TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/10 W215 2161644-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2020
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Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W215 2161644-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2017, Zahl 1067163210-150457151, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung
BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017,
§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Nachdem er am 04.05.2015, weil er in einem Innenhof lag, angezeigt und deshalb von den eintreffenden Sicherheitswachebeamten befragt wurde, gab er an XXXX zu heißen und aus Somalia zu stammen. Da sich Beschwerdeführer illegal in Österreich aufhielt, wurde er in Sicherheitsverwahrung genommen und stellte am 05.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am 05.05.2015 gab der Beschwerdeführer, in Gegenwart eines Dolmetschers für die Sprache Somali, an XXXX zu heißen und nannte als angehörige im Herkunftsstaat sein Vater XXXX , seine Mutter XXXX sowie seine vier Brüder im Alter von XXXX Jahren. Der Beschwerdeführer habe keine Schulausbildung, sei Analphabet und habe als XXXX in XXXX gelebt und gearbeitet. Er habe seine Heimat im Jahr 2014 wegen al-Schabaab verlassen. Al-Schabaab habe seinen Vater umgebracht, weil sie gewollt hätten, dass der Beschwerdeführer für sie kämpfe. Der Beschwerdeführer sei sich sicher, so wie sein Vater, von al-Schabaab getötet zu werden.

Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers brachte am 03.03.2017 eine Beschwerde wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG für Herrn XXXX beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

In seiner niederschriftlichen Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.04.2017, ebenfalls im Gegenwart eines Dolmetschers für die Sprache Somali, brachte der Beschwerdeführer mehrere Bestätigungen, alle ausgestellt für Herrn XXXX , bezügliche seiner Integration in Österreich in Vorlage. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, dass er XXXX heiße. Er habe in XXXX zwischen seinem siebenten und zehnten Lebensjahr angefangen die Koranschule zu besuchen und dies bis zum Jahr 2013, damals sei er XXXX Jahre alt gewesen, gemacht. Auch seine vier Brüder hätten die Koranschule besucht. Nach seinen Sprachkenntnissen gefragt nannte der Beschwerdeführer Somali, ein wenig Englisch, ein wenig Arabisch und ein wenig Deutsch. Seine Muttersprache Somali beherrsche der Beschwerdeführer perfekt. Er habe in der XXXX seiner Familie gearbeitet. Zu seinen Verwandten im Herkunftsstaat gab er an, dass sein Vater XXXX verstorben sei, seine Mutter XXXX und seine Brüder im Alter von XXXX Jahren leben in XXXX . Etwas später gab der Beschwerdeführer an, den letzten Kontakt zu seiner Familie im Oktober 2013 gehabt zu haben, seine Mutter und seine Brüder hätten in Folge seiner Probleme XXXX verlassen.

Der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftsstaat verlassen, weil sein Lehrer in der Koranschule Mitglied von al-Schabaab gewesen sei. Er habe begonnen Vorträge zu halten und die Schüler zu rekrutieren. Nach drei Tagen habe der Beschwerdeführer beschlossen nicht mehr zur Schule zu gehen und sei zu Hause geblieben. Sein Vater habe den Lehrer bei der Polizei angezeigt und dieser sei verhaftet worden. Am Nachmittag seien sie von fünf Männer, Angehörigen des Lehrers, mit Metallstäben und Stöcken im Elternhaus attackiert worden, sodass der Vater bewusstlos wurde. Als Nachbarn zu Hilfe gekommen seien hätten die Männer das Haus verlassen. Der Beschwerdeführer habe diese Nacht, auf Anraten seines Vaters, bei einem Freund verbracht, währenddessen sein Vater von al-Schabaab zu Hause verhaftet worden sei; man habe den Vater danach nie wieder gesehen.

Am nächsten Morgen sei das Elternhaus wieder von Angehörigen des Lehrers attackiert worden sowie die Mutter des Beschwerdeführers, weil man dieser nicht glaubt habe, dass sie nicht wisse, wo der Beschwerdeführer sei und al-Schabaab den Vater des Beschwerdeführers am Vorabend mitgenommen hätten. Nachdem wieder Nachbarn zu Hilfe gekommen sein, hätten die Angehörigen des Lehrers das Elternhaus verlassen. Der Beschwerdeführer sei an diesem Abend ins Elternhaus zurückgekehrt, als al-Schabaab gekommen sei und gefragt habe, wer XXXX sei. Al-Schabaab hätten den Beschwerdeführer mitgenommen, nachdem sie zuvor sein Mutter geschlagen hätten, die dies verhindern hätte wollen.

Der Beschwerdeführer sei einen Monat lang in einem Lager der al-Schabaab eingesperrt und durchgehend gefoltert worden. Dann habe er zugestimmt und sei einen weiteren Monat lang unterrichtet und ausgebildet worden. Danach sei das Lager von einer anderen Gruppe attackiert worden und der Beschwerdeführer habe weglaufen können.

Nach seiner Rückkehr nach XXXX habe der Beschwerdeführer erfahren, dass seine Familie bereits vor einem Monat XXXX verlassen habe und der Beschwerdeführer von Angehörigen des Lehrers gesucht werde. Daraufhin habe der Beschwerdeführer Anfang 2014 Somalia verlassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2017, Zahl 1067163210-150457151, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.05.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2017, Zahl 1067163210-150457151, zugestellt am 30.05.2017, erhob der Beschwerdeführer am 13.06.2017 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen von al-Schabaab drohen würden, da er dem Minderheitenclan der Sheikhal angehöre und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht bestehe, da sich die Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet beziehe. Ihm sei daher jedenfalls Asyl, aufgrund der in Somalia herrschenden Dürre zumindest aber subsidiärer Schutz zu gewähren.

2. Die Beschwerdevorlage vom 13.06.2017 langte am 16.06.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 30.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Schreiben vom 07.09.2018 für die Verhandlung entschuldigt. Der Beschwerdeführer stimmte zu Beginn der Verhandlung ausdrücklich zu, dass diese ohne Rechtsberater, der nicht erschienen war, stattfinden sollte. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Mit Schreiben vom 29.08.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich zum Parteiengehör und räumte ihm eine Frist zu Stellungnahme ein.

Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 27.09.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 29.05.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich zum Parteiengehör und räumte ihm eine Frist zu Stellungnahme ein.

Am 12.06.2020 brachte der Beschwerdeführer seine schriftliche Stellungnahme im Bundesverwaltungsgericht ein. Darin zitierte er zur aktuellen Lage aus den UN OCHA Berichten update 04 vom 04.05.2020 sowie update 06 vom 24.05.2020, einem Accord Bericht vom 15.04.2020, einem erstinstanzlichen Bescheid - in einem Verfahren eines anderen Asylwerbers - vom 03.02.2020 und einem UNSC Bericht vom 13.05.2020 (siehe dazu Beweiswürdigung 5.). Weites wurde ein Bestätigungen vom 12.08.2019 und zwei vom 09.09.2019 nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, gehört dem moslemischem (sunnitischen) Glauben und dem Clan Sheikhal, einem Subclan der einflussreichen Hawiye, an. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte, nachdem er während seines illegalen Aufenthaltes am 04.05.2015 aufgegriffen und in Sicherungsverwahrung genommen worden war, am 05.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, dass er in der Bundesrepublik Somalia einer versuchten Zwangsrekrutierung oder physischer oder psychischer Gewalt durch
al-Schabaab und/oder Angehörigen eines Lehrers ausgesetzt war oder im Fall seiner Rückkehr sein wird.

3. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX Dort lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie in einem Haus, das im Eigentum der Familie steht. Die Familie verfügt XXXX

Die Familie konnte es sich leisten, dass alle fünf Kinder, der Beschwerdeführer sogar auch noch Vollendung seines XXXX , die Schule in der Bundesrepublik Somalia besuchen konnte. Zudem half der Beschwerdeführer in der XXXX . Zum Zeitpunkt seiner Ausreise war er bereits volljährig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem gesunden Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Somalia ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht oder er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und er in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerät. Der Beschwerdeführer kann im Fall seiner Rückkehr jedenfalls mit der Unterstützung seiner zahlreichen Clanangehörigen rechnen. Die Hawiye leben vor allem in Süd- und Zentralsomalia und zählen zu den größten Clans in der Bundesrepublik Somalia. XXXX

4. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers. Er hat am im Winter XXXX , im Rahmen sozialer Arbeit, Hilfstätigkeiten für eine Winternotschlafstelle geleistet. Der bei seiner illegalen Einreise im Mai 2015 XXXX Beschwerdeführer war danach von XXXX Besucher eines Jugendzentrums, wo er seine Deutschkenntnisse verbessern konnte und sich an der Durchführung von Streetparties und eines Wintermarktes beteiligte. Zudem war er von XXXX , mit Ausnahme von ein paar Wochen, in einem sozialen Wohnheim in der Küche als „Abwäscher“ tätig und übernahm anfallende Reinigungsarbeiten. Der Beschwerdeführer hat am XXXX an einem achtstündigen Werte- und Orientierungskurs teilgenommen und von XXXX einen Deutschkurs A2.1. Deutsch Grundstufe besucht, aber keine Deutschprüfung bestanden. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über soziale Kontakte, es liegen jedoch keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich vor und sind allfällige freundschaftlichen Beziehungen zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt seit seiner illegalen Einreise von der Grundversorgung.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia werden bis Juli 2020 schätzungsweise mehr als 11,75 Millionen Menschen leben (CIA Factbook 11.06.2020).

Die Bundesrepublik Somalia ist eine parlamentarische Demokratie mit starker Stellung des Präsidenten Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“. Premierminister ist Hassan Ali Khayre (AA Steckbrief Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020).

Am 15.04.2020 gaben die Sprecher beider Parlamentskammern ihre Entscheidung bekannt, den Beginn der nächsten Parlamentssitzung, die ursprünglich für den 10.04.2020 anberaumt war, aufgrund der COVID-19-Pandemie und gemäß den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zu verschieben, bis alternative virtuelle Vorkehrungen getroffen werden (UNSC 13.05.2020).

Somalia ist ein Staat im Osten Afrikas, am Horn von Afrika. Nach dem Sturz des autoritären Regimes Siad Barres 1991 war das Land gekennzeichnet von Staatszerfall, Bürgerkrieg, Clanrivalitäten und islamistischem Terror. Im Nordwesten Somalias beansprucht das relativ stabile Somaliland seit 1991 internationale Anerkennung als eigenständiger Staat. Die Region Puntland besitzt weitgehende Autonomie, strebt aber keine Unabhängigkeit an und hat den Status eines föderalen Gliedstaats, wie auch die anderen Bundesstaaten Jubbaland, Südwest, Galmudug und Hirshabelle. Mit der Übergangsverfassung von 2012 schreitet der Staatsaufbau voran, Somalia gilt nunmehr als fragiler Staat. 2017 wurde Mohamed Abdullahi Mohamed zum Präsidenten gewählt. Seine Regierung verfolgt eine ehrgeizige Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit Offizielles Ziel der Regierung sind allgemeine Wahlen 2020 (AA politisches Porträt Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020).

Im Hinblick auf beinahe alle in diesem Bericht zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:

a) Somalia

In den föderalen Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalias herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der moderaten Ahlu Sunna Wal Jama’a in Galmudug, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu. Der Gliedstaat Puntland im Norden des Landes, direkt an der Spitze des Horn von Afrika, hat sich bereits 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Puntland strebt nicht nach Unabhängigkeit von Somalia, erkennt die somalische Bundesregierung an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sogenannten „Islamischen Staats“. Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle, wenngleich sie weiterhin präsent sind. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden zu Galmudug sowie im Nordwesten zu Somaliland nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, in den Regionen Sool und Sanaag auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

b) Somaliland

Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es vor allem im Jahr 2018 zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und somalischen (puntländischen) Truppen. Die Lage bleibt weiterhin angespannt.

Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen in Somalia sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 02.04.2020).

Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 02.04.2020).

ad a) Somalia

Seit Jahrzehnten haben keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene stattgefunden. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clanstrukturen, in Selektionsprozessen vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte sowie auch Binnenflüchtlinge sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten. Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000, von Clanältesten bestimmten Wahlmännern ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Wenngleich dieser Prozess einen bemerkenswerten demokratischen Fortschritt darstellte, war er von erheblichen Korruptions- und Manipulationsvorwürfen überschattet. Die Präsidentschaftswahl fand am 08.02.2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“ hervor, Premierminister ist seit März 2017 Hassan Ali Khayre. Für Ende 2020/Anfang 2021 sind erstmals allgemeine Parlamentswahlen in den Gebieten vorgesehen, in denen die Sicherheitslage solche Wahlen erlaubt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht abzusehen, ob es tatsächlich dazu kommen oder ob stattdessen erneut ein clanbasierter Selektionsprozess wie 2016 stattfinden wird (AA 02.04.2020).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Somalia, last update 11.06.2020, abgefragt am 15.06.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so.html

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, politisches Porträt, Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Steckbrief, Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130

UNSC, UN Security Council, Bericht des UNO-Generalsekretärs, Bericht zur Lage in Somalia, S/2020/398, 13.05.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030188/S_2020_398_E.pdf)

Parteiensystem

ad a) Somalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clanzugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, manifestiert sich das Clansystem auch in den neuen Parteien. Dutzende Parteien haben sich provisorisch registriert, weisen jedoch mehrheitlich keine erkennbaren inhaltlich-programmatischen Konzepte auf. Das nächste Parlament soll Ende 2020 erstmals in einer allgemeinen und freien Wahl – dort, wo die Sicherheitslage dies erlaubt – bestimmt werden. Ob eine solche Wahl tatsächlich und im vorgegeben Zeitrahmen stattfinden wird, ist aktuell noch nicht abzusehen. Dies gilt auch für die Frage, ob sich diese Wahlen erstmals an der Parteizugehörigkeit der Kandidaten orientieren werden (AA 02.04.2020).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Sheikhal/Sheikhash/Shiikhaal

Gemäß EASO (August 2014) gibt es in Somalia vier „noble“ Clanfamilien (Samaale), die ihren Ursprung auf einen mythischen gemeinsamen Vorfahren namens Samaal zurückverfolgen, der vom Propheten Mohammed abstammen soll: Darod, Hawiye, Dir und Isaaq. Von diesen vier Gruppen sind die Hawiye hauptsächlich in Süd- und Zentralsomalia ansässig (SFH 21.02.2018).

Am 15.07.2016 unterbrach die NISA ein Treffen, das von den Shiikhaal (einem Unterclan der Hawiye) organisiert wurde, um die Nominierung von Mitgliedern in das Bundesparlament zu diskutieren (OHCHR 13.08.2018).

Die Hawiye leben hauptsächlich in Süd- und Zentralsomalia. Es gibt keine Übersicht bezüglich der Clanzusammensetzung in Mogadischu, aber Quellen sind sich einig, dass die Stadt von Hawiye-Clans dominiert wird, insbesondere von den beiden Hawiye-Clans Abgal und Haber Gedir. Den Quellen zufolge stellen diese Clans einen bedeutenden Teil der Bevölkerung und der Regierungstruppen in Mogadischu. Nach Einschätzung von Landinfo ist es daher in erster Linie an den Hawiye-Clans Abgal und Haber Gedir, als Abschreckung für potenzielle Aggressoren in Mogadischu zu erscheinen (U.K. Jänner 2019).

Zu den religiösen Minderheiten gehören Minderheiten innerhalb des Islam, wie die religiösen Clans Ashraf und Sheikhal. Sheikhal (oder Sheikhash) ist eine Sammelbezeichnung für Abstammungsgruppen mit einem geerbten religiösen Status, die über ganz Somalia verstreut leben. Die Sheikhal sind eng verbunden mit dem Hirab-Clan der Clan-Familie Hawiye, wodurch sie sich Einfluss erringen (im Wesentlichen durch Handel) und sogar in das somalische Parlament einziehen konnten. Wie die Ashraf spielten sie traditionell eine Rolle in der Konfliktbeilegung und wurden von den Clans, mit denen sie lebten, geachtet und geschützt. In den 1990er-Jahren verloren sie diesen gewohnten Schutz. Über Verletzungen der Menschenrechte der Sheikhal und Ashraf in der jüngsten Zeit lagen keine Berichte vor (EASO August 2014).

Die Sheikhal (oder Sheikhash) sind eine gemeinsame Bezeichnung für Lineages mit einem erblichen religiösen Status. Nach Angaben von Virginia Luling „führen einer Darstellung zufolge alle [Sheikhal] ihre Abstammung auf legendärer Ebene auf einen gemeinsamen Vorfahren namens Sheikh Faqi Omar zurück, der durch Somalia reiste und Frauen in allen Gegenden heiratete“. Wegen ihres religiösen Status haben sie in der Regel privilegierten Zugang zu allen Teilen Somalias (Accord 15.05.2009).

Mehrere Minderheitengruppen mit unterschiedlichem Hintergrund gehören nicht zu den „edlen“ Clans der Mehrheit. Dabei handelt es sich um die ethnischen und religiösen Minderheiten und die Berufskasten. Die ethnischen und religiösen Minderheiten haben im Allgemeinen einen anderen Ursprung und mitunter sogar ihre eigene Sprache. Die größten Gruppen sind Bantu (Jareer), Benadiri, Sheikhal und Ashraf. Die Sheikhal sind Geschlechter mit geerbtem Religionsstatus. Die Minderheitengruppe der Sheikhal beispielsweise besetzt einige der Hawiye-Sitze im somalischen Parlament (EASO August 2014).

Teilweise werden auch die Ashraf und die Sheikhal (Sheikhash) zu den ethnischen Minderheiten gezählt. In kultureller und sprachlicher Hinsicht sind sie aber schwerer von der somalischen Mehrheitsbevölkerung zu unterscheiden. Stattdessen haben sie einen speziellen religiösen Status (u.a. Durchführung von Riten) und spielen traditionell eine wichtige Rolle bei der Konfliktlösung. Beide Gruppen unterhalten Sheegad-Verhältnisse mit verschiedenen Mehrheits- und Minderheitsclans, abhängig von ihrer Region. Manche Sheikhal-Gruppen sind so gut in die Hawiye-Clanfamilie integriert, dass sie Hawiye-Sitze im somalischen Parlament einnehmen (EJPD 31.05.2017).

Die meisten Sheikhal stehen derzeit in einer Verbindung mit dem Hirab-Teil der Hawiye. Dies ist ein interessantes Beispiel dafür, wie ein „schwacher“ Clan politisch seine Clanverbindungen ändern kann, um Einfluss, Schutz und Stärke zu erlangen (Accord 15.05.2009, ARC 25.01.2018).

Es wendeten die Sheikhal, die die Gegend von Mogadischu bis Kismayo/Lower Juba bewohnten, nach dem Bürgerkrieg (1990-1992) zwei Hauptstrategien an, um Einfluss zu erlangen: Einige Sheikhal konzentrierten sich auf die Entwicklung und Dominierung des Bildungssektors in Mogadischu (dies erfolgte vor allem über die gewaltlose islamische Organisation Al-Islah), sowie auf die Bildung einer Schirmgesellschaft für private Bildung namens Formal Private Education Network in Somalia (FPENS). Ein anderer Weg, den Sheikhal wählten, bestand in einem Zusammenschluss mit den Hawiye, d.h. mit General Aideed und der politischen Fraktion der Hawiye im United Somali Congress (USC). Der bereits verstorbene General Liiqliqato, ein Sheikhal, beschreibt in seinem Buch, wie sich die Sheikhal mit den Hawiye (Hirab) unter dem Namen „Martileh Hirab“ (wörtlich: „Gäste der Hirab“) zusammengeschlossen haben. Heute haben die Sheikhal drei von 61 Sitzen der Hawiye im Parlament inne (Accord 15.05.2009).

Ethnische und berufsständische Minderheiten haben die Möglichkeit, sich im Rahmen von Klientelbeziehungen einem Mehrheits-Clan anzuschließen. Diese Beziehungen sind teils derart stabil, dass die betroffenen Gruppen als Teil des Mehrheits-Clans angesehen werden, zumindest in ihren Beziehungen gegen außen. Die von manchen Autoren als Minderheit angesehene Gruppe der Sheikhal hat sogar Parlamentssitze der Hawiye, einer Mehrheits-Clanfamilie, inne (EJDP 31.05.2017).

Die traditionell dominierenden Clans in Mogadischu sind die Abgal-Gruppen und Habr-Gedir-Gruppen (Hawiye). Es gibt auch Murosade (Hawiye) und Minderheiten wie Yibr (Sab) und Sheikhal. Die ursprünglichen Einwohner Mogadischus sind als Reer Hamar bekannt, die laut dem politischen Analysten Joakim Gundel in einem Vortrag über Somalia (2009) „sprachlich und kulturell als Minderheiten angesehen werden können“. Viele von ihnen leben in den alten, historischen Stadtteilen von Mogadischu (EASO Dezember 2017). Teilweise werden auch die Ashraf und die Sheikhal (Sheikhash) zu den ethnischen Minderheiten gezählt. In kultureller und sprachlicher Hinsicht sind sie aber schwerer von der somalischen Mehrheitsbevölkerung zu unterscheiden (Accord 08.01.2018).

(ARC, Asylum Research Consultancy, Situation in South and Central Somalia (including Mogadishu), 25.01.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423361/90_1517484171_2018-01-arc-country-report-on-south-and-central-somalia-incl-mogadishu.pdf

SFH, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia, Präsenz von al-Schabaab und AMISOM in Janaale, Shabelle Hosse (Lower Shabelle); Tunni-Klan, 21.02.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426307/1788_1520588395_2102.pdf

EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

Accord, Bericht, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.05.2009, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zu einem Clan namens Cawramale auch: Awramale, Zahl a-9722, 15.07.2016, http://www.ecoi.net/local_link/327042/467480_de.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Gare (auch: Garre, Gharri), Zahl a-9379-1, 10.11.2015, https://www.ecoi.net/de/dokument/1233621.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Tunni, Zahl a-9200-1, 12.06.2015, https://www.ecoi.net/de/dokument/1023826.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Behandlung von Angehörigen der Ashraf, Zahl a-10438, 08.01.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1423102.html

EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia Länderüberblick, August 2014, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO-COIreport-Somalia_DE.pdf

EASO, Country of Origin Information Report, Somalia, Security situation, Februar 2016, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO-Somalia-Security-Feb2016.pdf

EASO, Country of Origin Information Report, Somalia, Security situation, Dezember 2017, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Somalia_security_situation_2017.pdf

OHCHR, Office of the High Commissioner for Human Rights, Bericht zum Wahlprozess, 13.08.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441115/1226_1534851893_13082018-somalia-report-on-hrv-in-the-electoral-process.pdf

U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf)

Sicherheitslage

Sollten sie Hargeisa oder Berbera besuchen seien sie besonders Wachsam und Achtsam an öffentlichen Orten, an denen sich Menschen versammeln. Verfolgen sie lokale und internationale Medien, um Demonstrationen oder Unruhen zu meiden. Verlassen sie rasch alle Gebiete, in denen es zu Unruhen kommt und versuchen sie nicht diese zu beobachten oder zu fotografieren (U.K. Reisehinweise Stand 15.06.2020).

Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen. Außerordentlich gefährlich ist die Lage in Zentral- und Südsomalia, einschließlich des Großraums Mogadischu, wobei jedoch auch in den anderen Landesteilen wie Puntland (Nordosten) und Somaliland (Norden) mit extremer Unsicherheit, Entführungen sowie Terror- und Selbstmordanschlägen gerechnet werden muss. Im ganzen Land besteht die Gefahr von nicht explodierten Minen und Bomben. Sehr hohe Kriminalität (BMEIA Stand 15.06.2020).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind schwach und weiterhin im Aufbau befindlich. Die Autorität der somalischen Bundesregierung wird unter anderem vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt. Darüber hinaus bestehen politische Spannungen zwischen Mogadischu und den föderalen Gliedstaaten (02.04.2020).

Zwischen November 2019 und Anfang Februar 2020 war die Sicherheitslage weiterhin volatil. Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle stieg von 239 im November 2019 auf 266 im Dezember 2019. Im Jänner 2020 wurden 235 Zwischenfälle verzeichnet. Bei den Zwischenfällen handelte es sich um Angriffe der al-Schabaab auf Sicherheitskräfte, Autobomben, Bomben- und Granatenanschläge sowie kriminelle Taten. In der Region Lower Juba kam es Anfang Februar 2020 zu Kämpfen zwischen Clans mit mindestens 20 Toten. Ende Dezember 2019 wurde ein Friedensabkommen zwischen zwei sich bekämpfenden Subclans in der Region Sanaag geschlossen. In den südlichen und zentralen Landesteilen wurden bei Angriffen der al-Schabaab im März 2020 mindestens 22 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Bei einem Bombenanschlag der al-Schabaab am 25.03.2020 wurden fünf Zivilisten in Lower Juba getötet. In Middle Juba exekutierte die al-Schabaab am 31.03.2020 sechs Zivilisten, die von der Gruppe der Spionage bezichtigt wurden. In Mogadischu griff die al-Schabaab ein UNO-Gelände mit Granaten an. Bei einem Selbstmordanschlag wurden am 25.03.2020 mindestens vier Personen getötet. In Puntland töteten al-Schabaab-Kämpfer zwischen 17. und 29.03.2020 drei örtliche Beamte. Zwischen 08. und 11.01.2020 tötete die al-Schabaab mindestens sechs Zivilisten in Mogadischu. Bei Zusammenstößen zwischen al-Schabaab und Sicherheitskräften und bei Angriffen der
al-Schabaab zwischen 07. und 25.01.2020 wurden in den Regionen Lower Juba, Lower Shabelle und Middle Shabelle mindestens 16 Soldaten und Zivilisten sowie etwa 80 Aufständische getötet. In Hiraan töteten Sicherheitskräfte am 05.03.2020 acht al-Schabaab-Mitglieder. Am 16.03.2020 nahmen Sicherheitskräfte die Stadt Janaale ein. Zwischen 21. und 29.03.2020 töteten die Sicherheitskräfte mindestens 37 Aufständische in den Regionen Lower Juba und Lower Shabelle. Am 02.03.2020 kam es in der Stadt Bula Hawa erneut zu Zusammenstößen zwischen somalischen Truppen und Truppen Jubalands. Berichten zufolge wurden mindestens elf Zivilisten und Kämpfer getötet. Im Februar 2020 kam es nach den Wahlen in der Region Galmudug zur Stationierung von Truppen der somalischen Regierung. Am 04.02.2020 griffen Regierungstruppen die Städte Dolow und Bula Hawa an und nahmen diese ein. Bei Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und Streitkräften Jubalands wurden am 08.02.2020 mindestens zwei Personen getötet. Am 12.02.2020 kam es zudem zu Kampfhandlungen in Kismayo. Am 27. und 28.02.2020 kam es zu Zusammenstößen zwischen Streitkräften der somalischen Regierung und der paramilitärischen Gruppe Ahlu Sunnah Waa-Jama’a (ASWJ). Mindestens 22 Personen wurden getötet. In den südlichen und zentralen Landesteilen wurden zwischen 02. und 27.02.2020 mindestens 34 Soldaten und 61 Aufständische bei Sicherheitsoperationen und al-Schabaab-Angriffen getötet. Zwischen 02. und 28.02.2020 wurden zehn al-Schabaab-Kämpfer bei US-Luftangriffen getötet. Bei US-Luftangriffen wurden zwischen 03. und 27.01.2020 neun al-Schabaab-Mitglieder getötet. In Bosaso töteten Sicherheitskräfte am 06.01.2020 vier mutmaßliche IS-Mitglieder. Am 21.01.2020 erschossen mutmaßliche IS-Mitglieder in Bosaso einen ehemaligen Beamten Accord Sicherheitslage 15.04.2020).

Im ersten Quartal 2020 wurden folgende Konfliktvorfälle registriert:

In Awdal wurde ein Vorfall mit einem Toten erfasst und an folgendem Ortlokalisiert: Borama.

In Bakool wurden sechs Vorfälle mit sechs Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Maarey, Oddur, Oor-Gaa?n, Tayeeglow, Waajid.

In Banaadir wurden 142 Vorfälle mit 94 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Mogadishu, Mogadishu-Bondhere, Mogadishu-Daynile, Mogadishu-Dharkenley, Mogadishu-Hamar Jabjab, Mogadishu-Hawl Wadaag, Mogadishu-Heliwa, Mogadishu-Hodan, Mogadishu-Karan, Mogadishu-Kaxda, Mogadishu-Shangaani, Mogadishu-Wadajir, Mogadishu-Wardhigley, Mogadishu-Yaqshid.

In Bari wurden 33 Vorfälle mit 15 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Af-Urur, Armo, Balli-Khadar, Bosaso, Galgala, Lanta Hawada.

In Bay wurden 47 Vorfälle mit 90 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Baidoa, Berdale, Buulo-Fulay, Buur Xakaba, Daynuunay, Diinsoor, Goof Guduud, Gufguduud Burey, Iska-Darka, Jiiro Mad Sheeg, Korow-Rooge, Kurman, Leego, Mayafulka, Mooda Mooda, Qansax Dheere.

In Galguduud wurden 15 Vorfälle mit 24 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Cabudwaaq, Cadaado, Dhuusamarreeb, Gadoon, Guri-Ceel, Kooshin.

In Gedo wurden 22 Vorfälle mit acht Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Bardera, Belet Xaawo, Ceel Boon, Doolow, Garbahaarey, Luuq.

In Hiiraan wurden 37 Vorfälle mit 54 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Belet Weyne, Bulo Burto, Buqda Caqable, Ceel Cali, Ceel Gaal, El Adde, Farlibaax, Haad Weyn, Halgan, Hawo Tako, Jalalaqsi, Kalabeyr, Musse Geel, Nurhawad, Qabno, Quracley.

In Jubbada Dhexe wurden 15 Vorfälle mit 22 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Berhani, Buaale, Jilib, Kuunyo-Barrow, Saakow.

In Jubbada Hoose wurden 60 Vorfälle mit 131 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Abdale Birole, Abdi-Dhore, Afmadow, Anole, Badhaadhe, Bangeeni, Bar-Sanguun, Beerhani, Bilis Qooqaani, Buulo Gaduud, Buulo Xaaji, Dalsan, Dhobley, Dif, Farjano, Fuma Village, Hosingow, Jamaame, Jana Cabdalle, Kamsuuma, Kismayo, Kolbiyow, Qoqani, Ras Kamboni, Wadajir, Yaaq Shiniile, Yoontoy Yarey.

In Mudug wurden 14 Vorfälle mit 13 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Gaalkacyo, Gaalkacyo North, Galdogob, Garsoor, Horumar, Israac, Laanwaaley.

In Nugaal wurden 12 Vorfälle mit sechs Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Burtinle, Garowe, Laanta Hawada.

In Sanaag wurden sechs Vorfälle mit 14 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Af-Urur, Badhan, Dararweyne, Fadhi Gaab, Hadaaftimo, Laasqoray.

In Shabeellaha Dhexe wurden 64 Vorfälle mit 62 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Adan Yabaal, Balad, Balcad, Biyo Cadde, Burane, Buurane, Buurka Ceele, Cadale, Cali Fool Dheere, Ceel Baraf, Ceel Geelow, Fiidow, Garsaalo, Gololey, Gulane, Horseed, Jowhar, Mahadaay, Qalimow, Sokolwa, Warshiikh, Xaaji-Cali.

In Shabeellaha Hoose wurden 132 Vorfälle mit 210 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Abiikarow, Afgooye, Almada, Awdheegle, Baasra, Bacaw, Balad Amiin, Bali Doogle, Balow, Baraawe, Bariirre, Basra, Bulo Mareer, Buufow Bacaad, Buulo Folyo, Caanoole, Cabdow Dibile, Ceel Salini, Ceelasha Biyaha, Cumar Beerre, Daniga, Embareeso, Garas Barey, Gendershe, Golweyn, Janaale, K50, Laantabuur, Lafoole, Marka, Mashalaay, Mukaiga, Qoryooley, Saabid, Sablaale, Shalaambood, Siinka Dheer, Tortoroow, Wanla Weyne, Warmahan.

In Sool wurden fünf Vorfälle mit zwei Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Boame, Laascaanood, Tuko Raq.

In Togdheer wurden zwei Vorfälle ohne Tote erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Burco, Buuhoodle.

In Woqooyi Galbeed wurden fünf Vorfälle ohne Tote erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Berbera, Hargeysa, Wajaale (Accord 23.06.2020).

Entwicklungen von Konfliktvorfällen zwischen März 2010 und März 2020:

(Accord 23.06.2020).

Am 08.02.2020, 02.03.2020 und 22.04.2020 kam es in Beledxaawo in der Region Gedo nahe der Grenze zwischen Somalia und Kenia zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der somalischen Nationalarmee und Milizionären, die gegenüber dem Sicherheitsminister von Jubbaland, Abdirashid Hassan Abdinur „Janan“, loyal sind. Die Zusammenstöße verschärften die Spannungen zwischen Somalia und Kenia. Herr Farmajo und der Präsident Kenias, Uhuru Kenyatta, unternahmen Schritte zur Deeskalation der Spannungen, unter anderem durch ein Telefongespräch am 05.03.2020, gefolgt von hochrangigen Ministerbesuchen in Mogadischu und Nairobi. Am 23.04.2020 einigten sich der Präsident von Jubbaland, Ahmed Mohamed Islam „Madobe“, mit seinen politischen Gegnern des Jubbaland Council for Change in Nairobi darauf, seine umstrittene Wahl im August 2019 anzuerkennen und eine Koalitionsregierung zu bilden (UNSC 13.05.2020).

ad a) Somalia

In vielen Gebieten der fünf föderalen Gliedstaaten Somalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg. In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es weiterhin zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. Am 14.10.2017 kam es zu einem der verheerendsten Anschläge der Geschichte Somalias mit über 500 Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Ein Lkw brachte eine Sprengladung in einer belebten Kreuzung in Mogadischu zur Detonation. Die al-Schabaab Miliz wird hinter dem Anschlag vermutet, hat sich jedoch nicht offiziell dazu bekannt Seitdem hat es wiederholt Anschläge im Stadtgebiet von Mogadischu gegeben. Ende Dezember kamen bei der Explosion einer Autobombe an einem Checkpoint am Stadtrand von Mogadischu bis zu 100 Personen ums Leben. Auch in anderen Landesteilen kommt es regelmäßig zu Anschlägen, Tötungen und Entführungen durch al-Schabaab (AA 02.04.2020).

Mutmaßliche Kämpfer der islamistischen Terrorgruppe al-Schabaab haben am 12.12.2019 einen Militärstützpunkt 25 Kilometer nördlich der Hauptstadt Mogadischu angegriffen und mindestens sechs Menschen getötet. Nach Regierungsangaben handelt es sich bei den Opfern um zwei Soldaten und vier Zivilisten. Soldaten hätten die Angreifer zurückdrängen können. Wie viele der Extremisten getötet wurden, war zunächst unklar. Al-Schabaab beanspruchte die Tat im Radiosender Al-Andalus für sich. Erst zwei Tage zuvor hatten Kämpfer der Miliz ein Hotel in Mogadischu angegriffen, bei dem mindestens elf Menschen starben (BAMF 16.12.2019).

Bei einem Bombenanschlag in Mogadischu am 28.12.2019 wurden knapp 100 Menschen getötet und Dutzende verletzt (Wiener Zeitung 28.12.2019, update 29.12.2019).

Am 21.12.2019 wurde eine Autobombe vor dem Global Hotel in Galkayo in der Region Mudug gezündet, in dem sich Militärbeamte befanden. Es wird von sechs Toten und zehn Verletzten berichtet. Derartige Angriffe finden in der Hauptstadt der Region Mudug verhältnismäßig selten statt. Keine Gruppe hat die Verantwortung für den Vorfall übernommen, allerdings führt al-Schabaab regelmäßig Angriffe auf Hotels durch. Am 28.12.2019 explodiert eine Autobombe an einem vielbefahrenen Checkpoint in Mogadischu. Etwa 90 Personen sollen getötet und mindestens 125 Personen verletzt worden sein. Viele Betroffene waren Studenten, die nach dem Wochenende in die Stadt zurückkehrten. Die Terrorgruppe al-Schabaab hat die Verantwortung für den Angriff übernommen und verkündet, dass dieser auf einen feindlichen Konvoi der Türken abzielte. Hunderte Personen, inklusive Regierungsvertretern, versammelten sich am 02.01.2020 in Mogadischu, um Solidarität mit den Opfern und Angehörigen zu zeigen. Der Angriff ist der größte in Mogadischu seit dem Lastwagenangriff in 2017, bei dem mehrere hundert Personen getötet worden waren. Am 08.01.2020 explodierte eine Autobombe der al-Schabaab bei einem Checkpoint in der Nähe des Präsidentenpalastes und anderer wichtiger Regierungsgebäude in Mogadischu. Mehrere Personen wurden getötet oder verletzt - darunter auch zwei Regierungsvertreter (BAMF 13.01.2020)

Mindestens drei somalische Soldaten wurden getötet und zwei weitere verletzt, als am 14.01.2020 eine Bombe in der Nähe von Elasha Biyaha, am Rande von Mogadischu, explodierte. Al-Schabaab übernahm die Verantwortung für den Angriff und teilte mit, dass er auf türkische Arbeiter in Somalia abzielte. Es wurden keine türkischen Opfer gemeldet. Am 18.01.2020 griff ein Selbstmordattentäter der al-Schabaab türkische Arbeiter auf einer Baustelle an einer Straße bei Afgoye (30 Kilometer von Mogadischu entfernt) an. Die meisten Opfer waren somalische Polizisten, die für die Sicherheit der türkischen Arbeiter sorgten, aber auch türkische Staatsangehörige befanden sich unter den Todesopfern. Insgesamt wurden vier Tote und viele weitere Verletzte gemeldet (BAMF 20.01.2020).

Der ehemalige Sicherheitsminister von Jubbaland, Abdirashid Hassan Abdinur (auch bekannt als Abdirashid Janan), wurde am 31.08.2019 wegen Verbrechen gegen das Völkerrecht und anderen Menschenrechtsverletzungen, u.a. die Tötung von Zivilisten und die Behinderung humanitärer Hilfe, verhaftet. Am 28.01.2020 entkam er aus der Haft und soll anschließend nach Kenia geflohen sein. Am 04.02.2020 kehrte er aus Nairobi in seinen Heimatort in Jubbaland zurück. Amnesty International (ai) hat die kenianische Regierung aufgefordert Abdirashid zu verhaften und zur Strafverfolgung nach Somalia zurückzubringen. Abdirashid genießt die Unterstützung der regionalen Behörden in Jubbaland, die mit der somalischen Zentralregierung im Konflikt steht. Zusammenstöße zwischen Clans im Süden des Landes Berichten vom 04.02.2020 zufolge wurden bei Zusammenstößen zwischen zwei Clans am Rande von Kismayo in der Region Lower Jubba mindestens 20 Menschen getötet und weitere 20 verletzt. Die Regierung von Jubbaland habe versucht, die Kämpfe um Landressourcen zu beenden, sei aber bisher erfolglos geblieben (BAMF 10.02.2020).

Am 19.02.2020 soll al-Schabaab zwei Militärstutzpunkte in der Region Lower Shabelle angegriffen haben. Bei einem Angriff stürmten die al-Schabaab die el-Salini-Militärbasis und besetzten sie kurzzeitig, wobei sie Waffen und Fahrzeuge erbeuteten. Der zweite Angriff fand auf einem Militärstützpunkt in der Stadt Qoryoley statt, wo somalische und ugandische AMISOM-Soldaten stationiert sind. Eine unbekannte Anzahl an Soldaten wurde getötet (BAMF 24.02.2020).

Am 29.02.2020 soll sich die Milizgruppe Ahlu Sunnah Wal Jama’a (ASWJ) nach zweitägigen Zusammenstößen in den Städten Dhusamareb und Guriel (Region Galguduud) der somalischen Regierung ergeben haben. Mehrere Menschen sollen getötet worden sein. ASWJ spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen al-Schabaab und sollte in die staatlichen Sicherheitskräfte integriert werden. Die Präsidentschaftswahlen in Galmudug State Anfang 2020 haben allerdings zu Spannungen geführt, da drei rivalisierende Politiker von sich behaupteten, die Wahl gewonnen zu haben, darunter auch ein Vertreter der ASWJ. Mit der Kapitulation gab die ASWJ jedoch auch ihre politischen Bestrebungen auf (BAMF 02.03.2020).

Seit dem 02.03.2020 kämpfen in der Region Gedo Einheiten der Somali National Army (SNA) und der regionalen Jubbaland-Kräfte gegeneinander. Die Kämpfe fanden zunächst rund um die Grenzstadt Bula Hawo in Somalia statt, haben sich aber auch auf die Stadt Mandera auf der kenianischen Seite der Grenze ausgebreitet. Tausende von Familien wurden zur Flucht aus dem Gebiet gezwungen. Die SNA will angeblich den ehemaligen Sicherheitsminister von Jubbaland, Abdirashid Hassan Abdinur, gefangen nehmen. Abdirashid wurde im August 2019 von der somalischen Regierung verhaftet, entkam aber am 28.01.2020 aus einem Gefängnis in Mogadischu. Am 04.02.2020 kehrte er nach Jubbaland zurück. Ein Beamter des regionalen Gerichts wurde am 03.03.2020 in der Hauptstadt der Region Sool in Somaliland, Las Anod, durch eine Autobombe getötet. Es ist nicht klar, wer hinter dem Anschlag stand. Solche Angriffe kommen in der Region relativ selten vor. Berichten zufolge wurden durch die Explosion einer Bombe am 01.03.2020 vier Regierungssoldaten getötet und viele weitere verletzt. Die Soldaten waren mit einem Militärkonvoi auf der Straße zwischen Wanlaweyn und Afgoye unterwegs. Für den Anschlag soll al-Schabaab verantwortlich sein. Am 01.03.2020 schoss al-Schabaab mit Mörsern in die stark befestigte sogenannte „Green Zone" in Mogadischu. Der Angriff zielte auf ein Gebiet, in dem sich Liegenschaften der UN und der Afrikanischen Union (AU) sowie mehrere westliche Botschaften befinden. Die „Green Zone“ gilt als eines der wenigen sicheren Gebiete in der Stadt und umfasst die Niederlassungen von humanitären und diplomatischen Organisationen sowie den internationalen Flughafen von Mogadischu. Es wurden keine Todesopfer gemeldet. Zuletzt wurde im November 2019 die somalisch-kanadische Menschenrechtsaktivistin Almaas Elman in der „Green Zone“ erschossen (BAMF 09.03.2020).

Truppen der Somali National Army (SNA) und AMISOM haben am 16.03.2020 die Stadt Janaale in der Region Lower Shabelle von al-Schabaab zurückerobert. AFRICOM führte zur Unterstützung der Operation Luftangriffe durch. Al-Schabaab hatte Janaale seit 2015 kontrolliert (BAMF 23.03.2020).

Am 25.03.2020 wurden der Gouverneur von Ras Kamboni, sein Fahrer und drei seiner Leibwächter bei einer Landminenexplosion in der Nähe von Ras Kamboni in der Region Lower Juba getötet. Al-Schabaab bekannte sich zu dem Angriff und teilte mit, dass sie auf die kenianischen Verteidigungskräfte zielten, die zusammen mit dem Gouverneur unterwegs waren. Am 29.03.2020 starb der Gouverneur der Region Nugaal nach einem Selbstmordanschlag der al-Schabaab. Der Angriff erfolgte auf eine Polizeistation. Selbstmordattentäter greifen Geschäft an. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am 25.03.2020 in einem Teeladen in der Nähe des Parlaments in Mogadischu in die Luft. Dabei wurden mehrere Menschen getötet und verwundet, darunter auch Zivilisten. Die
al-Schabaab übernahm die Verantwortung für den Angriff und erklärte, dass Ziel die Streitkräfte der Somali National Army gewesen seien, die das Parlament bewachen. Der Polizeichef des Bezirks Afgoye und drei seiner Leibwächter wurden am 22.03.2020 bei einer Bombenexplosion in Hawa Abdi in der Nähe von Afgoye getötet. Niemand hatte unmittelbar nach dem Anschlag die Verantwortung übernommen (BAMF 30.03.2020).

Das US-Afrika-Kommando (AFRICOM) führte am 06., 09. und 10.04.2020 Luftangriffe auf
al-Schabaab in der Region Middle Juba durch. Al-Schabaab-nahe Medien berichteten, dass es sich bei der am 10.04.2020 getöteten Person um einen Zivilisten handelte, was von AFRICOM aber bestritten wird. AFRICOM erklärte, dass der Toten unmittelbar vor dem Luftangriff die ermordeten Leichen von Soldaten der Somali National Army (SNA) in einem Dorf zur Schau stellte, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Am 14.04.2020 explodierte in Mogadischu eine gegen Soldaten der SNA gerichtete Landmine, vier Zivilisten wurden dabei verletzt. Offiziell bekannte sich niemand zu dem Angriff. Es ist jedoch bekannt, dass al-Schabaab regelmäßig Angriffe auf Soldaten der SNA durchführt. Al-Schabaab tötete am 10.04.2020 vor einer Moschee in Galkayo (Region Mudug) einen Beamten. Bei einer weiteren Landminenexplosion in der Stadt Awdheegle (Region Lower Shabelle) wurden am 09.04.2020 vier Zivilisten getötet und zwei weitere verletzt. Auch in diesem Fall hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Die dem IS angegliederte Gruppe in Somalia gab an, am 07.04.2020 in der Nähe des Bakara-Marktes in Mogadischu zwei Polizisten getötet und einen verletzt zu haben (BAMF 20.04.2020).

Nach Angaben verschiedener Quellen wurden am 24.04.2020 im Distrikt Bondhere in Mogadischu ein oder zwei Zivilisten von einem Polizisten erschossen, der die Einhaltung der Ausgangssperre (wegen der COVID-19 Pandemie) durchsetzen wollte. Berichten zufolge wurde der Polizeibeamte verhaftet, dennoch gab es am 25.04.2020 in Mogadischu große Proteste gegen Polizeigewalt (BAMF 27.04.2020).

Berichten zufolge hat al-Schabaab am 28.04.2020 in der Stadt El Bur, Region Galguduud, drei Männer öffentlich hingerichtet. Den Männern wurde vorgeworfen, für westliche Geheimdienste spioniert zu haben. In einem neuen Bericht zur Bewertung der zivilen Todesfälle durch amerikanische Luftangriffe, der nun vierteljährlich erscheinen soll, gesteht das Afrikanische Kommando der Vereinigten Staaten (US AFRICOM) ein, dass im Februar 2019 bei einem Luftangriff Zivilisten getötet und verletzt worden sind. Die Ziele des Luftangriffes – zwei al-Schabaab-Mitglieder – wurden dabei ebenfalls getötet. AFRICOM wurde in der Vergangenheit beschuldigt, Zivilisten bei Luftangriffen getötet zu haben. Dies ist erst das zweite Mal, dass solche Anschuldigungen offiziell bestätigt werden (BAMF 04.05.2020).

Ein in kenianischem Besitz befindliches African-Express-Flugzeug mit humanitären und medizinischen Hilfsgütern wurde am 04.05.2020 in Bardale, Region Bay in Somalia, abgeschossen. Die sechs Menschen an Bord wurden getötet. Das äthiopische Militär gab am 09.05.2020 zu, dass sie das Flugzeug abgeschossen haben. Sie erklärten, man habe geglaubt, es befinde sich auf einer „potentiellen Selbstmordmission“, da keine Informationen über das Flugzeug vorlagen und es im Tiefflug flog. Äthiopischen Truppen sind in einem Militärlager in Bardale stationiert. Am 03.05.20 soll Al-Schabaab einen Mann im Distrikt Adan Yabal, Region Middle Shabelle, öffentlich hingerichtet haben. Der Mann wurde der Spionage für die US Central Intelligence Agency (CIA) und das Militär beschuldigt (BAMF 11.05.2020).

Bei einem Selbstmordanschlag der al-Schabaab wurde am 17.05.2020 der Gouverneur der Region Mudug in Puntland, Ahmed Muse Nur und drei seiner Leibwächter in Galkayo getötet. Bereits im März 2020 war der Gouverneur der Region Nugal in Puntland bei einem Selbstmordanschlag der al-Schabaab getötet worden (BAMF 18.05.2020).

Mehrere Menschen, darunter auch Kinder, wurden am 24.05.2020 getötet und verletzt, als in Baidoa eine Bombe explodierte. Die Explosion soll sich auf einem Feld in der Nähe eines Lagers für Binnenvertriebene ereignet haben, die das Ende des Fastenmonats Ramadan mit traditionellen Tänzen feierten. Es wird vermutet, dass al-Schabaab hinter dem Anschlag steht (BAMF 25.05.2020).

Mindestens zehn Menschen wurden getötet und zwölf verletzt, als am 31.05.2020 eine Landmine auf der Straße zwischen Mogadischu und Afgoye explodierte. Die Opfer befanden sich Berichten zufolge in einem Kleinbus auf dem Weg zu einer Beerdigung. Es ist nicht klar, wer hinter dem Anschlag steht. Am 28.05.2020 explodierte in Mogadischu in einem Auto eine Bombe, zwei Polizeibeamte wurden dabei getötet. Al-Schabaab erklärte sich als verantwortlich (BAMF 08.06.2020).

Bei einer Bombenexplosion in der Stadt Baidoa [Anmerkung: in der Region Bai, in Südwestsomalia], wurden sechs Menschen in einem Restaurant getötet. In der Nähe des Hafens der Hauptstadt Mogadischu, in Zentralsomalia, gab es einen Selbstmordanschlag, bei dem mindestens sieben Menschen verletzt wurden. Die Polizei teilte BBC mit, dass Beamte in Mogadischu das Feuer auf ein Fahrzeug eröffneten, nachdem es an einem Kontrollpunkt nicht angehalten hatte. Der Selbstmordattentäter, der das Auto fuhr, soll versucht haben, einen Polizeiposten vor dem Hafen zu treffen, aber die Sicherheitskräfte erschossen ihn und das Fahrzeug explodierte. Zwei Polizisten und fünf Passanten wurden verletzt. Al-Schabaab bekannte sich zu beiden Anschlägen (BBC 04.07.2020).

(BMEIA, Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten Somalia (Bundesrepublik Somalia), unverändert gültig seit 08.05.2020, Stand 15.06.2020, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/somalia

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 16.12.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2022112/briefingnotes-kw51-2019.pdf

Wiener Zeitung, Knapp 100 Tote bei Bombenanschlag in Mogadischu, 28.12.2019, update 29.12.2019, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2044269-Schwerer-Bombenanschlag-in-Mogadischu.html

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 13.01.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025539/briefingnotes-kw03-2020.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 20.01.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025544/briefingnotes-kw04-2020.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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