Geldes getötet habe. Er sei in verschiedenen Orten in XXXX gewesen, aber nirgend dauerhaft.
Die engagierte Vertreterin des BF legte abschließend noch zwei Artikel über das Leben von Bihari in den Lagern in Bangladesch vor und beantragte eine weitere Frist zur Stellungnahme wegen der aktuellen Corona-Pandemie. Der BF führte dazu aus, dass er zu den Opfern nur sein Beileid aussprechen könne. Bangladesch sei ein armes Land, es gäbe keine gute Behandlung. Man habe kein Geld, um zum Arzt zu gehen und sich behandeln zu lassen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Angehöriger der Volksgruppe der Bihari und in Bangladesch geboren und gilt somit als Staatsangehöriger von Bangladesch; er ist der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.
Der BF ist ledig; er behauptet, dass seine Eltern vor zehn bis zwölf Jahren in einem Bihari-Lager umgebracht worden seien und dass er keine Verwandten in Bangladesch habe, sondern ihm unbekannte Verwandte väterlicherseits in Pakistan.
Der BF hat in Bangladesch zwei bis drei Jahre die Schule „auf der Straße“ besucht.
Der BF reiste am 16.11.2018 illegal nach Österreich ein und stellte den gegenständlichen Asylantrag.
Der BF bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Die Deutschkenntnisse des BF sind sehr gut. Der BF hat zweimal (ehrenamtlich bzw für die LPD XXXX ) als „Dolmetsch“ gearbeitet.
Der BF hat viele Freunde, darunter auch Österreicher. Der BF, der mehrmals pro Woche ins Fitnesscenter geht, möchte eine Karriere im Bodybuilding machen. Der BF sitzt sechs- bis sieben Stunden pro Tag vor dem Fernseher.
Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF hat Gicht und Rheuma.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF macht seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bihari als Grund für seine Flucht geltend.
Eine konkrete Verfolgung des BF als Bihari ist nicht im Verfahren hervorgekommen, die von ihm geschilderten Vorfälle sind eher als räuberische Aktivitäten (Entwendung von Geld unter Gewaltanwendung/-drohung) zu beurteilen.
Der BF ist in seinem Herkunftsland keiner konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aus politischen oder religiösen oder aus sonstigen Gründen, insbesondere nicht aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, ausgesetzt gewesen und droht ihm auch keine Verfolgung im Falle einer Rückkehr.
Neben der behaupteten allgemeinen Verfolgungsgefährdung als Bihari brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
1. Politische Lage
Letzte Änderung: 06.04.2020
Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).
Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).
Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).
Quellen:
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? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
? WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 06.04.2020
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
? AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020
? AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (18.9.2019):
Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020
? Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020
? SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,
Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
? SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,
Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
? TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 06.04.2020
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
4. Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 06.04.2020
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit
17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt 5).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgelder für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? EEAS -
European External Action Service (1.1.2019):
Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 6.4.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 24.3.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.20191.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
? UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 5.3.2019
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020
5. Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 06.04.2020
Die bengalische Bevölkerungsgruppe macht mindestens 98 % der Gesamtbevölkerung aus, 1,1 % sind andere ethnische Gruppen. Die Regierung von Bangladesch erkennt 27 ethnische Gruppen an (CIA 13.3.2020). Artikel 28 der Verfassung schützt Bürger vor jeglicher Art der Diskriminierung durch den Staat aufgrund von Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort (MoLJP 2010 § 28). Eine rassisch-ethnisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht. Es bestehen keine gezielten und systematischen staatlichen Repressionen aufgrund von Rasse oder Nationalität (AA 27.7.2019).
Religiöse und ethnische Minderheiten überschneiden sich häufig und leben weitgehend regional konzentriert in den Chittagong Hill Tracts und im Nordosten (ÖB 8.2019) (Siehe auch Abschnitte 15 und 16.1).
In Bangladesch halten sich bis zu einer Million Flüchtlinge aus Myanmar, Mitglieder der Volksgruppe der Rohingya, auf (HRW 14.1.2020, siehe auch Abschnitt 19.).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch,