TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/9 W221 2182094-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2020
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Entscheidungsdatum

09.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W221 2182094-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2017, Zl. 1092251903-151617963, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 29.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 25.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers (AS 7-17) statt. Dabei gab er an, aus Teheran in Iran zu stammen und vor circa 2 ½ Jahren mit einem Autobus illegal schlepperunterstützt in die Türkei geflohen zu sein. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus an, über eine 12-jährige Schulausbildung sowie eine 4-jährige Universitätsausbildung zu verfügen und den Beruf als Bauplaner ausgeübt zu haben. Er sei Christ. Die Eltern sowie die zwei Geschwister des Beschwerdeführers befänden sich weiterhin in Teheran, Iran. Er gab zudem an, keine Familienangehörigen in Österreich oder einem sonstigen EU-Staat zu haben. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er vor circa 6 Monaten zum Christentum konvertiert sei. Er habe auch regelmäßig christliche Sitzungen an geheimen Orten besucht. Dies habe die islamische Geheimgarde herausgefunden, weshalb der Beschwerdeführer Angst um sein Leben gehabt habe.

Am 11.03.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als BFA bezeichnet) die Taufbestätigung des Beschwerdeführers ein (AS 37). Gemäß diesem Schreiben sei der Beschwerdeführer Mitglied der Adonai Gemeinde.

Am 20.07.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen (AS 51-57). Der Beschwerdeführer legte hierbei ein Konvolut an Beweismitteln, einschließlich einer Taufurkunde der Adonai Gemeinde, einer Kopie der Niederschrift des Magistrats der Stadt Wien bezüglich des Religionsaustritts des Beschwerdeführers aus dem Islam sowie eines weiteren Bestätigungsschreibens der Adonai Gemeinde hinsichtlich Besuch und Dienst in der einschlägigen Gemeinde, vor. Er erklärte protestantischer Christ zu sein. Er gehe 2-mal die Woche in die Kirche. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer weiterhin Kontakt zu seiner Familie. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Iran eine Hauskirche besucht habe. Mehrere Mitglieder seiner Hauskirche seien bei einem Ausflug von der iranischen Revolutionsmiliz sowie der Polizei festgenommen worden. Er habe sich daraufhin in der Familienvilla im Norden des Landes versteckt. 2 Zivilbeamte hätten den Beschwerdeführer bei ihm zuhause bzw. bei seinen Eltern aufgesucht. Der Islam habe vieles, was für den Beschwerdeführer falsch gewesen sei, beinhaltet. Er sei auf der Suche nach dem richtigen Glauben gewesen. In Österreich lese er die Bibel, bete, gehe zur Kirche und versuche, sofern notwendig, zu missionieren. Das Christentum bedeute für den Beschwerdeführer die Möglichkeit mit Gott ohne Zwang, Gewalt oder Drohungen sprechen zu können.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 29.11.2017, zugestellt am 07.12.2017, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Iran, stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer in Iran eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung zu gewärtigen gehabt habe. Außerdem habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert sei. Im Verfahren hätten sich zudem keine Anhaltspunkte ergeben, welche der konkreten Zumutbarkeit der Rückkehr nach Iran entgegenstünden. Der Beschwerdeführer sei in seinem Herkunftsstaat berufstätig gewesen, habe ein Studium absolviert, sei generell eine erwachsene sowie selbsterhaltungsfähige, gesunde Person und verfüge in Iran über familiäre Anknüpfungspunkte. Zudem sei dieser der Landessprache mächtig. Somit wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Iran keine Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe sowie seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt drohe. Abschließend begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Rückkehrentscheidung.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 04.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden als BVwG bezeichnet) zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vollumfängliche Beschwerde erhoben, welche am 02.01.2018 beim BFA einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer glaubhaft und detailliert vorgebracht habe bereits in Iran konvertiert und aufgrund dessen verfolgt worden zu sein. Es gebe zahlreiche Personen, welche Auskunft über den Glaubenswechsel des Beschwerdeführers und dessen zugrundeliegende Überzeugen geben könnten. Folglich wurde die zeugenschaftliche Einvernahme von 3 Personen beantragt. Der Beschwerdeführer habe alle inhaltlichen Fragen zum Christentum richtig beantwortet und auch sonstige persönliche Fragen, seinen Glaubenswechsel betreffend, auf eine Weise beantwortet, welche auf seine innere Überzeugung schließen lasse. Ebenso sei die Rückkehrentscheidung aufgrund einer mangelhaften Interessenabwägung erlassen worden.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 08.01.2018 beim BVwG eingelangt.

Am 23.10.2018 langte beim BVwG ein Email einer unbekannten Person ein, welches den Beschwerdeführer vor dem Islamischen Zentrum Wien posierend zeigt.

Am 09.06.2020 legte der Beschwerdeführer zwei Urkunden vor und beantragte abermals die Einvernahme eines der drei bereits benannten Zeugen. Bei einer der beiden Urkunden handelte es sich um eine Bescheinigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers am Gemeindeleben der Baptistengemeinde Wien. Dieses Schreiben langte am 16.06.2020 beim BVwG ein.

Am 18.06.2020 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem BVwG in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich befragt wurde. Die drei geladenen Zeugen sind nicht erschienen. Der Beschwerdeführer zog den Beweisantrag hinsichtlich zwei Zeugen zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers, seiner Integration und seiner Rückkehrsituation

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger, iranischer Staatsangehöriger. Er wurde in Teheran, Iran, geboren, wo er des Weiteren auch aufwuchs und Schule sowie Universität besuchte. Der Beschwerdeführer verfügt über einen Schul- sowie Universitätsabschluss. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

Die Eltern des Beschwerdeführers sowie ein Bruder und eine Schwester leben weiterhin in Iran. Der Beschwerdeführer hat nach wie vor Kontakt zu diesen Verwandten. Er gehört der Volksgruppe der Perser an. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Farsi. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer wurde nicht religiös erzogen.

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise in Teheran, Iran, wo er als Schweißer und Installateur arbeitete.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich aktuell keiner erwerbsmäßigen Arbeit nach und lebt von der Grundversorgung. Er spricht Deutsch auf Niveau A1.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer war von Januar 2016 bis Mai 2017 fallweise als geringfügig-beschäftigter Stundenaushelfer beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 48, beschäftigt. Zudem war der Beschwerdeführer vom 29.11.2016 an, im Zeitausmaß von 156 Stunden, ehrenamtlich im Pensionisten-Wohnheim Haus Brigittenau beschäftigt. Im Jahr 2017 hat er bei einem Verein einen Friseurkurs absolviert und schneidet dort nun ehrenamtlich Haare.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr nach Iran keiner existenzbedrohenden bzw. lebensgefährlichen Situation ausgesetzt.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

1.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran

Der Beschwerdeführer wurde weder von staatlichen Behörden noch von Privatpersonen, insbesondere nicht wegen Apostasie oder Konversion zum Christentum, verfolgt.

Der Beschwerdeführer wandte sich in Iran weder dem Christentum zu, noch missionierte er für den christlichen Glauben. Es wird festgestellt, dass dies dem Beschwerdeführer von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.

1.2.2. Zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Aktivitäten

Der Beschwerdeführer reiste im September 2015 illegal nach Österreich ein und stellte am 29.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Der Beschwerdeführer kam erstmals in Österreich mit der Religion des Christentums in Kontakt und beschäftigte sich in weiterer Folge erstmals mit dem christlichen Glauben. Der Beschwerdeführer besuchte von Oktober 2015 bis 2017 regelmäßig die Gottesdienste in der Kirche der Adonai Gemeinde, war in dieser Zeitspanne Mitglied derselben Gemeinde und wurde am 07.11.2015 in derselben Gemeinde getauft. In der Adonai Gemeinde spielte er Schlagzeug im Lobpreisteam, trat aus dieser Gemeinde jedoch im Jahr 2017 aus. Seit 2018 nimmt der Beschwerdeführer am Gemeindeleben der Baptistengemeinde Wien – Beheimgasse teil.

Der Beschwerdeführer trat am 24.04.2017 aus dem Islam aus.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen über das Christentum.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht aus einem inneren Entschluss in Österreich zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist. Es ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Iran weder privat noch öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft dies in Zukunft zu verfolgen. Die vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten christlichen Aktivitäten lösen nicht mit der erforderlich maßgeblichen Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung in Iran aus. Der Beschwerdeführer bekennt sich insbesondere nicht durch bzw. über etwaige Kommunikationskanäle des Internets zum Christentum.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkonten. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Zur Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Mohareb" („Waffenaufnahme gegen Gott"), Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 12.2018). Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt und auch gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.12019). Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen, ist 2018 auf knapp 3% gesunken (2017: 5%, 2016: 5%, 2015: 7%, 2014: 10%). Es wird über erfolgte Hinrichtungen nicht offiziell informiert (AA 12.1.2019).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder 2 Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 12.2018). Nach dieser Änderung sank in Iran die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen (AI 10.4.2019, vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019, HRC 8.2.2019) um circa 50%, von mindestens 507 im Jahr 2017 auf mindestens 253 im Jahr 2018 (AI 10.4.2019). Die Justiz hat die meisten Exekutionen, die wegen Drogenvergehen ausgesprochen worden waren, ausgesetzt, um sie im Einklang mit der Gesetzesänderung zu überprüfen (HRW 17.1.2019). Trotz dieser Rückgänge ist Iran noch immer für mehr als ein Drittel aller weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty International registrierte Umwandlungen von Todesurteilen bzw. Begnadigungen. Trotzdem wurden im Jahr 2018 mindestens 13 Personen in Iran öffentlich hingerichtet und sieben Personen wurden wegen Verbrechen hingerichtet, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten (AI 10.4.2019).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 12.2018). Wie in den Vorjahren erhielt Amnesty International 2018 keine Berichte über gerichtlich angeordnete Hinrichtungen durch Steinigung. Allerdings wurde bekannt, dass in Iran zwei neue Todesurteile gefällt wurden, die durch Steinigung vollstreckt werden sollen (AI 10.4.2019).

Weiterhin finden in Iran Hinrichtungen von Straftätern statt, die zum Zeitpunkt ihrer Tat unter 18 Jahre alt waren. Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 12.2018).

Zur Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahal, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten) . Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott", 23 wegen „Beleidigung des Islam" und 21 wegen „Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Zu Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer- Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

Zu Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb" („Waffenaufnahme gegen Gott"), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" („Verdorbenheit auf Erden"), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen „Missionsarbeit“ verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low- profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Zur Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

Von 2016-2017 konnte sich die iranische Wirtschaft mit Wachstumsraten von 4-4,5% jährlich erholen. Das weitere Wachstum ist angesichts der im August 2018 in Kraft getretenen US- Sanktionen gegen Iran (Edelmetalle, Automobilsektor, Flugzeuge), des dramatischen Währungsverfalls und der importierten Inflation stark gefährdet. Mit den US-Sanktionen u.a. auf Ölexporte seit November 2018 ist mit einer weiteren Verschlechterung der Lage zu rechnen. Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2021 eine anhaltende Rezession, der IWF einen Rückgang des BIP um 1,5% im Jahr 2019 und 3,6% im Jahr 2020. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 12.2018).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 12.2018). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 4.2.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2019b).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan- e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2019b).

Zur Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 12.1.2019).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 12.2018).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 12.1.2019). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 12.1.2019).

Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom „Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium“ betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 12.1.2019).

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Integration und Rückkehrsituation

Die Feststellungen zur Volljährigkeit, zur Herkunftsregion, zur schulischen und universitären Laufbahn und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aufgrund der diesbezüglich konsistenten und wiederholt glaubhaft vorgetragenen Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere in Form von entsprechenden Landeskenntnissen, im Verfahren als auch auf Basis dessen im Zuge des Verfahrens gewonnenen persönlichen Eindrucks sowie der vom Beschwerdeführer einschlägig vorgelegten und somit ins Verfahren eingebrachten Dokumente in Form seiner iranischen Lenkerberechtigung sowie seines iranischen Personalausweises (AS 79-90).

Der Aufenthaltsort der Eltern sowie des Bruders und der Schwester des Beschwerdeführers ergibt sich gleichermaßen wie das aufrechte Kontaktverhalten des Beschwerdeführers hinsichtlich dieser Familienangehörigen aufgrund seiner während des gesamten Verfahrens gleichbleibenden, einschlägigen Aussagen. Ebenso stützen sich die Feststellungen bezüglich seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seines Familienstandes, seiner Erziehung durch seine enge Familie als auch seiner (Mutter-)Sprachkenntnisse auf seine diesbezüglich widerspruchsfreien, nachvollziehbaren Angaben. Diese geben dem BVwG keinen Anlass an deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu zweifeln. Die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers stützen sich darüber hinaus auf den unmittelbaren persönlichen Eindruck, welchen sich das BVwG im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer verschaffen konnte.

Der letzte Aufenthaltsort des Beschwerdeführers in Iran und seine Berufstätigkeiten im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund der einschlägigen, glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen bezüglich der fehlenden Arbeitstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf die einschlägigen Angaben des Beschwerdeführers, hierbei insbesondere jene, welche er im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG tätigte, als auch die Angaben entsprechend des Speicherauszuges aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS). Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers stützt sich maßgeblich auf ein Zertifikat des Vereins Österreichisches Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) (AS 77) sowie die diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers.

Die unzweifelhaften Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner sozialen, respektive familiären Bindungen in Österreich (AS 11 und 52 sowie Seite 4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) stützen die diesbezüglich getroffenen Feststellungen. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer fallweise als geringfügig-beschäftigter Stundenaushelfer beim Magistrat der Stadt Wien beschäftigt war, basiert maßgeblich auf den einschlägigen Dienstnehmerbestätigungen (AS 39 ff.), dem Registrierungsnachweis für gemeinnützige Hilfstätigkeiten (AS 63) sowie der einschlägigen Arbeitsbescheinigung (AS 65). Dass der Beschwerdeführer darüber hinaus einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Pensionisten-Wohnheim Haus Brigittenau nachgegangen ist, ergab sich insbesondere aufgrund des einschlägigen Bestätigungsschreibens der Teamleiterin des Pensionisten-Wohnheims Haus Brigittenau (AS 67).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aufgrund des entsprechenden Strafregisterauszuges.

Die Feststellung bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers basiert auf dessen einschlägigen, unzweifelhaften Angaben.

Das BVwG verkennt nicht, dass es in Iran Spannungen gibt, aber die Sicherheitslage ist, wie sich aus den Länderberichten ergibt, nicht derart, dass der Beschwerdeführer alleine aufgrund seiner Anwesenheit in Iran einem realen Risiko für seine körperliche Unversehrtheit oder für sein Leben ausgesetzt wäre. Auch aus der Person des Beschwerdeführers ergeben sich keine subjektiven Gründe, weshalb der Beschwerdeführer einer existenzbedrohenden bzw. lebensgefährlichen Situation im Herkunftsstaat ausgesetzt sein sollte. An dieser Stelle darf auf die bereits zuvor getätigten, einschlägigen Feststellungen und die damit verbundene Beweiswürdigung zur Person des Beschwerdeführers verwiesen werden, wonach dieser als volljähriger, arbeitsfähiger und arbeitserfahrener Mann anzusehen ist, welcher die Landessprache Farsi beherrscht.

2.2.    Zu den Feststellungen des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers

2.2.1.  Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran

Das BVwG hält die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion zum Christentum bzw. Apostasie aus folgenden Gründen für unglaubhaft und gelangt folglich zu den einschlägigen Feststellungen (inklusive jener Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in Iran derlei Verhaltensweisen auch nicht von Dritten unterstellt wurden):

Entsprechend der Angaben des Beschwerdeführers habe dieser die christliche Kirche über einen armenischen Freund in Iran kennengelernt. Der Beschwerdeführer habe in Folge einer Einladung einmal an einem einschlägigen Gottesdienst teilnehmen dürfen. Er habe die Leute sowie die Veranstaltung sehr gemocht und dies habe dazu geführt, dass er sich für diese Religion interessiere (Seite 5 f. der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Das BVwG leitet bereits aus dieser, gewissermaßen einleitenden, Schilderung des Beschwerdeführers ab, dass es in Iran keine innere, religiös motivierte Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum gab. Unabhängig von der Glaubhaftigkeit dieser spezifischen Darstellung, deutet eine solche Erläuterung daraufhin, dass vielmehr zwischenmenschliche Sympathieaspekte denn Glaubensüberzeugungen den Ausschlag für einen allfälligen Kontakt mit dem Christentum gegeben hätten. Eine innere Hinwendung zum Christentum kann dieser Erzählung nicht abgewonnen werden.

Der Beschwerdeführer brachte des Weiteren vor, dass derselbe armenische Freund den Kontakt zu einem Hauskirchenmitglied hergestellt habe (Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Diese Aussage bekräftigte der Beschwerdeführer zudem (Seite 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Auf entsprechende Nachfrage, warum ein armenischer Christ, welcher eine offizielle Kirche besuchen darf, auch noch eine illegale Hauskirche kennt, tätigte der Beschwerdeführer mehrere widersprüchliche und unstimmige Angaben. So gab der Beschwerdeführer wenig später an, dass nicht sein armenischer Freund, sondern der Beschwerdeführer selbst, das entsprechende Hauskirchenmitglied, Frau XXXX , gekannt habe. In Rücksprache mit dem anwesenden Dolmetscher waren etwaige Verständigungsschwierigkeiten auszuschließen (Seite 8 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Diese widersprüchlichen Angaben stellen ein wesentliches Indiz für die einschlägige Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers dar. Völlig widersprüchlich waren auch die Angaben, wer genau diese Frau XXXX sei und woher der Beschwerdeführer sie kenne: So gab der Beschwerdeführer zuerst an, dass er eng mit ihr befreundet gewesen sei, konnte aber nicht angeben, wer die Frau ist („Sie war jemand wie ich, ich war eng mit ihr befreundet.“). Plötzlich gab er völlig konträr an, dass er Frau XXXX über seinen armenischen Freund kennengelernt zu haben, um gleich darauf wieder anzugeben, dass er sie seit schon ein Jahr davor gekannt habe.

Weiter führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aus, dass es in Iran sehr schwierig sei, Treffen in Hauskirchen zu veranstalten. Deswegen habe sich seine vermeintliche Hauskirchengemeinschaft dazu entschieden Treffen im Freien, wie zum Beispiel in den Bergen oder in Parks, zu organisieren. Der Beschwerdeführer habe sehr darauf Acht gegeben dabei nicht beobachtet zu werden. Bei einem Treffen seiner Hauskirchengemeinschaft im Norden von Teheran hätten jedoch Zivilpolizisten, welche in der Nähe der Gruppe positioniert gewesen seien, deren Gespräche mitbekommen (Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Das BVwG erachtet diese Darstellung, ähnlich zur Beweiswürdigung der belangten Behörde (AS 153), als lebensfern sowie unplausibel. Es erscheint unverständlich, dass eine Gruppierung, welche ihre Treffen aus Sorge vor Verfolgung in die freie Natur verlegt, religiöse Gespräche im, wenn auch nur mittelbaren, Beisein anderer Personen tätigt und sich dadurch umso mehr ihrer Tarnung entledigt und folglich der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Eine solche Verhaltensweise würde demnach die ursprüngliche Absicht konterkarieren.

Abschließend ist auf die eklatanten zeitlichen Widersprüche des Beschwerdeführers hinsichtlich der einschlägigen Erzählungen hinzuweisen. So gab der Beschwerdeführer zunächst an, im Juni 2015 mit den Hauskirchenbesuchen in Iran begonnen zu haben (Seite 7 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Etwas

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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