TE Vwgh Beschluss 1997/10/23 97/18/0476

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Veröffentlicht am 23.10.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/18/0477

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über den Antrag des C in Linz, vertreten durch Dr. Johann Rathbauer, Rechtsanwalt in Linz, Weißenwolffstraße 1, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist sowie über die unter einem erhobene Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. Mai 1997, Zl. St 572/76, betreffend Ausweisung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 1 FrG aus Österreich ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 9. Juli 1997 persönlich übernommen und ihm damit an diesem Tag zugestellt; die Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde endete somit am 20. August 1997.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 28. August 1997 zur Post gegebene Beschwerde, mit der ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde verbunden ist.

Der Beschwerdeführer begründet diesen Antrag im wesentlichen wie folgt: Der angefochtene Bescheid sei von ihm zwar am 9. Juli 1997 persönlich übernommen worden, dies habe sich jedoch erst im nachhinein für ihn in dieser Form dargestellt. Ursprünglich sei er davon ausgegangen, daß er am 14. Juli 1997 den gegenständlichen Bescheid zugestellt erhalten habe. Er habe sich persönlich ab diesem vermeintlichen Zustelltag die sechswöchige Beschwerdefrist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde in Vormerk genommen.

Bei einem Spaziergang habe er am 15. August 1997 seinen einzigen Wohnungsschlüssel aus seiner Jackentasche, die ein Loch gehabt habe, verloren. Er habe in der Folge zum Zwecke der Auffindung des verlorengegangenen Schlüssels mehrmals das zuständige Fundamt aufgesucht, dies jedoch ohne Ergebnis, weshalb er nicht in seine Wohnung zur Behebung des dort befindlichen Bescheides gelangen habe können. Da der Vermieter seiner Wohnung gegen ihn gerichtlich vorgegangen sei, habe er von diesem die Herausgabe eines weiteren, allenfalls vorhandenen Wohnungsschlüssels nicht gefordert. Er habe stattdessen seit dem Zeitpunkt des Verlustes des Schlüssels am 15. August 1997 in der Wohnung seiner Lebensgefährtin genächtigt.

Am 22. August 1997 sei er schließlich bei seinem Anwalt erschienen, welcher unter gleichzeitiger Vollmachtsbekanntgabe per Telefax eine Übersendung des gegenständlichen Ausweisungsbescheides in Kopie bei der Erstbehörde beantragt habe. Diese habe dem Vertreter des Beschwerdeführers per Telefax vom 22. August 1997 bekanntgegeben, daß eine persönliche Übernahme des gegenständlichen Bescheides am 9. Juli 1997 erfolgt sei. Durch diese Mitteilung sei dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter erstmals bewußt geworden, daß er die Sechs-Wochen-Frist zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde versäumt habe.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat erwogen:

3.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw. sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben.

Weiters ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Februar 1992, Zlen. 88/13/0175; 89/13/0090).

3.2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist schon deshalb nicht zielführend, weil dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe zwar den angefochtenen Bescheid persönlich am 9. Juli 1997 übernommen, sei aber dessen ungeachtet davon ausgegangen, daß ihm dieser Bescheid erst am 14. Juli 1997 zugestellt worden wäre, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegensteht, wonach ein Irrtum über den Zeitpunkt des Einlangens eines anzufechtenden Bescheides kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluß vom 21. November 1996, Zl. 96/07/0193, mwH).

Darüber hinaus sei angemerkt, daß das oben näher angeführte Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich des Verlustes seines Wohnungsschlüssels am 15. August 1997 nicht geeignet ist, das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses, an dem den Antragsteller lediglich im minderen Grad des Versehens trifft, darzutun.

Zum einen hätte es dem Beschwerdeführer oblegen, durch geeignete Maßnahmen - wie etwa durch einen Vermerk des tatsächlichen Zustelldatums auf dem übernommenen Bescheid oder durch kurze Rückfrage beim zuständigen Postamt - das Zustelldatum dieses Bescheides in Evidenz zu halten, um eine allfällige Fristversäumung betreffend die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hintanzuhalten (vgl. den bereits zitierten Beschluß vom 21. November 1996). Der Wiedereinsetzungsantrag enthält zum anderen kein konkretes Vorbringen darüber, welches die Prüfung, ob für den behaupteten Irrtum des Beschwerdeführers nur ein minderer Grad des Versehens ausschlaggebend gewesen wäre, ermöglichen würde, da der Antragsteller in keiner Weise dartut, wie es zu dem von ihm behaupteten Irrtum überhaupt kommen konnte.

Schließlich ließen auch die vom Beschwerdeführer seinem Vorbringen nach gesetzten Schritte, um die Beschwerdefrist zu wahren, das Vorliegen eines nur minderen Grades des Versehens nicht erkennen: So wäre es dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar gewesen, sich unmittelbar nach Verlust des Wohnungsschlüssels selbst an die Behörde zwecks Ausfolgung einer weiteren Bescheidausfertigung (und Mitteilung des Zustelldatums) zu wenden; auch hätte er zumindest den Versuch unternehmen können, von seinem Vermieter eventuell einen Zweitschlüssel zu bekommen; weiters läßt sich dem Wiedereinsetzungsantrag auch kein Hinweis dafür entnehmen, daß einer Inanspruchnahme eines Schlüsseldienstes durch den Beschwerdeführer ein Hindernis entgegengestanden wäre.

Dem Antragsteller ist somit vorliegend ein Versehen zuzurechnen, das nicht minderen Grades ist.

3.3. Vor dem Hintergrund des Gesagten war dem Wiedereinsetzungsantrag daher nicht stattzugeben.

3.4. Bei diesem Ergebnis war die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag - gleichgültig, ob man nun von einer Zustellung des angefochtenen Bescheides am 9. Juli 1997 oder - wie vom Beschwerdeführer irrtümlich angenommen - am 14. Juli 1997 ausgeht - eingebrachte Beschwerde des Antragstellers gegen den eingangs genannten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen, weil die Beschwerde jedenfalls erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG eingebracht worden ist.

3.5. Vor diesem Hintergrund erübrigte sich auch ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180476.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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