Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M in Wien, vertreten durch Dr. Ronald Rast und Dr. Christian Werner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Lugeck 1/5/17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. November 1994, Zl. SD 822/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei in den Jahren 1990 und 1991 wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie am 31. März 1993 vom Bezirksgericht Hernals wegen unbefugten Waffenbesitzes jeweils zu Geldstrafen und zuletzt am 25. Jänner 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten, siebzehn Monate davon bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden. Damit lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG in zweifacher Hinsicht vor, da der Beschwerdeführer nicht nur mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen (fahrlässige Körperverletzung) verurteilt worden, sondern darüber hinaus auch das in der genannten Gesetzesstelle normierte Strafausmaß bei der letzten Verurteilung erheblich überschritten worden sei. Das den gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.
Im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalte, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und mit dieser sowie mit seinen beiden Kindern in Österreich lebe, sei ohne jeden Zweifel davon auszugehen, daß das vorliegende Aufenthaltsverbot einen nicht unbeträchtlichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Dessen ungeachtet sei aber die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten und daher zulässig. Immerhin sei dem Beschwerdeführer zuletzt das Verbrechen der gewerbsmäßigen Hehlerei zur Last gelegen, wobei er gemeinsam mit anderen Mittätern daran beteiligt gewesen sei, gestohle Kraftfahrzeuge ins Ausland zu verschieben. Da gerade an der Verhinderung dieser Form der Eigentumskriminalität ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe, sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer, insbesondere zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer dringend geboten sei. Die vom Gericht teilweise ausgesprochene Strafnachsicht könne an der Zulässigkeit der fremdenpolizeilichen Maßnahme im Grunde des § 19 FrG nichts ändern. Denn abgesehen davon, daß dieser Umstand keinesfalls Garantie für künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers sein könne, habe die belangte Behörde die Frage der Erforderlichkeit des Aufenthaltsverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen gehabt und sei somit nicht an die Erwägungen des Gerichtes, die Strafe (teil)bedingt nachzusehen, gebunden gewesen.
Angesichts des gegebenen Sachverhalts und in Anbetracht der eine krasse Mißachtung des Eigentums anderer Menschen zum Ausdruck bringenden Straftaten des Beschwerdeführers, die eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit begründeten, sei auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagen. Wenngleich die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen negativen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als beträchtlich zu werten gewesen seien, wögen sie keinesfalls schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. §§ 19 und 20 FrG stünden somit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde notwendig, um den Beschwerdeführer dahin zu bringen, daß er die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten habe.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte mit Beschluß vom 27. Februar 1995,
B 2786/94, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleiben die Feststellungen der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer (jeweils zu einer Geldstrafe) zweimal wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Hehlerei (zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, 17 Monate davon bedingt auf drei Jahre) verurteilt worden sei, unbestritten. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Auffassung der Behörde, daß im Beschwerdefall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (zweiter und vierter Fall) verwirklicht worden sei, keine Bedenken. Entgegen der Beschwerde ist der Umstand, daß dem Beschwerdeführer nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig begangene Körperverletzungen zur Last gelegt werden, nicht erheblich, da es nach § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vierter Fall lediglich darauf ankommt, daß ein Fremder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; diese besteht im Beschwerdefall darin, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Rechtsgut der körperlichen Integrität mehrmals die erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat (§ 6 StGB).
Die Behörde kam auch zutreffend zu dem Ergebnis, daß im Beschwerdefall die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, bringt doch schon das der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegende strafbare Verhalten eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG) mit sich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0148). Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei an der seiner Verurteilung wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Hehlerei zugrundeliegenden Straftat lediglich in untergeordneter Rolle beteiligt gewesen und habe von Anfang an ein reumütiges Geständnis abgelegt, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Ebenfalls zutreffend hat die Behörde - entgegen der Beschwerde - angenommen, daß sie den Fall des Beschwerdeführers eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und somit unabhängig von Erwägungen, die für das Gericht bezüglich der Strafbemessung ausschlaggebend gewesen sein mögen, zu beurteilen hatte (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 97/18/0333, mwH).
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 FrG.
Er sei seit dem Jahr 1993 mit einer Österreicherin verheiratet, mit der er auch zwei minderjährige Kinder (geboren 1991 und 1993) habe. Den Beschwerdeführer treffe daher auch die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere auch zum gemeinsamen Wohnen sowie weiters die Verpflichtung, seine Familie zu erhalten. Der Beschwerdeführer sei sowohl vor als auch nach seiner Haftentlassung einer "ordnungsgemäßen Arbeit" nachgegangen und befinde sich auch derzeit in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund seines mehr als fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich sowie seiner familiären und beruflichen Bindungen hätte die Behörde jedenfalls von einer "gänzlichen Integration" des Beschwerdeführers und seiner Familie auszugehen gehabt. Durch das Aufenthaltsverbot würde der Familie des Beschwerdeführers auch jegliche Existenzgrundlage entzogen und seine Kinder würden ohne ihren Vater aufwachsen müssen.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Im Hinblick auf seine familiären Bindungen hat die Behörde zutreffend die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie als "nicht unbeträchtlich" bezeichnet. Die Behörde hat aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, daß ein großes, dem Art. 8 Abs. 2 MRK unterstellbares öffentliches Interesse an der Verhinderung jener Form der Eigentumskriminalität (nämlich der Verschiebung gestohlener Kraftfahrzeuge ins Ausland) besteht, derentwegen - unbestritten - der Beschwerdeführer verurteilt wurde (vgl. Punkt I.1.); zu Ungunsten des Beschwerdeführers fällt dabei ins Gewicht, daß diesem gewerbsmäßige Hehlerei zur Last liegt, er das strafbare Verhalten somit in der Absicht verwirklicht hat, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 164 Abs. 4 iVm § 70 StGB). Hinzu kommt, daß das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - wie erwähnt (vgl. Punkt I.1.) - zu weiteren gerichtlichen Verurteilungen wegen anderer Delikte geführt hat, wodurch das maßgebliche öffentliche Interesse an der in Rede stehenden fremdenpolizeilichen Maßnahme noch verstärkt wird.
Der Beschwerdeführer kann im übrigen seiner Verpflichtung zum Unterhalt gegenüber seiner Familie - wenn auch möglicherweise eingeschränkt - auch vom Ausland aus nachkommen (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0140, mwH). Daß der Beschwerdeführer wegen des Aufenthaltsverbotes nicht mehr mit seiner Familie in Österreich zusammenleben kann, muß er angesichts des genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses in Kauf nehmen; allerdings kann der Beschwerdeführer den Kontakt mit seiner Familie, insbesondere seinen beiden Kindern, dadurch aufrecht erhalten, daß er im Ausland von seiner Familie besucht oder dorthin begleitet wird (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 96/18/0020).
Wenn die Behörde angesichts dessen die Auffassung vertreten hat, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grunde des § 19 FrG dringend geboten sei und die negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme (§ 20 Abs. 1 leg. cit.), ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.
3.1. Gegen die verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes bringt die Beschwerde "vorsichtshalber" vor, daß diese mit zehn Jahren "jedenfalls zu lang bemessen" und auch geeignet sei, den Beschwerdeführer gegenüber seiner Familie - insbesondere seinen Kindern - völlig zu entfremden.
3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Mit der Behauptung, die Dauer sei jedenfalls zu lang bemessen, bringt die Beschwerde keine auf den vorliegenden Fall bezogenen konkreten Umstände vor, die im Grunde der maßgeblichen Bestimmung des § 21 Abs. 2 FrG - wonach bei der Festsetzung der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen ist - eine kürzere Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes verlangen würden. Mit dem auf die Beziehung zu seiner Familie gerichteten Vorbringens ist der Beschwerdeführer auf die Ausführungen unter Punkt II.2.2. bezüglich der Möglichkeit, den Kontakt mit seiner Familie aufrecht zuerhalten, zu verweisen.
4. Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt daher erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt; die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995180561.X00Im RIS seit
20.11.2000