TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W211 2115179-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W211 2115179-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass er zu lauten hat:

„Der Ihnen mit Erkenntnis vom 27.01.2016, Zahl W206 2115179-1/7E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF von Amts wegen aberkannt.“

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II.- IV. wird als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia unzulässig ist.

IV. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI.-VIII, wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt VIII. zu lauten hat:

- auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem somalischen Staatsangehörigen, wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 27.01.2016, Zl. W206 2115179-1/7E, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Österreich zuerkannt. Die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten wurde mit demselben Erkenntnis als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 27.01.2019 verlängert.

2. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Mit Bescheid der BH XXXX erging am XXXX 2018 ein Waffenverbot gegen den Beschwerdeführer.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 25.01.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass sich Anhaltspunkte ergeben hätten, dass ein Aberkennungsgrund des subsidiären Schutzes gesetzt worden sei, da sich die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nachhaltig geändert habe. Dem Beschwerdeführer wurde ein Fragebogen und Länderinformation zu Somalia zugeschickt.

Der Beschwerdeführer brachte dazu am 13.02.2019 eine schriftliche Stellungnahme ein und legte zwei Deutschkursbestätigungen aus 2015 und 2016 vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 27.01.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde abgewiesen (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Folgende Feststellungen wurden dem Bescheid im Wesentlichen zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer stamme aus Somalia, spreche die Sprache und gehöre der Volksgruppe der Sheikhal an. Er habe acht Jahre die Schule besucht und seinen Lebensunterhalt mit seinem eigenen Lebensmittelgeschäft in Mogadischu verdient. Der Aufenthaltsort der Kernfamilie sei in Mogadischu. Eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit könne nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer sei in Österreich straffällig geworden. Es werde festgestellt, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, nicht mehr vorliegen würden. Die Situation im Heimatstaat habe sich nachhaltig geändert. Festgestellt werde weiter, dass ein Eingriff in das schützenswerte Privatleben des Beschwerdeführers verhältnismäßig sei und ein schützenswertes Familienleben nicht vorliege.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt weiter aus, dass dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz gewährt worden sei, weil von einer realen Gefahr einer Bedrohung aufgrund der damaligen Lage in Somalia (andauernde bewaffnete Konflikte, anhaltende Unsicherheit, Dürrekatastrophe und Verschlechterung der Ernährungssicherheit) ausgegangen worden sei. Die allgemeine Lage in Somalia habe sich in weiten Teilen des Landes, vor allem in Mogadischu, nachhaltig gebessert. Die Dürresituation sei seit Längerem überwunden, und die Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet. Der Beschwerdeführer stamme aus Mogadischu bzw. sei dort wohnhaft gewesen. Seine Familie lebe gegenwärtig dort. Hinsichtlich der allgemeinen Sicherheit werde festgehalten, dass vor allem größere Städte in Süd- und Zentralsomalia von AMISOM Truppen gehalten würden.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesamt soweit wesentlich aus, dass sich die gegenwärtige Lage in Mogadischu, verglichen mit jener Zeit zum Zeitpunkt der Schutzgewährung, eindeutig als besser darstelle. Es gebe in Mogadischu offenkundig Sicherheitskräfte. Auch habe sich die Lage bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit insgesamt verbessert. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Mogadischu über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Im Rahmen der Prüfung einer Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass ein Familienleben in Österreich nicht bestehe. Während der Beschwerdeführer bereits seit 2014 in Österreich sei und seit 2016 eine Aufenthaltsberechtigung und zwischen 2016 und 2019 gearbeitet habe, stelle das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Rechtsprinzipien Österreichs dar. Weiter würde diese Verurteilung das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indizieren, weshalb ein Einreiseverbot zu erlassen sei.

5. Mit Schriftsatz vom 26.03.2019 erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des Bescheides und brachte darin im Wesentlichen vor, dass keine dauerhafte und erheblich bessere Lageänderung in Somalia stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer halte sich seit 2014 in Österreich auf. Das Einreiseverbot stehe in keinem Verhältnis zur begangenen Tat des Beschwerdeführers.

6. Für schließlich XXXX .2020 wurden der Beschwerdeführer, seine Vertretung, das Bundesamt und eine Dolmetscherin für Somali zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG geladen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Situation in Somalia, die Verurteilung des Beschwerdeführers und sein Leben in Österreich wie auch Umstände in Somalia erörtert.

Die Vertretung des Beschwerdeführers gab eine schriftliche Stellungnahme ab; das Bundesamt brachte keine schriftliche Stellungnahme mehr ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 AsylG:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 27.01.2016, W206 2115179-1/7E, der Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen der in Süd- bzw. Zentralsomalia herrschenden schlechten Sicherheits- und Menschenrechtslage zuerkannt. So konnte seitens des BVwG nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines niedrigen Bildungsniveaus angesichts der schlechten Arbeitsmarktbedingungen die Schaffung bzw. die Erhaltung einer Existenzgrundlage unmöglich wäre. Hinzu kam die schlechte Sicherheitslage. Die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde zuletzt mit Bescheid vom 18.01.2017 verlängert. Diese Entscheidungen sind rechtskräftig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die Lage in Somalia in Bezug auf Stabilität und Sicherheit wesentlich und nachhaltig gebessert hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer davon wesentlich weniger intensiv betroffen wäre, als mit Entscheidung des BVwG bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2016 bzw. 18.01.2017 festgestellt.

Die Mutter, drei Brüder und eine Schwester leben in Hargaysa. Die Ehefrau und die beiden Kinder des Beschwerdeführers leben in einem Flüchtlingslager in Äthiopien. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Mutter gelegentlich und mit seiner Frau regelmäßig Kontakt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Clan ausreichenden Schutz und Hilfe zu erwarten hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr ein leistungsfähiges soziales Netz vorfinden würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich aus sonstigen Gründen die Lage in Somalia dahingehend wesentlich und nachhaltig gebessert hat, sodass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein würde, sich einen notdürftigsten Lebensunterhalt zu verschaffen.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist somit weder im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers noch in Bezug auf die allgemeine Lage in Somalia eingetreten.

1.2. Zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG:

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2018, XXXX , wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer Zahlung an den Privatbeteiligten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am XXXX .2017 gemeinsam mit vier anderen unter Verwendung einer Waffe dem Opfer 350 € an Bargeld wegnahm, indem er gemeinsam mit den anderen Mittätern auf das Opfer einschlug, wobei zwei Mittäter dem Opfer mit Flaschen auf den Kopf schlugen. Dabei erlitt das Opfer Schnittverletzungen an der rechten Wange und am Nasensteg, multiple oberflächliche Hautverletzungen des Gesichts und ein Kopfschwartenhämatom der Stirn. Die Verletzungen wurden auf solche Weise zugefügt, dass sie mit Lebensgefahr verbunden waren, auch wenn es sich medizinisch um eine leichte Körperverletzung gehandelt hat. Der Beschwerdeführer leistete durch die Wegnahme der Geldtasche einen Tatbeitrag. Die Täter flohen dann vom Tatort. Der Beschwerdeführer bestritt im Strafverfahren die Tat vehement und gab in Bezug auf die an der Hosentasche des Opfers festgestellten DNA-Spuren an, diese würden von seinem Hemd stammen, das ein Mittäter ausgeliehen hätte. Nach den Aussagen des Sachverständigen war eine solche Spurenübertragung als höchst unwahrscheinliche Variante einzustufen. Im Zusammenhang mit der Strafbemessung wurde beim Beschwerdeführer seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd, die Begehung mit Mittätern als erschwerend gewertet. Eine bedingte Nachsicht der Strafe kam bereits wegen der Höhe der Strafe nicht in Frage. Auch wenn der Beschwerdeführer bislang einen ordentlichen Lebenswandel aufwies, so war angesichts seiner sozialen Verhältnisse die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er sich künftig straffrei verhalten würde, nicht im entsprechenden Ausmaß gegeben.

Der Beschwerdeführer hielt sich vom XXXX 2018 bis XXXX 2018 in Untersuchungshaft und ab XXXX .2018 bis XXXX 2020 in Strafhaft auf.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes der Besitz von Waffen und Munition verboten.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen von Bewährungshilfe betreut und nahm die diesbezüglichen Termine bis zur Covid-19 Krise verlässlich wahr. Der Beschwerdeführer wurde wegen seiner Verhaftung und Verurteilung von seiner Arbeitsstelle in einem Hotel am XXXX .2018 entlassen. Seit XXXX .2020 ist er nunmehr bei einer McDonalds-Filiale beschäftigt, wobei er seit Mitte Mai 2020 – nach der Covid 19 – Unterbrechung – dort wieder arbeitet.

1.3. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein somalischer Staatsangehöriger, der dem Clan der Sheikhal angehört. Er wurde in XXXX in Äthiopien geboren, lebte später acht Jahre in der Nähe von Hargaysa, bevor er 2008 nach Mogadischu zog. Der Beschwerdeführer stellte am 27.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Ihm wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 27.01.2016 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Die Ehefrau und zwei Kinder des Beschwerdeführers leben in einem Flüchtlingslager in Äthiopien. Seine Mutter, drei Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers leben in Hargaysa. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Frau öfters, und mit seiner Mutter manchmal in Kontakt. Die Mutter des Beschwerdeführers verkauft zur Zeit Jausen, um sich einen Lebensunterhalt zu verdienen.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen und zur Zeit auch keine engen sozialen Kontakte. Der Beschwerdeführer spricht bereits sehr gut Deutsch und kann auch Englisch. Er schloss in Österreich keine Schulbildung ab. Er arbeitete in einem Hotel als Abwäscher und Küchenhilfe und nunmehr in einem McDonalds Restaurant. Er spielt außerhalb eines Vereins Fußball und läuft gerne.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen unter 1.1.:

Dass bzw. aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des BVwG vom 27.01.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, und dass es am 18.01.2017 den letzten Verlängerungsbescheid gab, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt (vgl. AS 269ff und 333ff).

Dass diese beiden Entscheidungen rechtskräftig wurden, ergibt sich daraus, dass keine Partei gegen sie ein Rechtsmittel erhoben hat.

Dass nicht festgestellt werden kann, dass sich die Lage in Somalia in Bezug auf Stabilität und Sicherheit wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der dem Verlängerungsbescheid vom 18.01.2017 und der der aktuellen Entscheidung zugrundeliegenden Länderberichte:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 25.04.2016/ letzte KI vom 20.09.201 (LIB 2016) führt zur Situation in Mogadischu aus wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 24.2.2016). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014, EASO 2.2016). Der Rückzug der formalen Präsenz der al Shabaab aus Mogadischu ist dauerhaft. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es gibt in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015), auch wenn einzelne Clans angeblich noch in der Lage sein sollen, Angriffe führen zu können (EASO 2.2016).

In Mogadischu gibt es eine Präsenz von AMISOM, somalischer Armee und Polizei, sowie des Geheimdienstes NISA. Die Stadt ist generell sicher, auch wenn sie von al Shabaab bedroht wird (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015). Es besteht keine Angst mehr, dass in Mogadischu wieder Bürgerkrieg herrschen könnte. Seit 2011 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt sehr verbessert. Die größte Gefahr geht heute von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür sind die Regierung und die internationale Gemeinde (LI 1.4.2016). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014). Die Stadtbewohner sind normalerweise nur dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (LI 1.4.2016). Jeder Stadtbürger kann sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al Shabaab erkennbar sind (UKUT 3.10.2014). EASO listet als angegriffene Ziel von Sprengstoffanschlägen der al Shabaab vor allem Hotels (YSL Hotel, Central Hotel, Maka al-Mukarama Hotel, Jazeera Palace Hotel, Sahafi Hotel), Restaurants, Regierungseinrichtungen und -Konvois, Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM (EASO 2.2016).

Die Halbjahre 2/2014 und 1/2015 lassen bei sicherheitsrelevanten Zwischenfällen einen Abwärtstrend erkennen, trotzdem gibt es noch wöchentlich Angriffe (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016).

Der vor einigen Jahren noch gefürchtete Artillerie- und Mörserbeschuss ist drastisch zurückgegangen. In den ersten drei Quartalen 2015 kam es zu vier Feuerüberfällen auf Wardhiigleey, Xamar Weyne, Hodan, Dayniile, und das Küstengebiet von Wadajir. Lediglich letzterer war von mehr als zwei Granaten begleitet. Insgesamt scheint es für AS einerseits sehr schwierig geworden zu sein, Artillerie entsprechend einzusetzen. Andererseits scheint die Strategie von AS derzeit auch das Geringhalten von Kollateralschäden zu beinhalten (BFA 10.2015).

Handgranatenanschläge sind fast gänzlich aus der Strategie der al Shabaab ausgeschieden. Im Zeitraum Q1 2013 – Q1 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an Handgranatenanschlägen pro Quartal noch 86; in den Quartalen Q2 2014 – Q3 2015 ist diese Zahl auf unter 15 eingebrochen. Auch die Zahlen an gezielten Attentaten und Sprengstoffanschlägen sind – vor allem im Jahr 2015 – rückläufig. Im Zeitraum Q1 2013 – Q4 2014 betrug die durchschnittliche Anzahl an gezielten Attentaten 52; an Sprengstoffanschlägen 27. Vergleichsweise fallen die Zahlen in den ersten drei Quartalen 2015 geringer aus (46 und 19) – und dies, obwohl der Ramadan schon stattgefunden hat (BFA 10.2015).

Insgesamt sind die Zahlen terroristischer Aktivitäten seit einer Spitze im Q3 2013 nachhaltig eingebrochen und liegen im Jahr 2015 bei nur noch einem Drittel der Zahl. Hingegen scheint die Strategie der al Shabaab zunehmend bewaffnete Zusammenstöße als bevorzugtes Mittel zu umfassen. Betrug die Zahl der Scharmützel in den Quartalen des Jahres 2013 noch durchschnittlich 22, so stieg die Zahl im Jahr 2014 auf 36, im Jahr 2015 sogar weiter auf 44 (BFA 10.2015).

Bei der Zusammenfassung terroristischer Aktivitäten (Artillerie- und Mörserbeschuss; gezielte Attentate; Sprengstoff- und Handgranatenanschläge) im ersten Halbjahr 2015 zeigt sich, dass mehrere Bezirke massiv betroffen sind. Dies gilt für Yaqshiid, Wardhiigleey, Hawl Wadaag, Hodan, Dharkenley und Wadajir. Mäßig betroffen sind Heliwaa, Dayniile, Xamar Jabjab und Waaberi; kaum betroffen sind Karaan, Shibis, Boondheere, Xamar Weyne und die Peripherie. Aus Cabdulcasiis und Shangaani wurden keinerlei Aktivitäten vermerkt (BFA 10.2015).

In Mogadischu sind die Zahlen an terroristischen Aktivitäten und auch die Gesamtzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen innerhalb der vergangenen vier Quartale zurückgegangen. Gleichzeitig bleibt aber die Zahl bewaffneter Auseinandersetzungen mit al Shabaab konstant hoch. Während terroristische Aktivitäten relativ flächendeckend über das Stadtgebiet verstreut vorkommen, konzentrieren sich bewaffnete Zusammenstöße in einer kleinen, übersichtlichen Anzahl an Bezirken (BFA 10.2015).

Im Vergleich zu den Zahlen anderer Städte in Süd/Zentralsomalia kann festgestellt werden, dass die Situation in den o.g. mäßig, kaum oder gar nicht betroffenen Bezirken von Mogadischu wesentlich besser ist, als beispielsweise in Afgooye, Merka, Baidoa oder Kismayo. Dahingegen liegen etwa Yaqshiid, Hodan und Hawl Wadaag durchaus an der Spitze der landesweiten Skala terroristischer Gewalt. Werden noch die Zahlen bewaffneter Zusammenstöße hinzugezählt, müssen Yaqshiid, Hodan und Heliwaa vermutlich als gewaltsamste Orte Somalias bezeichnet werden. Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass al Shabaab in der Lage ist, fast im gesamten Stadtgebiet von Mogadischu terroristische Taten zu begehen (BFA 10.2015). Die Zahl der Angriffe ging insgesamt also zurück und diese richten sich vor allem gegen Repräsentanten der somalischen Regierung und ihre Unterstützer (LI 1.4.2016).

(BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016)

Es ist zu erkennen, dass al Shabaab nach wie vor in der Lage ist, über die Peripherie in Randbezirke von Mogadischu einzudringen. In militärischer Hinsicht betrifft dies Dayniile, Heliwaa, sowie Teile von Karaan, Yaqshiid und Dharkenley. Außerdem kann der Einfluss von al Shabaab in der Nacht in den schraffierten Gebieten größer werden. Die restlichen Teile von Mogadischu sind für al Shabaab vor allem auf zwei Arten erreichbar: Erstens in Form verdeckter Akteure; und zweitens in Form von großangelegten Operationen von Spezialeinheiten – sogenannte komplexe Anschläge (welche sowohl Selbstmordattentäter und ferngezündete Sprengsätze als auch eine größere Zahl an nachstoßenden Kämpfern beinhalten). Insgesamt ist jedenfalls feststellbar, dass al Shabaab in den oben blau markierten Teilen der somalischen Hauptstadt mangels permanent anwesender, sichtbarer Kampfeinheiten nur geringer Einfluss zugesprochen werden, wiewohl die Anwesenheit verdeckter Elemente und die Durchführung terroristischer Aktivitäten das Leben der Bewohner beeinflussen (BFA 10.2015).“

Demgegenüber stellt sich die Situation in Mogadischu nach dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019 (LIB 2019) dar wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vgl. BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurück erlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).

Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f). Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Abs.16). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und –Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Abs.12). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Abs.12). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vgl. AJ 25.7.2019).

Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).

Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).

Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).

2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).

Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „violence against civilians“). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

 

Vorfälle (mit Todesopfern) - gesamt

BENADIR/MOGADISCHU

2013

2014

2015

2016

2017

2018

 

Anzahl Vorfälle / Opferzahl (1/>1)

 

1

>1

1

>1

1

>1

1

>1

1

>1

1

>1

Boondheere

-

-

7

2

-

1

5

3

3

2

8

2

Cabdulcasiis

-

-

1

1

2

-

1

6

1

-

4

-

Dayniile

20

15

13

2

8

3

9

3

25

11

29

23

Dharkenley

20

4

19

4

25

5

25

7

41

6

43

7

Hawl Wadaag

35

18

19

6

26

4

9

4

15

5

52

20

Heliwaa

47

10

35

11

7

7

10

13

25

-

28

12

Hodan

38

14

49

12

22

16

24

14

40

15

47

25

Karaan

5

3

10

3

2

1

5

1

9

3

13

6

Shangaani

-

-

-

-

-

1

1

-

-

1

-

1

Shibis

3

-

4

2

3

1

6

1

4

1

6

2

Waaberi

9

-

4

1

8

4

12

4

19

2

21

2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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