TE Bvwg Beschluss 2020/7/10 W261 2232130-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2020
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Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1
VOG §4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W261 2232130-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch LEFÖ-IBF Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 14.04.2020, betreffend die Abweisung des Antrages vom 13.11.2018 auf Übernahme der entstehenden Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung aufgrund einer im Zeitraum 2015 bis Dezember 2017 erlittenen Schädigung beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 13.11.2018 (Datum des Einlangens) einen Antrag auf Heilfürsorge in Form einer psychotherapeutischen Krankenbehandlung und Übernahme der Selbstbehalte nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) beim Sozialministeriumsservice, Landesstelle XXXX (in der Folge belangte Behörde). Diese sei Opfer von Menschenhandel geworden und sei gezwungen worden, in der Prostitution tätig zu sein. Die beschwerdeführende Partei habe bereits mehrere Krisen durchlebt und befinde sich derzeit bei LEFÖ-IFB, Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandles, als Folge der Traumatisierung durch das Verbrechen, in Betreuung. Die beschwerdeführende Partei hätte während der Ausbeutung die Hormonbehandlung unterbrechen müssen, welche diese aufgrund der Transsexualität dringend benötigen würde. Das Strafverfahren gegen die namentlich bekannten TäterInnen sei eingeleitet, diese seien jedoch noch nicht verurteilt worden.

Die beschwerdeführende Partei legte eine Betreuungsbestätigung von LEFÖ-IFB vom 09.11.2018 ebenso vor, wie eine ärztliche Bestätigung, wonach diese unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.

Die belangte Behörde ersuchte die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 20.11.2018 den Strafakt zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 27.11.2018 teilte das Landesgericht für Strafsachen XXXX mit, dass der Akt derzeit nicht entbehrlich sei, da es sich um ein Großverfahren handle und ca. eine siebenwöchige Verhandlungsdauer ab Februar 2019 geplant sei.

Mit Schreiben vom 16.05.2019 ersuchte die belangte Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Mitteilung, ob der beschwerdeführenden Partei eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 gewährt worden sei.

Das Landesgericht für Strafsachen XXXX übermittelte der belangten Behörde mit Schreiben vom 21.05.2019 das seit 09.04.2019 rechtskräftige und vollstreckbare Urteil vom 09.04.2019, Zl. XXXX . Nach diesem Urteil wurden insgesamt fünf namentlich genannte Personen schuldig befunden, in XXXX und anderen Orten des Bundesgebietes sowie in der Bolivianischen Republik Venezuela teilweise allein, teilweise in bewussten und gewollten Zusammenwirken die Verbrechen des Menschenhandels nach § 104 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB, die Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB, das Vergehen der Ausbeutung von Fremden nach § 116 Abs. 1FPG 2005, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB, die Vergehen der Schlepperei nach § 114 Abs. 1 FPG 2005 und die Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs. 1, 224 StGB verübt zu haben, und diese Personen wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Gemäß § 369 Abs. 1 StPO wurden die Angeklagten zur ungeteilten Hand schuldig gesprochen, unter anderem der beschwerdeführenden Partei als Privatbeteiligten den Betrag von € 45.000,- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Mit Schreiben vom 05.06.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der belangten Behörde mit, dass die beschwerdeführende Partei eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 gültig vom 12.09.2018 bis 13.09.2019 inne habe.

Mit Schreiben vom 18.06.2019, urgiert am 12.07.2019 und am 22.08.2019, ersuchte die belangte Behörde die behandelnde Ärztin der beschwerdeführenden Partei um Abgabe einer Stellungnahme über den Grund der Therapie, der Art der psychischen Probleme und deren Auswirkungen, der Diagnose, der Therapieform, sowie der voraussichtlichen Dauer der Therapie.

Die belangte Behörde ersuchte mit Schreiben vom 25.09.2019 den ärztlichen Dienst eine nervenfachärztliche Untersuchung durchzuführen und ein Gutachten zu definierten Fragestellungen zu erstellen.

Mit Kurzarztbrief vom 26.09.2019 (eingelangt am 07.10.2019) teilte die behandelnde Ärztin der beschwerdeführenden Partei, eine Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, mit, dass diese an Transsexualismus, sozialer Phobie, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung als mittelgradige Episode leide. Die beschwerdeführende Partei befinde sich seit Oktober 2018 in fachärztlicher Behandlung in deren Ordination. Diagnostisch leide diese in erster Linie an einer posttraumatischen Belastungsstörung, welche als Folge einer chronischen Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung (Menschenhandel) 2016 bis Ende 2017 entstanden sei.

Mit Schreiben vom 10.10.2019 übermittelte die belangte Behörde dem ärztlichen Dienst im Nachhang zum Gutachtensauftrag vom 25.09.2019 den genannten Kurzarztbrief mit der Bitte um Berücksichtigung bei der Erstellung des Sachverständigengutachtens.

Die medizinische Sachverständige, eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, kommt in deren medizinischen Sachverständigengutachten vom 21.12.2019 zum Ergebnis, dass bei der beschwerdeführenden Partei Transexualismus diagnostiziert werde. Diese leide an einer Anpassungsstörung bei anhaltenden Belastungsfaktoren, F43.02, für welche kein Kausalzusammenhang mit den Verbrechen vom 2015 bis Dezember 2017 bestehe.

Die belangte Behörde übermittelte dieses medizinische Sachverständigengutachten der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 14.02.2020 im Rahmen des Parteiengehörs und teilte unter Ausführung der Sach- und Rechtslage mit, dass aufgrund des Umstandes, dass bei der beschwerdeführenden Partei keine Gesundheitsschädigung vorliege, welche in einem kausalen Zusammenhang zu dem Verbrechen von 2015 bis Dezember 2017 stehe, beabsichtigt sei, den Antrag auf Übernahme der Kosten der psychotherapeutischen Behandlung abzuweisen.

Die beschwerdeführende Partei gab mit Eingabe vom 26.03.2020, bevollmächtigt vertreten durch LEFÖ-IFB, eine umfangreiche Stellungnahme ab. Darin führte diese aus, dass es sich bei ihr um eine Trans*Person handle, welche Betroffene des Menschenhandles sei. Im Sinne des Palermo-Protokolls werde unter „Menschenhandel“ die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Behebung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit (…), zum Zwecke der Ausbeutung (…) verstanden. Die beschwerdeführende Partei sei dieser Gewalt ausgesetzt gewesen und habe sich die medizinische Sachverständige damit in keiner Weise auseinandergesetzt. Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention gebiete auch, dass die menschliche Persönlichkeit in ihrer Identität, Individualität und Integrität zu schützen sei. In Österreich sei die Existenz intergeschlechtlicher Menschen anerkannt. Eine offizielle Eintragung des Geschlechts in ein Personenregister sei in diesem Fall leider nicht möglich, da das Recht der Staatsbürgerschaft, in diesem Fall Kuba, gelte. Im medizinischen Sachverständigengutachten sei die beschwerdeführende Partei mit dem falschen Geschlecht angesprochen worden, ohne jeglichen Hinweis auf deren Transidentität. Dies seien Faktoren, welche ein Gefühl des Unwohlseins bei der Untersuchung hinterlassen hätten.

Außerdem sei es bei derartigen Terminen besonders wichtig, dass die Person von DolmetscherInnen begleitet werde, auch wenn diese Deutsch spreche und verstehe. Aus dem Ergebnis der Untersuchung sei ersichtlich, dass es zu Missverständnissen und Zeitsprüngen bei der Schilderung der Erlebnisse gekommen sei. Die Erfahrung des Menschenhandles sei leider kaum behandelt und sei daher nicht im Einzelnen eingeschätzt worden.

Das nervenfachärztliche Sachverständigengutachten setze Transexualismus als Faktor ihrer Vulnerabilität und ihrer Leiden. Trans*Personen seien strukturellen und individuellen Diskriminierungen ausgesetzt, und eine davon sei die Psychopathologisierung. Es gehe um eine gesellschaftliche Diskriminierung und Stigmatisierung von Individuen, die nicht den traditionellen Normen des biologischen und sozialen Geschlechts entsprechen würden. Aus dem transgeschlechtlichen Erleben sei die psychische Störung des Transsexualismus (F64.0) konstruiert und diagnostisch festgeschrieben. Hierbei handle es sich aber um ein Leiden von einem besonderen Erlebnis als Betroffene des Menschenhandles, welche in seiner Besonderheit hätte analysiert werden müssen. Es werde daher ersucht, eine neuerliche Evaluierung des Antrages unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme vorzunehmen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.04.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 13.11.2018 gemäß § 1 Abs. 1, 7 und § 4 Abs. 5 VOG auf Übernahme der entstehenden Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung aufgrund einer im Zeitraum 2015 bis Dezember 2017 erlittenen Schädigung ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Antrag abzuweisen gewesen sei, weil kein Kausalzusammenhang zwischen der bestehenden Gesundheitsschädigung und den Verbrechen von 2015 bis Dezember 2017 nachweisbar gewesen sei. Die beschwerdeführende Partei habe in deren Antrag nicht darauf hingewiesen, dass sie einen Dolmetscher benötigen würde. Sie habe eine Begleitperson beim Untersuchungstermin mitgebracht, welche bei Verständigungsproblemen ausgeholfen habe. Die medizinische Sachverständige habe angegeben, dass der Duktus der Verständigungsprobleme sprunghaft gewesen sei, dass jedoch dadurch, dass die anwesende Freundin der beschwerdeführenden Partei bei Unklarheiten gedolmetscht habe, die durchgeführte Befragung zielführend gewesen sei. Das medizinische Sachverständigengutachten sei in sich schlüssig und nachvollziehbar, weswegen es der Entscheidung zugrunde gelegt werde. Die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei sei nicht geeignet gewesen, dieses zu entkräften.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei, bevollmächtigt vertreten durch LEFÖ-IFB, mit Eingabe vom 10.06.2020 rechtzeitig das Rechtmittel der Beschwerde. Darin führte die beschwerdeführende Partei aus, dass sie im Strafverfahren habe glaubhaft und nachvollziehbar darlegen können, dass sie über die konkreten menschenunwürdigen Bedingungen der Prostitutionsausübung getäuscht worden sei. Deren Zwangslage, basierend auf verschiedenen Faktoren der Vulnerabilität sei ausgenutzt worden, um diese sexuell auszubeuten. Als Folge dieser Menschenhandelserfahrungen sei eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden. Die schlechten Arbeitsbedingungen in der gezwungenen Arbeit hätten in der Folge zu schwerwiegenden Schäden der Gesundheit der beschwerdeführenden Partei geführt. Die erhebliche psychische Belastung, der die beschwerdeführende Partei während dieses Zeitraumes ausgesetzt gewesen sei, hätten zu psychischen Folgen geführt, unter anderem auch zu sichtbaren Schnittverletzungen und mehreren Selbstmordversuchen. All dies sei im nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten nicht erwähnt worden.

Die Beschwerdeführerin sei aufgrund ihrer speziellen Vulnerabilität, welche in ihrer Geschlechteridentität liege aber auch aufgrund der Abhängigkeit durch fehlende Sprache und Aufenthaltstitel bestehe, Opfer von Menschenhandel geworden. Es seien deren sexuelle Integrität und Selbstbestimmung verletzt worden.

Die Verarbeitung der erlebten Menschen- und Frauenrechtsverletzung sei für die beschwerdeführende Partei als identifiziertes Opfer und Zeugin im Strafprozess ein wichtiges Opferrecht. Die Entschädigung in der Form der Übernahme der Therapiekosten sei wichtig, um Gerechtigkeit für die erlebte Ausbeutung zu erhalten und das Trauma zu verarbeiten. Die Verpflichtung, resultierend aus Artikel 15 Abs. 4 des Übereinkommens des Europarates, Entschädigung zu gewährleisten, wird in Österreich durch Ansprüche basierend auf dem Verbrechensopfergesetz (VOG) erfüllt. Diese Verpflichtung könne jedoch nicht dadurch erfüllt werden, dass einer vom Menschenhandle betroffenen Person der Zugang zu psychiatrischer Versorgung verweigert werde.

Hinzu komme, dass der Termin bei der Begutachtung einen Mangel an Bewusstsein darüber gezeigt habe, wie mit Opfern von Menschenhandel umzugehen sei. Die Sachverständig habe attestiert, dass die beschwerdeführende Partei eine sehr introvertierte Person sei, deren psychischen Symptome nicht in einem einzigen Termin identifiziert hätten werden können. Von einer Betroffenen von Menschenhandel könne nicht erwartet werden, in einem einzigen Termin in einer Fremdsprache über ihre traumatisierenden Erlebnisse zu sprechen. Die Bearbeitung des Traumas brauche eine solide Vertrauensbasis, in der sich die beschwerdeführende Partei wohl und sicher fühle. Des Weiteren sei beim Gutachten sichtbar, dass es zu Missverständnissen und Zeitsprüngen gekommen sei. Einen solchen Termin ohne DolmetscherIn auszuführen, auch wenn die beschwerdeführende Partei Deutsch verstehe, sei unzumutbar - im Hinblick auf ein schlüssiges Gutachten und der Komplexität der Gesprächsinhalte. Die Erfahrungen des Menschenhandels und der Ausbeutung der beschwerdeführenden Partei seien leider kaum behandelt worden und seien nicht im Einzelnen eingeschätzt worden. Es sei unterlassen worden, die besonderen Erlebnisse als Betroffene des Menschenhandels zu analysieren. Die Erfahrungen als Trans*Person hätten rational im Kontext von deren Menschenhandelserfahrungen und gewaltvollen Ausbeutungssituation gesetzt werden müssen.

Die beschwerdeführende Partei ersuche um Genehmigung der Therapiekosten.

Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 16.06.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 19.06.2020 einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in der Folge VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1.       wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Es steht fest, dass die beschwerdeführende Partei, eine kubanische Staatsbürgerin, Opfer von Menschenhandel wurde und über Jahre sexuell ausgebeutet wurde.

Die belangte Behörde hat nicht geprüft, ob die beschwerdeführende Partei zum Entscheidungszeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich hat. Aus den Akten ist zu entnehmen, dass diese bis zum 13.09.2019 einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 aus berücksichtigungswürdigen Gründen inne hatte (vgl. AS 77). Für die Zeit danach fehlen die Ermittlungen der belangten Behörde.

Dies ist aus dem Grunde von Bedeutung, weil nach § 1 Abs. 7 VOG Hilfe ferner den nicht in den Abs. 1 und 6 genannten Personen zu leisten ist, wenn die Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt zum Tatzeitpunkt durch einen erlittenen Menschenhandel bewirkt, ist Personen Hilfe solange zu leisten, als sie dafür über ein Aufenthaltsrecht für besonderen Schutz verfügen oder im Anschluss daran weiterhin aufenthaltsberechtigt sind und sie sich gewöhnlich im Inland aufhalten.

Damit ist die beschwerdeführende Partei zwar grundsätzlich als Opfer von Menschenhandel anspruchsberechtigt, obwohl sie zum Tatzeitpunkt keinen Aufenthaltstitel in Österreich hatte. Hilfeleistungen sind nach der genannten gesetzlichen Bestimmung so lange zu leisten, als diese Personen über eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügen. Damit ist die Frage der Aufenthaltsberechtigung bei Drittstaatenangehörigen, wie es die beschwerdeführende Partei ist, eine der wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG, welche von der belangten Behörde unzureichend erhoben wurde.

Es steht auch fest, dass bei der von der belangten Behörde veranlassten medizinischen Untersuchung durch die Sachverständige der belangten Behörde, kein von der belangten Behörde bestellte/r DolmetscherIn anwesend gewesen ist, sondern dass die psychiatrische Untersuchung auf Deutsch durchgeführt wurde und bei den dabei aufgetretenen Verständigungsproblemen zwischen der beschwerdeführenden Partei und der untersuchenden medizinischen Sachverständigen die anwesende Vertrauensperson mit einer Übersetzung aushalf.

Die Muttersprache der beschwerdeführenden Partei Muttersprache ist Spanisch und nicht Deutsch. Zwar versteht die beschwerdeführende Partei Deutsch, diese ist jedoch offensichtlich nicht in der Lage, komplexe Sachverhalte, wie es die Ausbeutungserfahrungen als Opfer von Menschenhandel sind, in einer Fremdsprache zu schildern, wie dies die beschwerdeführende Partei in deren Beschwerde ausführte. Dies lässt sich auch bei Durchsicht des medizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.12.2019 nachvollziehen, wobei auffällt, dass es in der Erzählung der beschwerdeführenden Partei Zeitsprünge und Unklarheiten gibt. Ebenso fällt auf, dass in dieser Erzählung bzw. Anamnese seitens der beschwerdeführenden Partei mit keinem Wort die Erfahrungen aus dem Menschenhandel erwähnt werden. Der beschwerdeführenden Partei ist Recht zu geben, wenn diese ausführt, dass es für ein Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung unzumutbar ist, derartige Erlebnisse in einer Fremdsprache schildern zu müssen.

Für den Fall, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist, hat die ermittelnde Behörde dem von sich aus nachzugehen und weitere Ermittlungen in dieser Richtung anzustellen (vgl. VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0098). Nachdem die beschwerdeführende Partei kubanische Staatsbürgerin ist und sich jahrelang illegal in Österreich als Opfer von Menschenhandel aufhielt, liegen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass davon auszugehen war, dass diese der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist. Dies ist auch darin belegt, dass die medizinische Sachverständige ausführte, dass es während der Untersuchung zu Verständigungsproblemen kam, und die anwesende Vertrauensperson mit Übersetzungen aushalf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23.11.2017, Ra 2016/11/0160, zur Frage, ob auch bei einem Sachverständigenbeweis bei mangelnder Deutschkenntnis ein Dolmetscher beizuziehen ist, ausgeführt, dass je nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen die Behörde die Beiziehung eines Dolmetschers - auch im Rahmen der Befundaufnahme durch einen Sachverständigen - zu veranlassen hat, oder, falls sie dies nicht für erforderlich hält und demgemäß davon Abstand nimmt, schlüssig zu begründen hat, warum die Beiziehung eines Dolmetsch (ungeachtet der gegebenen Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit seiner Beiziehung) nicht notwendig sei.

Zwar führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, weswegen sie von der Beiziehung einer/s Dolmetschers/in absah, genauer weil es die beschwerdeführende Partei unterlassen habe, darauf hinzuweisen, dass sie der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Bei dieser Begründung übersieht die belangte Behörde, dass es deren Aufgabe ist, festzustellen, ob die beschwerdeführende Partei in der Lage ist, einer medizinischen Untersuchung in deutscher Sprache, welche nicht deren Muttersprache ist, zu folgen, oder nicht. Derartige Ermittlungen unterblieben.

Dies bedeutet, dass im gegenständlichen Verfahren auch bei einer Befragung im Rahmen einer Befundaufnahme durch einen Sachverständigen ein/e Dolmetscher/in beizuziehen gewesen wäre, um dem Gebot des § 39a AVG, dessen Befolgung für ein mängelfreies Verfahren unabdingbar ist, zu entsprechen. Es entspricht nicht dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit eines Verfahrens (fair trial), sprachunkundigen Personen keinen Dolmetscher zur Verfügung zu stellen, somit ist das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde mit einem groben Verfahrensmangel behaftet.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in deren angefochten Entscheidung ist das diesem Bescheid zugrundeliegenden medizinische Sachverständigengutachten weder schlüssig und nachvollziehbar. Die medizinische Sachverständige ging in deren Sachverständigengutachten in keiner Weise darauf ein, welche Auswirkungen die Verbrechen, welche nachgewiesenermaßen an der beschwerdeführenden Partei verübt wurden, auf deren Psyche hatten und haben.

Es gibt, wie schon oben angeführt, in der Anamnese keinerlei Erhebungen der medizinischen Sachverständigen zum Menschenhandel und zur sexuellen Ausbeutung, ebenso wenig ging die medizinische Sachverständige auf den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Kurzarztbrief vom 26.09.2019 substantiiert ein, in welchem die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin zu einem gänzlich anderen Ergebnis kam, als die medizinische Sachverständige. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die beschwerdeführende Partei bereits seit 2018 in medizinischer Behandlung bei dieser Ärztin ist, wohingegen die medizinische Sachverständige ohne vollständige Anamnese in einem einzigen Untersuchungstermin eine andere Diagnose erstellte. Dabei begründete die medizinische Sachverständige nicht näher, weswegen sie zu dieser anderen Diagnose kommt, als die behandelnde Psychiaterin. Das ist einer der Punkte, weswegen deren medizinisches Sachverständigengutachten nicht schlüssig und nachvollziehbar ist.

Es ist den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei in deren Beschwerde auch darin zu folgen, dass aus dem medizinischen Sachverständigengutachten nicht entnommen werden kann, dass sich die medizinische Sachverständige mit der Problematik vom Trans*Personen im Rahmen der Untersuchung auseinandersetze. Dieser Schluss wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes daraus gezogen, dass die medizinische Sachverständige die beschwerdeführende Partei als „Herrn“ anspricht, obwohl deren Geschlechtsidentität weiblich ist und auch von LEFÖ in allen deren Schriftsätzen als Frau geführt wird. Es ist daher menschlich nachvollziehbar, dass die beschwerdeführende Partei als Trans*Person, welche Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung wurde, kein Vertrauen zur medizinischen Sachverständigen aufbauen konnte, was sich auch in den „Eigenen Angaben“ der beschwerdeführenden Partei, welche im Gutachten angeführt sind, wiederspiegelt.

Die medizinische Sachverständige hätte sich im Bewusstsein der Transsexualität der beschwerdeführenden Partei mit deren speziellen Situation als Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung im Detail auseinandersetzen müssen, denn nur dann wäre sie in der Lage gewesen, die Frage zu beantworten, welche psychischen Erkrankungen bei dieser vorliegen und ob ein Kausalzusammenhang mit den Verbrechen, welche an der beschwerdeführenden Partei verübt wurden, besteht. All dies unterblieb, ob dies an den Verständigungsproblemen wegen fehlenden Dolmetschens, oder an mangelndem Vertrauen der beschwerdeführenden Partei zur medizinischen Sachverständigen oder schlicht daran liegt, dass nicht danach gefragt wurde, lässt sich nicht (mehr) nachvollziehen. Fest steht jedenfalls, dass dieses medizinische Sachverständigengutachten nicht geeignet ist, als Entscheidungsgrundlage dafür zu dienen, um die Frage der Kausalität der Gesundheitsschädigungen im Zusammenhang mit den Verbrechen beurteilen zu können.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde in einem ersten Schritt zu erheben haben, ob die beschwerdeführende Partei eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung in Österreich hat, oder nicht. Nur bei Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung liegen die Voraussetzungen zur weiteren Führung des Verfahren nach § 1 Abs. 7 VOG vor.

Sollte die beschwerdeführende Partei über eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügen, so wird die belangte Behörde aus dem Strafakt die Zeugenaussage der beschwerdeführenden Partei beizuschaffen haben, denn daraus wird zu ersehen sein, welche Verbrechen an dieser aus deren Sicht verübt wurden. Es wird der beschwerdeführenden Partei dann bei der medizinischen Untersuchung grundsätzlich möglich sein, auf diese Ausführungen im Strafverfahren zu verweisen.

Nach Vorliegen dieser Zeugenaussage wird ein neues medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachrichtung Psychiatrie/Neurologie basierend auf einer neuerlichen persönlichen Untersuchung der beschwerdeführenden Partei einzuholen sein, wobei dafür zu sorgen ist, dass bei dieser Untersuchung ein/e Dolmetscher/in für Spanisch anwesend ist.

Dabei ist in der Anamnese durch den/die medizinische/n Sachverständige/n mit der bei Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung gebotenen Feinfühligkeit darauf einzugehen bzw. zu berücksichtigen, welchen Verbrechen die beschwerdeführende Partei im Zeitraum von Jänner 2016 bis Dezember 2017 ausgesetzt war. Dabei ist auf die besondere Vulnerabilität der beschwerdeführenden Partei als Trans*Person, welcher verweigert wurde, Hormontabletten einzunehmen, welche sich illegal in Österreich aufhielt und mangelhafte Sprachkenntnisse hatte, einzugehen. Bei Untersuchung der beschwerdeführenden Partei als Trans*Person ist darauf Bedacht zu nehmen, dass deren Geschlechtsidentität weiblich ist. Weiters ist bei der Anamnese die Zeugenaussage der beschwerdeführenden Partei im Strafverfahren zu berücksichtigten.

Im medizinischen Sachverständigengutachten wird unter Einbeziehung aller vorliegenden medizinischen Befunde zu beurteilen sein, welche Gesundheitsschädigungen unter konkreter Bezeichnung des entsprechenden Krankheitsbildes bei der beschwerdeführenden Partei vorliegen. Sollte eine zu bisherigen Untersuchungsergebnissen abweichende Diagnose erstellt werden, ist dies ausführlich zu begründen.

In einem nächsten Schritt wird mit einer nachvollziehbaren Begründung zu beurteilen sein, welche dieser psychischen Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit im Sinne des VOG (dh es spricht mehr dafür, als dagegen) durch die an der beschwerdeführenden Partei begangenen Verbrechen des Menschenhandles und der sexuellen Ausbeutung bedingt sind.

Falls solche Zusammenhänge aus fachmedizinischer Sicht nicht vorliegen sollten, ist eine nachvollziehbare Begründung hierfür zu erstatten.

Schließlich wird zu beurteilen sein, ob bei der beschwerdeführenden Partei akausale psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen feststellbar sind, oder nicht.

Falls die Verbrechen nicht die alleinige Ursache der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der beschwerdeführenden Partei sein sollten, wird zu beurteilen sein, ob die Verbrechen die wesentliche Ursache der derzeitigen Leidenszustände der beschwerdeführenden Partei sind.

Falls ein Kausalitätszusammenhang zwischen den psychischen Leiden der beschwerdeführenden Partei und den an ihr verübten Verbrechen festgestellt werden kann, wird zu beurteilen sein, ob die psychischen Erkrankungen eine angemessene Folge des Verbrechens sind, und ob es einer Psychotherapie bedarf, bzw. wie viele Sitzungen als angemessen beurteilt werden.

Die Ergebnisse sind ein einem medizinischen Sachverständigengutachten zusammenzufassen.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die beschwerdeführende Partei mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Sollte die beschwerdeführende Partei dies begehren, wird eine mündliche Verhandlung zur Gutachtenserörterung durchzuführen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob die beschwerdeführende Partei eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung in Österreich hat, und ob bei den bei der beschwerdeführenden Partei bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen ein kausaler Zusammenhang mit den an dieser verübten Verbrechen besteht als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der beschwerdeführenden Partei noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wird gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, zumal aus dem Beschwerdeakt ersichtlich ist, dass eine mündliche Erörterung der Rechtssache mangels ausreichender Sachverhaltserhebungen und Feststellungen der belangten Behörde eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Dolmetscher Ermittlungspflicht Hilfeleistung Kassation Kausalität mangelnde Sachverhaltsfeststellung Menschenhandel Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2232130.1.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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