TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W122 2225650-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W122 2225650-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 18.10.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2020 und 27.05.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 09.05.2019 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, begleitet von seinen beiden zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Kindern, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung 09.05.2019 gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Perser angehöre und christlichen Glaubens sei. Er habe im Iran zwölf Jahre die Schule besucht, sieben Jahre lang Medizin studiert und danach als Arzt gearbeitet. Seine Muttersprache sei Farsi. Als Grund für seine Ausreise gab der BF an, dass er im Iran bei Treffen in geheimen Hauskirchen teilgenommen habe. Als er auf dem Weg nach Hause gewesen sei, sei sein Haus von der Geheimpolizei gestürmt und die Reisepässe seien beschlagnahmt worden. Dies seien seine Asylgründe. Im Falle einer Rückkehr, fürchte er sich vor dem Gefängnis und habe Angst um sein Leben.

3. Am 20.08.2019 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). In dieser vermeinte der BF im Wesentlichen gesund zu sein und legte, neben iranischen Personaldokumenten, ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor. Sonstige Personaldokumente habe er in seiner Ordination aufbewahrt. Sein Reisepass sei, zusammen mit anderen Gegenständen, am 09.03.2019 von Beamten, die ihre Wohnung gestürmt hätten, mitgenommen worden.

Er habe nach zwölf Jahren Schule und siebenjährigem Medizinstudium im Iran als praktischer Arzt gearbeitet. Den Iran habe er am 17.03.2019 verlassen. Er sei iranischer Staatsangehöriger persischer Volksgruppenzugehörigkeit. Er sei als schiitischer Moslem geboren worden und mittlerweile protestantischer Christ. Er sei weder getauft noch aus dem Islam ausgetreten, trage aber das Christentum im Herzen. Er würde auch keine Taufvorbereitung besuchen, jedoch gehe er sonntags in die Kirche und besuche einen Bibelkurs. Er habe sich noch nicht näher mit dem Christentum auseinandergesetzt und wisse nicht worum es darin gehe.

Zu Verwandten im Iran hätten nur seine Kinder Kontakt. Im Iran würde seine Ehefrau leben. Seine beiden volljährigen Kinder wären hier ebenfalls Asylwerber. In Österreich würde auch seine Ex-Frau, die Mutter seiner Kinder, leben. Hier lebe er von der Grundversorgung. Auf sein Vermögen im Iran könne er nicht zurückgreifen. In seinem Heimatland habe er keine strafbaren Handlungen begangen bzw. sei er dort nicht vorbestraft oder inhaftiert gewesen. Er sei auch nicht politisch aktiv oder Mitglied in einer politischen Partei gewesen. Auch habe er keine Probleme mit Behörden seines Heimatlandes gehabt. Einen offiziellen Haftbefehl gegen ihn würde es in seinem Heimatland nicht geben.

In der Türkei habe er keinen Asylantrag gestellt. Dies sei einerseits kein sicheres Land, andererseits sei mit dem Schlepper ausgemacht worden, nach Europa gebracht zu werden. Das Ziel sei eigentlich Deutschland gewesen, jedoch hätten die Kinder zu ihrer Mutter nach Österreich gewollt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er durch ein Telefonat, das sein Sohn mit seinem Freund geführt hätte, erfahren habe, dass zwei Fahrzeuge vor seiner Wohnung gestanden seien. Nach Rücksprache mit seiner Hauskirche habe er entschieden, dass sich die Familie verstecke. Im Geschäft eines Freundes habe er von dem Vorfall erzählt und dieser Freund habe ihm dann den Schlüssel zu einer Wohnung eines Bekannten gegeben. Auf dem Weg dorthin seien sie noch einkaufen gegangen. Zwei Tage später habe er von seinem Freund Informationen erhalten, zumal dieser sich zuvor bei der Frau des BF über die Lage erkundigt hätte. Er habe ihm geraten das Land zu verlassen und einen Schlepper nach Europa organisiert. Es habe keine persönlichen Bedrohungen gegen den BF oder seine Kinder gegeben. Dass es die iranischen Behörden gewesen seien, die die Wohnung durchsucht hätten, habe sein Freund ihm gesagt, der dies von der Frau des BF erfahren hätte. Er denke, dass seine Frau ihn bei den Behörden verraten habe. Sie sei eine traditionelle Frau gewesen und er habe versucht, seine Kinder zu evangelisieren. Daher habe es zuletzt auch Streit gegeben. Anfangs habe sie dies akzeptiert und er habe ihr gesagt, dass Gott sein Herz berührt hätte, er nun Christ sei und die Kinder dies auch wären. Nach einiger Zeit habe es auch Streit gegeben, weil er der Religion und dem Propheten den Rücken gekehrt hätte. Er sei davor schon seit dem 13.Lebensjahr ein Atheist gewesen, habe sich aber mit den religiösen Praktiken im Alltag arrangiert. Ein Schlüsselerlebnis, wie er zum Christentum gefunden hätte, habe es nicht gegeben. Er habe sich schon immer zum Christentum hingezogen gefühlt und habe vor acht Jahren einen Freund kennengelernt, der armenischer Christ sei. Im Sommer 2016 habe er das erste Mal eine Hauskirche besucht. Seine Kinder hätten ihn erst später dorthin mitbegleitet. Er sei 16 Mal dabei gewesen, wobei diese Hauskirche einmal im Monat, an jedem ersten Donnerstag, ihr Treffen gehabt hätte. Zuletzt habe er zehn Tage vor seiner Ausreise eine Hauskirche besucht. Damals sei sein Sohn dabei gewesen. Wann er seine Tochter zuletzt mitgenommen hätte, wisse er nicht genau. Es sei jedenfalls im Sommer 2018 gewesen.

Sein Freund habe diese Hauskirchen veranstaltet, obwohl er als armenischer Christ im Iran die Kirche besuchen hätte können, weil er den Leuten den Weg weisen habe wollen. Diesem sei es jedenfalls bis zu seiner Ausreise gut gegangen. Die Treffen seien immer der gleichen Ordnung nach abgelaufen und hätten am Abend eine Stunde lang gedauert. Es sei das Vater Unser gebetet worden und es seien Psalmen vorgetragen worden. Über das Schicksal der anderen Besucher wisse er nicht Bescheid, weil ihm sein Freund gesagt hätte, dass er weder ihn noch andere Mitglieder kontaktieren solle. Religiöse Lieder kenne er kaum, jedoch beschäftige er sich erst hier mit dem Neuen Testament. Im Iran habe er nur das Alte Testament und Filme über Jesus gesehen. Er selbst habe seine Kinder und seine Frau im Iran evangelisiert. Taufen habe sich deswegen bisher noch niemand lassen. In Österreich gehe er in die Kirche, zum Bibelkurs und würde beten. Er habe auch schon Gespräche bezüglich seiner Taufvorbereitung gehabt. Dass man aufgrund einer Taufe in Österreich Asylstatus erlagen könne, habe er bislang nicht gewusst.

Die Verbindung zu Gott würde den Islam vom Christentum unterscheiden. Den Islam finde er schlecht. In Österreich würde er täglich in der Bibel lesen. Er würde das Lukasevangelium lesen, jedoch könne er sich an keine konkrete Stelle oder einen konkreten Vers erinnern. Welches das bedeutendste Fest im Jahr der von ihm besuchten Freikirche sei, wisse er nicht. Beim Reformationsfest würde es um Martin Luthers Korrektur der Lehren durch seine 95 Thesen gehen. Grundsätzliche Glaubensinhalte gab er mit Buße, Kirche, Errettung, die Göttlichkeit von Jesus Christus, seine Auferstehung und die Auferstehung an. Das größte Wunder sei die Auferstehung von Jesus gewesen. Das Glaubensbekenntnis konnte der BF auf Nachfrage aufsagen. Er würde im Falle einer Rückkehr auf keinen Fall zum islamischen Glauben zurückkehren und seinen christlichen Glauben habe er schon vor seiner Ausreise nicht verheimlicht. Wirtschaftliche Probleme habe er im Iran keine gehabt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde ihm nicht zur Verfügung stehen. Im Falle einer Rückkehr würde er von den staatlichen Behörden hingerichtet werden.

4. Mit Schreiben vom 17.09.2019 wurde der belangten Behörde ein Konvolut an iranischen Unterlagen und eine Stellungnahme zur Situation der Konvertiten im Iran abgegeben. Diese erfolgte durch die rechtfreundliche Vertretung, dem Verein ZEIGE, dem mit Schreiben vom 09.08.2019 die Vollmacht zur Vertretung des BF in gegenständlicher Rechtssache erteilt wurde.

5. Mit Bescheid des BFA vom 18.10.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpukt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass der BF bezüglich seines Fluchtvorbringens und seiner Konversion nicht glaubwürdig gewesen sei. Seine Konversion sei nicht glaubhaft, weil er die innere Überzeugung zu dieser nicht habe darlegen können. Der BF sei nach der islamischen Religion sozialisiert worden und habe nur vage Angaben machen können, warum er Christ geworden sei. Ebenso sei er weder getauft noch aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Da er auch den Unterscheid zwischen Gottesdienst und Kirchenbesuch nicht darlegen habe können, würde es bei ihm auch an Wissen über die Eucharistie mangeln. Ebenso würde der BF nur kurze und oberflächliche Angaben zur Ausübung seines Glaubens in Österreich machen, was darauf schließen lasse, dass der BF nicht aus innerer Überzeugung Christ geworden sei.

Ebenso habe der BF kein Schlüsselerlebnis darlegen können, warum er sich vom Islam abgewandt habe. Ebenso sei es nicht nachvollziehbar, dass der BF 2010 nach islamischen Recht geheiratet habe, wenn er bereits mit 12 oder 13 kein Interesse mehr an diese Religion gehabt hätte. Wie im Iran zum Christentum gekommen sei, habe der BF auch nur vage darlegen können. Da der BF angegeben habe, dass er nur unregelmäßig in die Hauskirche gegangen sei, sei eine Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung auch nicht nachvollziehbar gewesen. Die Besuche in der Hauskirche samt deren Abläufe seien vom BF auch sehr vage und emotionslos geschildert worden. Ebenso habe er nie öffentliche Kirchen besucht oder an christlichen Veranstaltungen im Iran teilgenommen. Da er auch nicht außerhalb des Familienkreises missioniert habe, sei er im Iran auch nur eine „low profile person“.

In der Einvernahme habe der BF auch großes Nichtwissen über kirchliche Lieder, Gebete und Bibelstellen gehabt, wodurch eine Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung nicht anzunehmen sei. Dass der BF in den acht Jahren seit seiner Hinwendung zum Christentum noch nicht einmal die Bibel vollständig gelesen habe, würde ebenfalls gegen eine Hinwendung zum Christentum sprechen. Auch zu den Festen der reformatorischen Kirche habe der BF, wenn überhaupt, nur rudimentäre Angaben machen können. Der BF habe für sein angeblich achtjähriges Interesse am Christentum nicht den Eindruck vermittelt, dass er tiefergehendes Interesse an dieser Religion habe. Diese verdeutliche auch seine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben in Österreich, wo der BF kaum außenwirksame Akte gesetzt habe und er auch keine detaillierten Angaben über seine Glaubensfindung und Glaubensauslebung hat machen können. Er vermittelte den Eindruck, dass er nur zum Schein konvertiert sei, um Asyl zu erlangen.

Betreffend die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates sei festgestellt worden, dass diese widersprüchlich gewesen seien. Hier gab es dahingehend Divergenzen, weil der BF einmal ausgeführt habe, dass er nach dem Besuch der Hauskirche auf dem Nachhauseweg gewesen sei, als die Wohnung gestürmt worden sei, hingegen er vor dem BFA ausgeführt habe, dass er im Zuge der Abholung seiner Tochter von der Universität davon erfahren habe. Dass es sich dabei um Autos der iranischen Behörden gehandelt habe, würde jedenfalls ausschließlich auf bloßen Vermutungen basieren. Es sei auszuschließen, dass die iranischen Behörden eine Person von geringem Interesse so verfolgen würden. Nicht nachvollziehbar sei es gewesen, dass der Freund des BF mit der Ehefrau Kontakt aufgenommen habe, weil so der Standort des BF in Erfahrung gebracht hätte werden können. Das Einkaufen auf der Flucht, die tagelang unbehelligte Aufenthalt im Iran vor der Ausreise und das einfache Passieren der Grenze seien gewichtige Anhaltspunkte, dass die iranischen Behörden keine asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen gegen den BF gesetzt hätten. Auch würden die Behauptungen eines Streites mit der Frau aufgrund der Evangelisierung dagegensprechen, dass dieser gefragt worden sei, ob sie mit dem BF seine Tochter abhole. Ebenso hätte die Frau des BF schon früher die Behörden verständigen können. Auch aus den vagen Schilderungen über die weitere Zukunft der Hauskirche könne auch der Rückschluss gezogen werden, dass diese niemals aufgeflogen sei. Dass die Leute der Hauskirche keinen Kontakt zum BF hätten halten wollen, zumal man von dessen Schicksal wohl erfahren wollen würde, um so einer eigenen Verfolgung entkommen zu können, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar gewesen. Auch würde das Nachsenden der iranischen Dokumente dagegensprechen, dass der BF im Iran einer Verfolgung seitens der staatlichen Behörden unterliegen würde. Ebenso könne dem BF nicht gefolgt werden, wenn er vermeint, dass er vor seinen Problemen im Iran in der Türkei nicht sicher gewesen wäre.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 18.10.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

6. Am 18.10.2019 erging seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich der Bericht, dass gegen den BF eine Anzeige wegen Raufhandels erstattet wurde.

7. Gegen den o.a. Bescheid der belangten Behörde erhob der BF mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 11.11.2019 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde. Hierbei wurde angeführt, dass der BF zahlreiche Personaldokumente vorgelegt habe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass dieser seine Identität habe verschweigen wollen. Ebenso sei es nicht auszuschließen, dass die Ehefrau nicht bereits nach dem ersten Gespräch über das Christentum mit dem BF gestritten habe, sondern erst danach. Nur weil der BF keine leitende Funktion in der Hauskirche gehabt hätte, sei es nicht auszuschließen, dass er deswegen nicht von einer behördlichen Verfolgung aufgrund seines Glaubensabfalls betroffen hätte sein können. Aus der militärischen Ausbildung im Iran könne auch nicht geschlossen werden, dass der BF nur zum Schein konvertiert sei, weil diese Ereignisse in keinem zeitlichen Zusammenhang stehen würden. Auch sei es möglich, dass der Freund abseits der armenischen Kirche noch privat Hauskirchen hätte führen können. Dass der BF nicht konvertieren würde, weil er in einem muslimischen Umfeld aufgewachsen sei, entbehre jedweder nachvollziehbaren Begründung. Trotz seines fragmentarischen Wissensstandes sei der BF in der Lage mit der Verbindung zu Gott den Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum aufzuzeigen. Er habe die grundlegenden Werte des Christentums erfasst und bemühe sich bereits um eine Taufvorbereitung. Aus dem Fehlen eines förmlichen Austritts aus einer Religionsgemeinschaft könne ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass der BF nur zum Schein konvertiert sei. Im Fall einer Rückkehr in den Iran sei der BF jedenfalls privater und staatlicher Verfolgung ausgesetzt, zumal sein Verhalten im Iran jedenfalls als eine echte Konversion angesehen werde und er somit einer staatsfeindlichen regimekritischen Haltung verdächtigt werden würde. Somit sei dem BF aufgrund der Beschwerdegründe die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, jedoch zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten.

8. Am 19.11.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

9. Am 03.02.2020 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung eine am 27.01.2020 verfasste Stellungnahme zur Situation der Konvertiten im Iran und beantrage die Einvernahme des Diakons der Kirchengemeinde des BF. Ebenso wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen vorgelegt.

10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 12.02.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine rechtfreundliche Vertretung, ebenso wie zwei Zeugen, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Zu Beginn der Verhandlung gab der BF an, dass es ihm gut gehe. Er sei gesund, leide aber partiell unter einer Gesichtslähmung und unter psychischen Problemen sowie habe er Depressionen. Wegen den Gedächtnisproblemen sei er in Behandlung bei einem Neurologen. Wegen den Depressionen sei er bei der Caritas in Wr. Neustadt gewesen. Diese habe ihm geraten, dass er eine Psychotherapie in Anspruch nehmen solle. Für diese habe er aber noch keinen Termin bekommen. Er nehme seit ca. 7 Monaten Candesartan wegen Bluthochdruck ein. Die Probleme mit seinem Gesicht habe er seit seiner Kindheit und er sei dadurch beruflich nicht beeinträchtigt gewesen.

Zur Zeit seiner Ausreise und auch jetzt sei der BF offiziell verheiratet. Er habe zwei Kinder, gehöre der Volksgruppe der Perser an und sei Christ. Wegen seiner Nationalität bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er in seinem Heimatland keine Probleme gehabt, wegen dem Christentum aber schon. Seine Muttersprache sei Persisch und er könne ein wenig Englisch und Deutsch.

Der BF legte Bilder von seiner Taufe vor und gab an, dass er nach dem Besuch von Taufkursen getauft worden sei. Er glaube an Jesus Christus, der sein Herz berührt habe. Durch dieses Ereignis und der Veränderung in Bezug auf den Heiligen Geist habe er ein neues Leben angefangen. Das zeige, dass sein Herz durch Jesus Christus erobert worden sei und er mit einem neuen Leben im Sinne des Jesus angefangen habe. Dieses Leben habe vor ca. drei Jahren begonnen.

Auf die Frage, warum er sich dennoch in einen Raufhandel verwickeln habe lassen, führte der BF nach einer Gegenfrage aus, dass er damit nicht angefangen habe und er geschlagen worden sei. Da er nicht privat wohnen habe wollen, habe er sich gedacht, dass er in der Unterkunft ein paar Tage bleiben dürfe. Ob er oder seine Tochter damals zuerst die Polizei verständigt hätten, wisse er nicht mehr. Da er nicht derjenige gewesen sei, der mit dem Raufhandel angefangen habe, habe er genau das getan, was man im Christentum tun würde. Er habe keinen Fehler gemacht und im Sinne des Christentums gehandelt.

Im Moment der Taufe habe der BF weiße Kleidung angezogen und sei befragt worden, ob er annehme, dass Jesus Christus sein Gott sei. Er sei ins Wasser gegangen (untergetaucht), damit seien seine Sünden gewaschen worden. Er sei vor ca. drei Jahren Christ geworden.

Es sei beim Lesen der Bibel gewesen und hatte dabei ein sehr gutes und positives Gefühl gehabt. Er habe eine innere Ruhe gespürt und sei im Vergleich zu früher geduldiger geworden. Er sei früher sehr gierig gewesen, nun wolle er seinen Mitmenschen helfen und den anderen Zuneigung zeigen. Geld sei ihm weniger wichtig geworden.

Der Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum sei im Zwang und der Scharia zu finden. Im Christentum erfahre er, der Sohn Gottes zu sein. Er spüre die Anwesenheit des Heiligen Geistes in ihm und die Rettung erhalte er in der Gnade des Jesus Christus.

Ob er als Mediziner Probleme mit religiösen Lehren habe, beantwortete der BF dahingehend, dass der Islam Frauen und Männer trenne. Daraus sei eine Kultur entstanden und die Frauen kämen nicht zu den männlichen Ärzten, um sich untersuchen zu lassen.

Die Aufgabe jedes Mediziners sei die Heilung und die Rettung der Kranken, dies würde der Islam einschränken. Nach mehrmaligem Nachfragen aufgefordert, am Beispiel der Auferstehung der Toten das Problem zwischen der Medizin und der Religion aufzuzeigen, führte der BF an, dass im Bereich der Medizin der Verstorbene tot sei und es ihn nicht mehr geben würde. Im Sinne der Religion, hier im Sinne des Christentums, würde der Mensch auferstehen und sei vor Gott anwesend.

Persönlich glaube er, dass der Geist jedes Menschen, nach dem Sterben wieder auferstehen würde, so wie Jesus Christus, und mit dem Tod sei nicht alles vorbei. Wie er sich als Mediziner das erklären könne, beantwortete der BF dahingehend, dass er ein Mensch sei und vieles in der Hand Gottes, des Allmächtigen, liegen würde.

Danach wurde der erste Zeuge, der Diakon für Flüchtlingsarbeit in der Glaubensgemeinschaft, befragt. Er gab an, den BF regelmäßig zweimal in der Woche zu sehen, zuletzt am Sonntag. Sie würden miteinander auf Englisch kommunizieren. Sie hätten zuletzt über ein Gebet gesprochen. Dies könne er mit einer WhatsApp Kommunikation auf seinem Mobiltelefon belegen. Der BF führte diesbezüglich aus, dass er ein neuer Christ sei und nachfragen würde, um den Inhalt des Christentums bzw. der Bibel besser zu verstehen.

Auf Nachfrage des Richters vermeinte der BF in diesem Zusammenhang zu glauben, dass Jesus Christus selbst Gott sei und dies für ihn nicht verständlich gewesen sei, warum Gott Jesus allein gelassen habe. Auf die Frage, ob er wisse, was an dieser Stelle davor und danach mit Jesus passiert sei, antwortete der BF mit einer Gegenfrage und schwieg. Auch der Zeuge bekam keine Antwort auf die nochmals dem BF gestellten Frage. Nach der Übersetzung der Frage vermeinte der BF, dass Jesus dies bei der Kreuzigung gesagt habe. Nach der auch sonst bei der Übersetzung behilfliche Sohn des BF zur Kommunikation mit dem BF und dem Zeugen herbeigezogen wurde, gab der BF an, dass Jesus sich für unsere Sünden geopfert habe, damit wir von unseren Sünden befreit werden. Das wichtigste Gebot sei es, Gott mit all seinen Kräften zu lieben und auch die Nachbarn zu lieben, wie sich selbst. Als Glaubensfrage beschäftige ihn derzeit ganz besonders die Nächstenliebe und die Vergebung der Sünden. Ansonsten falle ihm nichts ein. Hinsichtlich der emotionalen Verflachung in Bezug auf Glaubensfragen für den BF1, gab der Zeuge an, dass dieser unter Depressionen leide.

Der BF kenne die heiligen drei Könige. Diese seien gekommen, als Jesus Christus in Betlehem geboren wurde. Nach Darstellung ihrer Herkunft, ihrer Namen und deren Geschenke brachte der BF vor, dass diese die Besonderheit von Jesus erkannt hätten. Obwohl der Jesus Christus in einem Stall geboren worden und ziemlich arm gewesen sei; würde das Kommen von den drei Königen zeigen, dass der Jesus der eigentliche Gott wäre.

Auf Frage des Richters, was der BF mit „Begraben in unseren Sünden wie Jesus Christus“ meinen würde, gab der Zeuge an, dass das die Beschreibung der Taufe sei (der Brief des Apostels Paulus an die Römer in Kapitel 6). Im Grunde würde das ganze Kapitel die Taufe beschreiben. Daraufhin wurde der Zeuge aufgefordert herauszufinden, ob der BF diese Botschaft verstanden hätte. Der BF führte an, dass alle gesündigt hätten. Mit Reue und Glauben würden wir den Heiligen Geist empfangen. Wir hätten alle den falschen Gedanken gehabt und mit der Reue und der Taufe kämen wir auf den richtigen Weg. Gemeint sei, dass wir unsere Vergangenheit begraben würden und mit der Taufe werde eine neue Geburt, ein neuer Mensch geboren und somit seien wir dann Sohn des Gottes.

Der Zeuge führte aus, dass der BF reif sei, zu erkennen, worum es im christlichen Glauben gehe. Er würde die Bibel lesen und habe die Bereitschaft die dort geschriebenen Dinge zu hören. Er habe die Bereitschaft, das zu brauchen und das anders zu machen.

Bei der Familie des BF habe er den Eindruck gehabt, mit ihnen auf Herzensebene kommunizieren können, als wären diese seine Glaubensgeschwister. Da der BF länger in einem nicht-christlichen Setting gelebt habe, dauere es umso länger auch Dinge abzulegen. Er sei bei der Taufe des BF dabei gewesen und sei mit ihm im Wasser gestanden.

Bei den Gottesdiensten der Freikirche seien zirka 200 Leute anwesend. Der BF komme mit seinen Kindern jeden Sonntag und regelmäßig auch unter der Woche.

Im Iran sei der BF etwa 16 Mal in einer Hauskirche gewesen. Diese habe sich in einer anderen Stadt, etwa eineinhalb bis zwei Stunden von seinem Wohnort entfernt, befunden, wo er auch Verwandte gehabt habe. Der BF habe maturiert und sei danach sieben Jahre auf der Universität gewesen. Er sei Allgemeinmediziner gewesen. Seine wirtschaftliche Situation im Iran sei gut gewesen.

In Österreich lebe er mit seiner Tochter gemeinsam. Er habe einen A1 Deutschkurs gemacht, und spreche ein bisschen Deutsch. Arbeit habe er in Österreich keine. Er sei vor ca. 9 Monaten illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er sei unbescholten und habe österreichische Freunde. Seinen Unterhalt bestreite er von der Grundversorgung.

Den Iran habe er schlepperunterstützt über die Berge am 17.03.2019 verlassen.

Seine Fluchtgründe seien es gewesen, dass er durch einen Freund Christ geworden sei. Er habe auch seine Frau missioniert, die ihn dann leider verraten habe. Er sei zum Geschäft eines Freundes gefahren und habe sich ihm anvertraut. Er habe die Familie in eine Wohnung gebracht und der BF habe ihn gebeten, nachzugehen, was alles passiert sei. Zu dieser Zeit habe seine Tochter studiert und es sei vereinbart gewesen, dass er sie abhole. Seine Frau sei nicht wach geworden und sei nicht bereit gewesen mitzukommen. Daraufhin habe er seinen Sohn geweckt und mit ihm zusammen seine Tochter abgeholt. Auf dem Heimweg habe der Freund seines Sohnes angerufen und berichtet, dass zwei Autos vor dem Haus stehen würden und zwei Personen dabei gewesen wären, den PC mitzunehmen.

Er habe Angst bekommen, das Auto angehalten und habe seinen Freund angerufen. Er sagte, dass er nicht mehr nach Hause dürfe und keinen von der Kirche anrufen solle. Er habe irgendwo sein Auto geparkt und sei per Taxi und Personentransporter zum Geschäft seines Freundes gefahren und sich dort mit seinen Kindern versteckt. Auf seine Bitte habe der Freund nachgeforscht und ein paar Tage später angerufen um mitzuteilen, dass der Geheimdienst bei ihnen zu Hause gewesen wäre. Sie hätten das Haus durchsucht und dabei den Computer, den Laptop, seinen USB-Stick, den Reisepass und das Heilige Buch mitgenommen. Dies habe der Freund in einem Gespräch mit der Frau des BF erfahren.

Seine Frau habe er in Gesprächen über Religionen zu evangelisieren versucht. Nach einiger Zeit habe er ihr mitgeteilt, dass er sich verändert habe und der Grund seiner Veränderung Jesus Christus sei. Auf die Aussage, dass er ein Christ sei, habe seine Frau beim ersten Mal keine Reaktion gezeigt und nichts dazu gesagt. Er habe das als ein Zufriedenheitsgefühl empfunden.

Ein Freund habe ihn zum Christentum gebracht. Er habe diesen schon ca. 8 oder 9 Jahre gekannt. Er habe gewusst, dass er nicht an den Islam glaube. Er habe ihn gebeten, dass er sich mit den anderen Religionen auseinandersetzen solle. Dies habe er auch gemacht. Auf die Frage, wenn er seiner Frau sage, er sei Christ, was seine Frau dann glauben solle, was es bedeute ein Christ zu sein, antwortete der BF, dass er sie gefragt habe, ob sie die Veränderungen bei ihm festgestellt hätte und dies habe sie auch bestätigt. Daraufhin er ihr gesagt, dass diese Veränderungen aufgrund des Christentums seien.

Seinen Sohn habe er um 03:00 Uhr in der Früh aufgeweckt, damit er beim Fahren nicht einschlafe. Seine Kinder seien nicht von der Mutter großgezogen worden, weil er von dieser getrennt sei und er die Obsorge erhalten hätte.

Als der Freund seines Sohnes angerufen habe und dieser davon berichtete, dass zwei Autos vor dem Haus stehen würden und zwei Personen dabei wären, den PC ins Auto zu bringen, habe er gewusst, dass er in Gefahr sei. Der Freund habe dies mit eigenen Augen gesehen. Er selbst sei sich sicher, dass dies wegen der Hauskirche gewesen sei, weil andernfalls hätten die Behörden doch seinen PC in der Ordination beschlagnahmen müssen. Seine Frau habe seinem Freund auch selbst gesagt, dass sie den BF verraten hätte. Sie sei wohl ihrer Verpflichtung als Muslimin nachgegangen und habe seinem Freund gesagt, dass sie sich wünschen würde, dass der BF zerstückelt komme, hingerichtet werde und ein Ketzer sei. Sie sei unglücklich darüber gewesen, dass er konvertiert sei und habe sich deswegen auch bei seinem Freund darüber geäußert.

Der Streit mit seiner Frau über die Kinder habe mit dem Christentum dahingehend zu tun, dass sie dieses Thema dafür ausgenutzt habe. Wenn er seine Kinder nicht aus dem Haus rausschmeiße, würde sie ihn verraten. Dies sei sieben oder acht Tage gewesen, bevor sie ihn verraten habe. Er habe dies erst jetzt gesagt, weil er das Ganze nicht vor ihm habe, um das runter zu lesen. Deswegen erzähle er auch nicht alles im Detail, sondern erst dann, wenn er danach gefragt werde.

Mit seiner Frau habe er über den Islam gesprochen, ehe er über seine Veränderungen gesprochen habe und ehe er gesagt habe, dass dies aufgrund des Christentums passiert sei. Er könne sich erinnern, wie seine Frau gemeint habe, er sei Christ geworden. Sie habe nichts dazu gesagt. Er habe ein Gefühl gehabt, als ob sie schockiert, aber nicht traurig gewesen wäre. Direkt gefragt habe sie danach nicht, bevor er ihr das gesagt habe. Er habe ihr gesagt, dass er sich verändert habe, weil sein Herz von Jesus berührt worden und er ein Christ sei. Sie habe keine Reaktion gezeigt. Der BF habe ihr gesagt, dass er ihr die Bibel zum Lesen geben werde.

Darauf aufmerksam gemacht, dass er vor der belangten Behörde sagte, dass seine Frau ihn gefragt hätte, ob er Christ geworden wären und er dies bejaht hätte, vermeinte der BF, dass nicht alles durchdacht bzw. auswendig gelernt hätte. Die Geschichte liege zehn bis elf Monate zurück und das Gedächtnis spiele auch nicht so ganz mit, was er wann und wie formuliert habe.

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde der BF hingerichtet werden. Er könne, wegen diesem Problem, wegen dem er ausgereist sei, dort kein Leben führen. Im Falle einer Rückkehr würde ihm das Ganze noch einmal passieren. Er sei ein Christ und werde seinen Glauben nicht verleugnen. Daher werde er mit Sicherheit hingerichtet.

Auf Frage seiner rechtsfreundlichen Vertretung nach drei seiner Lieblingsstellen in der Bibel antwortete der BF, dass von Matthäus in der Bibel von Jesus stehe: „Habt ihr gehört, dass ihr eure Nachbarn lieben solltet. Die Feinde als Fremde zu betrachten. Er habe auch weiters gesagt, dass wir unsere Feinde lieben sollen. „All die das nicht gut mit euch meinen, betet auch für sie. So zeigt ihr, dass ihr Gottes Kind seid“.

In der Bibel stehe im Kapitel Johannes, dass Gott alle auf der Welt liebe, so sehr, dass er seinen einzigen Sohn versandt habe, um all die jene die an ihn glauben würden, gerettet werden bzw. ein ewiges Leben erlangen. Dies sei seine zweite Lieblingsstelle.

Drittens von Matthäus: „Alles was ihr liebt, das die anderen für euch tun, tut das Gleiche für sie. Das ist die Zusammenfassung des Wortes Thorat und alle Bücher der Propheten. Amen“. Auf Nachfrage, was mit Thorat gemeint sei, antwortete der BF: „Das Alte Testament.“

Sein christliches Leben in Österreich sehe so aus, dass er immer bete, wenn er die Ruhe brauche, oder wenn er etwas von Gott oder für die anderen haben wolle. Danksagung an Gott, für alles was er uns gegeben habe. Er lese das Heilige Buch und gehe jeden Sonntag von 09:30 bis 12:00 Uhr in die Kirche und nehme an den offiziellen Veranstaltungen teil. Er singe die religiösen Lieder und höre den Predigten zu. Er nehme am Abendmahl teil und zum Schluss bete er. Er gehe jede zweite Woche in eine Hauskirche und nehme an deren Missionierung teil. Dies finde jeweils immer am Donnerstag von 18:00 bis 22:00 Uhr statt.

Wenn er das alles nicht machen könnte, dann bliebe nichts übrig. Wenn man einem Christen nicht erlaube, die gute Botschaft zu übermitteln, bliebe nichts übrig. Er habe den Glauben an das Christentum akzeptiert und spüre Jesus in seinem Herzen. Ohne die Erledigung der o.g. Aufgaben, bliebe einem Christen inhaltlich und spirituell nichts mehr übrig. Das sei für ihn eine Art von Tod. Der Genuss sei es, dass er in Gott lebe und Gott in ihm leben würde und er durch ihn Zuneigung gelernt habe. In Österreich besuche er jeden Donnerstag von 15:00 bis 17:30 Uhr den Bibelkurs mit anderen Freunden. Er habe, zusammen mit seinen Kindern, auch auf Instagram eine Seite, wo sie missionieren würden. Ob dieser Account auf ihn rückführbar sei, wisse er nicht. Es gäbe ein Foto von allen drei darauf.

Im Falle einer Rückkehr in den Iran, könne er sich nicht vorstellen im Verborgenen christliche Gebräuche zu praktizieren, weil dies nicht zu seinem Glauben passe, dass er die Religion verstecke. Er glaube, dass man das Christentum offen verkünden und nicht geheim halten solle. Die guten Nachrichten solle man offen verkündigen.

Wenn er nicht mehr in die Kirche gehen könne, würde das für ihn bedeuten, dass er weniger bis keinen Kontakt zu den Schwestern und Brüdern haben werde. Die Aufgabe sei jedoch, dass man den Glauben ausbreite. Somit würde er sich in seinem Glauben nicht entwickeln und auch keinen Kontakt zu den anderen Christen haben. Wenn er das nicht machen dürfe, wie könne er den anderen seine Liebe und Zuneigung zeigen.

Danach wurde eine Zeugin befragt. Sie sei mit der Familie des BF seit dem Sommer befreundet und bilde Jungschar-Mitarbeiter aus. Hinsichtlich des Glaubens gebe sie an, dass sie evangelikal sei und bezeugen könne, dass die drei BF aus Überzeugung Christen seien. Als Christ merke man, wenn es ein anderer Christ ernst meine.

Befragt hinsichtlich der Kommunikation mit den BF gab sie an, Bibelstellen auch auf Farsi geschickt zu haben und auch auf Englisch ausgewichen zu sein. Der BF habe sie über die Feiertage gefragt, das Lukas Evangelium und sie habe Audio-Dateien geschickt. Der BF schicke ihr christliche Lieder.

11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 27.05.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi eine zweite öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine rechtfreundliche Vertretung, ebenso wie eine Vertrauensperson, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der Behörde nahm nicht teil.

Der BF gab an, seit ca. einem Jahr in Österreich zu leben. Derzeit wohne er mit seiner Tochter zusammen. Seinen Sohn sehe er regelmäßig in der Kirche. Vor der Corona-Krise hätten sie sich auch regelmäßig besucht. Vor vier oder fünf Tagen habe er seinen Sohn besucht. Letzten Sonntag sei er auch in der Kirche gewesen. In der Predigt sei es um die Liebe und Zuneigung gegangen. Den Iran habe er acht Tage nach dem Vorfall, bei dem der Geheimdienst seine Sachen beschlagnahmt hätte, verlassen. Nach mehrmaliger Aufforderung das Datum zu nennen, an dem er die Entscheidung getroffen habe, den Iran zu verlassen, legte sich der BF auf den 20.12.1397 fest. Damals sei er in dem Haus gewesen, wo sich die Familie versteckt habe.

Auf die Frage, was er in den sechs Tagen bis zu seiner tatsächlichen Flucht gemacht habe, legte der BF dar, wie es zu seiner Entscheidung zu fliehen gekommen sei. Daraufhin wurde er aufmerksam gemacht, dass er damit der Frage ausgewichen sei und er damit den Eindruck vermittle, sich der Wiedergabe einer einstudierten Geschichte zu bedienen, weil er wenig flexibel in einer zeitlichen und thematischen Variierung dieser Geschichte zeige. Nach dem der BF erneut sein Vorbringen wiederholte, hielt der Richter fest, dass sich das eben Gesagte vor seiner Entscheidung, das Land zu verlassen und nicht nach seiner Entscheidung, das Land zu verlassen, zugetragen habe.

Er habe seinen Sohn zum Christentum gebracht. Damit habe er begonnen, wie er 17 Jahre alt gewesen sei. Er habe mit ihm ein Gespräch über Religionen geführt, wobei er wusste, dass sein Sohn keinen Glauben an den Islam habe. Neben den Gesprächen habe er ihm auch einen Film über Jesus gezeigt. Seine Tochter sei 18,5 gewesen, wie er mit dieser über Religion zu sprechen begonnen hätte. Das erste Gespräch habe im Wald, in der Nähe vom Wohnort, stattgefunden. Die Familie habe im Iran als Bibel nur das Neue Testament gehabt. Es sei 1,5 cm dick und dunkelrot gewesen sowie eingepackt in Geschenkpapier in rosa Farbe und kleinen Mustern, die wie Herzen ausgesehen hätten.

Wenn der BF nicht mehr in die Kirche gehen könnte, fehle ihm dann die Gnade Gottes und die Kirche, aber auch die Gnade der Brüder und Schwestern. Das wäre traurig. Die Kirche sei ein Ort zur Entwicklung des Glaubens, aber auch um die anderen Brüder und Schwestern kennenzulernen.

Es habe zwei Tage lang gebraucht, bis der BF erkannt habe, dass er durch diese unbekannten Männer bedroht werden würde. Das habe ihm dann der Freund gesagt. Vier Tage sei er noch in dem Haus versteckt geblieben, ehe er die Flucht in die Türkei begonnen hätte.

Die Frage, wie oft pro Woche er gemeinsam mit seinem Sohn speise, beantwortete der BF dahingehend, dass ihre Wohnorte unterschiedlich wären.

Danach wurden noch Dokumente betreffend den BF vorgelegt und es folgte der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

12. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Iranischer Personalausweis

?        Iranischer Führerschein

?        Medizinische Ausweiskarte aus dem Iran

?        Kursanmeldebestätigung, Zeitbestätigung und Mitteilung der Kurseinstufung des ÖIF

?        Bestätigungsschreiben von Oasis

?        Iranische Bestätigung über die Ableistung des Militärdienstes

?        Iranische Heiratsurkunde

?        Iranisches Diplom über den Studienabschluss samt iranischer Lizenz zur Ausübung des Arztberufes

?        Terminkarte des ÖIF betreffend Integrationsmaßnahmen

?        Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 des ÖIF, samt Kursbesuchsbestätigung

?        Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF

?        Bestätigung über die Durchführung gemeinnütziger Tätigkeiten

?        Zahlreiche Referenz- und Unterstützungsschreiben

?        Bilder der Taufe des BF

?        Ausbildungsauftrag einer Fahrschule

?        Verschiebung der Prüfung des Deutschkurses A2 aufgrund der Corona-Krise

?        Arztbrief mit Therapievorschlag der depressiven Episoden

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1.    Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1.    Zur Person des BF wird festgestellt:

2.1.1. Der BF, dessen Identität durch die Vorlage eines unbedenklichen Personaldokumentes abschließend geklärt werden konnte, ist Staatsangehöriger des Iran. Der BF ist verheiratet und hat zwei volljährige Kinder, die mit ihm zusammen nach Österreich mitgekommen sind. Er ist gesund und leidet im Entscheidungszeitpunkt an keinen schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der BF befindet sich zwar wegen psychischer Probleme (depressive Episoden) in ärztlicher Behandlung, jedoch beschränkt sich die gegenwärtige Therapie nur auf die tägliche Einnahme von einer Tablette eines Medikaments. Er verfügt mit seiner Ehefrau und zahlreichen Geschwistern über soziale Anknüpfungspunkte im Iran; er steht mit diesen nicht in Kontakt.

Der BF hat zwölf Jahre die Schule besucht und ist sieben Jahre auf der Universität gewesen. Er hat den Militärdienst absolviert und seinen Unterhalt durch seine Tätigkeit als Allgemeinmediziner bestritten. Er lebte vor seiner Ausreise zusammen mit seiner Familie in einer Wohnung.

2.1.2. Der BF reiste illegal aus dem Iran in die Türkei aus. In das österreichische Bundesgebiet reiste der BF ebenfalls illegal ein und stellte am 09.05.2019 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann festgestellt werden, dass der BF im Iran keinen Kontakt zum Christentum gehabt hat, er dort nicht in eine Hauskirche gegangen und dort nicht zum christlichen Glauben konvertiert ist. Der BF wird infolgedessen auch nicht von den iranischen Behörden verfolgt.

Der BF wurde in Österreich getauft und ist in einer kirchlichen Gemeinde aktiv. Es kann festgestellt werden, dass sich der BF mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt hat. Jedoch hat sich der BF nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt und ist dieser Glaube für den BF nicht identitätsstiftend. Bei der behaupteten Konversion des BF handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es wird festgestellt, dass der BF im Falle der Rückkehr in den Iran weder in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde noch als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des BF in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.1.3. In Österreich hat der BF mit seinen beiden volljährigen Kindern Familienangehörige. Diese sind ebenfalls Asylwerber und erhalten mit dem BF zeitgleich eine gleichlautende Entscheidung im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Eine weitere Bezugsperson in Österreich ist die Mutter seiner volljährigen Kinder, von der der BF geschieden ist.

Der BF ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht seit seiner Ankunft in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Der BF verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Der BF spricht kaum Deutsch. Er hat neben Sprachkursen auch an integrativen Maßnahmen teilgenommen.

Der BF ist in einer christlichen Gemeinde aktiv. Über diese hat im Bundesgebiet im Zuge seines Aufenthaltes einige Freundschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Insgesamt ist – insbesondere unter der Betrachtung der Aufenthaltsdauer des BF – davon auszugehen, dass die privaten Interessen des BF, die öffentlichen Interessen nicht überwiegen.

2.2.Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA

.

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day” am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH. Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende

war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr

zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani.

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkonten. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität. die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen. deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten. können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei. die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK). die aus Belutschistan stammende Jundallah. und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK). die eng mit ihrer Schwesterorganisation. der PKK. zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI. Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 12.2018) und hat einen bewaffneten Flügel.
Auch die Volksmudschahedin (MEK. MKO. PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle. dass sie noch nie davon gehört hätte. dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau. wie z.B. dem Verteilen von Flyern. angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quellen schon möglich. dass man inhaftiert wird. wenn man mit politischem Material. oder beim Anbringen von politisc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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