Entscheidungsdatum
13.07.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W166 2179244-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.06.2020 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 26.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.04.2016 führte der Beschwerdeführer aus, er sei am XXXX in XXXX , Afghanistan geboren worden, schiitischer Hazara, habe fünf Jahre die Grundschule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Muttersprache sei Dari. Seine Eltern und seine drei Schwestern würden im Iran leben. Vor zirka vier Jahren habe er Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen und sei in den Iran gegangen. Dort würden die Afghanen schlecht behandelt werden. Er habe vor zirka zwei Monaten den Iran verlassen.
Am 09.05.2016 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher er äußerte, dass sein Geburtsdatum und sein Name bei der Erstbefragung falsch aufgenommen worden seien. Er habe den Dolmetscher und auch den Polizisten darauf aufmerksam gemacht und seien seine Angaben bloß händisch ausgebessert worden. Auf seiner Karte würden noch immer die falschen Daten stehen. Er heiße mit Vornamen XXXX und mit Nachnamen XXXX und er sei am XXXX geboren.
Der Beschwerdeführer wurde am 09.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern aus Afghanistan ausgereist sei und dann 20 Jahre im Iran gelebt habe. Anfänglich hätten sie Dokumente gehabt, die dann nicht mehr verlängert worden seien. Er habe ein Jahr eine Schule gemacht und sei vier Jahre in eine afghanische Schule gegangen. In Afghanistan habe er niemanden mehr. Alle Verwandten würden im Iran leben. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Aus welchen Gründen er mit seinen Eltern damals Afghanistan verlassen habe, wisse er nicht genau. Seine Eltern hätten ihm gesagt, dass es wegen der vielen Kriege und der Taliban gewesen sei. Aus seiner Familie sei niemand persönlich von den Taliban bedroht worden. Wegen der Unsicherheit im Land hätten sie dort nicht mehr bleiben können. Sein Vater arbeite im Iran in einem Blumengeschäft. In Österreich wolle der Beschwerdeführer eine Ausbildung zum Schweißer machen und kein Geld mehr vom Staat bekommen.
Zum Beweis legte der Beschwerdeführer eine iranische Schulbesuchsbestätigung in fremder Sprache vor.
Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 20.11.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AyslG2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer bezogen auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan keine Gründe für eine Verfolgung oder Bedrohung vorgebracht habe. Eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sei ihm, insbesondere aufgrund des Umstandes, dass er im Iran, einem für ihn damals völlig fremden Land, über 10 Jahre lang als Hilfsarbeiter seinen Lebensunterhalt verdient habe, möglich. Er sei nach wie vor arbeitsfähig und gesund und sei davon auszugehen, dass er im Fall einer Rückkehr an jedem beliebigen Ort, wie beispielsweise Kabul oder in eine andere als sicher eingestufte Provinz, seinen Lebensunterhalt sichern werde können, auch wenn er in seinem Herkunftsland keine familiären Anbindungen mehr habe. Darüber hinaus könne er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und bestehe die Möglichkeit, dass ihn seine im Iran aufhältigen Verwandten finanziell unterstützen. Im Ergebnis hätten sich in einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der aktuellen Lage in Afghanistan keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, dass eine Rückführung nach Afghanistan nicht möglich wäre. Ein Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich habe nicht festgestellt werden können. Auch weise er kein schützenswertes Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK auf.
Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des Vereins für Menschenrechte Österreich in vollem Umfang vom 04.12.2017, worin im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seine Heimat verlassen habe und daher Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Kabul sei immer wieder Ziel von Anschlägen, weshalb diese Stadt als Rückkehrort nicht in Frage käme. Die Taliban würden auch in Großstädten wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif Angriffe verüben. Verwiesen wurde auf einen Medienbericht betreffend Kriegsverletzungen in Afghanistan. Die Versorgungslage in Afghanistan sei schlecht. Weil der Beschwerdeführer keinerlei Bezugspunkte in Afghanistan hätte, würde er in eine ausweglose Lage geraten und sei dies von der belangten Behörde nicht ausreichend überprüft worden. Zu seinem Geburtsdatum wolle er festhalten, dass sich auch aus der vorgelegten Schulbesuchsbestätigung aus dem Iran sein Geburtsdatum mit XXXX ergebe. Es sei für ihn unverständlich, wieso ihn die belangte Behörde 10 Jahre älter gemacht habe. Er bitte um Berichtigung. In der Zwischenzeit habe sich in XXXX eine Arbeitsgelegenheit in einem Altersheim ergeben. Weiters besuche er drei Mal wöchentlich für jeweils zwei Stunden einen privat organisierten Deutschunterricht.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 11.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Eingabe vom 14.12.2017 langte eine Arbeitsbestätigung des XXXX (Pflegeheim) vom 07.12.2017 über die Absolvierung von drei Wochenstunden gemeinnütziger Arbeit sowie eine Deutschkursbestätigung vom 11.12.2017 ein.
Am 27.01.2020 einlangend beim Bundesverwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer einen Taufschein vor, wonach er am 24.11.2019 in einer Pfarre in XXXX getauft worden sei. Beiliegend war ein Schreiben seiner Taufpatin XXXX .
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2020 wurden der BF, vertreten durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, das BFA, ein Dolmetscher für die Sprache Dari/Farsi sowie die Zeugen XXXX (Pfarrer) und XXXX (Taufpatin) als Zeugen zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.03.2020 geladen.
Mit einer weiteren Eingabe vom 24.02.2020 legte der Beschwerdeführer eine Schulbesuchsbestätigung des Schuljahres 2019/20 vom 07.02.2020, eine Semesterinformation des Schuljahres 2018/19 vom 08.02.2019, eine Schulbesuchsbestätigung des Schuljahres 2018/19 vom 28.06.2019, eine Teilnahmebestätigung eines Deutschkurses vom 27.04.2017, eine Teilnahmebestätigung eines Werte- und Orientierungskurses vom 25.08.2017, ein Zertifikat über die bestandene Deutschprüfung A1 vom 25.04.2018 sowie ein Zertifikat über die Teilnahme am Ferienkurs „Lernen im Sommer 2019“ vor.
Am 28.02.2020 wurde der Antrag gestellt, Herrn XXXX (Klassenvorstand und Ethiklehrer des Beschwerdeführers) zur mündlichen Verhandlung als Zeugen zum Beweis für die religiöse Entwicklung und innere Einstellung des Beschwerdeführers zu laden.
Mit Schreiben vom 03.03.2020 wurde der beantragte Zeuge XXXX (Klassenvorstand und Ethiklehrer) zur Verhandlung am 26.03.2020 geladen.
Mit Verfügung vom 17.03.2020 wurde die für den 26.03.2020 geplante Verhandlung auf Grund der Covid-19 Situation abberaumt und mit Schreiben vom 08.05.2020 eine Verhandlung für den 23.06.2020 anberaumt.
Am 16.06.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, mit welcher weitere Dokumente vorgelegt wurden. In seiner Stellungnahme verwies er auf Länderberichte von UNHCR, wonach Kabul als interne Schutzalternative nicht mehr in Betracht komme, sowie auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 und vom 12.10.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif. Des Weiteren wurde auf die Rechtsprechung des VwGH vom 28.08.2019, Ra 2018/14/0308, zu außerhalb von Afghanistan geborene oder lange Zeit im Ausland lebende Afghanen verwiesen. Schließlich machte der Beschwerdeführer seine Konversion zum Christentum als Nachfluchtgrund geltend und wies in diesem Zusammenhang auf das Länderinformationsblatt hin, wonach zum Christentum konvertierte Muslime in Afghanistan einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt seien.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.06.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in welcher der BF sowie die geladenen Zeugen ausführlich befragt wurden. Die belangte Behörde entschuldigte sich nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können.
Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung befragt über seine Religionszugehörigkeit an, dass seine Religion der Islam war, jetzt sei es aber das Christentum. Befragt dazu, wie er zum Christentum gekommen sei, führte er aus, dass ihm in Österreich sehr viel geholfen worden sei. Er sei liebevoll behandelt worden. Im Iran habe er gehört, dass die Menschen in Europa schlecht seien, er habe hier aber gesehen, dass es nicht so sei. Deshalb sei er Christ geworden, denn die Menschen, die ihn gut behandelt hätten seien auch Christen. Ein afghanischer Freund, der schon längst Christ gewesen sei, habe ihn Anfang 2018 in XXXX mit in die Kirche genommen. Der Beschwerdeführer selbst sei nie religiös gewesen und habe nicht regelmäßig gebetet. Zurück im Dorf in Burgenland habe er sich christliche Filme auf YouTube angesehen. Er sei Christ geworden, weil er sehr viel Liebe gespürt habe. Jesus sei in seinem Herzen. Er wolle hierbleiben und arbeiten, als Christ und normal als Mensch leben. Er glaube an Jesus, weil er Sohn Gottes sei. Jesus habe gesagt, wer an ihn glaube, der werde gerettet und ewig leben. Seine Lehrerin namens XXXX habe ihm eine Bibel gegeben, welche er gelesen habe. Er habe gesehen, dass das alles der Wahrheit entspreche. XXXX habe mit ihm Deutsch gelernt, er habe sie um eine Bibel gebeten. XXXX sei auch in der Kirche aktiv, jeder dort mache etwas in der Kirche. Er habe auch bei Veranstaltungen geholfen. Er besuche einmal wöchentlich die Kirche und helfe beim Pfarrfest aus. Er habe von September 2018 bis November 2019 einen Taufvorbereitungskurs besucht. Jeden Dienstagnachmittag hätten sie sich getroffen und auf Deutsch miteinander gesprochen. Seitdem er Christ sei, sei er nicht mehr böse. Früher habe er mit seinem Freund gestritten, das mache er jetzt nicht mehr. Er sei sich sicher, dass er ewig mit Jesus Christus leben könne. Nach Afghanistan könne er nicht mehr zurückkehren. Sie würden ihn lebendig verbrennen. So seien die Gesetze im Islam, wer Christ wird, werde getötet. Es gäbe Fotos von der Taufe, die auf Facebook seien. Viele würden wissen, dass er Christ sei. Seine Freunde, die er von hier kenne und die abgeschoben worden seien, hätten keinen Kontakt mehr mit ihm, weil er Christ sei.
Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, die Deutschprüfungen A1 und A2 abgelegt zu haben und gerade B1 zu machen. Er gehe seit 2018 bis heute in die „ XXXX “. Heuer sei das letzte Jahr, das er noch die Schule besuchen dürfe, für danach habe er Arbeit gefunden. Er könne in einem Garten arbeiten. Er wolle dann eine Lehre als Schweißer machen, weil er im Iran acht Monate lang gearbeitet habe.
Der Zeuge XXXX ist der Klassenvorstand des Beschwerdeführers und gab in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen an, dass der Beschwerdeführer sich sehr fürs Christentum interessiere. Er habe viele Fragen gestellt. Im Zuge der Taufvorbereitung habe er viele Unterlagen bekommen und dazu auch sehr viel gefragt. Er habe bei ihm gespürt, wie er es verinnerlicht habe und sei überzeugt, dass es bei ihm am tiefsten gegangen sei. Neben ihm habe es fünf weitere aus seiner Klasse gegeben, die konvertiert seien. Der Beschwerdeführer habe es aber am meisten verinnerlicht. Dem Beschwerdeführer sei es nicht schnell genug gegangen alles zu erfahren, er habe nach einer Bibel in seiner Muttersprache gefragt. Der Beschwerdeführer habe ihm gegenüber geäußert, dass ihn Jesus im Vergleich zum Islam mit seiner Botschaft angesprochen habe. Sie hätten Mohammed und Jesus verglichen. Er habe sich intensiv damit auseinandergesetzt. So lange wie die Schule gegangen sei, hätten sie über das Kirchenjahr und die Feste gesprochen. Er könne jedoch nicht sagen, ob der Beschwerdeführer selbst etwas bezüglich seiner Konversion unternommen habe, bevor er den Zeugen getroffen habe.
Die Zeugin XXXX ist die Taufpatin des Beschwerdeführers und gab in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen befragt zur Konversion des Beschwerdeführers an, dass sie ihn im Zuge ihres Deutschunterrichtes kennen gelernt habe. Sie habe ihm Unterlagen gegeben, damit er alleine Deutsch lernen könne, da sie für ihn nicht zuständig gewesen sei. Er sei ihr mit seinem besonderen Ehrgeiz aufgefallen. Vier Burschen, darunter der Beschwerdeführer, hätten sich zusammengefunden und hätten gemeint, sie würden gerne Christen werden. Sie habe das am Anfang nicht ernst genommen und habe zu ihnen gesagt, dass sie ihr als Muslime genauso recht wären. Sie hätte sie dann aufschreiben lassen, weshalb sie Christen werden wollen und habe sie der Beschwerdeführer besonders beeindruckt, indem er notierte, dass der christliche Gott verzeihen könne. Das Verzeihen der Fehler und der Sünden habe sie besonders berührt. Die Zeugin würde sich nicht als jemand bezeichnen, der andere bekehren wolle. Der Beschwerdeführer gehe regelmäßig, jede Woche, in die Kirche. Auch in der Coronazeit sei er gekommen. Am Ostermontag habe er eine Kerze angezündet. Er habe jede Messe, die es zu den Weihnachtsfeiertagen gegeben habe, besucht. Der Beschwerdeführer sei von denen die konvertiert seien, der Fleißigste gewesen, daher sei sie auch seine Taufpatin. Er trage sein silbernes Kreuz, das sie ihm organisiert habe, immer bei sich. Die Zeugin habe damals den Stadtpfarrer gefragt, ob er die Burschen unterrichte und ob er glaube, dass sie es ernst meinen würden. Er habe ihr dann eine Woche vor seinem Tod gesagt, dass er glücklich gewesen sei, es gemacht zu haben, es seien sehr wissbegierige Schüler gewesen. Sie hätten bei seinem Begräbnis den Hirtenstab getragen.
Der Zeuge XXXX ist Kaplan von XXXX und war bei der Taufe des Beschwerdeführers anwesend. Er schilderte in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen, dass er den Beschwerdeführer 2017 im Deutschunterricht kennen gelernt habe, da er selbst sein Deutsch verbessern habe wollen. Der Beschwerdeführer habe ihn gefragt, wie man ein Christ werden könne und gesagt, dass er konvertieren wolle. Der Zeuge habe nach dem Tod des Stadtpfarrers den Taufvorbereitungskurs ab Februar 2019 weitergeführt. Am 24.11.2019 sei die Tauffeier des Beschwerdeführers gewesen und würden sie sich auch jetzt noch jeden Sonntag in der Kirche treffen. Der Beschwerdeführer gehe zudem jeden Samstag zur Vorabendmesse. Er bewundere seine Überzeugung. Der Beschwerdeführer stelle sehr viele Fragen.
In der mündlichen Verhandlung zu den Länderfeststellungen befragt gab der Beschwerdeführervertreter an, auf seine Stellungnahme vom 16.06.2020 verweisen zu wollen.
In einer Eingabe vom 01.07.2020 schilderte die Zeugin XXXX ergänzend, dass der Beschwerdeführer in Österreich Zugang zu einer anderen Religion gefunden habe. Er habe dies zunächst durch Beobachtung seiner Umgebung, Nachfragen bei Freunden und Recherchen im Internet getan und erst als er sich sicher gewesen sei der neuen Religion beitreten zu wollen, sich an vertraute Personen gewandt, damit diese ihm helfen. Sie habe schon vorher beobachtet, dass er in seinem Quartier nicht regelmäßig gebetet habe und habe gedacht, es liege daran, dass er Schiit sei und die anderen Sunniten. Nach der Anmeldung zum Taufunterricht habe sich sein Verhalten geändert. Er sei aufgeschlossener geworden und habe eifrig die Kirche besucht. Er habe die Gebete gelernt, die Bibel gelesen, aktiv an der Messe teilgenommen und versucht mitzubeten und zu singen. Seit seiner Taufe, Firmung und Erstkommunion, welche für ihn und seine drei Mittäuflinge beim Sonntagsgottesdienst nach einem Jahr Vorbereitung ein berührender Höhepunkt gewesen sei, habe sein Eifer nicht nachgelassen, sondern eher noch mehr zugenommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:
Zum Beschwerdeführer und den Fluchtgründen wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und wurde im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni geboren.
Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers wird mit XXXX , sein Vorname als XXXX und sein Nachname als XXXX festgestellt.
Seine Identität steht mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente lediglich mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.
Der Beschwerdeführer hat mit seiner Familie ab dem vierten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise im Iran gelebt und dort als Schweißer gearbeitet. Die Eltern des Beschwerdeführers und drei Schwestern leben nach wie vor im Iran.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in Österreich ein und stellte am 26.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer bekannte sich früher zum islamischen Glauben, und hat während seines Aufenthaltes in Österreich begonnen sich für den christlichen Glauben zu interessieren, wurde ein aktives Mitglied der römisch-katholischen Gemeinde XXXX , und hat im Herbst 2018 den Entschluss gefasst, zu konvertieren und mit dem Taufunterricht begonnen, an dem er regelmäßig einmal wöchentlich teilnahm. Am 24.11.2019 fand die Taufe statt. Der Beschwerdeführer besucht auch seither regelmäßig die Samstagsvorabendmesse und die Sonntagsmesse. Er nimmt aktiv am Leben in der Pfarre teil, hilft beim Organisieren von Festen, stellt viele Fragen zum christlichen Glauben und befasst sich umfassend mit diesem.
Der Beschwerdeführer konnte seinen in Österreich gesetzten Nachfluchtgrund glaubhaft darlegen und erfolgte seine Konversion nicht bloß zum Schein.
Der Beschwerdeführer befürchtet, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum getötet zu werden, da er vom muslimischen Glauben abgefallen ist.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich von der Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.
Zur Situation in Afghanistan wird festgestellt (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 idF vom 26.06.2020):
Religionsfreiheit
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).
Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).
Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).
Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).
Schiiten
Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Gemeindeleitern sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 21.6.2019).
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (AA 2.9.2019). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Gemäß Zahlen von UNAMA gab es im Jahr 2018 19 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, bei denen 223 Menschen getötet und 524 Menschen verletzt wurden; ein zahlenmäßiger Anstieg der zivilen Opfer um 34% (USDOS 21.6.2019). In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, CRS 1.5.2019).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 4.2.2019). Obwohl einige schiitische Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demografischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiert. Vertreter der Sunniten hingegen geben an, dass Schiiten im Vergleich zur Bevölkerungszahl in den Behörden überrepräsentiert seien. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten; wenngleich vier Parlamentssitze für Ismailiten reserviert sind (USDOS 21.6.2019).
Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30% (AB 7.6.2017; vgl. USIP 14.6.2018, AA 2.9.2019). Des Weiteren tagen regelmäßig rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 21.6.2019).
Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 21.6.2019).
Christen und Konversionen zum Christentum
Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha‘i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).
Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).
Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).
Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).
Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.6.2019).
Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.6.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.4.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein „Pro Bambini di Kabul“, der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 4.1.2019).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in den Einvernahmen und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.06.2020.
Die belangte Behörde stellte das Geburtsdatum des Beschwerdeführers aktenwidrig mit XXXX fest. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Behörde auf das Geburtsjahr XXXX kommt, vorallem weil eine diesbezügliche Begründung im Bescheid unterblieb. Der Beschwerdeführer äußerte bereits in seiner Stellungnahme vom 03.05.2016 – einlangend bei der belangten Behörde am 09.05.2016 – dass sein Geburtsdatum bei der Erstbefragung mit XXXX anfangs falsch aufgenommen und nachdem er es dem Dolmetscher und dem Polizisten gesagt habe, händisch korrigiert worden sei. Dies deckt sich mit dem im Verwaltungsakt einliegenden Protokoll über die Erstbefragung vom 27.04.2016, in welchem das Geburtsjahr auf XXXX ausgebessert wurde. Auch aus einer ungarischen Auskunft im Zuge des Dublin-Verfahrens ergibt sich das Geburtsjahr des Beschwerdeführers mit XXXX alias XXXX . Der Beschwerdeführer selbst gab jedoch im gesamten Verfahren gleichbleibend sein Geburtsjahr mit XXXX an. Des Weiteren legte er eine iranische Schulbesuchsbestätigung vor, welche damit übereinstimmend XXXX als sein Geburtsjahr festhält. Nach Umrechnung ergibt sich der genaue Tag mit XXXX . Der Beschwerdeführer gab in mehrfachen Eingaben bekannt, dass sein Geburtsjahr XXXX sei und entsprechend geändert werden müsse. So gab er auch in der mündlichen Verhandlung befragt zu seinem Geburtstag an, am XXXX (umgerechnet: XXXX ) geboren worden zu sein.
Hinsichtlich seines Namens passierte offensichtlich ebenfalls ein Versehen bei der belangten Behörde, indem Vor- und Nachname vertauscht wurden. Im Protokoll über die Erstbefragung wurden der Familienname noch richtigerweise mit XXXX und der Vorname mit XXXX notiert. In weiterer Folge wurden der Familienname mit XXXX und der Vornahme mit XXXX geführt, worauf der Beschwerdeführer ebenfalls mehrfach hinwies. Demzufolge wurden die entsprechenden Feststellungen zur Richtigstellung getroffen.
Mangels seine Identität zweifelsohne bezeugende Dokumente, steht diese dennoch lediglich mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.
Dass der Beschwerdeführer im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern aus Afghanistan flüchtete, im Iran aufwuchs und dort unter anderem als Schweißer arbeitete, basiert ebenfalls auf den Angaben des Beschwerdeführers, welche in Zusammenschau mit dem notorischen Amtswissen über Afghanistan und dessen Geschichte behaftet mit Bürgerkriegen und politischen Unruhen glaubhaft erscheinen.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich von der Grundversorgung lebt und strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das österreichische Strafregister und in das Grundversorgungssystem.
Die Feststellungen zur nunmehrigen religiösen Ausrichtung des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Stellungnahmen des Beschwerdeführers im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, aus seinen vorgelegten Dokumenten, den Unterstützungsschreiben, seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.06.2020, sowie aus der Befragung der Zeugen.
Der Beschwerdeführer legte dem Bundesverwaltungsgericht gegenüber dar, dass er Anfang 2018 begann sich für den christlichen Glauben zu interessieren. Er schaute sich christliche Filme an, um sich über die Religion zu informieren. Im Herbst 2018 meldete er sich zum Taufvorbereitungskurs an, schloss diesen 2019 ab und erfolgte im Anschluss die Taufe am XXXX . Die Taufurkunde legte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27.01.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Befragt, wie oft er die Kirche besuche, gab er in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend mit den Zeugenaussagen an, einmal wöchentlich in die Kirche zu gehen. Der Zeuge XXXX , Kaplan von XXXX , gab darüber hinaus an, dass der Beschwerdeführer jeden Samstagabend zur Vorabendmesse und jeden Sonntag in der Kirche sei. Auch seine Taufpatin gab damit übereinstimmend in ihrer Stellungnahme vom 01.07.2020 an, dass sein Eifer nach seiner Taufe, Firmung und Erstkommunion nicht nachließ, sondern eher zunahm. An den Weihnachtsfeiertagen habe er jede Messe besucht, die es gegeben habe. Er sei auch in der Coronazeit in die Kirche gekommen und habe Ostermontag eine Kerze angezündet, so die Taufpatin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 23.06.2020.
Wenngleich der Beschwerdeführer mit seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung über Befragen, was ihn bewog zum christlichen Glauben zu konvertieren, die christlichen Leute hätten ihn so liebevoll behandelt, er habe so viel Liebe gespürt, trage Jesus in seinem Herzen, glaube an Jesus, weil er Sohn Gottes sei und er wolle hier als Christ normal arbeiten und leben, die erkennende Richterin nicht von seinem inneren Entschluss, nach dem christlichen Glauben zu leben, überzeugen konnte, waren die drei Zeugenaussagen des Klassenvorstandes, der Taufpatin und des Kaplan von XXXX stimmig und legten seine innere Überzeugung und die Ernsthaftigkeit seines Glaubenswechsels einheitlich dar.
Dazu gab die Zeugin XXXX , als Taufpatin des Beschwerdeführers an, dass sie sich am Anfang selbst nicht sicher gewesen sei, ob der Beschwerdeführer und die anderen, die mit ihm konvertiert seien, es ernst meinen würden, weshalb sie sie die Gründe für ihren Glaubenswechsel aufschreiben habe lassen. Der Beschwerdeführer habe sie mit seinem Interesse beeindruckt. Er habe viele Fragen gestellt und sei von allen Konvertiten der Fleißigste gewesen, weshalb sie sich auch dazu entschlossen habe seine Taufpatin zu sein. Auch den Stadtpfarrer habe sie gefragt, wie er die Ernsthaftigkeit des Beschwerdeführers und der anderen Konvertiten einschätze und habe dieser sich dahingehend geäußert, dass es sehr wissbegierige Schüler seien. Der Beschwerdeführer sei von sich aus auf die Zeugin zugekommen und habe sie um eine Bibel in Farsi gebeten. Sein Verhalten habe sich insofern geändert, als dass er nach der Anmeldung zum Taufunterricht aufgeschlossener geworden sei und sehr eifrig die Kirche besucht habe. Er habe die Gebete gelernt, die Bibel gelesen, aktiv an der Messe teilgenommen und versucht mitzubeten und zu singen. Ihr sei aufgefallen, dass der Beschwerdeführer davor seiner Religion, dem Islam, nicht nachgegangen sei, jedenfalls habe sie ihn nie beten gesehen.
Diese Angaben decken sich mit den Angaben des Beschwerdeführers. Zu seiner vorherigen Religion, gab er in der mündlichen Verhandlung am 23.06.2020 an, er sei zwar gebürtiger Moslem, er habe aber seine Religion im Iran nie ausgelebt.
Der Zeuge XXXX ist der Klassenvorstand des Beschwerdeführers und gab mit der Aussage der Taufpatin des Beschwerdeführers ein übereinstimmendes Bild ab. Er führte dazu in der mündlichen Verhandlung aus, dass der Beschwerdeführer bereits im Zuge der Taufvorbereitung sehr viele Fragen gestellt habe und sehr interessiert gewesen sei und auch heute nach wie vor sei. Seinem Eindruck nach sei bei ihm der Glaubenswechsel am tiefsten gegangen. Ihm sei es nicht schnell genug gegangen alles über das Christentum zu erfahren. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist der Zeuge als Klassenvorstand des Beschwerdeführers in der Lage eine Beurteilung über die nach außen innere Einstellung des Beschwerdeführers abzugeben, sofern diese nach außen überhaupt sichtbar ist. Eine derartige Glaubenseinstellung kann ohnedies nur über Verhaltensweisen und Aussagen der betreffenden Person ermittelt werden und ergibt sich diesbezüglich aus allen drei Zeugeneinvernahmen ein stimmiges Bild.
So gab auch der dritte Zeuge XXXX als Kaplan von XXXX an, dass der Beschwerdeführer sehr viele Fragen stelle. Auch er habe den Eindruck, dass der Beschwerdeführer vom christlichen Glauben überzeugt sei.
Auf die Frage, wer in Afghanistan wisse, dass er Christ geworden sei, antwortet der Beschwerdeführer, bei der Taufe fotografiert worden zu sein. Die Fotos seien auf Facebook, demnach würden viele wissen, dass er Christ sei. Seine Freunde hätten keinen Kontakt mehr mit ihm, weil er Christ sei. Seine Familie wisse, dass er zum Christentum konvertiert sei, sein Vater sei aber ein gebildeter Mann und akzeptiere es.
Im Ergebnis gelangt das Bundesverwaltungsgericht nach Abwägung sämtlicher Aussagen in Zusammenschau mit dem vorgelegten Taufschein und dem am 16.06.2020 ergänzend vorgelegten Katechumenenprotokoll (Taufvorbereitung) zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer nicht bloß aus opportunistischen Gründen – zum Schein – konvertierte. Es ergab sich kein Grund daran zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer ein aktives Leben als Christ führt, in der Pfarrgemeinde sehr engagiert ist und sich intensiv mit dem christlichen Glauben beschäftigt. Dabei wurden bestimmte Fragen in der mündlichen Verhandlung, die das Wissen über die neue Religion des Beschwerdeführers veranschaulichen sollten, entsprechend seinem Bildungsniveau gewertet und gelangte das erkennende Gericht zu keinem den Zeugenaussagen widersprechenden Ergebnis.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet daher das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus dem Grund der Konversion vom Islam zum Christentum als glaubhaft, da davon auszugehen ist, dass er nach seiner Rückkehr in seinem Herkunftsland seiner inneren Überzeugung entsprechende religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen.
In der mündlichen Verhandlung dazu befragt, hat der Beschwerdeführer dies bestätigt und angegeben, er wolle als Christ leben. Er könne nach Afghanistan als Christ nicht zurückkehren. Sie würden ihn lebendig verbrennen, so seien die Gesetze im Islam.
Die Feststellungen zur Religionsfreiheit bzw. zur Konversion zum Christentum in Afghanistan ergeben sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der zuletzt aktualisierten Fassung vom 29.06.2020. Dem Beschwerdeführer wurde mit der Verhandlungsladung bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, diese Länderinformationen der Entscheidung zu Grunde zu legen und er Gelegenheit habe, sollten ihm diese Informationen nicht bekannt sein, um Übermittlung dieser zu ersuchen bzw. bis eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung verwies seine Rechtsvertretung diesbezüglich auf die hg. am 16.06.2020 eingelangte Stellungnahme.
Die Länderfeststellungen stützen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan, insbesondere zu Muslimen, die sich vom Islam abwenden, ergeben. Dieses deckt sich mit den Berichten, auf welche der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 16.06.2020 verwies.
Der Beschwerdeführer hat somit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens glaubhaft und umfassend dargelegt, dass er während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung vom Islam zum Christentum konvertiert ist, und war sein Vorbringen betreffend die Furcht vor Verfolgung im Falle der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund der dargelegten Konversion, insbesondere unter Zugrundelegung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Länderberichte zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, als glaubhaft zu beurteilen.
Zu dem vom Beschwerdeführer im Übrigen vorgebrachten Fluchtvorbringen, wonach seine Familie damals Afghanistan wegen der allgemein schlechten Lage aufgrund des Bürgerkrieges verlassen habe, kann in Anbetracht der Konversion des Beschwerdeführers und einer damit in Zusammenhang stehenden asylrelevanten Verfolgung im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (zuletzt VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Art. 1 Abschnitt A Z 2) haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die beststehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – in diesem Fall wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich der Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Der Beschwerdeführer brachte vor, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein, und im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, und macht der Beschwerdeführer damit einen Nachfluchtgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG 2005 geltend.
Wie der VwGH bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, Zahl 96/20/0923).
Nach der Judikatur des VwGH kommt es für die Frage des Vorliegens des geltend gemachten Nachfluchtgrundes der Konversion des Beschwerdeführers nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Heimatland mit dieser Religion in Berührung gekommen ist, sondern vielmehr auf dessen nunmehr bestehende Glaubensüberzeugung (vgl. VwGH, 17.09.2008, 2008/23/0675).
Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäische Union (EUGH) vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11und C-99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 lit. c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (siehe diesbezüglich auch VfGH 12.06.2013, U2087/2012-17).
Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001; 99/20/0550; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; VwGH 17.10.2002; 2000/20/0102; VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544).
Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung (VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 12.06.2020, Ra 2019/18/0440, mwN).
Die Ermittlung und Bewertung solcher Gesichtspunkte im Rahmen von Anträgen auf internationalen Schutz, die mit der Furcht vor Verfolgung aus religiösen Gründen begründet werden, ist auch nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich. Demnach sind neben der individuellen Lage und den persönlichen Umständen des Antragstellers u.a. dessen religiöse Überzeugungen und die Umstände ihres Erwerbs, die Art und Weise, in der der Antragsteller seinen Glauben bzw. Atheismus versteht und lebt, sein Verhältnis zu den doktrinellen, rituellen oder regulatorischen Aspekten der Religion, der er nach eigenen Angaben angehört bzw. den Rücken kehren will, seine etwaige Rolle bei der Vermittlung seines Glaubens oder auch ein Zusammenspiel von religiösen Faktoren und identitätsstiftenden, ethnischen oder geschlechtsspezifischen Faktoren zu berücksichtigen (EuGH 4.10.2018, C-56/17, Bahtiyar Fathi, Rz 88). Dabei muss der Antragsteller sein Vorbringen zu seinem Religionswechsel gebührend substantiieren (EuGH 4.10.2018 C-56/17, Rz 84).
Der Umfang des Wissens über die neue Religion wird freilich maßgeblich von den individuellen Voraussetzungen des Antragstellers, seiner Persönlichkeit und seinem Bildungsniveau bestimmt, die bei der Beweiswürdigung daher angemessen Berücksichtigung finden müssen (vgl. in diesem Sinne jüngst etwa auch dt. BVerfG 3.4.2020, 2 BvR 1838/15, Rz 36, sowie das dt. BVerwG 25.8.2015, 1 B 40.15, Rz 14).
Auf Grund der umfassenden Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem christlichen Glauben, sowie der Einvernahmen der Taufpatin des Beschwerdeführers, seines Klassenvorstandes und des Kaplans der katholischen Gemeinde XXXX im Zusammenhang mit seiner Konversion bzw. seinem christlichen Leben als Zeugen, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des Beschwerdeführers nur zum Schein erfolgt wäre.
Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden (vgl. VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende, konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (vgl. VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).
Zusammenfassend ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nach ausführlicher Befragung des Beschwerdeführers und mehrerer Zeugen in der mündlichen Verhandlung, sowie aus den Feststellungen zur Lage von Konvertiten in Afghanistan, dass der Beschwerdeführer als Person mit christlicher Überzeugung, welche er nicht verleugnen, sondern ausüben wolle, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen im persönlichen Bereich aufgrund seiner religiösen Überzeugung ausgesetzt, sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass ihm in dieser Hinsicht allerdings staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre.
Wie bereits ausgeführt, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung dargelegt, als Christ leben zu wollen.
Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder der Familie bzw. den Freunden des Beschwerdeführers verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden bzw. hat der Beschwerdeführer, wie bereits in der Beweiswürdigung umfassend ausgeführt, in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, es gebe ein Foto auf Facebook, auf dem man seine Taufe sehe und würde seine Familie, die zwar im Iran lebe, von seiner Konversion wissen. Auch hätten sich Freunde aufgrund seines Glaubenswechsels bereits von ihm abgewandt.
Aufgrund des in Afghanistan gültigen islamischen Rechtes nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere Konvertiten gegenüber, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die bereits dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan ergibt, weshalb keine inländische Fluchtalternative besteht.
Daher ist basierend auf den Ermittlungsergebnissen davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentu