Entscheidungsdatum
03.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 1436015-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch (in weiterer Folge „Bangladesch“ genannt), stellte nach illegaler Einreise am 21.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am Tag der Antragstellung wurde der BF von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Organisationssekretär der Chatra Dal (im Folgenden: CD) des Gemeindeverbandes XXXX sei. Am 26.03.2006 sei er angezeigt worden. Der BF habe Streitigkeiten mit Mitgliedern der Chatra League (im Folgenden: CL) gehabt. Deshalb sei er von Mitgliedern der CL fälschlicherweise wegen Grundstücksstreitigkeiten angezeigt worden. Der BF korrigiert sich insofern, als die Anzeige am 02.04.2006 erstattet worden sei. Die Streitigkeiten mit der CL seien am 26.03.2006 gewesen. Aufgrund dieser Anzeige sei ein Haftbefehl vom Gericht XXXX gegen den BF erlassen worden. Deshalb habe er Bangladesch verlassen. Das seien alle Fluchtgründe, sonst gebe es keine weiteren.
I.2. Am 04.06.2013 wurde der BF vor dem Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Seine bisherigen Angaben im Zuge der Erstbefragung würden der Wahrheit entsprechen. Der BF habe noch nie einen Reisepass besessen, er habe sich jedoch im Jahr 2010 in Dhaka einen Personalausweis ausstellen lassen. Der BF legte zahlreichen Unterlagen in Bezug auf die Anzeige gegen ihn vor. Der BF habe niemals strafbare Handlungen begangen, sei niemals zur Polizei, Gerichten oder der Staatsanwaltschaft gegangen. Der BF sei glaublich von Anfang 2006 bis Mitte 2007 Organisationssekretär der CD des Gemeindeverbandes XXXX gewesen. Der BF sei 2007, er korrigierte sich, am 02.04.2006, angezeigt worden. Der BF habe keine Probleme mit den Behörden oder Gerichten in seiner Heimat gehabt. Die Eltern und der jüngere Bruder des BF würden in Dhaka leben. Nachdem der BF im Jahr 2007 nach Dhaka gezogen sei, habe er neun Monate lang als Quality Controller bei einem Bekleidungshersteller gearbeitet. Zuvor habe er die Schule besucht. Der BF habe keine familiären oder verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich.
Zum Fluchtgrund befragt schilderte der BF, er sei am 26.03.2006 Organisationssekretär des Gemeindeverbandes XXXX gewesen. An diesem Tag sei der Unabhängigkeitstag in Bangladesch gewesen. Aufgrund dieses Gedenktages hätte die CD eine Diskussionsveranstaltung in XXXX veranstaltet. Ca. 300 Meter entfernt habe es eine Gegenveranstaltung der CL gegeben. Der Parteiobmann des BF habe zu ihm gesagt, dass er zum Obmann der CL gehen und ihm sagen solle, er solle nicht publik machen, dass die Unabhängigkeit von Bangladesch von XXXX proklamiert worden sei, weil diese von ihrem Parteigründer proklamiert worden sei. Wenn der Obmann der CL dies trotzdem machen würde, würde es zu einer Auseinandersetzung kommen. Am 26.03.2006 habe sich der BF mit dem CL-Obmann um 12:00 Uhr Mittag am Bazar getroffen und ihm diese Botschaft übermittelt. Dabei sei es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen dem BF und zwei oder drei seiner Leute und dem CL-Obmann und dessen zwei oder drei Leuten gekommen. Gegen 22:00 Uhr habe der Obmann des BF diesen angerufen und gesagt, dass der CL-Obmann versucht habe den BF bei der Polizei anzuzeigen, aber die Polizei keine Anzeige erstattet habe, weil es keine Verletzte gegeben habe. Einige Tage später habe ein Freund des BF, der mit dem CL-Obmann befreundet gewesen sei, dem BF erzählt, dass der BF und sein Vater angezeigt worden wären. Der BF habe dies seinem Vater erzählt. Dieser habe wiederum den Cousin des BF zu Gericht geschickt um sich zu erkundigen. Der Cousin habe herausgefunden, dass der BF und dessen Vater wegen Grundstücksstreitigkeiten angezeigt worden wären. Ab diesem Zeitpunkt habe sich der BF nicht mehr zu Hause aufgehalten. Im November 2007 sei dann das Militär an die Macht gekommen. Es habe verschiedene Beschwerden gegen den BF seitens der CL gegeben. Am 14.02.2013 sei der BF zu seinem Elternhaus gegangen. Am nächsten Tag habe der BF von seinem Vater erfahren, dass CL Leute alle Fische aus dem Fischteich der Familie des BF gefischt hätten. Daraufhin sei der BF zum Verantwortlichen gegangen. Es sei zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen. Der Vorsitzende des Polizeiverwaltungsbezirkes und seine Leute hätten den BF auf der Straße angehalten und versucht, den BF mit scharfen Waffen anzugreifen. Ein Kollege des Vaters des BF hätte diesen gerettet. Sie hätten den BF dann überall bewaffnet mit Messern und Schwertern gesucht. Der BF habe seine Heimat verlassen, weil der leitende Obmann der Awami League (im Folgenden: AL) des Polizeiverwaltungsbezirkes öffentlich gesagt habe, dass er den BF töten werde, wenn er ihn finden würde. Im Falle der Rückkehr nach Bangladesch werde der BF getötet.
I.3. Das BAA wies mit Bescheid vom 05.06.2013, XXXX , den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt II.) und den BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt III.).
I.4. In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit hg. Beschluss vom 10.06.2015, XXXX behoben und die Angelegenheit gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass derart gravierende Ermittlungslücken vorlägen, dass das Prozedere des BAA gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflichten verstieße.
I.5. Am 02.08.2016 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) neuerlich niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, er habe in Bangladesch strafbare Handlungen begangen. Er sei am 02.04.2006 das erste Mal angezeigt worden. Er sei nur einmal zu Gericht gegangen. Zu weiteren Gerichtsterminen sei er nicht mehr gegangen und deshalb gebe es jetzt einen Haftbefehl. Der BF würde bestimmt verhaftet werden. Er habe Angst gehabt. Er habe auch gehört, wenn er zu Gericht ginge, würden sie ihn festnehmen. Deswegen sei er nicht mehr hingegangen. Er sei angezeigt worden.
Dem BF sei vorgeworfen worden, bewaffnet in einem Reisfeld gewesen zu sein. Das sei angezeigt worden, der BF sei aber nicht dort gewesen. Die Polizei sei mit Auto bei der Familie des BF gewesen und hätten den Haftbefehl in der Hand gehabt.
Der BF sei Organisationssekretär bei der CD gewesen. Diese gehöre zur BNP. Wenn er in Bangladesch leben würde, würde er von Leuten der AL umgebracht werden oder von der Polizei verhaftet, damit er ins Gefängnis komme. Gegen ihn gebe es einen Haftbefehl, das sei eine Riesengefahr. Es gebe auch „Cross Fire“ in Bangladesch, die Polizei ließe es so aussehen, als wäre man im „Cross Fire“ gestorben, so würden sie den BF einfach umbringen. Laut seinem Anwalt dürfe der BF nicht zurück nach Bangladesch.
Wenn ihn die Polizei erwische, komme er ins Gefängnis, wenn ihn die AL erwische, brächten sie ihn um.
I.6. Am 15.06.2018 wurde der BF vor dem BFA neuerlich niederschriftlich einvernommen.
Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, die Polizei suche zuhause oft seine Familie heim und frage nach dem BF. Seine Mutter werde von der Polizei behelligt. Sie würden ihr ständig Fragen zum BF stellen, zB. wo der BF sei. Aufgrund dieser Lage sei es schwer, dort zu leben. Da die Polizei nach dem BF suche, sei es unmöglich, dorthin zurückzukehren. Sobald der BF zurückkehre, würde er verhaftet. Einmal habe ihn auch das Militär gesucht.
2006 seien Anzeigen gegen den BF erstattet worden. Dem BF wurde vorgehalten, dass die Anzeigen im Jahr 2006 erstattet worden seien, der BF aber erst im Jahr 2013 geflüchtet sei. Dazu führte der BF aus, er habe lange nicht zuhause gelebt, sondern XXXX . Dort habe er auch gearbeitet. Er habe deshalb nicht zuhause gelebt, weil die Polizei nach ihm gesucht habe. Als der BF einmal nachhause zurückgekehrt sei, habe er ein Problem mit dem Neffen des Chairman namens XXXX gehabt. Er sei das letzte Mal am 14.02.2013 zuhause gewesen. Sein Vater hätte ein Problem mit dem Chairman der Umgebung XXXX gehabt. Sie seien bewaffnet gekommen und hätten den BF gestoßen, daraufhin sei er auf den Boden gefallen, da habe sein Vater gesagt, der BF solle das Land verlassen, weil er nicht mehr sicher dort sei.
Befragt, ob der BF in der Zeit von 2006 bis 2013 in XXXX Probleme gehabt habe, führte der BF aus, als er in XXXX gelebt habe, habe ihm sein Vater gesagt, dass er Vorsichtig leben solle, weil die Leute von XXXX nach ihm suchen würden. Außerdem suche die Polizei nach dem BF aufgrund der Anzeige. Wenn ihn die Polizei inhaftiert hätte, glaube er, dass sie ihn getötet hätte, der BF habe kein Vertrauen in die Polizei. Die Frage wurde wiederholt, woraufhin der BF angab: „Ich habe damals gearbeitet. Als ich in einer Nähfabrik gearbeitet habe, gab es einen Bekannten meines Feindes.“ Der BF wurde aufgefordert, konkrete Angaben zu machen, woraufhin er angab, sein Vater habe ihm gesagt, er solle das Land verlassen.
Im Weiteren wurden dem BF einige Vorhalte gemacht (sprachliche Unzulänglichkeiten im Original): „Vorhalt. Wie konnte Ihr Vater, obwohl er auch Probleme mit dem Chairman hatte, bis zu seinem Tod im Jahr 2015 dort leben, erklären Sie das? VP: Mein Vater musste auch ständig in Angst leben. Mein Vater war ein Freiheitskämpfer, das habe ich aber in den anderen Einvernehmen nicht gesagt. Mein Vater wurde auch belästigt. Es gab eine Anzeige gegen meinen Vater, die Anzeige wurde aber gelöscht, deshalb konnte der dort leben. Es gab Anzeigen gegen mich und diese Bedrohung, deshalb war es nicht möglich für mich in Bangladesch zu leben. Vorhalt. Warum haben Sie das nicht gesagt, dass Ihr Vater Freiheitskämpfer war, erklären Sie das? VP: Es wurde nach meinem Vater nicht gefragt. Ich wollte deswegen nicht sagen. Ich meine den Krieg von 1971. Vorhalt. Machen Sie konkrete Angaben zu Ihrem Vater, was konkret meinen Sie mit Freiheitskämpfer? VP: Als Bangladesch für seine Unabhängigkeit gekämpft hat war mein Vater ein Freiheitskämpfer. Auff: Was konkret meinen Sie mit Freiheitskämpfer machen Sie konkrete Angaben, war er Soldat, Führungskraft? VP: Er hat für unser Land gekämpft. Ich kann Ihnen Zertifikat vorlegen, dass mein Vater ein Freiheitskämpfer war, das war 1971. Befragt gebe ich an, dass das keine Verbindung zu meinem Fluchtgrund hat.“
Befragt, wie viele Anzeigen es nun gebe, führte der BF aus: „Ich habe eine Anzeigebestätigung vorgelegt. Wie es derzeit ist, weiß ich nicht. Aber wenn Sie in Bangladesch einer Recherche nachgehen, werden Sie mehr Informationen bekommen.“ Die Polizeistation, die auf der Anzeige genannt sei, habe diese Informationen. Recherchen würde der BF befürworten.
Am 26.03.2006 habe es eine Veranstaltung wegen des Freiheitstages von Bangladesch gegeben. Dazu habe es ein Meeting gegeben. Es sei in der Nähe des Hauses der Familie des BF gewesen. Es habe ein Meeting seiner Partei CD gegeben. Ca. 300 m entfernt habe es ein Meeting der Gegenpartei der CL gegeben. Die Meetings hätten am XXXX stattgefunden. Es habe Probleme und Streitereien zwischen den beiden Parteien gegeben wegen der Lautsprecheranlagen. Danach hätten sich die zwei Parteien getroffen und über die Probleme gesprochen, aber es sei eskaliert. Der BF habe aber bereits in den Einvernahmen alles gesagt, es habe sich diesbezüglich auch nichts geändert. Er sei beschuldigt worden, auf dem Feld mit Waffen hingegangen zu sein. Deshalb sei von XXXX die Anzeige erstattet worden. Der BF kenne ihn nicht, wisse aber, dass er von Chairman, XXXX dazu angestiftet worden sei. Der BF sei nicht mit Waffen dort gewesen.
Befragt, warum der BF nicht eine Gerichtsverhandlung abgewartet habe, sondern er geflohen sei, führte der BF aus, er habe zu dieser Zeit große Angst gehabt. Bangladesch sei ein sehr korruptes Land. Wenn man gute Beziehungen zu Beamten und Behörden habe, gebe es keine gerechte Verhandlung. Sein Vater habe Grundstücke verkauft, damit er die Flucht des BF finanzieren könne. Sein Vater sei nicht von Iqbal mit dem Tod bedroht worden. Das größte Problem sei, dass die Polizei in Bangladesch nicht gerecht sei. Sobald sie den BF finden würden, würden sie ihn vernichten.
In Bangladesch vermiete der BF Zimmer. Das Geld bekomme seine Mutter. Die Mieter würden wegen dem BF durch Mitglieder der AL und der CL belästigt. Das bedeute, die Anhänger dieser Gruppen würden zu den Mietern gehen und ihnen sagen, dass sie die Miete nicht zahlen sollten.
Wenn er in Bangladesch wäre, würde er getötet. Mitglieder der AL und der CL würden ihn töten. Sie würden weitere falsche Anzeigen gegen den BF erstatten. Viele politische Gegner würden mit so einer Anzeige getötet. Das würde auch dem BF passieren.
Die Polizei fände den BF in ganz Bangladesch. Er lebe seit 2013 hier in Österreich. Er habe große Angst, dass ihn die Polizei inhaftiere und misshandle. Er wolle nicht zurück nach Bangladesch, dort erwarte ihn der Tod. Er fühle sich in Österreich wohl und gebunden.
I.7. Mit Schreiben vom 29.06.2018 nahm der BF durch XXXX zum Verfahren Stellung. Darin führte er neben einer Wiederholung des behaupteten Sachverhalts und weitwendiger Zitierung von Länderberichten, deren Verfahrensrelevanz aber nicht aufgezeigt wird, soweit wesentlich aus, das Leben des BF sei im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch jedenfalls in Gefahr. Er sei in Österreich an Integration bemüht, er sei in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft integriert. In der Stellungnahme wurden mehrere Anträge gestellt.
I.8. Das BFA lies vom BF vorgelegte bengalisprachige Dokumente übersetzen.
I.9. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.08.2019, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.10. Mit Schriftsatz vom 09.09.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten. Darin führt er – neben Wiederholungen des behaupteten Sachverhalts und weitwendiger Zitierung von Länderfeststellungen ohne erkennbarer Verfahrensrelevanz – soweit wesentlich aus, infolge Verletzung der Ermittlungspflicht sei der ermittelte Sachverhalt ergänzungsbedürftig. Das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt. Es sei auch nicht ausreichend auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen. Der BF habe glaubhaft eine asylrelevante Verfolgung vorgebracht, er würde wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt. Von staatlichen Stellen könne der BF keine Hilfe erwarten. Auch habe der BF in Bezug auf die Anzeigen kein faires Verfahren zu erwarten.
Das BFA habe eine mangelhafte Beweiswürdigung durchgeführt. Daher habe es seine Begründungspflicht verletzt. Daher sei der Inhalt des Bescheides – mit näherer Begründung – rechtswidrig.
Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, Spruchpunkt II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, den Bescheid „hinsichtlich Spruchpunkt III.“ zu beheben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.
I.11. Mit Schreiben vom 16.09.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.12. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 01.07.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.13. Am 01.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.
Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter, manchmal auch zu seinem jüngeren Bruder und seiner jüngeren Schwester; der Vater ist bereits verstorben. Die Mutter lebt von der Pension des Vaters, es gibt Grundstücke und sie haben auch einige Märkte. Es ginge der Familie in Bangladesch finanziell sehr gut.
In Österreich habe der BF keine Verwandten, keine Kinder und auch keine Beziehung.
Im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG musste festgestellt werden, dass mit dem seit 2013 im Bundesgebiet aufhältigen BF eine Konversation in deutscher Sprache nur schwer möglich war, der Sprachwortschatz war begrenzt und die Antworten erfolgten nicht mit vollen Sätzen.
Der BF berichtete, dass er als Zeitungszusteller arbeite (BVwG VS Seite 6). Er würde von ein Uhr bis fünf, sechs Uhr arbeiten und ungefähr 500 bis 600 Euro dafür erhalten.
Knapp vor Schluss der Verhandlung (BVwG VS Seite 11) führte der BF aus, dass es „sehr schwierig [sei] mir den Aufenthalt hier zu finanzieren, ich werde von der Caritas monatlich mit 365 Euro finanziert, mit dem Geld komme ich aber schwer aus. Früher habe ich als Zusteller gearbeitet, derzeit [seit Jänner] bin ich beschäftigungslos“.
Seine Wohnung würde ihm ca 150 Euro monatlich kosten.
Gefragt, ob er Freunde habe, meinte der BF: „Die Bengalen, der Wohnungschef ist ein guter Freund. Und ich kenne viele Bengalen, mit denen ich gut befreundet bin.“. Er sei auch Mitglied in einem Cricketclub und bei der XXXX .
Befragt, was sein Fluchtgrund gewesen sei, meinte er, es habe Verfahren gegen ihn gegeben. Das erste Verfahren stamme vom 26.03.2006. Der BF, der Mitglied bei der CD (=Chattro Dal, einem Zweig der BNP) gewesen sei, sei bei einer Veranstaltung der Partei gewesen; in lediglich 300 Meter Entfernung habe es eine Veranstaltung der gegnerischen CL (=Chattro League, einem Zweig der Awami-League) gegeben. Es sei wegen der verwendeten Lautsprecher zu Handgreiflichkeiten gekommen und deshalb sei ein Verfahren gegen den BF eingeleitet worden.
Der BF berichtete weiters von Grundstücksproblemen; es ging um ein Weizengrundstück. Er würde beschuldigt werden, dass er Bauern eine Waffe gezeigt habe und gesagt haben soll, dass sie dem BF die Ernte geben sollen und er auf diese Weise die Ernte ergattert habe. Diesbezüglich sei ebenfalls ein Verfahren im Jahr 2006 eingeleitet worden. Wie weit das Verfahren stehe oder ob es ein Urteil gäbe wisse der BF nicht.
Gefragt, ob es einen konkreten Grund für die Flucht des BF gab, antwortete dieser:
„Als am 01.11.2007 das Militär kam, wurde ich gesucht. Ich wurde sehr stark belästigt aufgrund der Verfahren. Deshalb ging ich nach XXXX . Also war ich von 2006 bis 2013 in XXXX
In XXXX habe er in einem Geschäft gearbeitet, welches Möbel herstellte; manchmal sei er aber in das ca 150 km entfernte Heimatdorf gegangen, etwa um die Mutter zu besuchen.
In weiterer Folge führte der BF in der Verhandlung vor dem BVwG (VS Seite 8/9) aus: „Am 14.02.2013 ging ich nachts nach Hause um meine Mutter zu besuchen, ich hatte eine Fischzucht. Es gibt einen Herrn namens XXXX , zu diesem Zeitpunkt war er XXXX , der Chairman XXXX . Sie hatten beide ein sehr gutes Verhältnis miteinander. Mein Vater hatte mit Herrn XXXX in kleines Problem. Es war ca. sieben Uhr als mich mein Vater anrief und mir sagte, dass es ein Problem gibt und ich schnell kommen soll. Also ging ich schnell zu meinem Vater und habe ihm geholfen. Meine Mutter und meine Großmutter waren sehr krank. Deshalb ging ich danach mit ihnen, in einer Rikscha, in das Spital. Als ich am Nachmittag nach dem Spitalaufenthalt nach Hause kam, sah ich Herrn Ikbal Hussain bewaffnet, mit einem Säbel auf mich warten, mit einigen anderen Männern. Als ich das gesehen habe, hat mir mein Vater in der Nacht gesagt, dass ich sofort verschwinden soll. Also ging ich sofort nach XXXX . Seitdem habe ich den Entschluss gezogen, ins Ausland zu flüchten.“ – VP: „Ich verstehe es insofern nicht, da hat jemand mit einem Säbel und mit Männern vor dem Haus auf Sie gewartet. Was ist dann passiert?“ - BF: „Sie sind zu mir gekommen um mich zu schlagen. Mein Vater hat die Herrschaften zur Seite gebracht, mich genommen und mich weggebracht. Als ich dann in XXXX war, konnte ich durch die Hilfe eines Freundes meines Vaters ins Ausland flüchten.“ - VP: „Sie haben gerade erzählt, dass Sie vom Spital nach Hause kamen und jemand mit einem Säbel und einigen Männern auf Sie wartete. Jetzt erzählen Sie, dass der Vater Sie aus dem Haus brachte.“ - BF: „Mein Vater war im Basar.“ - VP: „Er war gar nicht zu Hause?“ - BF: „Nein, er war ja im Basar.“ - VP: „Sind Sie nach Hause gekommen, oder waren Sie schon zu Hause?“ - BF: „Ich war auf dem Weg nach Hause. Der Basar und unser Haus ist sehr nahe aneinander, ich war fast zu Hause. Als wir fast schon zu Hause angekommen sind, bekam ich einen Anruf von meinem Vater, er sagte mir, dass Leute bewaffnet auf mich warten. Ich soll sofort flüchten. Ich sagte also dem Rikscha-Fahrer, er soll meine Mutter nach Hause bringen und ich steige gleich aus, weil Leute mich schlagen wollen.“ - VP: „Warum hätte der sie schlagen wollten?“ - BF: „Wie gesagt, es gab ja ein kleines Problem mit meinem Vater wegen der Fischzucht. Ich ging ja auch dorthin, es kam zu leichten Handgreiflichkeiten.“ - VP: „Sie sind dann also 2013 geflüchtet. Warum haben Sie sich nicht mit einer Anzeige bei der Polizei gewehrt?“ – BF: „Mein Vater ging zur Polizei und hat eine Beschwerde eingereicht.“ - VP: „Wie viele Anzeigen gibt es jetzt gegen Sie?“ - BF: „Zwei“.
Diese beiden genannten Anzeigen beziehen sich auf den oben geschilderten Veranstaltungsvorfall sowie auf das Weizengrundstück. Beide Vorfälle datieren aus 2006.
Der BF hat keine darüber hinausgehenden Fluchtgründe (VP: „Wollen Sie mir sonst noch Fluchtgründe nennen?“ – BF: „Nein“.).
Hinsichtlich des aktuellen Länderberichtes, welcher um die Situation der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen ergänzt wurde, meinte der BF, dass die Situation sehr, sehr schlecht, besonders in Bangladesch, sei. Es sei wichtig, die Maßnahmen (Hände waschen und Masken tragen, Aufenthalt zu Hause) einzuhalten.
Gefragt, was er erwarten würde, wenn er nach Bangladesch zurückkehren würde, meinte der BF, dass er jederzeit von den Leuten des Herrn XXXX ertappt und getötet werden könne. Außerdem gäbe es ja das Diary bei der Polizei, weswegen sie einen Grund hätten, den BF einzusperren. Dies sei jederzeit möglich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (AS 21, 49, 197 ff., 276 f.).
Der BF ist im Ort XXXX geboren und aufgewachsen (AS 21, 49, 197) und hat zuletzt in XXXX gewohnt (AS 51, 279). Er hat in seinem Heimatland von 1995 bis 2000 die Grundschule besucht (AS 21) und er hat in einer Nähfabrik gearbeitet (AS 279; andere Aussage vor BVwG: „in einer Möbelwerkstatt“, VS 8).
Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 21, 197 ff., 277). In Bangladesch halten sich aktuell die Mutter, eine Schwester und ein Bruder des BF auf (AS 55, 277). Darüber hinaus hat er noch Onkel und Tanten sowie weiter entfernte Verwandte in Bangladesch (AS 277). Zwischen dem BF und seinen Verwandten (Mutter, Geschwister) besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt (BVwG VS 4).
Der BF ist im Mai 2013 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist in die Grundversorgung einbezogen. Der BF machte für ein Jahr eine Lehre zum Koch, wobei sein Arbeitgeber insolvent wurde und der BF seinen Lehrplatz verlor (AS 271). Er hat eine Schulnachricht einer Berufsschule für das Schuljahr 2013/2014 vorgelegt (AS 285). Eine Einstellungszusage eines Restaurants liegt im Akt (AS 287). Zwischenzeitig arbeitete der BF als Zeitungszusteller und verdiente zwischen 500 bis 600 Euro. Aktuell ist der BF beschäftigungslos und ist wieder in der Grundversorgung.
In Österreich ist der BF Mitglied in einem Cricketclub und der XXXX . Er geht auch ins Fitnessstudio. Er hat bengalische und chinesische Freunde, österreichische Freunde hat der BF nicht. (AS 281 f.; ebenso BVwG VS 6/7).
Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse, eine Verständigung ist schwer möglich; es fehlt vor allem der Sprachwortschatz. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente (AS 275, ebenso BVwG VS 4).
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Nicht festgestellt werden kann eine konkrete politische Verfolgung des BF in Bangladesch. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF Mitglied der CD war und deshalb Probleme mit Mitgliedern der CL hatte. Es kann dementsprechend auch nicht festgestellt werden, dass der BF irgendeine Funktion innerhalb der CD hatte.
Festgestellt wird, dass der BF behauptet, im Jahr 2006 zweimal angezeigt worden zu sein, einmal (im Februar 2006) wegen einer Auseinandersetzung und Handgreiflichkeiten bei einer Veranstaltung, einmal (im März 2006) wegen eines Ernteraubes auf einem Weizenfeld. Der BF wisse jedoch nicht mehr, wie es um diese Anzeigen bestellt sei.
Festgestellt wird, dass der BF von 2006 bis zu seiner „Flucht“ in 2013 in Bangladesch – trotz der behaupteten Anzeigen aus 2006 – lebte, arbeitete und unbehelligt blieb.
Der BF lebte – nach seiner Aussage vor dem BVwG - von 2006 bis 2013 in XXXX ca 150 km entfernt von seinem Heimatdorf. Diesbezüglich widerspricht sich der BF, der meinte, dass am 01.11.2007 das Militär zu ihm nach Hause gekommen sei und ihn stark belästigt habe, weshalb er nach XXXX gegangen sei. Da sich der BF mit dieser Aussage zeitlich widerspricht, wird sie als nicht glaubwürdig festgestellt. Da der BF vor dem BFA angegeben hatte, sich bereits vor dem 01.11.2017 versteckt gehalten zu haben, wird auch diese Aussage als nicht glaubwürdig beurteilt.
Der behauptete Vorfall vom 14.02.2013, der sich im Heimatdorf des BF ereignet haben und eine Bedrohungssituation gegen den BF (und seinen Vater) darlegen soll, bezieht sich auf Streitigkeiten wegen einer Fischzucht. Eine (politische) Asylrelevanz ist nicht erkennbar. Da der Vater des BF sich auch mit einer Anzeige bei der Polizei gegen diese Streitigkeit über eine Fischzucht und der behaupteten Bedrohung gewehrt hat, ist offensichtlich kein politischer Hintergrund gegeben. Dieser Vorfall ist jedoch in einer derart ungenauen, verwirrenden und sich in Details widersprechenden Schilderung vorgetragen worden, die es unglaubhaft macht, dass dieser Vorfall überhaupt passierte.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF eine behördliche Verfolgung droht. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der BF mit bewaffneten Personen Auseinandersetzungen hatte. Im Falle einer Rückkehr kann sich der BF allfälligen Behelligungen durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen entziehen, ohne dass er von einem ihm feindlich gesinnten Akteur gefunden werden würde.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
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Letzte Änderung: 06.04.2020
Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.201811.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Au einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei hatte das Wahlergebnis angefochten und ist nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).
Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).
Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).
Quellen:
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2. AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020
3. ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020
4. BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020
5. bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020
6. bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020
7. BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
8. CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020
9. DS – Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 6.4.2020
10. DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 6.4.2020
11. DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020
12. DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019
13. DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020
14. DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020
15. FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
16. GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020
17. GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020
18. Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020
19. Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020
20. HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
21. ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
22. PA – Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020
23. Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020
24. HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020
25. USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
26. WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020
Sicherheitslage
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Letzte Änderung: 06.04.2020
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).
Quellen:
27. AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020
28. AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
29. ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
30. AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020
31. AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020
32. BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020
33. FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
34. HRW – Human Rights Watch (18.9.2019):
Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020
35. Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020
36. SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,
Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
37. SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,
Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
38. TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020
39. UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020
40. UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020
41. USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
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Letzte Änderung: 06.04.2020
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).