Entscheidungsdatum
14.07.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I422 2232890-1/6Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch die ARGE RB – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 22.06.2020, Zl. 1031782707/200204911, zu Recht:
A)
Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist ein bulgarischer Staatsangehöriger. Er reiste unbekannten Zeitpunkts in das Bundesgebiet ein und wurde erstmalig am 20.01.2014 melderechtlich im Bundesgebiet erfasst. Auch wenn der Beschwerdeführer im Juni 2016 in die Schweiz zog, wo er sich bis zum März 2019 aufhielt, war er bis zum 24.05.2017 mit Hauptwohnsitz bzw. einer Obdachlosenadresse im Bundesgebiet gemeldet. Am 06.03.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut – mit Ausnahme einer zweimonatigen Unterbrechung – im Bundesgebiet melderechtlich erfasst und verfügt er über eine Anmeldebescheinigung nach dem NAG.
Aufgrund des Vergehens der Zuführung der Prostitution nach § 215 StGB, des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, des Verbrechens der Zuhälterei nach § 216 Abs. 4 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 53 Abs. 1 StGB wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht Innsbruck mit Urteil vom 19.05.2020, zu 38 HV 41/20a rechtskräftig zu einer Freiheitstrafe in der Dauer von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt und einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Infolge der strafgerichtlichen Verurteilung erließ die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von siebeneinhalb Jahren (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Unter Berücksichtigung der tragenden Ausführungen des Strafurteiles sei die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer durch sein immer wiederkehrendes, aggressives und schändliches Verhalten gezeigt habe, dass er nicht bereit sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und dass von ihm eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für in Österreich lebende Personen ausgehe. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründet. Auch wenn die belangte Behörde nicht verkenne, dass sich seine Ex-Lebensgefährtin und die drei gemeinsamen Kinder in Österreich aufhalten, sei der mit der Aufenthaltsbeendigung einhergehende Eingriff in das Familienleben nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe in der Vergangenheit nur einen überschaubaren Zeitraum mit seiner Ex-Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Er habe sich bereits mehrfach von der Mutter der Kinder getrennt. Zudem habe er wissentlich in Kauf genommen, dass er durch sein Verhalten die Beziehung zu seiner Ex-Lebensgefährtin und den gemeinsamen drei Kindern gefährde. Nachdem auch die Ex-Lebensgefährtin und die drei gemeinsamen Kinder bulgarische Staatsangehörige seien, stehe auch einer Fortführung des Familienlebens in Bulgarien nichts im Wege. Im Zuge der Prüfung des Aufenthaltsverbotes hätten sich auch keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde mit den Anträgen auf ersatzlose Behebung des Bescheides in eventu der Herabsetzung des Aufenthaltsverbots in eventu der Gewährung der Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes bzw. die Aufhebung und Zurückverweisung des Bescheides an die belangte Behörde. Zugleich wurden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die zeugenschaftliche Einvernahme der Ex-Lebensgefährtin des Beschwerdeführers beantragt. Der Beschwerdeführer brachte dazu zusammengefasst vor, dass sich das delinquente Handeln im Jahr 2014 zugetragen habe und er nunmehr ein besserer Vater für seine Kinder sein wolle. Auch wenn das delinquente Verhalten des Beschwerdeführers verwerflich sei, verweise er auf sein Privat- und Familienleben, welches bereits seit Jahren in Österreich bestehe. Auch wenn er mit seinen Kindern nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe, könne nicht von einem schutzunwürdigen Familienleben gesprochen werden. Die Kinder würden ihn vermissen, ihn regelmäßig in der JA Innsbruck besuchen und sich seit seiner Abwesenheit in psychologischer Behandlung befinden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits nach der Verbüßung von rund 2/3 seiner Haftstrafe bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen worden sei, zeige, dass selbst das Strafgericht nicht mehr von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Ebenso könne aus dem Verhalten des Beschwerdeführers keine derartige Schwere erkannt werden, die ein Aufenthaltsverbot im Ausmaß von siebeneinhalb Jahren rechtfertigen würde und hätte die belangte Behörde in jedem Fall darlegen müssen, inwiefern die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes angemessen und verhältnismäßig sei.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister (IZR). Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der betroffenen EWR-Bürger oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Der Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 70 Abs. 1 letzter Satz FPG für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde;
Wie sich aus dem Verwaltungsakt und dem Beschwerdevorbringen ergibt, besteht im Bundesgebiet ein Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Nachdem nicht hinreichend geklärt ist, ob der Beschwerdeführer dieses Privat- und Familienleben tatsächlich und vor allem in welcher Intensität führt, besteht bei seiner Abschiebung nach Bulgarien die Gefahr einer Verletzung seiner nach Art 8 EMRK geschützten Rechte. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Interessenabwägung Kassation Privat- und Familienleben private Interessen Provisorialverfahren Sexualdelikt Spruchpunktbehebung StraffälligkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2232890.1.00Im RIS seit
23.10.2020Zuletzt aktualisiert am
23.10.2020